Inhalt:
Die sechsundzwanzigjährige Schriftstellerin Nora erwacht schwerverletzt im Krankenhaus und hat keine Erinnerungen mehr an das, was in den letzten Stunden passiert ist. Sie weiß nur, dass sie das vergangene Wochenende auf dem Junggesellinnenabschied ihrer ehemals besten Freundin Clare verbracht hat und dort etwas Schreckliches vorgefallen sein muss. Sie hatte bereits ein ungutes Gefühl, als sie die Einladung zu diesem Partywochenende erhielt, denn seit mehr als zehn Jahren hatte sie keinen Kontakt mehr zu Clare. Nora hatte jede Brücke zu ihrer Vergangenheit abreißen lassen, um nicht mehr an die schmerzhaften Erlebnisse in ihrer Jugend zurückdenken zu müssen, über die sie bis heute nicht hinwegkam. Allerdings hatte sie Clare eigentlich nichts vorzuwerfen, sodass sie sich schließlich doch überreden lässt, an dem Junggesellinnenabschied in Northumberland teilzunehmen. Doch schon als sie in dem abgeschiedenen Haus inmitten des dunklen Waldes ankommt, bereut sie diese Entscheidung. Allerdings ahnt sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sich das geplante Partywochenende zu einem mörderischen Alptraum entwickeln wird…
Meine persönliche Meinung:
In der Buchhandlung wäre ich sicher an diesem Buch vorbeigelaufen, denn das Cover finde ich leider nicht besonders ansprechend, aber die Buchbeschreibung in der Verlagsvorschau klang sehr verlockend und die Leseprobe war so spannend, dass ich am liebsten sofort weitergelesen hätte. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass ich bei vorablesen.de ein Leseexemplar von Ruth Wares Debüt
Im dunklen, dunklen Wald gewonnen habe und schnell herausfinden konnte, wie dieser packende Thriller nun weitergeht.
Das Buch setzt ein, als Nora schwerverletzt im Krankenhaus aufwacht, aber nicht mehr weiß, was passiert ist. Die ganze Geschichte wird aus der Ich-Perspektive der Hauptprotagonistin erzählt, die nun ihre Erinnerungen an die Geschehnisse der letzten Tage zurückgewinnen will. Nora weiß nur noch, dass sie das vergangene Wochenende in einem einsam gelegenen Haus im Wald verbracht hat, um dort in einer kleinen Gruppe den Junggesellinnenabschied ihrer Jugendfreundin Clare zu feiern und dort etwas Schreckliches vorgefallen sein muss. Gemeinsam mit Nora wirft der Leser nun einen Blick zurück und versucht die Ereignisse Stück für Stück zu rekonstruieren. Man weiß, dass Noras Jugend von einem traurigen Erlebnis überschattet wurde, das sie unbedingt vergessen wollte. Doch nun wurde sie wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt, als sie mit ihrer ehemals besten Freundin aus Jugendtagen zusammentrifft. Als Clare ihr gleich bei ihrer Ankunft mitteilt, wen sie heiraten möchte, ahnt man, dass ihre traumatischen Jugenderinnerungen mit diesem Mann in Verbindung stehen müssen, aber was Nora vor mehr als zehn Jahren passiert ist, erfährt man zunächst nicht. Man weiß nur, dass sie über diesen Mann offenbar nie hinweggekommen ist, und obwohl man erst am Ende erfährt, was vorgefallen ist, fand ich ihre Erinnerungen an ihre Jugendliebe sehr berührend und konnte den Schmerz, den sie noch immer empfindet, sehr gut nachvollziehen.
