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Veröffentlicht am 18.07.2019

Ehrlicher, authentischer Jugendroman, der mich leider nicht ganz überzeugen konnte

Mein Leben basiert auf einer wahren Geschichte
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eigentlich wollte Rosa mit ihrem Freund nach Australien fliegen und durch das schöne Land reisen, doch der trennt sich unerwartet von ihr. Also wagt sie diesen großen ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eigentlich wollte Rosa mit ihrem Freund nach Australien fliegen und durch das schöne Land reisen, doch der trennt sich unerwartet von ihr. Also wagt sie diesen großen Schritt allein. Unsicher, ängstlich und einsam landet sie am anderen Ende der Welt und überlegt, ob sie nicht gleich wieder zurückfliegen soll. Doch dann trifft sie auf Frank, einen intelligenten, sehr introvertierten jungen Mann, der, ebenfalls im gleichen Hostel schläft wie sie. Beide sind sich sofort (mehr als) sympathisch und beschließen, gemeinsam weiterzureisen. Nach kurzer Zeit taucht jedoch David, Franks bester Freund, mit dem er sich eigentlich zerstritten hat, in Down Under auf und bringt alles durcheinander. Eine atemberaubende Reise beginnt, die niemand von ihnen als der gleiche Mensch beenden wird, als der er sie begonnen hat…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Heyne
Seitenzahl: 416
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive (Rosa, Frank, David)
Kapitellänge: sehr kurz (meist 1-3 Seiten)
Tiere im Buch: +/- Es werden keine Tiere verletzt oder gequält. Die drei gehen sogar sehr liebevoll mit den australischen Kängurus um und streicheln und füttern sie. Jedoch wird auch Fleisch gegessen und geangelt. Die toten Fische werden im Anschluss verspeist. Ziemlich geärgert hab ich mich auch, dass ein Hamster als „Drecksviech“ bezeichnet wurde und dass es als normal dargestellt wurde, dass diese Tiere nur wenige Wochen leben. Wenn man sie alles andere als artgerecht hält (zu kleiner Käfig, schlechtes Futter, am Tag mehrmals aufwecken), dann leiden sie natürlich und sterben so früh, ansonsten aber nicht. Ich würde mir wünschen, dass Hamster und andere Kleintiere endlich nicht mehr in winzigen Gefängnissen ihr Dasein fristen müssen, nur weil man sich nicht die Mühe macht, sich ordentlich zu informieren, bevor man sich (oder dem Kind) ein Tier ins Haus holt. Im Internetzeitalter gibt es dafür keine Ausreden mehr! Seriöse Informationen findet man z. B. auf der Internetseite hamsterbacken.com. Kaufen sollte man Tiere übrigens niemals im Zooladen (die Tiere werden meist im Ausland unter tierquälerischen Bedingungen „produziert“), sondern stattdessen sollte man einem Hamster von einem seriösen Züchter (keinem „Kleinanzeigen-VermehrerInnen“!) oder aus dem Tierheim ein neues Zuhause schenken.

Warum dieses Buch?

Über Anne Freytag hatte ich vor der Lektüre sooo viel Gutes gehört - ihr vielgelobtes und vielgeliebtes Buch "Den Mund voll ungesagter Dinge" liegt seit kurzem auf meinem SUB. Klappentext und Leseprobe ihres neuen Romans haben mich sofort verzaubert. Dass die Autorin (laut Verlag) mit ihm diese magische Zeit zwischen der Schule und allem, was danach kommt, feiert, hat mich zusätzlich sehr neugierig gemacht. Meiner Meinung nach ist das nämlich einer der schönsten Zeitabschnitte im Leben!

Meine Meinung

Einstieg (-)

Obwohl der Schreibstil eigentlich sehr einfach ist und obwohl mich die Leseprobe überzeugen konnte, dauerte es sehr lange (ca. 150-200 Seiten), bis ich einen Zugang zur Geschichte und ins Buch fand. Vor allem am Beginn hatte ich oft nicht das Bedürfnis weiterzulesen – im Gegenteil, ich hätte das Buch wohl, wenn es sich nicht um ein Verlosungsbuch gehandelt hätte, abgebrochen. Zum Glück bin ich ab einem gewissen Punkt mit jeder Seite besser in die Geschichte gekommen, so dass sich das Weiterlesen für mich durchaus gelohnt hat. Auch wenn meine Beziehung zum Buch bis zum Ende eine blieb, die man heutzutage wohl am ehesten mit „Es ist kompliziert“ beschreiben würde.

Schreibstil (+/-)

„Es fühlt sich an, als stünde ich auf einer Klippe, vor mir und hinter mir Abgrund, überall Abgrund, als gäbe es kein Vor oder Zurück, als wäre jeder Schritt ein Ende.“ Seite 90

Was den einfachen, altersgemäßen Schreibstil betrifft, habe ich beispielsweise sehr widersprüchliche Gefühle. Einerseits hat er mir an manchen Stellen unglaublich gut gefallen, denn immer wieder gelingt es Anne Freytag, unglaublich berührende, emotionale und intensive Momente zu beschreiben, in denen ich absolut mitgefühlt habe und von denen ich begeistert oder verzaubert war. Auch ihre poetische Sprache und die gelungenen Vergleiche und Metaphern fand ich oft wunderschön. Zudem ist das, was im Buch gesagt wird, trotz des einfachen Schreibstils niemals oberflächlich, sondern hat stets Substanz und Tiefe.

Andererseits waren mir die stellenweise unglaublich kurzen (Einwort-)Sätze oft auch zu abgehackt, rissen mich aus dem Lesefluss und führten dazu, dass ich für dieses Jugendbuch beim Lesen sehr lange gebraucht habe. Immer wieder bin ich während der Lektüre gedanklich abgeschweift. Der Schreibstil wirkt irgendwie rastlos und unruhig, und das passt vielleicht ganz gut zu diesem ungewöhnlichen Roadtrip, jedoch konnte er mich dadurch oft leider nicht so erreichen, wie ich mir das gewünscht hätte. Oft blieb eine gewisse Distanz zur Geschichte, und ich konnte nie vergessen, dass ich ein Buch vor mir hatte, nie ganz in die Geschichte eintauchen. Es gab Szenen, die haben mich fast zu Tränen gerührt und andere Momente, die nichts in mir ausgelöst haben – diese haben leider überwogen. Zudem waren mir die Sätze oft auch zu pathetisch, manchmal wirkte jedes Wort wie künstlich mit Bedeutung aufgeladen. Mir war das manchmal einfach zu viel.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

„Mein Großvater sagte immer, das Leben beginnt da, wo die Angst endet. In den Sekunden, in denen wir die Möglichkeiten sehen und nicht das, was dagegen spricht.“ Seite 61

Wenn ich (als angehende Lehrerin) eines an Anne Freytags Buch schätze, das es von vielen anderen Jugendromanen abhebt, dann ist es die feinfühlige, altersadäquate Ehrlichkeit der Autorin, mit der sie tabulos komplizierte (unperfekte) zwischenmenschliche Beziehungen beleuchtet und über Themen wie Freiheit, das Ausbrechen aus gesellschaftlichen Normen, Liebe, Freundschaft und Selbstfindung, aber auch eher schwierige Themen wie Schuldgefühle, Sexualität und Verletzlichkeit spricht. Ihre Geschichte ist genau deshalb sehr erfrischend: die Autorin nimmt ihre Zielpublikum ernst und traut ihm einiges zu. Manchmal geht sie auch unerwartet ins Detail, was mich teilweise überrascht hat. Dabei wird es allerdings niemals unpassend, auch empfindliche Themen werden tiefgründig und sensibel behandelt und so aufbereitet, dass Jugendliche sie verstehen können. Ähnlich ehrlich schreibt übrigens die österreichische Autorin Sabine Schoder, deren berührendes Debüt, „Liebe ist was für Idioten. Wie mich“, ich euch nur wärmstens ans Herz legen kann.

Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt; abwechselnd und nur wenige Seiten lang erhalten wir einen Einblick in das Innenleben der zweifelnden Rosa, des schüchternen Frank, des extrovertierten Davids. Die Zeitstruktur ist hierbei oft komplex, da es viele Rückblenden gibt – diese werden jedoch sehr gelungen eingewebt, sodass sie einen nicht aus dem Lesefluss reißen. Es ist ein stilles Buch, das wenig Dialog und Handlung enthält und sich eher auf die „innere Reise“, also die innere Weiterentwicklung und Selbstfindung konzentriert, anstatt auf äußere Vorkommnisse. Für diese Geschichte war diese Erzählweise sicherlich die richtige Wahl, weil nur so eine gewisse Vielschichtigkeit und Tiefe entstehen konnte. Über Australien und seine Sehenswürdigkeiten erfährt man nicht viel – obwohl Anne Freytags Schreibstil anschaulich ist –, stattdessen weiß man am Ende des Buches ganz genau, wie es ist, hunderte Kilometer lang mit zwei Menschen einen Camper sein Zuhause zu nennen. Das hat mir sehr gut gefallen. Das Ende fand ich außerdem passend und rund. Es hat mich zwar nicht vom Hocker gehauen, aber ich habe auch nichts daran auszusetzen. Ich konnte das Buch zufrieden schließen. Ich werde dieses Roadtrip-Feeling, das Anne Freytag sehr intensiv einfängt, bestimmt auch nicht so schnell wieder vergessen.

Eine Playlist am Vorsatzpapier (auf der Innenseite der Buchdeckel) ermöglicht es einem, die selben Lieder wie die drei AbiturientInnen zu hören, was viel zur Atmosphäre beiträgt und was ich natürlich deshalb auch gemacht habe. Viele der Lieder haben mir zwar nicht wirklich gefallen (einige wenige dafür sehr!), aber das ist ja wie immer Geschmackssache. Jedenfalls bietet das Buch eine bunte Mischung, bei der für jede/n etwas dabei sein sollte.

Die Geschichte enthält einige wunderbare, einmalige Momente, die ich nicht missen möchte. Trotzdem konnte sie mich nicht ganz und vor allem nicht durchgehend überzeugen. Manchmal war mir dieser Blick ins Innenleben zu detailliert, manche Szenen fand ich langweilig und nichtssagend. Oft fehlte mir auch die Spannung; dieser Drang, weiterzulesen wollte sich über weite Strecken einfach nicht einstellen.

ProtagonistInnen (+/-)

„Frank schaut in Moll. Etwas in seinen Augen ist immer ein bisschen schwer, ein bisschen wehmütig.“ Seite 69

Die ProtagonistInnen sind ohne Frage sehr liebevoll ausgearbeitet und besitzen alle ihre Stärken und Schwächen, ihre Geheimnisse und ihre Verletzungen aus der Vergangenheit. Dennoch blieb da immer eine kleine Distanz zwischen mir und den Figuren, besonders zu Rosa. Ich weiß nicht genau, woran es lag, dass ich mich einfach nicht in die Figuren verliebt habt, so wie ich es mir bei diesem Roman eigentlich gewünscht hätte. Ich habe mitgefühlt und mitgelitten, aber nicht so intensiv, dass ich nur mehr die Geschichte im Kopf hatte oder traurig gewesen wäre, als ich das Buch geschlossen habe. Das ist sehr schade, und ich kann absolut verstehen, dass es bei vielen anderen LeserInnen anders war! Dass Rosa raucht, ist zwar authentisch (Jugendliche rebellieren nun mal gerne), andererseits sehe ich es auch kritisch, da sie somit dem Zielpublikum als negatives Vorbild dienen könnte. Denn, traurige Wahrheit: Mehr als die Hälfte der erwachsenen RaucherInnen haben vor dem 17. Lebensjahr damit begonnen.

Figuren (+)

Nur wenige Nebenfiguren haben im Buch einen Auftritt. Ihre Rollen sind zu klein, als dass man sagen könnte, dass sie gut oder schlecht ausgearbeitet sind. Jedoch ist mir hier nichts negativ aufgefallen – im Gegenteil, viele der Menschen, die Rosa, Frank und David auf ihrer Reise treffen waren sehr interessant und charmant! Ich habe sie gerne kennengelernt!

Spannung (-)

Was mir bei diesem Buch leider über weite Strecken wirklich gefehlt hat, war die Spannung. Immer wieder wird der Spannungsbogen kurz aufgebaut, bricht jedoch schon nach wenigen Seiten wieder ein. Ich war zwar stets neugierig, wie die Geschichte weitergehen würde, das Buch war aber kein Pageturner für mich und übte auch keinen Sog aus, weiterzulesen. An manchen Stellen (besonders in der ersten Hälfte) musste ich mich sogar zum Weiterlesen zwingen – eigentlich hätte ich lieber ein neues Buch begonnen.

Atmosphäre (♥)

Dafür konnte die Autorin bei mir mit der dichten Atmosphäre punkten. Man fühlt sich, als würde man selbst schwüle Nächte in diesem engen Camper verbringen, bei Sonnuntergang am Strand liegen und selbstgekochte Spagetti verzehren und als würde man den warmen Wind beim Fahren im Gesicht spüren. Obwohl die Autorin auf detaillierte Beschreibungen der Sehenswürdigkeiten verzichtet und sich lieber auf die innere Reise und das komplizierte Beziehungsgeflecht der Hauptfiguren konzentriert, bekommt man dennoch ein sehr gutes Gefühl für das Leben in Australien und den Charme des Landes und seiner EinwohnerInnen. Toll!

Feministischer Blickwinkel (♥)

Rosa ist eine sehr starke, selbstbewusste weibliche Figur, die sich immer wieder gegenüber David und Frank durchsetzt. Männer waschen ab und dürfen weinen. Auch die ehrliche Thematisierung von Sexualität, Homosexualität, Einverständnis (Consent) und Gleichberechtigung (im Buch wird Naomi Aldermans „Die Gabe“ gelesen, was ich ziemlich cool fand) hat mir sehr gut gefallen. Nicht so gut gefallen haben mir die gegenderten Beleidigungen, die zum Glück nur sehr selten vorkommen (Flittchen, Miststück).

Mein Fazit

„Mein Leben basiert auf einer wahren Geschichte“ ist ein überraschend ehrlicher, tabuloser Jugendroman, der sein Zielpublikum ernst nimmt und ihm einiges zutraut, was mir besonders als angehende Lehrerin sehr gefallen hat. Trotzdem konnte mich das Buch leider nicht ganz überzeugen. Das lag zu einem großen Teil daran, dass ich nur sehr schwer in die Geschichte gefunden habe und dass sie mich trotz manch unglaublich berührendem, wunderbarem und intensivem Moment nicht immer erreichen konnte. Es gab Szenen, die mich fast zu Tränen rührten, aber auch viele Kapitel, die nichts in mir ausgelöst haben. Einerseits mochte ich die einfache, aber doch tiefgründige und poetische Sprache der Autorin (viele Metaphern und Vergleiche fand ich wunderschön!), andererseits war mir der Schreibstil oft auch zu pathetisch, zu künstlich mit Bedeutung aufgeladen. Die sehr kurzen Sätze wirkten auf mich oft abgehackt; sie haben mich aus dem Lesefluss und aus der Geschichte gerissen. Es handelt sich um ein stilles Buch, das wenig Dialog und Handlung enthält und sich eher auf die „innere Reise“, also die innere Weiterentwicklung und Selbstfindung konzentriert, anstatt auf äußere Vorkommnisse. Womit die Autorin eindeutig glänzen kann, ist ihre erfrischende, feinfühlige, altersadäquate Ehrlichkeit, mit der sie tabulos und tiefgründig über (auch schwierige) Themen wie Liebe, Schuldgefühle und Sexualität spricht. Die ProtagonistInnen sind ohne Frage sehr dreidimensional und liebevoll ausgearbeitet, dennoch blieb da immer eine kleine Distanz zwischen mir und den Figuren, besonders zu Rosa. Ich weiß nicht genau, woran es lag, dass ich mich nicht in die Figuren verliebt habe, so wie ich es mir bei diesem Roman eigentlich gewünscht hätte. Oft fehlte mir auch die Spannung; dieser Drang, weiterzulesen wollte sich über weite Strecken einfach nicht einstellen. An manchen Stellen (besonders in der ersten Hälfte) musste ich mich sogar dazu zwingen. Punkten konnte die Autorin dafür mit der dichten Atmosphäre. Man fühlt sich, als würde man selbst schwüle Nächte in diesem engen Camper verbringen und den warmen Wind beim Fahren im Gesicht spüren. Ich werde dieses Roadtrip-Feeling, das Anne Freytag sehr intensiv einfängt, bestimmt nicht so schnell vergessen. Kurz: „Mein Leben basiert auf einer wahren Geschichte“ ist ein erfrischend ehrlicher Jugendroman mit Schwächen, der mich insgesamt leider nicht ganz überzeugen konnte.

