Profilbild von skiaddict7

skiaddict7

Lesejury Star
offline

skiaddict7 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit skiaddict7 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.07.2019

Freundschaft fürs Leben im "Hollow Land"

Bell und Harry
0

Harry ist noch ein kleiner Junge, als seine Eltern beschließen, das geschäftige Treiben in London für den Sommer zu verlassen und nach Yorkshire zu fahren. Dort gibt es nur Moor, Hügel und ein paar Farmen ...

Harry ist noch ein kleiner Junge, als seine Eltern beschließen, das geschäftige Treiben in London für den Sommer zu verlassen und nach Yorkshire zu fahren. Dort gibt es nur Moor, Hügel und ein paar Farmen mit Schafen und einzelnen Kühen. Die Hügel sind von ehemaligen Minen durchlöchert, weshalb der Ort auch hollow land genannt wird. Schnell entwickelt sich zwischen Harry und Bell, dem jüngsten Sohn der Vermieter, eine enge Freundschaft, die das ganze Leben anhalten wird. Sommer für Sommer treffen sich die Familien in Yorkshire und erleben so einige Abenteuer.

Gardam schreibt wunderschön ruhig und poetisch. Das Buch ist überwiegend aus der Sicht von Bell geschrieben, in einer eher kindlichen Sprache aber auch mit einem gewissen Witz und Zynismus, so dass ich häufig über Bells Gedankengänge schmunzeln musste. Jedes Kapitel scheint in einem anderen Sommer zu spielen, und die Jungs erleben so einiges. Gardam schreibt über bedingungslose Freundschaft und Liebe, über das Leben am Land, und über Beziehungen. Ein Wohlfühlroman den ich gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 08.07.2019

Erschütterndes Zeugnis

Die Nickel Boys
0

«Werft uns ins Gefängnis, und wir lieben euch trotzdem (. . .) Aber seid gewiss, dass wir euch durch unsere Leidensfähigkeit zermürben und eines Tages unsere Freiheit erlangen werden.» (Martin Luther King ...

«Werft uns ins Gefängnis, und wir lieben euch trotzdem (. . .) Aber seid gewiss, dass wir euch durch unsere Leidensfähigkeit zermürben und eines Tages unsere Freiheit erlangen werden.» (Martin Luther King Jr.)

Elwood Curtis, ein schwarzer Jugendlicher, wächst relativ behütet im Florida der 1960er Jahre auf. Wissbegierig, fleißig, verlässlich und seriös arbeitet Elwood an seiner Zukunft. Heimlich ist er begeistert von den Reden Martin Luther Kings und träumt vom Ende der Rassentrennung. Durch harte Arbeit erhält er schließlich mit nur 16 Jahren ein Stipendium für Kurse am nahe gelegenen College. Er macht sich per Anhalter auf den Weg zum College, und da passiert es: er wird festgenommen, da er in ein gestohlenes Auto eingestiegen ist. Die Behörden machen mit Elwood kurzen Prozess: er landet in der "Nickel Academy", einer Besserunganstalt für Jungen in Florida, wo die Jungen missbraucht und ausgenutzt werden. Vor allem die schwarzen Jungen scheinen besonders zu leiden. Im "weissen Haus" werden die, die aus der Reihe tanzen, gezüchtigt - ein Ledergürtel saust wieder und wieder auf sie nieder, sie werden geschlagen oder sexuell missbraucht, teilweise bis zum Tod.

Basierend auf einer wahren Begebenheit, dem Missbrauch hunderter Jungen (vor allem Afroamerikaner) in der
Arthur G. Dozier School for Boys,
hat Whitehead es mal wieder geschafft, mich völlig in seinen Bann zu ziehen. Whitehead beschreibt nüchtern und unaufgeregt die furchtbaren Ereignisse, die sich so ähnlich tatsächlich bis vor wenigen Jahren zugetragen haben. Elwood ist ein wirklich sympathischer Protagonist, mit dem man bis zum Schluss hofft und von einer besseren Zukunft träumt - bis Whitehead den Leser am Ende mit einer überraschenden und berührenden Wende schockiert. Ein sehr wichtiges und berührendes Buch, das jeder lesen sollte.

Veröffentlicht am 22.04.2019

Ein außerordentliches Debüt

Worauf wir hoffen
0

Hadia, Huda und Amar wachsen als Kinder indischer Einwanderer in Südkalifornien auf. Das Buch beginnt mit Hadias Hochzeit. Sie heiratet einen Mann, den sie sich selbst ausgesucht hat. Hier treffen wir ...

Hadia, Huda und Amar wachsen als Kinder indischer Einwanderer in Südkalifornien auf. Das Buch beginnt mit Hadias Hochzeit. Sie heiratet einen Mann, den sie sich selbst ausgesucht hat. Hier treffen wir Amar, der die Familie vor drei Jahren verlassen hat. Was ist vorgefallen? Zahlreiche Rückblicke aus den Blickwinkeln sowohl der Geschwister als auch der Eltern lassen die Geschichte langsam komplett werden.

