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Veröffentlicht am 22.07.2019

Alte Rechnungen werden beglichen

Rotwild
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Ein grausiger Leichenfund bringt die Ermittlerinnen Ingrid Nyström und Stina Forss für ihren zweiten Fall wieder zusammen. Ein Lehrer wurde ermordet, es sieht nach einem Ritual aus, ein religiöses Motiv ...

Ein grausiger Leichenfund bringt die Ermittlerinnen Ingrid Nyström und Stina Forss für ihren zweiten Fall wieder zusammen. Ein Lehrer wurde ermordet, es sieht nach einem Ritual aus, ein religiöses Motiv scheint möglich. Doch es bleibt nicht dabei.

Scheinbar wahllos werden in ganz Schweden verteilt Menschen ermordet, immer unter etwas anderen Umständen, aber es scheint einen Zusammenhang zu geben. Die Hintergründe, die Geschichten, Lebensläufe der Opfer sind schwer und nur langsam zu ermitteln.

Deshalb bleibt auch genug Zeit für ein paar entspanntere Abschnitte, um die Protagonisten besser kennenzulernen, auch wenn es natürlich hilfreich ist, den Vorgänger “Später Frost” zu kennen. Die Geschichten sind so vielseitig wie die Charaktere, wenig Stereotypen, somit kommt keine Langeweile auf.

Da der Mörder aber weitermacht, gibt es dazu ohnehin nicht viel Gelegenheit. Als es eine erste mögliche Verbindung zwischen den Opfern gibt, nimmt der Schwedenkrimi noch einmal Fahrt auf. Als Leser bekommt man zwar zwischendurch auch die Sichtweise der “anderen Seite” serviert, dennoch ist nicht alles so wie es scheint.

Am Ende spielt das Autorenduo Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson eine ihrer Stärken aus: Die verstrickte Krimihandlung in der Gegenwart mit einer historischen Komponente zu verknüpfen. In gewisser Weise ist das eine Parallele zu Band 1.

Für Fans von skandinavischen Krimis und abwechslungsreichen, sympathischen Hauptpersonen ist die Reihe um Nyström/Forss auf jeden Fall zu empfehlen.

“Rotwild” ist Band 2 der Reihe um Nyström und Forss, erschienen sind außerdem:
“Später Frost”, “Aus eisiger Tiefe”, “In stürmischer Nacht”, “Der unerbittliche Gegner”, “Erzengel” und “Schneewittchensarg”

Veröffentlicht am 15.06.2019

Literatur, die immer aktuell sein wird

Wo die Schakale heulen
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Wer “Eine Geschichte von Liebe und Finsternis” von Amos Oz gelesen hat, wird manche Begegnungen, Szenen und Charaktere in diesem Buch möglicherweise leichter begreiflich finden als ohne dieses “Vorwissen” ...

Wer “Eine Geschichte von Liebe und Finsternis” von Amos Oz gelesen hat, wird manche Begegnungen, Szenen und Charaktere in diesem Buch möglicherweise leichter begreiflich finden als ohne dieses “Vorwissen” um den so eigenen, sehr metaphorischen und dann wieder unverblümten, direkten Stil des Jerusalemer Autors.

“Wo die Schakale heulen” entstand vor Oz’ autobiografischem Epos und erschien im Original 1965. Es enthält zehn Kurzgeschichten, fiktive Episoden und Einblicke in das damalige Israel und seine leidgeprüften Einwohner.

Es ist kein Roman, den man so eben nebenbei als leichte Lektüre lesen kann, die Geschichten eint allesamt dass sie kaum, eigentlich gar keine, heitere Momente besitzen. Humor findet sich nur zwischen den Zeilen, in einzelnen Bemerkungen oder Gedanken entweder eines der Personen oder des Erzählers.

Oz beherrscht meisterlich, feinste Stimmungen und Schwingungen zwischen Charakteren entstehen zu lassen, ohne etwas darüber niederzuschreiben. Er lässt das meiste im Kopf des Lesers entstehen, so lange bis man sich fragt, ob man da nicht doch zu viel hineininterpretiert hat?

Und dann wieder, ganz plötzlich, schwenkt die Situation um und er präsentiert mit wenigen Sätzen eine so intensive, überraschend direkte, fast brutal ehrliche Szenerie, die auch so schnell wieder vorbei ist, dass man als Leser kaum Zeit hat, davon abgestoßen zu werden.

Die zehn Geschichten lassen sich zwar auch rein als Einblick in die damalige, uns ferne Welt verstehen, dennoch bieten sie allesamt die Möglichkeit, Gleichnisse zu entdecken, Kritik an Umständen, der Gesellschaft und anderem, die auch heute und auch außerhalb Israels ihre Gültigkeit haben.