Jetzt freue ich mich auf „Den Mund voll ungesagter Worte“ und hoffe, dass dieses Buch mehr meinen Geschmack trifft.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
ProtagonistInnen: 4 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 4 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Ende / Auflösung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir insgesamt dreieinhalb Lilien!

Veröffentlicht am 11.06.2019

3,5 Sterne: Vom ruhelosen Warten auf das drohende Unheil

Die Mauer
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Für Joseph Kavanagh ist der große, gefürchtete Tag gekommen: Er tritt seinen Dienst auf der Mauer an, die England seit dem „Wandel“ umgibt. Gemeinsam mit seinen KameradInnen ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Für Joseph Kavanagh ist der große, gefürchtete Tag gekommen: Er tritt seinen Dienst auf der Mauer an, die England seit dem „Wandel“ umgibt. Gemeinsam mit seinen KameradInnen wird er zwei Jahre lang abwechselnd Tag und Nacht die Mauer gegen Flüchtlinge – „Andere“ – verteidigen. Er wird sich langweiligen, zu Tode ängstigen und alles geben – das muss er auch, denn er weiß: Für jeden Anderen, der die Mauer überquert, wird einer von ihnen mit einem kleinen Boot auf dem Meer ausgesetzt und muss dort ums Überleben kämpfen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Klett-Cotta
Seitenzahl: 348
Erzählweise: Ich-Erzähler (am Beginn kurz ein Du-Erzähler), Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive (Joseph)
Kapitellänge: mittel bis lang
Tiere im Buch: - Es werden keine Tiere gequält. Es werden Möwen und Fische getötet, um sie zu essen. Das Fleisch ist allerdings wirklich überlebensnotwendig für die Menschen.

Warum dieses Buch?

Bei diesem Buch hat mich der Klappentext sofort neugierig gemacht, da der Autor die momentane Isolationspolitik Englands in seiner Dystopie auf die Spitze treibt!

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg, der sehr atmosphärisch war, ist mir rasch gelungen und eigentlich auch recht leicht gefallen. Sofort meint man, die eisige Kälte und den kalten Wind auf der Mauer selbst am Körper zu spüren.

"Es ist kalt auf der Mauer. Das ist das Erste, was einem jeder erzählt, und auch das Erste, was einem auffällt, wenn man dorthin versetzt wird. Das ist es, woran man die ganze Zeit denken muss, wenn man sich auf ihr befindet, und daran erinnert man sich, wenn man nicht mehr dort ist. Es ist kalt auf der Mauer." E-Book, Position 25

Schreibstil (+/-)

John Lanchesters Schreibstil ist eindringlich, bedeutungsschwer, lässt sich meist flüssig lesen und geht bei Beschreibungen oft sehr ins Detail. Selten ist auch ein wenig Humor enthalten, was mir sehr gut gefallen hat, weil es die Stimmung auflockert. Er besteht aus einfachen Wörtern, ist jedoch dennoch stellenweise durch eine gewisse Komplexität gekennzeichnet, die es einem nicht erlaubt, das Buch nebenbei zu lesen. Das liegt vor allem daran, dass der Autor teilweise zu langen Schachtelsätzen und Hauptsatzreihen neigt. In manchen Momenten fand ich, dass er dadurch perfekt die Ruhelosigkeit, die auf der Mauer herrscht, und die rasenden Gedanken der VerteidigerInnen einfängt (teilweise rutscht der Schreibstil sogar in einen Bewusstseinsstrom ab) – dann war ich begeistert.

In anderen Momenten (vor allem auch später im Buch, als der Schreibstil langsam begann, mir auf die Nerven zu gehen) hätte ich den Autor manchmal am liebsten gefragt, ob es ihn umbringen würde, doch einfach mal einen Punkt zu setzen. Teilweise wirkte die Sprache auf mich dadurch nämlich auch ein wenig prätentiös und unnötig kompliziert. Auch die sachliche, unterkühlte Erzählweise und die Wiederholungen haben mich gestört. Dennoch: Gegen Ende habe ich mich wieder mit dem Schreibstil versöhnt und konnte das Buch mit einem zufriedenen Gefühl beenden.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

„‘Sie haben sich wieder aufgemacht, und zwar sehr zahlreich – so zahlreich wie damals, vor vielen Jahren, als uns der Wandel zum ersten Mal traf. Das ist also der erste Punkt, den ich Ihnen heute mitteilen wollte. Die Anderen kommen.‘“ E-Book, Position 1677

Über „Die Mauer“ von John Lanchester hatte ich im Vorhinein schon viel Gutes gehört. Mit der Wahl des Inhalts, der in drei Teile gegliedert ist („Die Mauer“, „Die Anderen“, „Das Meer“) bewegt sich John Lanchester mit Sicherheit am Puls der Zeit: Während aktuell in England der Brexit bevorsteht, treibt der Autor die selbstgewählte Isolationspolitik auf die Spitze, indem er eine dystopische Welt erschafft, in der Großbrittanien von einer hohen Mauer umgeben ist, um "Eindringlinge" fernzuhalten. Wer jemanden (versehentlich) ins Land lässt, wird dem Meer übergeben und wird sehr wahrscheinlich sterben.

Ein Szenario, das einen erst einmal schlucken und – vor allem – nachdenklich werden lässt. Denn so könnte es auch bei uns eines Tages aussehen, wenn durchgesetzt wird, was viele fordern: dass wir unsere Grenzen um jeden Preis schützen und keinen einzelnen Flüchtling mehr durchlassen. Die langweiligen, trostlosen, von Angst und Ungeduld geprägten Wachdienste auf der Mauer bringen einen ebenfalls zum Nachdenken. Minutiös schildert der Autor die gleichförmigen Tage, an denen nichts Nennenswertes passiert. Wir begleiten den Protagonisten dabei, wie er in Zeitlupe seinen Müsliriegel verspeist, wie er lernt, nicht mehr auf die Uhr zu schauen (weil die Zeit dadurch nur langsamer vergeht), wie er Freundschaften schließt und sich verliebt. Themen wie Kameradschaft, Überleben, Tod, Krieg, Verlust und Trauer stehen ebenfalls im Mittelpunkt der Geschichte. Wie viele andere LeserInnen hat auch mich die Mauer im ersten Moment an jene in „Game of Thrones“ erinnert – jedoch verschwindet dieses Gefühl schnell wieder – zu sehr unterscheiden sich die beiden Geschichten.

Auch wenn ich Kavanagh gerne auf seiner Reise begleitet habe und auch wenn uns John Lanchester hier eine wendungsreiche, unvorhersehbare, durchaus unterhaltsame Geschichte bietet: Um eine Gesellschaftskritik zu sein, behandelt das Buch seine eigentlichen Themen – Brexit, Isolationspolitik, Flüchtlingsströme und Klimawandel – jedoch viel zu oberflächlich. Der Autor geht hier nicht genug in die Tiefe, liefert kaum Hintergrundinfos, wie es zu dieser verfahrenen Lage kommen konnte. Meiner Meinung nach hat es sich der Autor auf diese Weise leicht gemacht – zu leicht. Das Ende fand ich – auch wenn es vielleicht nicht allzu kreativ war – gelungen. Ich mochte die Mischung aus Hoffnung, Ungewissheit und Trostlosigkeit, die mitschwang, sehr.

