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Veröffentlicht am 11.09.2019

Herrensitzung

Du bleibst mein Sieger, Tiger
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Zum Inhalt:
Wenn die eigenen Kinder hemmungslos ihre Jugend ausleben, wird es für ihre Eltern schwierig. Denn diese durchleben die Phase der Alterspubertät. Jahre, in denen man sich vom Geist her noch ...

Zum Inhalt:
Wenn die eigenen Kinder hemmungslos ihre Jugend ausleben, wird es für ihre Eltern schwierig. Denn diese durchleben die Phase der Alterspubertät. Jahre, in denen man sich vom Geist her noch sehr jung fühlt, der Körper aber leider nicht mehr so reagiert, wie man es sich wünscht. Und leider nicht nur der Körper, sondern auch das Umfeld. Schwierige Jahre, die zu allem Überfluss auch nicht wenige sind. Dass dieser Zeit auch eine gewisse Komik innewohnt, bringt dieses Buch seinen Lesern nahe.

Mein Eindruck:
Das Buch von Maxim Leo und Jochen Gutsch erinnert an eine Herrensitzung im Karneval. Viele Pointen sitzen und würden auch ein weibliches Publikum zum Lachen bringen, andere sind so … gewagt … dass man sie besser für sich behalten sollte.
Und so fühlt man sich wie auf einer Schiffschaukel. Von grandiosen, himmlischen Humor-Momenten wie zum Beispiel die Beschreibung des alterspubertierenden Mannes als leichte Beute einer Parfümerie-Fachverkäuferin fällt man leider auch schon einmal ins Bodenlose (die Unterhaltung mit dem besten Stück des Mannes finden wohl nur echte Pubertierende lustig). Bei solch eklatanten Unterschieden im Niveau fragt sich die geneigte Leserin, ob die Autoren möglicherweise nicht gleichzeitig, sondern alternierend gewirkt haben. Denn das Buch ist keine durchgehende Geschichte, sondern nimmt in Episoden das ach so schlimme Schicksal des Mannes in der Midlife-Crisis aufs Korn. Doch ein Kompliment muss man den Autoren machen: Zwar sind die Teilstücke inhaltstechnisch von unterschiedlicher Güte, sprachlich aber durchgängig ansprechend.
Uneingeschränkt sehr gut ist die Interpretation der Texte durch Hendrik Duryn. Ihm nimmt man praktisch jede Verzweiflung gegenüber den Nickligkeiten ab, die das Alter für Männer bereit hält.

Mein Fazit:
Gerne ein Nachfolger-Buch, gerne ohne Genitalien

Veröffentlicht am 17.08.2019

Erst stirbt die Katze, dann der Mensch

Blutsbande
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Zum Inhalt:
In Stockholm werden einige ertränkte Katzen gefunden, kurz danach findet ebenfalls eine Psychologin ihr unfreiwilliges Ende unter Wasser. Die Stockholmer Polizei muss feststellen, dass Fingerabdrücke ...

Zum Inhalt:
In Stockholm werden einige ertränkte Katzen gefunden, kurz danach findet ebenfalls eine Psychologin ihr unfreiwilliges Ende unter Wasser. Die Stockholmer Polizei muss feststellen, dass Fingerabdrücke auf einen alten Fall hinweisen, bei dem eine weitere Frau im Wasser gestorben ist. Als klar wird, dass Teile des Teams privat involviert sind, wird der Druck zur Täterfindung nicht nur extern, sondern auch intern erhöht.

Mein Eindruck:
Geschickt zelebriert Carin Gerhardsen die Leserverwirrung auf drei Zeitebenen, ihr Aufbau falscher Fährten ist fast brillant. „Fast“ deshalb, weil die letzte Wendung dann doch ein bisschen sehr überraschend und damit unbefriedigend gerät und das Ende zu abrupt geschildert ist. Sonst gibt es jedoch am „Hauptfall“ wenig zu kritteln: Er ist stringent, die handelnden Personen agieren folgerichtig und werden in einer Tiefe dargestellt, die weit entfernt von Holzschnitten ist. Leider kann sich Gerhardsen nicht vom üblichen Krimiklischee lösen, das immer wieder private Probleme bis zum Exzess in einen eigentlich guten Fall hineinverwursten muss. Dass gleich mehrere Personen des Teams persönliche Verbindungen zu Tätern und/oder Opfern haben, ist absurd und überkonstruiert und die daraus resultierenden Alleingänge nerven. Gefallen kann man jedoch durchaus an der Zusammenarbeit der Polizisten finden, - einer steht für den anderen ein und kümmert sich um die Kolleg/inn/en.
Da es sich bei „Blutsbande“ um einen Teil einer Reihe handelt, kommen Altfälle zu Sprache und nicht jeder Vorgang findet sein Ende; allerdings ist der Weg des Umgangs mit diesem Dilemma ein guter: Auch in Unkenntnis der älteren Bücher ist es möglich, sich zurechtzufinden.
Apropos zurechtfinden: Vielleicht sollte man bei der Übersetzung auf deutsche Leser Rücksicht nehmen und die typisch schwedische Angewohnheit, Personen mit Vor-, Nach- oder Spitznamen zu erwähnen entweder auf den Namen beschränken oder ein Glossar anbieten.


