Lily und ihre Freunde sind weiterhin auf der Flucht, sie werden gejagt durch die anderen Jägergruppen, kein Versteck scheint sicher genug, immer wieder werden sie aufgespürt und fast scheint es, als hätten sie einen Verräter in ihrer Mitte.
Neben diesen Problemen wird Lily von Alpträumen geplagt, die auf ihre Vergangenheit zu verweisen scheinen, offenbar kehrt ihre Erinnerung langsam wieder, doch Adrian, ihr Schutzengel, ist noch immer nicht bereit, über die Ereignisse zu sprechen, die Lilys Gedächtnislücke auslösten.
Es ist schon etwas her, dass ich den ersten Teil der Trilogie gelesen habe und ich hatte einige Probleme, mich wieder zurecht zu finden, zumal der Roman direkt mit einer Rückblende beginnt, die aber als solche nicht klar zu erkennen ist. Auch viele der Namen konnte ich zunächst nicht zuordnen – hier wäre ein kleiner Rückblick zu Beginn oder ein Glossar, das nicht nur die einzelnen Personen, sondern auch diverse Hintergründe, z. B. zu den einzelnen Wesen oder der speziellen Mythologie der Geschichte, beinhaltet, schön.
Nach einigen Seiten ist man dann aber wieder in der Geschichte angelangt und wird auch schnell gepackt, zum Einen erzählt Juliane Seidel sehr spannend, zum Anderen erhält man schnell die Gelegenheit mitzurätseln, und wer aufmerksam liest, kann das Geheimnis um Lily und Adrian zumindest zum Teil selbst lösen – ich mag es, wenn meine Überlegungen den richtigen Pfad erwischen.
Ich mag auch die Welt, die die Autorin entworfen hat, die verschiedenen Wesen, Werwesen, Vampire, Sidhe, Magier, Schutzengel – vor allem Letztere faszinieren mich. Der für mich interessanteste Charakter, Adrian, ist einer davon. Er ist Lily zugeordnet und anders als die anderen Schutzengel, warum, das wird sich in diesem Roman klären, die Auflösung ist gut gelungen, wie ich finde.
Leider kann die Protagonistin, Lily, selbst am wenigsten bei mir punkten. Schon im ersten Teil der Trilogie war sie mir nicht sehr sympathisch und auch jetzt wieder benimmt sie sich in meinen Augen stellenweise einfach nur schrecklich, sie ist sehr egoistisch und ungeheuer zickig. Gut, dass es neben ihr einige wesentlich interessantere Charaktere gibt. Etwas nervig finde ich die Vierecksbeziehung Lily-Silas-Radu-Adrian, es kommt hier teilweise zu unüberlegtem Verhalten, das ich nicht nachvollziehbar finde, vor allem, wenn sich ein Vampir, der schon viele Jahrzehnte alt ist, wie ein Teenager benimmt. Allerdings entstehen durch diese Konstellation auch ein paar schöne Szenen, die das Herz berühren, ohne dass ich sie als zu kitschig empfand.
Hin und wieder fand ich das Verhalten der Charaktere sehr oberflächlich, offensichtliche Dinge werden nicht thematisiert, manche Überlegung nicht weiterverfolgt, warum wird z. B. nicht darüber gesprochen, wer der Vampir war, der bei Radu angetroffen wurde. Die Gruppe wird verfolgt, aber keiner, auch nicht die erfahrenen Mitglieder, ist sensibel genug, Dinge auch mal zu hinterfragen. Manche Beobachtungen werden einfach nicht angesprochen.
Nichtsdestotrotz hat mich der Roman sehr gut unterhalten und ich bin sehr gespannt auf den Abschlussband der Trilogie, auch wegen des Appetizers am Ende dieses Teils. „Nachtschatten – Ungebrochen“ ist sehr spannend und beantwortet bereits einige Fragen. Mir gefällt dieser Teil besser als der erste, ich freue mich auf die Fortsetzung und spreche gerne eine Empfehlung aus, Urban Fantasy-, aber vor allem Engelfans werden Freude an der Geschichte haben. Von mir gibt es 4 verdiente Sterne.