Haupt- & Nebenfiguren (-)

Die Figurenzeichnung ist meiner Meinung nach leider eine der größten Schwächen des Buches. Es war sehr schwer für mich, eine Bindung zum Protagonisten aufzubauen. Das lag am zu nüchternen, emotionslosen Schreibstil und an der farblosen, latent unsympathischen Hauptfigur Kavanagh selbst. Er hält sich – vor allem am Beginn des Buches – für etwas Besseres als seine KameradInnen, ist sehr arrogant (die letzte Generation hat alles falsch gemacht und seine alles richtig!), gewissenlos und unreflektiert, was seine Tätigkeit auf der Mauer und die „Dienstlinge“ (moderne Sklaverei!) betrifft. Nur langsam hat er sich positiv verändert und ebenso langsam habe ich mich ihm angenähert. Gerade als ich begann, mit ihm mitzufühlen und mitzufiebern, war das Buch zu Ende.

Auch die meisten Nebenfiguren blieben blass und eindimensional. Die oberflächlichen Dialoge und die wenige Zeit, die Joseph mit ihnen verbringt, machen es leider nicht möglich, sie näher kennenzulernen. Jedoch gibt es auch hier Ausnahmen – manche Figuren wie zum Beispiel der Hauptmann sind meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Richtig cool fand ich übrigens Hifa, die statt zum Gewehr immer lieber gleich zum Granatwerfer greift und damit allen zu Hilfe eilt.

Liebesgeschichte (+/-)

Gut gefallen hat mir, dass sich die Beziehung zwischen Joseph und Hifa nur langsam entwickelt, was unter solchen Umständen sehr glaubwürdig ist. Zuerst freunden sich die beiden an, erst später wird mehr daraus. Leider fand ich auch die Liebesgeschichte zu emotionslos – sie konnte mich leider nicht mitnehmen und berühren. Dafür war zu viel Distanz zwischen mir und den Figuren.

Spannung (+/-)

Eines steht fest: „Die Mauer“ ist nur etwas für Fans (sehr!) ruhiger Bücher. Es gibt in dieser Geschichte nur wenige Dialoge, dafür aber viele Beobachtungen. Es passiert wenig auf der Mauer – und es passiert dementsprechend wenig im Buch. Ist es eigentlich genial, dass wir uns als LeserInnen vor allem im ersten Teil der Geschichte so durchs Buch quälen müssen wie die VerteidigerInnen sich durch ihre Wachdienste? Oder zeugen die fehlende Spannung, die statischen Beschreibungen des Alltages und die Langatmigkeit der Geschichte von schlechtem Handwerk und sind eher enttäuschend? Ich bin unschlüssig, tendiere jedoch eher zu Letzterem. In der zweiten Hälfte wird es dann endlich spannender (es passiert auch mehr) – diesen Teil fand ich sehr unterhaltsam. Auch die vereinzelten Cliffhanger und die kryptischen Vorausdeutungen haben mich absolut überzeugt.

Atmosphäre (♥)

Begeistert war ich jedoch von der Atmosphäre im Buch. Ich liebte diese düstere, beklemmende, trostlose, hoffnungslose (Kasernen-)Stimmung, die Sorgen und die Verzweiflung der VerteidigerInnen und dieses regungslose, aufgeladene, unruhige Warten auf das Unheil und die drohende Gefahr!

„Nachts, auf der Mauer, ist deine Fantasie dein Feind. […] Du siehst und hörst Dinge, die gar nicht da sind.“ E-Book, Position 900

Feministischer Blickwinkel (+)

Nur wenige Dinge haben mich hier gestört: Bei den Eltern von Joseph gibt es eine sehr traditionelle Rollenverteilung, bei der die Mutter sich um den Haushalt kümmert. Frauen werden entführt, um wahrscheinlich vergewaltigt zu werden (macht wütend, ist aber leider auch realistisch in einer solchen Situation) – stattdessen wird für sie entschieden, dass der Tod besser für sie ist. Ich bin unschlüssig, wie ich das finden soll! Andererseits sind auch viele Frauen auf der Mauer vertreten, die ihren männlichen Kollegen, was Mut und Einsatz betrifft, in nichts nachstehen und immer wieder ihre KameradInnen retten. Männer dürfen weinen, die Beziehung von Joseph und Hifa ist gleichberechtigt. Zudem gibt es auch keinerlei frauenfeindliche Sprache im Buch – danke dafür! In den Führungspositionen hätte ich mir allerdings ein ausgeglicheneres Verhältnis gewünscht (Politiker, Hauptmann, Sergeant etc.).

Mein Fazit

„Die Mauer“ ist eine düstere, beklemmende Dystopie am Puls der Zeit, die meine hohen Erwartungen leider nicht zur Gänze erfüllen konnte. Der Schreibstil ist einfach, flüssig und fängt die Ruhelosigkeit der VerteidigerInnen auf der Mauer gelungen ein, aber er zeigt sich oft auch zu nüchtern und emotionslos, die teilweise langen Sätze strengen im Laufe des Buches an. Ich habe die durchaus unterhaltsame, wendungsreiche und unvorhersehbare Dystopie über Liebe, Freundschaft, Überleben und Tod vor allem in der zweiten Hälfte sehr gerne gelesen. Um jedoch eine Gesellschaftskritik zu sein, behandelt das Buch seine Kernthemen – Brexit, Isolationspolitik, Flüchtlingsströme und Klimawandel – viel zu oberflächlich. Der Autor geht hier nicht genug in die Tiefe, liefert kaum Hintergrundinfos, wie es zu dieser verfahrenen Lage kommen konnte – und macht es sich auf diese Weise zu leicht. Die Figurenzeichnung ist meiner Meinung nach leider eine der größten Schwächen des Buches. Es war sehr schwer für mich, eine Bindung zum farblosen, arroganten, unreflektierten, latent unsypathischen Protagonisten aufzubauen. Auch von den anderen Figuren sind nur wenige besser gelungen. Die zweite große Schwäche des Buches ist seine fehlende Spannung und Langatmigkeit – zumindest im ersten Teil. Ich habe mich hier leider so durch die Geschichte quälen müssen wie Joseph sich durch seine Wachdienste. Großartig fand ich hingegen die düstere, beklemmende, trostlose Stimmung, dieses regungslose, aufgeladene Warten auf das drohende Unheil! Kurz: In „Die Mauer“ macht John Lanchester vieles richtig, aber leider auch bei wichtigen, grundlegenden Dingen einiges falsch. Seine Zukunftsvision konnte mich leider nicht auf ganzer Linie überzeugen.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 5 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Hauptfigur: 2 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Spannung: 2,5 Sterne
Ende / Auflösung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Lilien!

Veröffentlicht am 22.04.2019

Leider nicht so berührend wie erhofft

Ein Song bleibt für immer
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Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Alice Martineau leidet schon seit ihrer Geburt an Mukoviszidose, einer vererbbaren Stoffwechselstörung, die vor allem zu Problemen mit den Atemwegen und der Verdauung ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Alice Martineau leidet schon seit ihrer Geburt an Mukoviszidose, einer vererbbaren Stoffwechselstörung, die vor allem zu Problemen mit den Atemwegen und der Verdauung führt. Wie lange sie noch zu leben hat, weiß sie nicht. Aber als sie eines Tages ihren Modeljob kündigt, beschließt sie, von nun an ihrem Herzen zu folgen und die ihr verbliebene Zeit zu nutzen, um sich endlich ihren größten Traum zu erfüllen: eine berühmte Sängerin zu werden und die Menschen mit ihrer Musik zu berühren. Eine anstrengende Reise voller Hindernisse und großer Hoffnungen beginnt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Bastei Lübbe
Seitenzahl: 432
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum und Präsens
Perspektive: aus weiblichen Perspektiven (Mutter und Tochter)
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: +/- Im Buch werden zwar keine Tiere verletzt oder getötet – im Gegenteil, Alice und ihre Familie kümmern sich sehr liebevoll um ihre zwei (juhuu! Endlich mal keine Einzelhaltung) Katzen. Jedoch wird im Buch Pelz getragen und viel Fleisch gegessen.

