Von rassigen Pferden, arabischen Nächten, maurischen Schönheiten und spanischem Temperament
Das Lied der PferdeDie Autorin lebt und schreibt in Andalusien, wo sie einen Pferdehof führt. Sie kennt und liebt diese edlen Tiere. Das spürt man beim Lesen. Es begleitet uns eine innige Beziehung zwischen der Protagonistin ...
Die Autorin lebt und schreibt in Andalusien, wo sie einen Pferdehof führt. Sie kennt und liebt diese edlen Tiere. Das spürt man beim Lesen. Es begleitet uns eine innige Beziehung zwischen der Protagonistin und ihrer geliebten Stute Meletay durch die ganze Geschichte, und dennoch ist es kein Pferdebuch, soviel vorab für all jene Pferde-Liebhaber, die den Roman nur deshalb zur Hand nehmen. Ganz im Gegenteil, hier haben wir einen sehr komplexen historischen Roman, der uns von Cöln im Heiligen Römischen Reich des Jahres 1072 bis nach Valencia in Al-Andalus im Jahr 1099 führt. Dazwischen liegen nicht nur 27 Jahre sondern ganze Welten.
Zu Beginn lernen wir die abenteuerlustige Aenlin und ihren zaghaften Bruder Endres kennen. Der Erbe des Cölner Handelshauses kann und will die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllen und so tauschen die Zwillinge kurzerhand die Rollen. An seiner Stelle macht sich Aenlin mit einer Gruppe Kaufleuten auf den Weg nach Zamora im spanischen Königreich León. Kurz vor dem Ziel wird der Handelszug jedoch überfallen, von keinem geringeren als Ritter Don Rodrigo Diaz de Vivar, auch bekannt als El Cid. Er nimmt Aenlin gefangen und Don Alvaro, Aenlins Beschützer, schließt sich dem Cid an. Ab diesem Zeitpunkt sind die drei auf schicksalhafte Weise miteinander verbunden.
Der weite Handlungsbogen spannt sich über mehrere Herrscher, die verschiedensten Gebiete und gegensätzlichsten Schauplätze. Wir ziehen durchs maurische Al-Andalus von Toledo über Sevilla nach Granada und wieder zurück nach Zaragoza ebenso wie durch die christlichen Königreiche Kastilien, Navarra und Aragon nur um am Ende wieder im arabischen Valencia im ehemaligen Palast des Emirs zu enden.
Wir schwelgen in luxuriösen maurischen Bädern, wandeln durch exotische Gärten oder erleben Zwist und Rangeleien unter den Haremsdamen genauso hautnah wie die Ausbildung junger Ritter am Königshof, die dortigen Intrigen, die Zerwürfnisse politischer Kontrahenten oder das einfache Leben eines Pferdezüchters. Wir begegnen spanischen Königen wie Ferdinand von Kastilien, Sancho II. und Alfons IV. ebenso wie den ständig in Machtkämpfen verstrickten arabischen Emiren Al-Mu´tamin oder Al-Qadir in ihren maurischen Palästen.
Don Rodrigo lässt keine Gelegenheit aus, plündernd und raubend durchs Land zu ziehen, dabei wechselt er die Seiten, wie es ihm am besten zum Vorteil gereicht. Mal dient er dem Emir, mal dem König. Mal nimmt er Untertanen des Königs gefangen, mal metzelt er maurische Edelleute nieder oder ficht gegen die aus Nordafrika einfallenden Almoraviden. Nichts ist vor ihm sicher, vor allem Aenlin nicht. Aenlin, die er auf dem Sklavenmarkt verkauft und später vom Emir als Geschenk erhält. Sie ist ihm ausgeliefert mit Haut und Haar. Dabei entwickelt sie sich vom jungen, naiven Mädchen zur Sklavin, die mit stoischer Ruhe ihr Schicksal erduldet bis hin zur strategisch handelnden Gespielin und fürsorglichen Mutter. Zugute kommen ihr dabei nützliche Fähigkeiten, die sie in einer Art Haremsschule bei Zuleika, ihrer ersten Herrin, erworben hat. Und so schafft sie es schließlich den Cid derart zu umgarnen, dass es ihre Gefangenschaft fast erträglich macht.
Fazit: Die Autorin versteht es hervorragend, Sitten und Gepflogenheiten stimmig zu zeichnen. Sie entwirft komplexe und gut durchdachte Charaktere. Sie leitet den Leser durch die Wirren der spanisch-arabischen Historie und am Ende führt sie gekonnt alle Fäden zu einem konsequenten Finale zusammen. Ich finde, es ist der Autorin sehr gut gelungen, einerseits die verklärten, heldenhaften Überlieferungen des Cid in den Roman einzuflechten wie auch seine grausamen und herrschsüchtigen Seiten, die in historischen Schriften ebenfalls überliefert sind. Auch vom unterschiedlichen Stand einer Frau in der damaligen Männerwelt - arabisch oder christlich geprägt - bekommen wir eine sehr klare Vorstellung. Hie und da fehlten mir ein paar Details, z. B. was aus Aenlins Bruder wurde oder wann und wie ihre Eltern den Rollentausch herausgefunden haben. Insgesamt leidet die Geschichte aber nicht darunter.