Nicht nachvollziehen konnte ich jedoch, warum sie sich diesen Qualen überhaupt aussetzt, nicht einfach wieder abreist oder sich gegen die ständigen Sticheleien der anderen Partygäste nicht wenigstens zur Wehr setzt. Stattdessen lässt sie alle unsinnigen und teilweise auch erniedrigenden Spielchen über sich ergehen und verhält sich weitgehend passiv. Nachdem Clare ihr verkündet, wen sie heiraten wird, ist ein unbeschwertes Partywochenende ohnehin nicht mehr möglich, aber die anderen Anwesenden machen den Aufenthalt an diesem unwirtlichen Ort für Nora geradezu unerträglich. Immer wieder muss sie sich gegen die Sticheleien der anderen durchsetzen. Vor allem Flo, Clares beste Freundin, verhält sich sehr eigenartig, ist völlig überspannt und neigt zu hysterischen Ausbrüchen. Sie scheint Clare zu vergöttern, hat sich in den Kopf gesetzt, ein perfektes Wochenende für sie zu organisieren und verliert vollkommen die Fassung, wenn ihren Plänen etwas zuwiderläuft. Clares Verhalten ist auch äußerst rätselhaft, sodass sich Nora immer wieder fragt, warum sie überhaupt eingeladen wurde. Selbst die schlagfertige Nina, die Nora noch aus Schulzeiten kennt und deren Sarkasmus eigentlich recht liebenswürdig ist, versucht immer wieder Zwietracht zu säen und schmerzhafte Erinnerungen heraufzubeschwören. Und dann ist da noch Clares schwuler Freund Tom, der recht eigentümliche Vorstellungen von Humor und einer gelungenen Party hat, und die etwas dümmliche Melanie, die den Junggesellinnenabschied vorzeitig verlassen will, weil sie sich Sorgen um ihr Baby macht. Diese sechs Menschen sind nun dazu verdonnert, gemeinsam ein paar Tage in einem abgelegenen Haus zu verbringen, und man ahnt schnell, dass diese Party aus dem Ruder laufen wird. Die Autorin hat alle Charaktere sehr gut ausgearbeitet, wobei der Leser durch die gewählte Ich-Perspektive nur Nora wirklich nahekommt. Gemeinsam mit ihr durchlebt man dieses Wochenende nun noch einmal, erfährt schon zu Beginn des Buches, dass sich die Situation im Haus offenbar immer mehr zuspitzte und es schließlich sogar einen Toten gab, aber wer dieses dramatische Wochenende nicht überlebt hat und warum, entschlüsselt sich erst ganz am Ende dieses Thrillers. Man tappt also ebenso im Dunkeln wie Nora, wird immer wieder gekonnt auf die falsche Fährte gelockt und kann die bedrohliche Atmosphäre, die in diesem Haus geherrscht hat, sehr gut nachvollziehen.
Auch das Setting sorgt für beklemmende und wirklich gruselige Momente. Natürlich ist die Idee, die Handlung eines Thrillers in einem abgelegenen Haus im Wald anzusiedeln, nicht gerade innovativ, aber die Autorin hat dieses Haus noch mit ein paar architektonischen Besonderheiten ausgestattet, die es noch unheimlicher erscheinen lassen. Es entbehrt jeglicher Gemütlichkeit und ist vollkommen aus Glas, sodass man, wenn es dunkel wird und im Haus Licht brennt, ständig das Gefühl hat, beobachtet zu werden. Nora fühlt sich abends ausgestellt wie ein Tier im Zoo, denn nachts sieht man nicht nach draußen. Selbstverständlich gibt es keinen Handyempfang und auch die Festnetzleitung ist tot. Hinzu kommt, dass sie vor dem Haus rätselhafte Spuren im frischen Schnee findet, obwohl offenbar niemand das Haus verlassen hat. Die Autorin greift also auf bekannte und bewährte Zutaten zurück, um die Atmosphäre so bedrohlich wie möglich zu gestalten. Dies mag abgedroschen sein, funktioniert aber dennoch, denn ich hielt beim Lesen häufig den Atem an und konnte die Beklemmung, die von diesem Gebäude und auch den anwesenden Personen ausgeht, förmlich spüren.
Ruth Ware überzeugte mich jedoch nicht nur mit ihren gelungenen Charakterzeichnungen und der klaustrophobischen Stimmung, sondern auch mit einem raffiniert ausgeklügelten Plot, der sich am Ende stimmig und vollkommen überraschend auflöst. Sie baut gekonnt eine subtile Spannung auf, kann sie durchweg halten und lässt das Tempo dieses ansonsten eher ruhigen Thrillers auf der Zielgeraden ordentlich ansteigen. Obwohl die Autorin auf brutale, actionreiche und blutige Szenarien vollkommen verzichtet, kann dieser Thriller mit einigen Schockmomenten aufwarten und bereitete mir sehr spannende und zuweilen auch recht gruselige Lesestunden.