Warum dieses Buch?

Der Klappentext klang so interessant, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte. Zudem hat es natürlich auch mein Interesse geweckt, dass Robbie Williams dieses Buch als „Inspirierend“ bezeichnet hat. Nach dem Lesen wurde mir auch klar, warum gerade er am Cover zitiert wird: Er hat selbst eine kleine „Rolle“ im Buch. Ein geschickter Schachzug der Autorin!

Meine Meinung

Einstieg (+/-)

„Ich lebe seit sechsundzwanzig Jahren mit Mukoviszidose. Wenn ich aufwache, spüre ich meine Lungen und meine Brust und sonst gar nichts. Bevor ich das Haus verlasse, muss ich immer eine Handvoll Pillen schlucken und bestimmte Wirkstoffe aus Maschinen inhalieren, die mir das Atmen erleichtern. Mein Husten ist immer da. Es ist mein ständiger Begleiter, Tag und Nacht.“ E-Book, Position 162

Der Einstieg ist mir leicht gefallen, da sich die Geschichte sehr flüssig lesen lässt. Jedoch hat es trotzdem lange gedauert, bis ich in der Geschichte angekommen war und sie mich in gewissem Maße fesseln konnte.

Schreibstil & Aufbau (+/-)

Die Geschichte wird hauptsächlich aus Alices Sicht erzählt, doch dazwischen gibt es immer wieder Tagebucheinträge ihrer Mutter zu lesen, die uns ihre Sichtweise der Ereignisse und ihre Sorgen mitteilt. Es muss sehr schwer sein, ein todkrankes Kind zu haben und zu wissen, dass man es in nicht allzu ferner Zeit verlieren wird.

Einerseits ist der Schreibstil sehr einfach, flüssig und angenehm zu lesen. Alice Peterson schreibt anschaulich, aber geht bei ihren Beschreibungen nicht zu sehr ins Detail, wodurch sich die Geschichte sehr schnell lesen lässt. Leider wirkte die Sprache auf mich durch die geringe Komplexität und die einfache, wenig abwechslungsreiche Wortwahl ein wenig oberflächlich. Sie erinnerte mich stellenweise (nicht immer) an diesen „Chick-Lit“-Stil, den ich leider nicht besonders mag. Auch die pathetische, teilweise sehr kitschige Art der Autorin, Vorkommnisse zu schildern trug zu diesem Eindruck bei. Manche Szenen haben bei mir daher zu innerlichem Augenrollen geführt.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

„Als sie mich auf meine schlanke Figur ansprach, hätte ich ihr erzählen können, dass ein Teil meines Darms entfernt worden ist – inzwischen fehlen mir bestimmt drei Viertel. Ich bin so schlank, weil ich Nahrung nicht richtig verdauen und daher auch nicht ausreichend verwerten kann; dazu kommen das ständige Husten und das mühsame Atmen. Das alles verbrennt in jeder Sekunde meines Lebens Tausende Kalorien.“ E-Book, Position 175

Viele Dinge haben mir, was den Inhalt betrifft, sehr gut gefallen. Zum einen gefiel mir, wie sensibel und doch ehrlich die Autorin das Leben mit dieser furchtbaren Krankheit beschreibt. Dabei konnte ich sehr viel dazulernen. Die Lebensfreude, die Alice und ihre ebenfalls erkrankten Freundinnen trotz allem haben, ist stets spürbar, und Alice Peterson zeigt in ihrem Roman, dass Kranke viel mehr sind als ihre Krankheit: Sie sind ebenso komplex, emotional, humorvoll und launisch wie gesunde Menschen. Im Buch geht es um Liebe, Freundschaft, Hoffnungen und Träume, Familie, den Alltag mit einer tödlichen Krankheit, den Umgang mit der eigenen Sterblichkeit und den Wunsch, der Nachwelt etwas von sich zu hinterlassen und somit in gewisser Weise unsterblich zu werden.

Alices Kraft und ihren Ehrgeiz, es trotz aller Hindernisse bis ganz nach oben zu schaffen, haben mich sehr beeindruckt! Ihre Hoffnungen, Ängste und Zweifel wurden zudem glaubwürdig und tiefgründig geschildert. Sehr überrascht war ich, als ich am Ende des Buches herausgefunden habe, dass das Buch auf einer wahren Geschichte und Person basiert. Alice Martineaus Lieder kann man sich auf „Youtube“ tatsächlich anhören. Das Ende kam dann überraschend schnell; ich fand es (auch wenn ich mir ein anderes gewünscht hätte) dennoch rund und gelungen.

Leider hat es auch Aspekte gegeben, die mir nicht gefallen haben. Zum einen kam es im Mittelteil durch Alices gesundheitliche Probleme und durch andere Rückschläge immer wieder zu inhaltlichen Wiederholungen, was manche Abschnitte etwas langatmig machte. Hier hätte man kürzen können, um dem Buch mehr Spannung und Tempo zu verleihen. Außerdem fand ich das Buch trotz allem sehr deprimierend, es hat mich beim Lesen runtergezogen, obwohl die Autorin doch eigentlich inspirieren, berühren und die Hoffnung in den Mittelpunkt rücken wollte. (Das das nicht sein muss, auch wenn ein Buch ein deprimierendes Thema behandelt, hat John Green mit „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ eindrucksvoll gezeigt. Falls ihr es übrigens immer noch nicht gelesen habt (Schande! ;) ) – ich möchte es euch hiermit wärmstens ans Herz legen.) Obwohl das Buch einige traurige und berührende Momente beinhaltet, gab es leider auch Stellen, die mich kaltgelassen haben. Zum Weinen gebracht hat mich das Buch nicht ein einziges Mal, und ich bin eigentlich eine emotionale Leserin. Das Buch konnte mich somit leider nicht durchgehend überzeugen.

Protagonistin und Figuren (+)

„‘Ich möchte etwas hinterlassen, wenn ich sterbe, etwas, das mir wichtig ist und anderen, etwas, bei dem man sich an mich erinnert, etwas, das bleibt…‘“ E-Book, Position 987

Alice hat mir als Protagonistin gut gefallen. Sie ist eine starke, ehrgeizige Frau, die nicht aufgibt, egal wie viele Steine ihr vom Leben auch in den Weg geworfen werden. Zudem habe ich ihren Humor geliebt, der manchmal durchaus recht schwarz ist. Dennoch konnte sie mich nicht ganz erreichen, ständig war da eine gewisse Distanz zu ihr. Leider konnte sie mir daher nicht ans Herz wachsen und zu einer unvergesslichen Heldin für mich werden. Ich habe zwar teilweise mit ihr mitgelitten und um sie gebangt, aber oft auch nur moderat mitgefühlt. Das ist ein schade, hier hätte ich mir mehr erwartet. Genervt hat mich zudem die irritierende Häufigkeit, mit der sie von anderen Personen als „wunderschön“ beschrieben wurde. Ja, wir haben es langsam verstanden – sie ist schön, auch wenn sie krank ist!

Die anderen Figuren sind verschieden gut gelungen. Manche von ihnen bleiben blass und eindimensional, andere werden greifbar und wirken sehr lebendig und echt. Besonders gerne mochte ich Alices Familie. Sie hat wirklich Glück, solche Eltern zu haben.

