Selten eine so depressive, verheulte Protagonistin begleitet.
Die Welt durch deine AugenSarah Heine hat einen enorm einladenden, stellenweise fast poetischen Schreibstil und erzählt die Geschichte rund um unsere Protagonisten mit jeder Menge Gefühl und voller Intensität. Schon zu Beginn kommt ...
Sarah Heine hat einen enorm einladenden, stellenweise fast poetischen Schreibstil und erzählt die Geschichte rund um unsere Protagonisten mit jeder Menge Gefühl und voller Intensität. Schon zu Beginn kommt eine sehr einnehmende Atmosphäre auf, die sich durch die gesamten 300 Seiten zieht. Man spürt die Emotionen der Figuren am eigenen Leib, man freut sich mit ihnen, leidet aber mindestens genau so stark mit. Die Einfachheit des Schreibstils, die man oft in Young/New Adult – Büchern oder Liebesromanen zu finden ist, fehlte hier komplett, dafür wurde schafft es die Autorin, mich zu berühren und die Schwere der Stimmung sehr gut rüber zu bringen. Ebenso beeindruckend waren die Ausschnitte, aus Enya’s eigenem Werk, die nicht nur kursiv gedruckt, sondern auch nochmal eine Spur poetischer erzählt sind. „Die Welt durch deine Augen“ ist geschrieben aus Enya’s und aus Janosch’s Sicht, was weitere Tiefe mitbringt und einfach passend fürs Geschehen ist. Für mich persönlich gibt’s am Stil und der Sprache keinerlei Kritik – man sollte sich aber im klaren sein, dass es eben keine lockerleichte Lovestory ist, sondern einfach tiefer geht und das spiegelt sich nicht zuletzt in der Art des Erzählens wider.
Enya und Janosch als Protagonisten zu begleiten, macht Spaß, keine Frage. Die Harmonie zwischen ihnen ist einfach einzigartig und so gefühlvoll und intensiv, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt habe. Die beiden agieren auf einer Ebene miteinander, die berührt und gleichzeitig staunen lässt. Sarah Heine hat es nahezu perfekt eingefangen, wie sie zueinander stehen und durch die leicht poetisch angehauchten Beschreibungen wird alles noch eingehender und echter.
Jedoch gibt’s in Sachen Figuren nicht nur Lob von meiner Seite aus. Enya war anfangs noch sehr sympathisch und sammelte quasi alle Pluspunkte, die es zu sammeln gibt. Ich konnte mich mit ihr identifizieren und fühlte problemlos mit ihr mit. Dieser Zwiespalt, in dem sie stand, war für mich vollkommen nachvollziehbar und realistisch und ihre damit einhergehenden Gedankengänge ebenso. Mir imponierte, mit welchem Ehrgeiz sie ihrem Traum nachging und jeder Rückschlag traf mich mitten ins Herz. Doch Enya veränderte sich und es dauerte nicht lange, bis ich mich fühlte, als würde ich einer Fremden gegenüberstehen. Die Handlungen ihrerseits waren nicht mehr nachvollziehbar, ihre Art stieß bei mir zunehmend auf Ungläubigkeit und strapazierte meine Nerven. Aus der einst starken Persönlichkeit wurde ein Häufchen Elend, ihr gesamten Rückgrat schien zu verschwinden und zurück blieb eine depressive, im Selbstmitleid ertrinkende Enya, die mich gar nicht mehr begeistern konnte. Nicht nur, dass ihr ständiges Geheule irgendwann kaum noch zu ertragen war; auch übertrug sich diese erdrückende Stimmung auch auf mich, sodass ich stets genervt und schlecht gelaunt aus der Geschichte auftauchte. Vielleicht wäre ein Therapeut an der Stelle gar nicht mal so verkehrt gewesen. Denn selbst positive Ereignisse endeten im Heulkrampf. Das alles wäre keineswegs nötig gewesen; denn es gab keinen Grund, wieso Enya plötzlich so „abstürzte“. Mit ein wenig Mut und Selbstvertrauen hätte sie alles, wirklich alles verhindern können; stattdessen handelt sie völlig unglaubwürdig und für mich in keinster Weise nachvollziehbar. Ich fand das so schade, denn ihre Art ruinierte mir doch so einiges an Lesespaß und so richtig mitfiebern wollte ich ab etwa der Hälfte dann auch nicht mehr.