Mein Fazit:
Viele Spuren, noch mehr private Verwicklungen, mittlere Wertung

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 15.07.2019

Schwankt zwischen Tiefe und Untiefe

Something in the Water – Im Sog des Verbrechens
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Zum Inhalt:
Erin und Mark finden während ihrer Flitterwochen bei einem Tauchgang vor Bora Bora eine Tasche mit wertvollem Inhalt: Bargeld, Diamanten und ein USB-Stick, augenscheinlich bei dem Flugzeugabsturz ...

Zum Inhalt:
Erin und Mark finden während ihrer Flitterwochen bei einem Tauchgang vor Bora Bora eine Tasche mit wertvollem Inhalt: Bargeld, Diamanten und ein USB-Stick, augenscheinlich bei dem Flugzeugabsturz russischer Krimineller verloren gegangen. Durch die Arbeitslosigkeit Marks in finanzieller Bredouille, beschließt das Paar nach einigem Hin und Her, sich ungeachtet der Gefahr den Fund anzueignen. Gleichzeitig treibt Erin ihr eigenes Projekt voran: Einen Dokumentarfilm, der sich mit der baldiger Haftentlassung dreier Krimineller befasst: Die der jugendlichen Brandstifterin Holly, die von Alexa, die ihrer Mutter Sterbehilfe geleistet hat und die des alten Bandenchefs Eddie, der wie damals Al Capone über eine fehlerhafte Buchführung zu Fall gebracht wurde. Durch dieses Engagement gerät Erin in das Visier der Polizei und bald bekommen die beiden Frischvermählten Ärger. Großen Ärger.

Mein Eindruck:
Das Debüt von Catherine Steadman kommt langsam, dann aber gewaltig. Ihre Ich-Erzählerin ist zwar manchmal von einer erschreckenden Naivität, kommt damit aber auf bezaubernde Weise ganz gut durch ihr Leben. Und auch wenn die Entwicklung der Geschichte und seiner Protagonistin sehr viele Buchseiten in Anspruch nimmt, ist es schön zu lesen, wie zum Schluss sämtliche Fäden zusammengefügt werden. Ein guter Schreibstil und eine passende Interpretin am Hörbuch-Mikrofon lassen die Story lebendig werden und - insbesondere zum Ende hin – die Spannung steigern. Da Erins Handlungen eher unorthodox und (auch für ihren Ehemann Mark) öfter einmal überraschend sind, schlägt die Geschichte einige unerwartete Haken, bis sie nach etwa 80 Prozent eine Aufklärung über den fulminanten Beginn des Buches anbietet. Doch wer die Befürchtung hegt, dass ab jetzt nur noch seicht und vorhersehbar geplätschert wird, sieht sich mit einer absolut überraschenden Wendung konfrontiert.
Aber bei allem Lob gibt es auch Grund zu Tadel: Fast alle Figuren werden hauptsächlich über ihr Aussehen definiert. Die Autorin legt zwar Erin in den Mund, dass sie als Filmemacherin auf so etwas achten muss, trotzdem langweilt es irgendwann, mehrfach über die Kleidergröße der Protagonistin informiert zu werden. Dafür erfährt man relativ wenig über das Zusammenleben mit ihrem Ehemann, insofern es nicht direkt mit der Herausforderung durch den Zufallsfund zu tun hat. Außerhalb von „ich liebe ihn, er ist so attraktiv“ bleibt nicht viel und das mag für eine oberflächliche Beziehung reichen, für eine Ehe ist es zu wenig.

Mein Fazit:
Ein Buch, das oft an der Oberfläche bleibt, wenn es jedoch in die Tiefe von Verwicklungen geht, wird es wunderbar nebulös und überraschend.

Veröffentlicht am 04.05.2019

Vorhersehbar, aber mit schönem Lokalkolorit

Die Bildermacherin
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Zum Inhalt:
Nach dem Tod ihrer Großmutter kehrt die erfolgreiche Fotografin Amalia in ihr Heimatdorf in Südtirol zurück. Dort erfährt sie, dass ihre Großmutter Cäcilie, die Amalia nach dem frühen Tod der ...

Zum Inhalt:
Nach dem Tod ihrer Großmutter kehrt die erfolgreiche Fotografin Amalia in ihr Heimatdorf in Südtirol zurück. Dort erfährt sie, dass ihre Großmutter Cäcilie, die Amalia nach dem frühen Tod der Eltern aufgezogen hat, durch eine Gewehrkugel starb. Als Amalia selbst in Gefahr gerät, muss sie feststellen, dass es viele Geheimnisse im Leben ihrer Oma gab, welche in deren Jugend im Südtiroler Widerstand begründet liegen.