Liebesgeschichte (+/-)

Alice Petersons Geschichte ist eine Mischung aus Roman und Liebesroman. Sehr gut gefallen hat mir, dass die Liebesgeschichte sich langsam und glaubwürdig entwickelt. Sie ist nicht perfekt, es gibt Streit und Meinungsverschiedenheiten. Gerade das fand ich sehr erfrischend und authentisch. Dennoch ist es der Autorin nicht gelungen, dass ich beim Lesen auch ein Kribbeln spürte und mich ebenfalls in Tom verliebte. Deshalb hielt sich die Begeisterung leider trotzdem in Grenzen.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Auch was diesen Unterpunkt betrifft, hat der Roman seine Stärken und Schwächen. Einerseits enthält die Geschichte sehr spannende Momente und Passagen, bei denen ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Manchmal weil ich Angst um Alice hatte, manchmal weil ich auf den erhofften Durchbruch wartete. Andererseits gab es auch Abschnitte in der Mitte, die sich für mich sehr zogen, weil es inhaltliche Wiederholungen gab oder weil wenig (Neues) passierte. Was die Atmosphäre betrifft, so hatte das Buch, wie schon weiter oben angesprochen, eine deprimierende Wirkung auf mich, die mich beim Lesen eher runtergezogen hat. Daher auch meine Empfehlung: Wenn ihr gerade selbst depressiv oder traurig seid, solltet ihr um dieses Buch eher einen Bogen machen.

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Im Zentrum von Alice Petersons Buch steht eine sehr starke und selbstbewusste Heldin, die sich nicht unterkriegen lässt. Zudem werden toxische Beziehungen und Gewalt gegen Frauen thematisiert und scharf kritisiert, was ich toll finde! Jedoch werden Geschlechterstereotypen (die immerhin einen Risikofaktor für Gewalt gegen Frauen darstellen) teilweise (nicht immer!) gefördert, was gar nicht gut bei mir ankommt. Beispielsweise sind es immer die Frauen, die bei jeder Gelegenheit kochen. Warum? Zudem ist die Rollenverteilung in der Familie sehr klassisch: Die Mutter hat ihren Job und ihre Träume aufgegeben, um für ihre Tochter zu sorgen, der Mann ist Anwalt. Sehr problematisch finde ich, dass es so dargestellt wird, als würde der Ehemann überhaupt keine Ahnung vom Haushalt haben. Cool! Also bleibt neben der Pflege der Tochter auch noch der ganze Haushalt (auch am Wochenende) an der Mutter hängen. Ernsthaft? Es wird auch für „berührende Romane“ Zeit, im Jahre 2019 anzukommen.

Mein Fazit

„Ein Song bleibt für immer“ hat durchaus seine gelungenen, emotionalen und berührenden Momente, konnte mich jedoch leider nicht so bewegen und mitreißen, wie ich mir das gewünscht hätte. Taschentücher brauchte ich beim Lesen jedenfalls keine. Auf sensible und doch sehr ehrlich Weise beschreibt die Autorin den Alltag mit Mukoviszidose, einer unheilbaren Krankheit, die zu Alices Tod führen wird. Themen wie Liebe, Freundschaft, große Träume, der Umgang mit der eigenen Sterblichkeit und der Wunsch, der Nachwelt etwas von sich zu hinterlassen, stehen dabei im Zentrum der Geschichte und werden tiefgründig behandelt. Alice ist eine sympathische, lebensfrohe und sehr starke Heldin, die mich dennoch nicht immer erreichen konnte. Die anderen Figuren sind großteils gelungen, die authentisch unperfekte Liebesgeschichte konnte mich nicht ganz überzeugen. Der Schreibstil ist zwar flüssig und angenehm lesbar, leider war er mir aber auch oft zu oberflächlich, kitschig und pathetisch. Nicht so gut gefallen hat mir außerdem, dass das Buch eine sehr deprimierende Wirkung auf mich hatte und mich beim Lesen runtergezogen hat, auch wenn es mich eher inspirieren und mich hoffnungsvoll zurücklassen hätte sollen. Auch inhaltliche Wiederholungen und Spannungseinbrüche führen dazu, dass ich Sterne abziehen muss. Fazit: Insgesamt ist „Ein Song bleibt für immer“ ein Buch mit vielen guten Momenten, aber auch Schwächen, von dem ich mir schlussendlich doch mehr erwartet hätte.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 3,5 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Ende / Auflösung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: + / -

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Lilien!

Veröffentlicht am 26.03.2019

Atmosphärischer Ausflug in einen verwunschenen Wald - leider mit Längen

Waldkind
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Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Der Deamhain ist ein verwunschener Wald voller Gefahren, fremdartiger Tiere und Pflanzen – und Magie. Eva, eine toughe Geheimagentin, und Cianna, eine naive Bürgerstochter, ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Der Deamhain ist ein verwunschener Wald voller Gefahren, fremdartiger Tiere und Pflanzen – und Magie. Eva, eine toughe Geheimagentin, und Cianna, eine naive Bürgerstochter, verschlägt es beide aus verschiedenen Gründen in die unberechenbaren Tiefen des Waldes. Ein gefährliches Abenteuer, das beide Leben für immer verändern wird, beginnt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #2 einer sehr lose verbundenen Reihe um die erfundene Welt Athosia
Verlag: Bastei Lübbe
Seitenzahl: 640
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: aus weiblicher Sicht geschrieben (Eva und Cianna)
Kapitellänge: meist mittel bis lang
Tiere im Buch: - Tiere werden als Nahrungsquelle genutzt, sie werden getötet, teilweise schwer verletzt und leiden Qualen. Für sensible Tierfreund_innen ist das Buch daher nicht immer leicht zu verdauen.

Warum dieses Buch?

Nachdem ich das erste Buch der Autorin, „Frostseelen“, absolut geliebt habe und schon ewig das Erscheinen eines neuen Werkes herbeigesehnt habe, führte an diesem Fantasy-Roman natürlich kein Weg vorbei!

Meine Meinung

Einstieg (+/-)

Es hat wieder etwas gedauert, bis ich in die Geschichte gefunden habe – aber das war ja auch bei „Frostseelen“ so. Auch dieses Mal brauchte ich wieder einige Zeit, bis ich ganz in die fremde Welt eintauchen konnte.

„‘Halte dich stets vom Finderwald fern / er frisst Kinder und Schafe so gern.‘“ Seite 106

Schreibstil (+)

Das lag bestimmt auch am Schreibstil. Natalie Speer schreibt flüssig und angenehm, ihre Sprache kann als anspruchsvollerer „Fantasy-Schreibstil“ beschrieben werden. Ganz wunderbar fand ich die gelungenen, teilweise sogar poetischen Vergleiche und Metaphern. Die Beschreibungen sind zudem sehr anschaulich, meist unheimlich atmosphärisch und detailliert. Zeitweise ging es mir hier wieder etwas zu sehr ins Detail, dadurch verliert die Geschichte leider an Tempo. Ein paar Kürzungen hätten das Buch noch besser gemacht.

„Dabei ist der Deamhain wie geschaffen für Albträume. Seine Baumwipfel neigen sich bedrohlich über unsere Hügel. Sie sind so hoch, dass einem beim Anblick schwindelig wird, und ihre Äste greifen wie knorrige Knochenfinger nach dem Wind. Nachts schreien Eulen und andere Tiere in den Tiefen des Waldes wie kleine Kinder.“ Seite 34

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+)

Einmal mehr entführt uns die Autorin nach Athosia, eine fremde Welt, die ihren ganz eigenen Gesetzen folgt. Es geht wieder um Magie, aber auch um den Kampf dagegen, um Unterdrückung, Sklaverei, Reichtum auf dem Rücken der Armen, Krieg, um Freundschaft, Familie, alte Wunden, gefährliche Abenteuer und geheime Missionen. Das Worldbuilding überzeugt ebenso wie der sorgsam konstruierte, gelungene Plot, der mit einigen Wendungen aufwarten kann. Es macht Spaß, in die geheimnisvollen, wunderschönen, aber auch ebenso gefährlichen Tiefen des Waldes einzutauchen und diese zu erkunden. Dabei wird es zuweilen sehr brutal, actionreich und düster - die Autorin zögert zudem nicht, auch liebgewonnene Figuren sterben zu lassen. Da in Athosia aber gerade Krieg herrscht, verleiht das dem Buch nur mehr Glaubwürdigkeit.

