Charlotte Ryder und Julia Buchanan begegnen sich auf dem Internat St. Anne´s und werden beste, unzertrennliche Freundinnen – trotz vollkommen anderer Einstellungen und familiärer Hintergründe. Während Charlie die praktische, realitätsbezogene, zuvorkommende Tochter aus einer bodenständigen Patchwork-Familie ist, verkörpert Julia die individuelle, auffallend schöne, weltgewandte mittlere Tochter einer betuchten Unternehmerfamilie mit Hang zu Exzessen. Julia ermöglicht Charlotte den Einblick in eine ganz andere, mondäne Welt, in der Geld keine Rolle spielt und Regeln dazu da sind, um gebrochen zu werden. Als Charlie sich auf dieses Abenteuer einlässt, sich darüber hinaus in den älteren Bruder Sebastian verliebt, scheint ihre Welt für eine kurze, glückliche Weile stillzustehen – solange bis sie das wahre Geheimnis der Familie Buchanan entdeckt und damit die Schattenseiten ihrer oberflächlichen Lebensweise kennenlernt.
Dieser eher stille, unspektakuläre Jugendroman baut eine subtile, geheimnisvolle Atmosphäre auf, die bis zum Schluss erhalten bleibt. Ständig befindet man sich in einer Art Erwartungshaltung, die darauf abzielt, die tiefen, verborgenen Geheimnisse zu entschlüsseln und die dennoch keine Fortschritte macht, selbst dann nicht, als das Familiengefüge nach und nach zerbricht. Im Grunde genommen werden hier tiefgründige, erschreckende Wahrheiten benannt, wie die Alkoholabhängigkeit Jugendlicher, das fehlende Gewissen nach einer Straftat immer gepaart mit Selbstüberschätzung und ausgeglichen durch ein volles Bankkonto.
Im Mittelpunkt steht eine Mädchenfreundschaft die einerseits durch herzliche Zuwendung geprägt ist, andererseits aber im Schatten einer Lebenslüge verkommt. Eine recht unausgeglichene Beziehung, die auf dem Weg zur Selbstfindung ihren Tribut fordert und die mit der Zeit zu dem verblasst, was keiner gedacht hätte.
Der Schreibstil ist abwechslungsreich gestaltet, mit unterschiedlich langen Kapiteln, kleinen Briefauszügen oder Zeitungsausschnitten untermalt und mit wörtlicher Rede aufgelockert. Lediglich die französischen Textpassagen haben für mich, als Unwissende, den Lesefluss behindert, wobei sich alles aus dem Kontext erschließen lässt.
Fazit: Ich vergebe 3,5 Sterne für einen Roman der sich sehr differenziert mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung, Einflussnahme und Gewissenskonflikten auseinandersetzt, dessen Geschichte mich aber emotional nicht fesseln konnte, vor allem weil die Entscheidungsfindung und die Wahl des Lebensweges sehr zäh und nicht immer nachvollziehbar gestaltet war. Kein Entweder/ Oder sondern immer nur ein vielleicht, keine Nägel mit Köpfen sondern nur eine weitere Möglichkeit – Charlie wendet sich zwar ab, hätte aber immer alles wieder ganz genauso gemacht und diese Einstellung war für mich schlicht und einfach nicht nachvollziehbar.