Mental Health Bücher sind für mich ein wichtiges, zugleich aber auch sehr schwieriges Thema. Einerseits wünscht man sich für psychische Erkrankungen endlich mehr Aufmerksamkeit, mehr Aufklärung, mehr Verständnis von außen, andererseits sind die Bücher für Betroffene aber oft ein Trigger.
Umso mehr begrüße ich es, dass man genau diesen Büchern eine deutliche Warnung verpasst, was im Fall von AUF EINER SKALA VON 1 bis 10 super geglückt ist. Man hat den Trigger nicht versteckt ans Ende der Geschichte gepackt, sondern direkt unter dem Klappentext auf der Rückseite eine Warnung angebracht und das war gut so.
!!! Ich möchte hier auch direkt nochmal eine Warnung aussprechen. Zwar werde ich versuchen nicht zu sehr ins Detail zu gehen, da aber Selbstverletzung und Suizid in diesem Buch zentrale Themen sind, muss ich natürlich auch darauf eingehen !!!
Das Buch begegnete mir zum ersten Mal bereits während der Frankfurter Buchmesse im letzten Jahr, auf der es mir besonders ans Herz gelegt wurde. Nicht nur, weil man weiß, dass ich mich gerne mal mit ernsten Thematiken auseinander setze, sondern in diesem Fall auch eine eigene Geschichte habe. Bereits nach der Vorstellung war mir schon klar, dass dieses Buch für mich ein harter Gang wird, die Warnung hat das noch einmal bestätigt.
Nichtsdestotrotz war mein Interesse natürlich riesengroß und besonders die Tatsache, dass die Autorin selbst mit psychischen Problemen ziemlich großen Ausmaßes zu kämpfen hatte und hat, hat mich natürlich nur noch neugieriger gemacht.
In ihrem Buch arbeitet Ceylan Scott eigene Erfahrungen auf und ich finde, das spürt man auf jeder Seite.
Tamar, ihre Protagonistin, hat ihre Freundin verloren, was sie komplett aus der Spur wirft, denn Tamar war die letzte Person, die Iris gesehen hat, bevor sie starb.
Immer mehr steigert sich Tamar in den Gedanken hinein, dass sie die Freundin umgebracht hat. Dies wiederum führt bei Tamar zu einer psychischen Störung. Sie leidet an Borderline, ritzt sich. Da ist dieses Monster in ihr, das sie antreibt, das von ihren Gedanken und ihren Gefühlen Besitz ergreift und ihr immer wieder einflüstert, dass das alles ganz allein ihre Schuld ist.
Diese permanente Gedankenspirale treibt Tamar zur Verzweiflung und schließlich sogar so weit, dass sie an Suizid denkt.
Ihr Versuch sich selbst zu töten schlägt glücklicherweise fehl, bringt sie aber nach Lime Grove. Eine psychatrische Klinik für Jugendliche.
Und hier beginnt Tamars eigentlicher Kampf, nämlich der aus der Abwärtsspirale, in der sie sich befindet. Und dieser Kampf ist ein sehr langwieriger Prozess. Immer wieder gibt es Rückschläge, immer wieder Kurzschlußhandlungen. Aber irgendwann da wird es schließlich endlich besser.
Ich habe mittlerweile wirklich viele Meinungen zu dem Buch gelesen und immer wieder stieß ich besonders auf Punkte wie: Tamar sei zu distanziert, nicht greifbar, die Geschichte zu nüchtern, die Figuren zu blass. Und ich kann diese Punkte tatsächlich alle sehr gut nachvollziehen, habe sie aber persönlich ganz anders aufgefasst, vielleicht auch deshalb, weil ich eine Therapie selbst schon erlebt habe und jeden Tag mit meinen eigenen Monstern kämpfe.
Die Geschichte hat definitiv einen nüchternen Tonfall, was ich darauf zurückführe, dass sie aus Tamars Sicht erzählt ist, die sich in einem Strudel voller abwertender Gefühle gegen sich selbst befindet. Die Medikamente, die helfen sollen, sich besser zu fühlen, die aber ( wie auch im wahren Leben ) nicht gleich mit der ersten Einnahme anschlagen, sondern sie erstmal runterziehen, tun ihr Übriges. Tamar ist distanziert, weil sie einen völlig distanzierten Blick auf ihr Leben und ihr komplettes Umfeld hat. Es gibt nur dieses Monster, das Besitz von ihr ergriffen hat und von dem sie sich zunächst nicht lösen kann. Weil es einfach Zeit braucht.
Durch diese Situation wirkt auch der Blick auf die anderen Charaktere, die jeder ihr eigenes Päckchen zu tragen haben, etwas entrückt.
Für mich waren all ihre Handlungen tatsächlich komplett authentisch und nachvollziehbar. Es gibt Momente und krasse Stimmungswechsel, in denen sie absolut risikobereit ist und dumme Dinge tut. Es gibt aber auch die verletzliche Tamar, die sich nichts sehnlicher wünscht als gesund zu sein.
Was die Szenen der Selbstverletzung und des versuchten Suizids betrifft, so beschreibt Ceylan Scott diese kurz, heftig, nicht ausschweifend und explizit. Es wird deutlich, das Tamar im Affekt handelt und die Szenen fühlten sich für mich an, als würde man sich schnell ein Pflaster von der Haut ziehen. Sie sind wichtig, weil sie aufrütteln und Tamars Situation noch deutlicher zeigen, aber sie sind nicht so ausführlich beschrieben, dass ich sie gar nicht ertragen konnte.
Auf was man sich hier definitiv einlassen muss, ist, dass das Buch vor allem Tamars Gedanken und Gefühle widerspiegelt. Es ist IHR persönlicher, innerer Kampf und ihr Weg sich gegen ihre Krankheit zu stellen.
Mich hat die Erzählweise und auch die Geschichte ansich komplett überzeugt und sehr mitgenommen und berührt und gerade die Tatsache, dass Ceylan Scott hier nichts beschönigt, hat mir imponiert !
Besonders gut fand ich das Ende, dass deutlich macht, das es zwar ein langer und schwieriger Weg ist, seine Monster in Schach zu halten, dass es aber machbar ist und man die Hoffnung niemals aufgeben sollte, wieder gesund zu werden. Es wird immer wieder Rückschläge geben, aber es wird besser, wenn man für sich selbst kämpft und man ist diesen Kampf immer wert.
Für mich ein absolut wichtiges Buch, das nicht nur Jugendliche sensibilisiert, sondern das sich auch Erwachsene anschauen sollten. Es ist wichtig, das wir uns mit diesen Themen befassen und psychische Krankheiten endlich als das erkennen was sie sind, denn nur weil man sie von außen nicht sehen kann, heißt das nicht, das sie nicht da sind und das man sie unterschätzen und abtun kann !
Leseempfehlung meinerseits (sofern ihr Euch natürlich selbst den Themen gewachsen fühlt !)