Wie auch schon im letzten Band werden gesellschaftliche Probleme und Fragen thematisiert, die auch in der realen Welt von Bedeutung sind. Auch mit Gesellschaftskritik wird nicht sparsam umgegangen. Das Ende ist dann offener als erwartet, so dass einem nach dem Schluss des Buches noch einige Fragen im Kopf herumspuken. Insgesamt war ich mich dem vielleicht etwas zu schnell abgehandelten Abschluss aber dennoch zufrieden, da alle wichtigen Handlungsstränge zu einem ansprechenden Ende geführt werden.

Protagonistinnen und Figuren (+/-)

Eine der großen Stärken des Buches ist auch dieses Mal wieder die Charakterzeichnung. Vor allem die beiden Hauptfiguren sind liebevoll ausgearbeitete, runde und komplexe Protagonistinnen, die mit ihrer Persönlichkeit und auch der Entwicklung, die sie durchmachen, überzeugen. Die beiden Frauen zeichnen sich am Beginn der Geschichte vor allem durch ihre Gegensätzlichkeit aus: Während Cianna eine verwöhnte, naive, sensible junge Frau ist, kann Eva als toughe, starke Geheimagentin beschrieben werden, die auch ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen geht, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Trotz dem Herzblut, das ohne Zweifel in die Konzeption der beiden gesteckt wurde, konnten sie mir beide leider nicht so ans Herz wachsen wie Thea in „Frostseelen“ – woran das genau lag, das weiß ich nicht.

Auch die Nebenfiguren sind, soweit möglich, tiefgründig gezeichnet und wirken mit ihren Schwächen und Stärken lebendig und echt. Manche bleiben allerdings das ganze Buch über geheimnisvoll – dabei hätte ich sie gerne noch besser kennengelernt und ihre Beweggründe erfahren (Beispiel: Luka).

„‘Es gibt Vögel, die noch nie jemand gesehen hat, doch ihre Rufe klingen angeblich wie Kinderweinen. Wir nennen sie Bansei. Der, der ihr Weinen in der Abenddämmerung hört, erlebt die nächste nicht mehr.‘“ Seite 130

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Nun kommen wir zu meinem einzigen richtigen Kritikpunkt, der mir leider auch die Lektüre teilweise ein wenig vermiest hat. Zuerst zum Positiven: Die Atmosphäre im Buch ist wieder großartig gelungen: Der Deamhain wird vor dem inneren Auge lebendig, man hört es im Unterholz rascheln, riecht förmlich seinen Duft und spürt den Wind auf der Haut. Man bekommt den Eindruck, dass der Wald ein Organismus ist, dass er lebt und pulsiert, und fühlt sich, als wäre man selbst mit Cianna und Eva dort. Teilweise wird es zudem richtig unheimlich, immer wieder habe ich eine Gänsehaut bekommen.

Trotz der tollen Atmosphäre fehlte mir leider über weite Strecken die Spannung. Obwohl es durchaus atemlos spannende Momente und unerwartete Wendungen im Roman gibt, kann der Spannungsbogen leider nicht durchgehend gehalten werden, sondern bricht immer wieder ein. Dadurch entstehen Längen, bei denen ich mich zwingen musste, die Seiten nicht nur zu überfliegen. So mitreißend wie „Frostseelen“ war das „Waldkind“ daher für mich leider nicht, was mich ein bisschen enttäuscht hat. Dennoch hoffe ich natürlich, dass die Autorin ein weiteres Werk in dieser faszinierenden Welt ansiedelt und das dann wieder mehr meinen Geschmack trifft.

„‘Was meint er damit: Der Deamhain ist heute ruhig?‘, fragt einer der beiden Neuen mit beklommener Miene.
‚Dass die Chancen gut stehen, dass keiner von uns bis zur Waldbastion gefressen wird.‘“ Seite 104

Feministischer Blickwinkel (♥)

Hier hat die Autorin ein großes Lob verdient! Wir treffen hier auf die verschiedensten Frauen- und Männerfiguren, Männer dürfen weinen, Frauen dürfen tough und kämpferisch sein. Auch das Liebesleben der Protagonistinnen ist sehr unterschiedlich und keine der Frauen wird jemals dafür verurteilt. Zudem haben viele davon wichtige Führungspositionen inne, es gibt viele Soldatinnen und die Misogynie, die es leider zuweilen auch in Athosia gibt, beeindruckt Eva beispielsweise überhaupt nicht. Im Gegenteil, sie lässt sich nichts sagen und vertraut ihrem eigenen Urteil.

Ein weiterer Punkt, den ich positiv hervorheben möchte, ist die Tatsache, dass es in diesem Fantasy-Roman Diversität und gleichgeschlechtliche Liebe gibt – und zwar ganz ohne Klischees. Zudem wird daraus keine große Sache gemacht, viel eher wirkt es vollkommen normal (was es ja auch ist). Fantasy-Romane sind oft sehr sexistisch und konservativ – Natalie Speer geht hier jedoch einen ganz anderen Weg und kämpft damit für Toleranz. Dafür hat sie ein großes Lob verdient!

Mein Fazit

„Waldkind“ konnte mich leider nicht ganz so begeistern wie „Frostseelen“. Das lag sicher nicht am anschaulichen, schönen Schreibstil (der mir nur manchmal zu sehr ins Detail ging) und auch nicht an den liebevoll ausgearbeiteten Protagonistinnen und Figuren (die mir aus irgendeinem Grund trotzdem nicht ans Herz wachsen wollten). Auch die Konstruktion der faszinierenden Welt, der sorgsam erstellte Plot, die großartige, unheimliche Atmosphäre (der Wald wirkt wie ein lebendiges, pulsierendes Wesen!) und die gesellschaftskritischen, tiefgründigen Themen haben mir sehr gut gefallen. Leider fehlten mir dieses Mal aber immer wieder Tempo und Spannung, sodass mich diese Geschichte leider nicht so mitreißen konnte, wie ich mir das gewünscht hätte. Ich musste mich stellenweise zwingen, die Seite nicht nur zu überfliegen. Ein großes Lob hat die Autorin ohne Zweifel für ihre moderne Darstellung starker, tougher Frauen- und sensibler Männerfiguren und die selbstverständlichen Beschreibungen von gleichgeschlechtlicher Liebe ganz ohne Klischees verdient. Sie kämpft mit „Waldkind“ für mehr Toleranz (auch im Fantasy-Genre) und das ist großartig!

Sollte es einen Folgeband geben, werde ich den mit Sicherheit auch wieder lesen. Denn: Ich bin noch nicht bereit, Athosia für immer hinter mir zu lassen. An dieser Stelle seien euch übrigens die "Frostseelen" noch einmal wärmstens ans Herz gelegt! ♥

Empfehlung: Ein Fantasy-Roman für Fans von detaillieren Beschreibungen, einem gelungenen, atmosphärischen Schreibstil und einer eher düsteren Handlung.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 3 Sterne
Schreibstil: 4,5 Sterne
Protagonistinnen: 4 Sterne
(Neben)Figuren: 4 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Spannung: 2 Sterne
Ende: 3,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: ♥ !

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir gute dreieinhalb Lilien!

Veröffentlicht am 31.12.2018

3,5 Sterne: Solides Kinderbuch, leider fehlt mir dieses Mal ein bisschen das Herzblut

Die kleine Hummel Bommel und die Zeit
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Inhalt

Oma kommt zu Besuch. Die kleine Hummel Bommel ist vor Vorfreude ganz aufgeregt. Doch die Wartezeit scheint sooo langsam zu vergehen! Bommel wird ungeduldig und fragt sich, warum die Zeit manchmal ...

Inhalt

Oma kommt zu Besuch. Die kleine Hummel Bommel ist vor Vorfreude ganz aufgeregt. Doch die Wartezeit scheint sooo langsam zu vergehen! Bommel wird ungeduldig und fragt sich, warum die Zeit manchmal so rast und manchmal kriecht wie eine Schnecke. Einige andere Tiere verraten daraufhin Tipps, wie sie mit der Zeit umgehen. Am Ende wird der kleinen Hummel klar, dass es vor allem auf eines ankommt: wie man die vorhandene Zeit nutzt.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #4 einer Reihe
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: aus männlicher Perspektive
Tiere im Buch: + Es werden im Buch keine Tiere verletzt.

