Mal was anderes
Literarische Überraschungen haben Seltenheitswert in einer Gewinnorientierten und normierten Verlagslandschaft und die amerikanische Literatur ist nicht gerade reich an innovativen Büchern, die jedes Genredenken ...
Literarische Überraschungen haben Seltenheitswert in einer Gewinnorientierten und normierten Verlagslandschaft und die amerikanische Literatur ist nicht gerade reich an innovativen Büchern, die jedes Genredenken sprengen.
„A wie B und C“ ist so eine rare Perle. Nein, der Roman ist nicht immer leicht zu lesen. Nein, ich habe bestimmt nicht immer alles verstanden. Vermutlich sogar viel weniger kapiert als ich glaube. Aber ich fand das Buch allemal unterhaltsam und ein Kunstwerk ist dieser Roman sowieso. Denn das Ding hier zeigt eine wahre menschliche Seele, blickt direkt in die Eingeweide eines Menschen und das wird rübergebracht in einer einzigartigen Sprache.
Obwohl im Grunde schon im Titel mit drei Personen jongliert wird, geht es letztlich nur um eine Frau. A, B und C sind eine Person. A braucht B und C, wie die Luft zum Atmen. Warum das müssen wir einen Psychiater fragen. Sie erfüllen vielleicht eine gewisse Ventilfunktion, für das was der heimische Fernseher und die Werbemaschinerie mit ihrer Gedankenwelt anstellt.
Die gesamte abstruse Handlung des Buches findet letztendlich unter "A"‘s Gehirnschale statt. Eine bizarre Welt, in die der Leser da eintaucht. Normalsein geht anders. Es ist eine unheimliche Reise auf die A geht. Eine Odyssee des Geistes, in der eine ganze Reihe von Neurosen moderner Menschen abgearbeitet werden. Selbst während „A“ Sex mit „C“ hat muss dieser noch zusätzlich einen Porno gucken, nicht um sich anzutörnen, sondern weil er in dem ständige Überangebot aller Möglichkeiten unmöglich auf das Wesentliche konzentrieren kann.
Vor allem zu Beginn des Textes fühlte ich mich als Leser ziemlich allein gelassen, in einem Irrgarten der Möglichkeiten. Was verdammt noch mal will die Autorin erzählen? Neben dem starken Medienkonsum und dem steten Bemühen schön auszusehen hat "A" ein drittes, nicht minder gesellschaftsfähiges Hobby. Ihr neurotisches Verhältnis zur Nahrungsaufnahme. Sie isst fortlaufend Kandy Kates und beginnt sich für die Kirche des vereinigten Essers zu interessieren. Sie will auf die helle Seite des Lebens gelangen. Rein werden. Perfekt sein. Eins sein mit sich selbst oder das was sie darunter versteht.
Mit zunehmender Seitenzahl wird der Roman immer verständlicher und gleichzeitig immer abgedrehter. Ja, das geht! Insgesamt ist dieses Literarische Wagnis gelungen. Alexandra Kleeman bringt dem Leser eine erstaunliche Frau nahe, die zwischen Perfektionsdrang, Konsumzwängen und grenzdebiler Werbung feststeckt, wie in einer selbst angezogenen Schraubzwinge und nach dem Ausgang aus diesem Alptraum schreit.
Es ist eigentlich schade, dass die Autorin nicht auch noch das Internet in ihre Geschichte mit eingebaut hat. Das hätte der Geschichte meiner Meinung nach noch mehr Nachhall verleihen können. Aber nichts desto trotz: Das Buch ist ein kleines Meisterwerk. Mein Dank gehört den Verlagen, die solche Bücher noch herausbringen!