Janosch hingegen brachte vieles mit, was bei Enya fehlte. Er war selbstbewusst, sympathisch und durchweg glaubhaft. Sein Geheimnis schockte mich zutiefst und kaum dass der Schock überwunden war, stieg meine Bewunderung für ihn noch weiter an. Janosch war ein Macher; jemand der sein Schicksal in die Hand nahm und trotzdem so bodenständig und liebenswert. Seine Aussagen erreichten mich; berührten mich und sein Blick auf die Welt ist beneidenswert. Auch er durchlebte in dem Buch Höhen und Tiefen; doch beides konnte er gleichermaßen gut handhaben und blieb auf ganzer Strecke echt und greifbar. – eigentlich genau das, was ich mir bei Enya gewünscht hätte.
Die Randfiguren waren ein großes Auf und Ab. Es gab einige, die ich echt gerne mochte, wie beispielsweise Luca. Anouk und Carlo zum Beispiel konnten mich aber nicht permanent bei Laune halten – es schwankte einfach; mal gab es mehr Sympathie, mal weniger; doch am Ende war ich dann doch zufrieden mit den beiden; trotz der kleinen Tiefpunkte.
Durch meine doch recht ausgeprägten Probleme mit Enya fällt es mir jetzt auch schwer, ein Urteil zur eigentlichen Geschichte zu fällen. Mir gefiel erst einmal die Idee sehr gut. Enya als angehende Schriftstellerin, trifft auf Janosch, der ihr Leben grundlegend auf den Kopf stellt. Auch die Plots, die Sarah Heine verbaut hat, waren interessant und brachten Spannung mit. Besonders beeindruckend war für mich das Geheimnis von Janosch – ich hätte ja bei Gott mit allem gerechnet, aber sicher nicht damit. Sehr einfallsreich und toll umgesetzt, wie ich finde. Allein die ganzen Hinweise, die so gut versteckt waren, dass man sie erst bemerkte, als das Geheimnis gelüftet wurde – dafür eindeutig Daumen hoch.
Da es mir aber grundsätzlich eher schwer fiel, mit Enya mitzufiebern, blieb auch das „gefesselt sein“ ein wenig auf der Strecke. Zwar wurde meine Neugier geweckt und ich wollte durchaus wissen, wie es weitergeht, doch besonders in den Momenten der Freude erreichte mich die Geschichte nicht. Das änderte aber letztlich nichts daran, dass es eine wirklich gut durchdachte, ausgefeilte und berührende Storyline war, die ihre Höhen und Tiefen hatte; die mal mehr, mal weniger spannend ausfiel und die mich alles in allem doch genug erreichte, um mitfühlen zu können. Besonders der Schriftsteller-Aspekt war eine Wohltat für die Seele. So gibt es quasi, wie oben erwähnt, eine Geschichte in der Geschichte, die nicht nur passend, sondern auch interessant ist. Desweiteren wird die Verlagssuche ausreichend beleuchtet, um als Nicht-Autor einen Einblick in diese knochenharte Artbeit zu bekommen.
Das Ende war dann, genau wie erwartet – und trotzdem will ich es nicht kritisieren; denn die finale Szene ist einfach perfekt ins richtige Licht gerückt worden und überzeugt durch eine gefühlvolle, berührende Stimmung. Das zuvor stattgefundene Drama wurde für mich zufriedenstellend aufgelöst ich war mit dem Schluss rund herum glücklich.
FAZIT:
Sarah Heine hat mit „Die Welt durch deine Augen“ ein sehr emotionales, tiefergehendes Buch geschrieben, das eine enorm interessante, gefühlsgeladene Storyline beinhaltet. Leider konnte mich die Protagonistin überhaupt nicht von sich überzeugen, sodass auch der Rest der Geschichte ein wenig darunter leiden musste. Trotzdem kann ich durchaus eine Lese-Empfehlung dafür aussprechen; besonders für diejenigen unter euch, die vielleicht selbst etwas mit dem Schreiben zu tun haben – denn die Einblicke in die Arbeit eines Autors sind mehr als gut in Szene gesetzt. Ich vergebe letztlich passable 3.5 Sterne.