Warum dieses Buch?

In die kleine Hummel habe ich mich im ersten Buch vollkommen verliebt. Aus diesem Grunde führte auch an diesem Band wieder kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Geschichte (+)

Der Ausgangspunkt der Geschichte gefällt mir prinzipiell gut, auch wenn es nicht wirklich logisch ist, dass die kleine Hummel so lange auf die Großmutter am Bahnhof warten muss, dass sie in dieser Zeit so viele Leute und Freunde besuchen und mit ihnen reden kann. Mir gefällt, dass erneut ein wichtiges Thema aufgegriffen wird, das für Kinder in der empfohlenen Altersgruppe (3-6 Jahre) relevant ist: das Konzept der Zeit. Kindgerecht, einfach und verständlich wird die Zeit erklärt und warum diese manchmal rast und in anderen Momenten ganz langsam vergeht. Auch schwierige Themen wie Vergänglichkeit und das Altern werden sehr sanft adressiert, und – ganz wichtig! – ohne die Kinder zu ängstigen oder zu überfordern. Sehr gut gefallen hat mir die wertvolle Botschaft am Ende: Es kommt vor allem darauf an, die Zeit zu genießen und sinnvoll zu nutzen.

Schreibstil (+/-)

Wie auch in den letzten Bänden ist der Text wieder einfach, leicht verständlich und altersgemäß formuliert, sodass hier kein Kind Probleme haben sollte, die Geschichte zu verstehen. Irgendwie kam es mir bei diesem Band jedoch leider so vor, als sei die Luft ein bisschen raus und als hätte man mittlerweile schon ein Schema entwickelt, dem man (ohne übermäßigen Enthusiasmus) folgt. Mir sind weniger kreative Einfälle aufgefallen, es gab dieses Mal keine kunstvollen und charmanten Wortneuschöpfungen, und auch der Humor kam mir etwas zu kurz. Das Buch wirkt routinierter, aber leider auch etwas liebloser.

Illustrationen (+/-)

Dieser Eindruck setzte sich leider auch bei den Illustrationen fort. Sie sind zwar immer noch niedlich und hübsch anzusehen, jedoch gibt es dieses Mal weit weniger liebevolle Details, die zum Entdecken einladen. Vor allem der Hintergrund erschien mir an manchen Stellen etwas leer. Schade! Ich hoffe, dass man dem nächsten Band (der bestimmt folgen wird und den ich mir auch sicher nicht entgehen lassen werde!) wieder mehr Herzblut und Leidenschaft für die Geschichte ansieht. Vor allem nach der Lektüre des süßen Kinderbuches „Der Sternenmann“ von Max von Thun hinterließ die kleine Hummel bei mir dieses Mal ein vages Gefühl von Enttäuschung im Bauch.

Figuren (+)

Auch dieses Mal steht unsere zuckersüße Hummel Bommel wieder im Mittelpunkt der Geschichte. Wieder überzeugt das kleine Wesen mit seiner kindlichen Niedlichkeit und seinem lieben, neugierigen Verhalten. Man spürt auf jeder Seite, was für eine liebevolle Familie Bommel hat und wie gern sich alle haben. Die Nebenfiguren spielen wie immer nur sehr kleine Rollen und sind erneut dementsprechend blass (was aber nicht wirklich stört, da die Seitenzahl im Kinderbuch eben begrenzt ist). Hier hätten detailliertere Zeichnungen den Figuren mit Sicherheit noch etwas mehr Tiefe verleihen können.

Song (+/-)

Ich liebe ja das Konzept, einen passenden Song zum Kinderbuch zu produzieren, weil so das junge Zielpublikum die Geschichte zusätzlich musikalisch erleben und verarbeiten kann. Normalerweise fand ich die Songs von Maite Kelly (wenn sie auch nicht immer meinen Geschmack trafen) für Kinder sehr passend, dieses Mal erscheint mir das Lied trotz der wichtigen Botschaft aber kühl, weniger liebevoll geschrieben und nicht wirklich kindgerecht. Der Beat und die Melodie scheinen eher einen typischen Schlagersong für Erwachsene zu repräsentieren und kein Lied, das Kinder animiert, mitzusingen.

Geschlechterrollen & Vielfältigkeit (+/-)

Was den Aspekt der Vielfältigkeit betrifft, bin ich auch dieses Mal insgesamt zufrieden, da auch eine dunkelhäutige Figur wieder Teil der Geschichte ist. Sicher ist aber noch Luft nach oben.

Die Darstellung von Frauen und Männern im Buch ist dieses Mal sicher besser gelungen als im letzten Band (der letzte Band war diesbezüglich ja furchtbar!), jedoch gibt es auch hier wieder Kritikpunkte, die ich ansprechen möchte: Frauen sollten zukünftig öfter in aktiveren Rollen und weniger stereotyp dargestellt werden. Beispiele: Die Mama redet sanft, Frauen streiten oberflächlich miteinander, sind Keksverkäuferinnen, Kellnerinnen (interessanterweise sind die Jobs von Frauen immer eng verbunden mit „Hausfrauenqualitäten“) oder Mütter, die sich beschweren, dass die Kinder so schnell groß werden, sie stricken und sind liebevoll. Die Männer hingegen haben klischeehafte, aber vielfältige (oftmals angesehene oder sehr wichtige) Berufe: Sie sind Schaffner, Kofferträger, Gärtner, Balkenbohrer und Professoren. Auch Bommels Freunde sind erneut zwei Jungen. Hier würde ich mir einfach wünschen, dass die Autorin endlich sensibler mit dem Thema umgeht, dass sie bewusst mit schädlichen, einengenden Geschlechterstereotypen bricht und starke weibliche Figuren mit angesehen Jobs in die Geschichte einbaut, die jungen Mädchen als Vorbild dienen können. Wie wäre es einmal mit einer Professorin? Mit einer Ärztin? Und wie wäre es einmal mit einem liebevollen Vater, der sich um die Kinder kümmert? Es ist sicher nicht immer einfach, die vorgelebten Rollenbilder zu hinterfragen und kritisch zu betrachten – dennoch erwarte ich gerade das von einer modernen, guten Kinderbuchautorin.

Mein Fazit

„Die kleine Hummel Bommel und die Zeit“ ist ein solides Kinderbuch, das erneut mit seiner niedlichen, kindlich-neugierigen Hauptfigur glänzen kann. Die Geschichte ist kindgerecht geschrieben, bringt dem Zielpublikum auf sanfte Weise die Zeit und die Vergänglichkeit näher, ohne diese zu überfordern oder zu ängstigen. Am Ende steht wieder eine wichtige Botschaft: Es kommt vor allem darauf an, die Zeit, die wir haben, zu genießen und sinnvoll zu nutzen. Obwohl der Schreibstil wieder leicht verständlich ist und die Illustrationen insgesamt schön anzusehen sind, hinterließ dieser Band dennoch ein vages Gefühl von Enttäuschung meinem Bauch: Er wirkt routinierter und leider auch etwas liebloser. Man scheint ein Schema gefunden zu haben, dem man mit weniger Enthusiasmus folgt. Das merkt man sowohl an den Zeichnungen als auch am Schreibstil, am Song und an den Figuren. Für den Folgeband (den ich mir sicher wieder nicht entgehen lassen werde!) würde ich mir wünschen, dass endlich mehr starke, weniger stereotype Frauenfiguren in die Geschichte eingebaut werden und dass man dem Gemeinschaftsprojekt wieder mehr Herzblut und Leidenschaft ansieht.

Bewertung

Idee: 5 Sterne
Geschichte: 4 Sterne
Ausführung: 3,5 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Personen: 3,5 Sterne
Hauptperson: 5 Sterne ♥
Illustrationen: 3,5 Sterne
Vielfältigkeit: +
Rollenbilder: -

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch erhält von mir solide 3,5 Lilien!