Werke von Amos Oz sind jedem zu empfehlen, der Lust auf anspruchsvolle, tiefgehende Literatur hat, aber die “klassische Weltliteratur” schon kennt oder nicht lesen möchte. Es ist nur wichtig, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, nicht vom ungewohnten, schwierigen Beginn abschrecken zu lassen, den Oz einem neuen Leser zweifellos bieten kann.

Wer es sich zutraut, sollte meiner Meinung nach gleich mit “Eine Geschichte von Liebe und Finsternis” starten, aber ansonsten ist “Wo die Schakale heulen” ein guter Einstieg und stilistisch sogar der etwas schwierigere. Durch die kurzen Episoden, die über mehrere Jahre entstanden sind, merkt man, dass der Stil noch nicht ganz der ausgereifte ist wie im großen Roman, er schwankt noch stärken zwischen den Extremen.

Dass Amos Oz seine Werke nicht mehr überarbeiten kann (er verstarb 2018), ist einerseits schade, andererseits hat er durch seine erzählerische Gabe Texte geschaffen, die in vielen Aspekten so universell sind, dass sie mehrere Generationen später als Gesamtkomposition nichts an Eindringlichkeit verloren haben. Oz blickt seinen Protagonisten tief in Kopf und Seele und extrahiert mittels weniger Wörter und Sätze ihre ureigenste Menschlichkeit. Und solange es Menschen auf der Erde gibt, ganz egal was und wie wir uns verändern, solange bleibt diese Form der Literatur aktuell.

Veröffentlicht am 28.05.2019

Ein wunderbar atmosphärisches Thrill-Love-Roadmovie in Buchform

Destination Dallas
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Es ist eine harte Welt, die des Frank Guidry. Im New Orleans des Jahre 1963 regiert die Mafia, regieren ihre “Angestellten”, die Respekt und Annehmlichkeiten genießen, von dene die arme Bevölkerung weit ...

Es ist eine harte Welt, die des Frank Guidry. Im New Orleans des Jahre 1963 regiert die Mafia, regieren ihre “Angestellten”, die Respekt und Annehmlichkeiten genießen, von dene die arme Bevölkerung weit entfernt ist. Guidry kommt genau aus einer solchen armen Familie. Seine schwierige Kindheit erfährt der Leser so ein bisschen zwischen den Zeilen.

Guidry ist einer, der als Teenager sein Leben selbst in die Hand nahm und Glück hatte. Er steigt in der Hierarchie höher und höher. Zu Beginn dieses Thrillers begegnet uns ein selbstsicherer “Mann für die Drecksarbeit”, der auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere steht und alle Möglichkeiten hat.

Doch schleichend macht sich in Guidry ein anderes Gefühl breit.. will ihm jemand an den Kragen? Etwa einer von der eigenen “Seite”? Der gutaussehende Junggeselle tritt den Rückzug an und trifft auf sein Gegenstück - eine Frau, die ebenso auf einer wilden Reise quer durch Amerika ist.

Lou Berney schafft mit “Destination Dallas” ein Roadmovie mit Thrill, Blut und “so könnte es gewesen sein” - wie das Cover verrät, spielt in diesem fiktiven Roman eine schockierende Tatsache aus Dallas eine große Rolle.

Mit unkompliziertem Schreibstil zwingt der Autor seinen Protagonisten, immer vorwärts zu gehen, immer auf der Hut zu sein und lässt dennoch ganz leise Momente zu, Szenen, die nicht nur Guidry, sondern auch den Leser fast vergessen lassen, worum es eigentlich geht: Frank muss seine Haut retten, um jeden Preis. Schafft er es, seiner Vergangenheit und der harten Welt, aus der er kommt, zu entfliehen? Oder holt sie ihn wieder ein, kann er sich nicht aus dieser ihm antrainierten Denke lösen?

Veröffentlicht am 05.06.2019

Eine jazzige Achterbahnfahrt mit viel Humor und wunderbarem Protagonisten

Murder Swing
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Dieser britisch-humorige Musik-Krimi ist ein kunterbuntes und abwechslungsreiches Lesevergnügen. Nicht nur für Katzenbesitzer oder jene, die Katzenbesitzer und ihren Umgang mit den Vierbeinern kennen, ...

Dieser britisch-humorige Musik-Krimi ist ein kunterbuntes und abwechslungsreiches Lesevergnügen. Nicht nur für Katzenbesitzer oder jene, die Katzenbesitzer und ihren Umgang mit den Vierbeinern kennen, nicht wahr? Ja genau.

