Viele konstruktive Denkanstöße. Macht unabhängig.
Der Autor und Vorsitzende der japanischen Alfred-Adler-Gesellschaft Ichiro Kishimi beschreibt ein Gespräch zwischen einem Philosophen und einem jungen, ratsuchenden Mann.
Durch die Gesprächsform wird ...
Der Autor und Vorsitzende der japanischen Alfred-Adler-Gesellschaft Ichiro Kishimi beschreibt ein Gespräch zwischen einem Philosophen und einem jungen, ratsuchenden Mann.
Durch die Gesprächsform wird der Text zwar etwas langatmiger, und Inhalte wiederholen sich gelegentlich, aber dieses Erzählweise ist sehr geschickt gewählt. Denn so präsentiert der junge Mann alle Widersprüche, die der Leser eventuell haben könnte und der Philosoph geht auf sie ein. Das verspricht eine größere Offenheit des Lesers gegenüber dem Text. Denn was Kishimi schreibt, ist nicht immer bequem.
Alfred Adler ist mit Freud und Jung einer der drei großen Psychologen. Grundlage seiner Theorien ist die Erkenntnis, dass Körper und Psyche nach Kompensation oder Überkompensation streben.
Adler führt alle Probleme auf zwischenmenschliche Beziehungen zurück. Wäre man allein zu Hause, wäre man entspannt. So wird die Angst vor öffentlichen Plätzen zum Beispiel unbewusst als Schutz dafür verwendet auf Menschen zu treffen. Vielleicht, weil man immer wieder schlechte Erfahrungen gemacht und nicht gelernt hat, mit Konflikten umzugehen.
Menschen hielten an ihren Problemen fest, weil diese sie vor noch unangenehmeren Situationen schützen würden.
Auch wenn Alfred Adler drauf steht, scheint für mich gleichzeitig die asiatische Philosophie durch. Das Leben im Jetzt, Achtsamkeit, das Erkennen der Vergangenheit als Geschichten und die Gier des Egos werden auch im Buddhismus angesprochen.
Der Knackpunkt, wie bei jedem Selbsthilfebuch: mit dem Lesen dieses Buches ist es nicht getan. Man muss sich seine Glaubenssätze und Probleme wirklich genau anschauen, sie analysieren und bewusst dagegen arbeiten. Gewohnheiten sitzen tief. Es reicht nicht, einmal etwas verstanden zu haben, es muss immer wieder neu geübt werden.
Doch Kishimi gibt dem jungen Mann die Verantwortung für sein Leben zurück und fordert ihn auf, nach den wahren Ursachen, dem Gewinn seines Problems zu suchen, um es nachhaltig zu lösen.
Sehr hilfreich fand ich Kishimis Einstellung, den Kampf um Anerkennung aufzugeben und normal, statt etwas Besonderes sein zu wollen. Sowohl Lob als auch Tadel seien nicht hilfreich.
Er trennt zwischen den Erwartungen anderer und den eigenen Wünschen, empfiehlt jeden Moment direkt zu erleben, statt den Blick ständig auf die Zukunft und ein optimiertes Selbst zu richten.
Sehr positiv fand ich auch, dass er betont, wie wichtig Gemeinschaft ist - gerade heute, wo sich viele Menschen frustriert zurückziehen und mehr über Social Media kommunizieren als von Angesicht zu Angesicht.
Ein Buch, das mir viele Denkanstöße gegeben hat und das ich sicherlich mehrmals lesen werde.