Fatima Farheen Mirza beschreibt ruhig und außerordentlich genau das Leben muslimischer Immigranten in den USA: der innere Kampf der Kinder, die Religion so zu akzeptieren, wie die Eltern es vor leben; der stete Versuch, bloß nicht als Gefahr wahrgenommen zu werden; der Versuch, die Eltern stolz zu machen und deren Erwartungen zu erfüllen; die Eifersucht unter Geschwistern und der Umgang der Eltern mit den eigenen Kindern. Behutsam, genau, wunderschön und mit einer traurigen Note beschreibt die Autorin diese mir so fremde Welt. Ein Buch über Familie, die Liebe zwischen Geschwistern und die Liebe der Eltern zu ihren Kindern. Obwohl mir die Welt der Muslime zu wenig vertraut ist, sind die Prinzipien doch universell. Ich habe dieses Buch geliebt und war traurig, als es zu Ende war. Ein großartiges Debüt, das auf viele weitere Romane der Autorin hoffen lässt.

Veröffentlicht am 07.04.2019

Eine unglaubliche, poetisch erzählte Geschichte - ein Meisterwerk

Niemals ohne sie
0

“In dieser Familie ging es nie darum, glücklich zu sein. Also kann man sich auch nicht beschweren, dass wir es nicht geschafft haben.”

Die Cardinals sind wie niemand sonst: eine Großfamilie mit 21 Kindern, ...

“In dieser Familie ging es nie darum, glücklich zu sein. Also kann man sich auch nicht beschweren, dass wir es nicht geschafft haben.”

Die Cardinals sind wie niemand sonst: eine Großfamilie mit 21 Kindern, welche in Norco im französischsprachigen Teil Kanadas aufwachsen. Norco ist eine Minenstadt. Hier wird Erz abgebaut, und die ganze Stadt existiert nur wegen der Mine. Der Vater hat die Mine ursprünglich entdeckt, trotzdem blieb das erwartete Geld aus. Und so leben die Cardinals arm aber glücklich in den Tag hinein, immer auf der Suche nach einer weiteren Erz- oder sonstigen Ader. Der Vater scheint nur für den Bergbau zu leben, die Mutter ist mit ihren vielen Aufgaben sehr beschäftigt und meist in der Küche, und so scheinen die älteren Kinder die jüngeren zu erziehen.

30 Jahre später findet zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Familientreffen statt. Der inzwischen über 80-jährige Vater soll eine Auszeichnung bekommen. Hierzu finden sich alle Kinder sowie die Eltern in einem Hotel ein. Doch wieso hat es die Familie ursprünglich in alle Himmelsrichtungen zerstreut? Welches Geheimnis verschweigen sie?

Es hat mich ein bisschen Zeit gekostet, um in das Buch hineinzufinden. Dann jedoch hat es mich nicht mehr losgelassen. Saucier beschreibt wunderbar poetisch, unaufgeregt wie auch realistisch die Geschichte einer Großfamilie mit 21 Kindern in einem Bergbaudorf in Kanada. Jedes Kapitel wird aus der Perspektive eines anderen Kindes erzählt. Die Autorin ist eine wunderbare Erzählerin. Ihre Charaktere sind vielschichtig und stark, jeder der Protagonisten auf seine eigene Art. Im Leben dieser Familie gibt es unglaublich viel Liebe, aber auch unglaublich viel Leid. Die Geschichte zog mich völlig in seinen Bann, ein wahres Meisterwerk!

Veröffentlicht am 06.04.2019

Ein großartiges Debüt, das mich fast sprachlos zurück lässt.

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche
0

"Nach einem Leben als Verkörperung des Unterschieds habe ich nicht das Bedürfnis, gleich zu sein. Ich will die strukturelle Macht eines Systems brechen, das mich als anders gekennzeichnet hat. Ich möchte ...

"Nach einem Leben als Verkörperung des Unterschieds habe ich nicht das Bedürfnis, gleich zu sein. Ich will die strukturelle Macht eines Systems brechen, das mich als anders gekennzeichnet hat. Ich möchte mich nicht an den Status quo assimilieren. Ich möchte von allen negativen Unterstellungen befreit werden, die meine Charakteristika mit sich bringen. Nicht mir fällt die Bürde zu, mich zu verändern. Die Welt um mich herum soll sich ändern."

Dieses Buch wurde in den letzten Monaten und Jahren sehr gehypet, sodass ich beschlossen habe, die deutsche Übersetzung zu lesen. Als erstes muss ich festhalten dass der Titel sehr irreführend ist, denn dieses Buch ist nicht nur für Schwarze oder Farbige, sondern sehr wohl auch für weisse bzw schlicht für alle Menschen dieser Erde geschrieben.

Dieses Buch hat mich sehr beeindruckt und lässt mich fast sprachlos zurück. Jeder dem soziale Gerechtigkeit, seine Mitmenschen und unsere Gesellschaft wichtig ist, sollte dieses Buch lesen. Eddo-Lodge fasst die Geschichte von Sklaverei und Rassismus in Großbritannien auf spannende und faszinierende Weise zusammen. Sie erklärt white privilege, die Angst vor der Übernahme der Schwarzen, weißen Feminismus, soziale Klassen im heutigen Großbritannien und den Zusammenhang zur Hautfarbe, und schlussendlich was wir alle tun können. Schön fand ich auch noch den Anhang, in dem sie beschreibt wie Leute seit dem Erscheinen des Buches auf sie zugekommen sind.

Eddo-Lodge hat einen wundervoll fließenden Schreibstil, der nie langweilig wird und mich oft daran gehindert hat, das Buch wegzulegen. Besonders der Teil über Feminismus war sehr erleuchten. Ein sehr wichtiges Buch, das ich jedem empfehlen möchte.