Mein Eindruck:
Insbesondere die Ausflüge in die 60er Jahre wissen zu gefallen, da außerhalb Südtirols der Umgang mit den zwangseingemeindeten Österreichern durch die geborenen Italiener eher unbekannt sein dürfte. Auch die wirtschaftliche Not und die gesellschaftlichen Zwänge, die noch gar nicht so lange Vergangenheit sind, verdienen es, den Weg ins Bewusstsein einer eher von materiellen Wohlstand und Freigeist geprägten Generation zu finden. Hier hat der Kriminalroman seine großen Momente und zwar nicht nur in den direkten, dort spielenden Kapiteln sondern auch in den Erinnerungen der damit befassten Charaktere. Die Benutzung der Mundart passt wunderbar und wird gut durch ein Glossar aufgefangen; einige Begriffe wären für den hochdeutschen Leser sonst ewig in den Schluchten der Südtiroler Berge verschollen geblieben.
Die Zeichnung der Protagonistin fällt dagegen stark ab. Es überwiegt das Gefühl von Oberflächlichkeiten, - Augenfarbe, Haarstyling und Kleidungsstücke sind zu oft Thema. Außerdem stört, dass Amalia sehr oft von der „Zille“ denkt und spricht, wenn ihre Oma gemeint ist; seltsam, den Vornamen zu nutzen, wenn doch immer wieder die starke Verbundenheit betont wird.
Der Kriminalfall mit den Anschlägen auf Großmutter und Enkelin ist leicht durchschaubar, die mordende Person kristallisiert sich – außer für Amalia – schnell heraus. Das Ende ist so in einem fiktiven Roman mit einem happyendsüchtigen Publikum zu erwarten, wäre im echten Leben jedoch für diese Art von Persönlichkeit fern jeder Möglichkeit.

Mein Fazit:
Interessanter Exkurs in das Dorfleben zu früherer Zeit, die Gegenwart hat noch Potenzial

Veröffentlicht am 07.04.2019

Der Zielgruppe ins Herz getroffen

Running Girl
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Zum Inhalt:
Garvie sieht wahnsinnig gut aus und ist 16, hochbegabt und der Alptraum seiner Mutter. Denn er lässt sich mit den falschen Leuten ein, lügt, hat keine Lust auf Schule, dafür umso mehr auf bewusstseinsverändernde ...

Zum Inhalt:
Garvie sieht wahnsinnig gut aus und ist 16, hochbegabt und der Alptraum seiner Mutter. Denn er lässt sich mit den falschen Leuten ein, lügt, hat keine Lust auf Schule, dafür umso mehr auf bewusstseinsverändernde Mittel. Kommissar Singh ist dagegen überhaupt nicht cool, dafür religiös, sehr strebsam und wenig beliebt bei seinen Kollegen. Zwei Menschen, die nicht viel miteinander gemein haben, bis Chloe stirbt, Garvies Ex-Freundin, und dieser das Gefühl hat, dass Singh ohne Hilfe bei der Suche nach dem Täter scheitern wird. Und so setzt Garvie seinen außergewöhnlichen IQ bei der Lösung des Mordes ein – misstrauisch beäugt von Mutter, Lehrern und nicht zuletzt von Singh.

Mein Eindruck:
Simon Mason trifft bei seiner Zielgruppe höchstwahrscheinlich genau ins Schwarze. Sein Held ist cool, selbstbewusst, macht was er will und lässt sich dabei weder von den Umständen, noch von irgendwelchen Erwachsenen etwas sagen. Liest man jedoch das Buch mit ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel, gewinnen andere Eindrücke die Oberhand: Man erblickt einen Jugendlichen, der seine Versprechen bricht, kifft, einbricht, lügt, stiehlt und betrügt, - als Identifikationsfigur also eher suboptimal, egal, wie geschickt und klug Garvie dabei agiert. Dass diese Handlungen kaum Konsequenzen oder Restriktionen (außer ein paar „dududus“) nach sich ziehen, ist sehr ärgerlich. Singh, der zweite Hauptcharakter, ist dagegen erschreckend farblos und langweilig, eigentlich erfährt man nur, dass er seine Religion praktiziert und hört, dass seine Kollegen ihn nicht mögen – in die Tiefe geht die Beschreibung sonst nicht.
Der Autor stellt viele Charaktere kurz vor; möglicherweise in der Hoffnung einer Reihe um seinen jugendlichen Detektiv geschuldet. Für die meisten Personen bleibt jedoch sehr wenig Platz, so dass beim Umblättern Namen, Funktion und Bedeutung für die Geschichte schon vergessen sind.
Doch egal wie viel Angriffsfläche die Personenzeichnung bietet, - Spannung weiß Mason unbedingt zu erzeugen und auch die humorvollen Teile gelingen ihm sehr gut und sind fein austariert. Gefährliche Situationen sind wunderbar bildhaft geschildert und laden zum Mitfiebern mit den betroffenen Figuren ein.
Die (ein bisschen sehr übertriebene) Komplexität des Falls bieten einige Sequenzen eines Showdowns, insbesondere die letzte ist gut hergeleitet und stimmig.

Mein Fazit:
Ein Sympathieträger für eine jugendliche Zielgruppe (12 – 14 Jahre); Erziehungsberechtigte schlagen – wenn sie sich den Umgang mit so einem Bürschchen vorstellen – die Hände über dem Kopf zusammen