Der Londoner Vinyl-Enthusiast und Klang-Fetischist, dessen Name nie genannt wird und der aus der Ego-Perspektive erzählt, ist selbsternannter Detektiv. Er spürt wertvolle Platten auf, die er hortet und gewinnbringend verkauft, wovon er teilweise mehr schlecht als recht seinen Lebensunterhalt bestreitet.

Als er gar nicht damit rechnet, heuert ihn eine schöne Frau, hinter der ein Auftraggeber steckt, an, um eine bestimmte Schallplatte aufzutreiben. Ihre vorübergehende Gesellschaft und viel Geld als Belohnung winken

Auf dieser Reise kreuz und quer durch London und durch Vereinigte Königreich und sogar nach Amerika lässt der Namenlose den Leser auf locker flockige Weise einerseits an der Story selbst teilhaben, aber flicht auch wunderbar unaufgeregt zahlreiche Details zu Sound, Abspielanlagen, Aufnahmestudios und vielerlei technischen Finessen zwischendurch ein. Diese Teile lassen sich natürlich auch querlesen, aber sind so anschaulich erzählt, dass sie auch für Nicht-Vinyl-Freaks eine schöne Ergänzung darstellen.

Die Suche verläuft natürlich weder einfach noch ungefährlich, sonst wäre es ja kein Krimi. Tatsächlich dauert es etwas, bis auch dieser Handlungsteil voll in Fahrt gerät, aber dann ist er nicht zu bremsen. Andrew Cartmel, selbst Jazzfan natürlich, hat hier eine wundervolle Hauptfigur geschaffen. Bodenständig, katzenliebend, loyal und ein bisschen neurotisch wie wir alle, kommt es einem am Ende des Buches vor als wäre der Vinyl-Detektiv ein alter Bekannter. Und man freut sich schon auf die geplanten zwei weiteren Romane, sobald sie auf Deutsch erschienen sind. Wer weiß, vielleicht erfährt man ja auch noch seinen Namen?

Veröffentlicht am 25.03.2019

Puh, es ist nur ein Buch - hoffentlich!

Die Spur des Geldes
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Er ist ein vornamenloses Wesen, dieser Winter. Und damit ist natürlich nicht die Jahreszeit gemeint, sondern der Schweizer Tom Winter, der nur ganz selten, wenn es um Offizielles geht, seinen Vornamen ...

Er ist ein vornamenloses Wesen, dieser Winter. Und damit ist natürlich nicht die Jahreszeit gemeint, sondern der Schweizer Tom Winter, der nur ganz selten, wenn es um Offizielles geht, seinen Vornamen angibt und auch durchweg mit Nachnamen angeredet wird, fast wie früher Schüler von ihren Lehrern.

Von einem Schüler ist Winter allerdings weit entfernt. Vielmehr ist er das Gegenteil. In Sachen Nahkampf, Spionage und Geldbetrug macht ihm so schnell niemand was vor. Winter, ehemaliger Einsatzleiter bei der Sondereinheit Enzian, arbeitet als Sicherheitschef bei einer Privatbank mit Sitz in Bern.

Bei Verbrechern macht sich der toughe Held, der in diesem Band einige sehr schwere Stunden hinnehmen muss, durch die Bank unbeliebt, aber glücklicherweise hat er im Unternehmen einige sehr gute Kontakte und Freunde, mit denen er immer in Verbindung steht und die ihm sowohl wichtige Infos beschaffen als ihm auch aus schwierigen Lagen helfen können.

Hinter jedem erfolgreichen Ermittler steht also immer auch ein Team an Verbündeten. Aber worum geht es nun in diesem Thriller? Die Spur des Geldes eines ermordeten Berliners führt zu Winters Bank und ihn dadurch auf eine gefährliche Fährte, die ihn auf der Suche nach einem Berufsverbrecher und mutmaßlichen Terroristen quer durch halb Europa führt.

Winter entdeckt dubiose Firmengeschäfte und alte Leichen werden durch die gemeinsamen Ermittlungen von ihm, seinen Kollegen und dem LKA in Berlin ans Tageslicht gespült. Alle Fäden laufen an einem Punkt zusammen. Zalimkan Magomedow, russischer (nicht ganz so sauberer) Geschäftsmann, führt seinen eigenen Krieg gegen jeden, der seinen Plan gefährdet und gegen die Westliche Welt, die er erschüttern möchte. Winter hegt bald einen grausamen Verdacht...

“Die Spur des Geldes” ist nach “Söldner des Geldes” und “Korrosion” der dritte Fall für Tom Winter.