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Veröffentlicht am 23.07.2019

Allein, die Welt hat mich vergessen

Der Gesang der Flusskrebse
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Von tochteralice
Die erste Zeile aus einem alten Nina-Hagen-Lied: Die Überschrift für Kyas Leben. Denn Kya ist ab ihrem sechsten Lebensjahr komplett auf sich gestellt - zuerst verabschiedet sich die Mutter, ...

Von tochteralice
Die erste Zeile aus einem alten Nina-Hagen-Lied: Die Überschrift für Kyas Leben. Denn Kya ist ab ihrem sechsten Lebensjahr komplett auf sich gestellt - zuerst verabschiedet sich die Mutter, dann nach und nach die wesentlich älteren Geschwister. Zurück bleibt sie mit ihrem Vater, einem unberechenbaren Säufer und Alkoholiker, der sich kein bisschen um sie kümmert (abgesehen von wenigen Highlights) und dann irgendwann auch die Biege macht. Da ist sie immer noch ein ziemlich kleines Kind.

Kya hat nichts: kein Geld und kein Wissen und vor allem überhaupt keinen Rückhalt. Nirgendwo.

Sie war nur einen Tag in ihrem Leben in der Schule (ein Desaster!), kann weder lesen, rechnen noch schreiben. Vor allem aber hat sie niemanden, der für sie sorgt, der sich auch nur ein Fitzelchen für sie interessiert. Und sie lebt mitten im Marschland, in den Sümpfen der us-amerikanischen Südstaaten. Wo sie sich selbst beibringt, das zurückgelassene Motorboot ihres Vaters zu führen und allmählich auch, sich einen Lebensunterhalt zu sichern. Sie verkauft Muscheln an einen afroamerikanischen Ladenbesitzer namens Jumpin', der sich ebenso wie sie am Rande der Gesellschaft befindet. Nicht vergessen, wir befinden uns in den Südstaaten, zudem datiert die Handlung in den 1950er und 1960er Jahren, genauer gesagt zwischen 1952 und 1970. Jumpin' und seine Frau Mabel werden zu Bezugspersonen für Kya, genauer gesagt zu einer Art Verbindung zur Zivilisation, einer Art Anker in der Gesellschaft. Gewissermaßen zu ihrer Rettung in einer ausweglosen Zeit. Zu dem, was am nächsten an Eltern herankommt.

Zudem kommt es inhaltlich zu einem kleinen Bruch, als ein Junge - Tate - in Kyas Leben tritt und zu einer Art Professor Higgins (Pygmalion, Sie erinnern sich) wird. Er bringt ihr nämlich Lesen und Schreiben und einiges mehr bei. Sie hat das Gefühl, ihm völlig vertrauen zu können, bis er eines Tages weg ist. Und irgendwann von einem anderen Jungen, Chase, der eine Art Star in der Stadt ist, ersetzt wird. Jahre später wird dieser tot aufgefunden - das kann ich getrost verraten, weil das Buch damit beginnt, doch es ist keinesfalls ein Krimi, vielmehr ein gesellschaftskritischer Roman.

Leider einer, der ab dem zweiten Drittel stellenweise ein wenig an dem bis dahin so faszinierenden herben Zauber und Schwung verliert, zu sehr in Sphären wie Liebe, Leidenschaft und Rache abdriftet. In eine Gefühlswelt, die mich an in diesem Kontext ausgesprochen unpassende Musical-Szenen à la Westside Story erinnert.

Ich habe den Roman dennoch über weite Teile sehr gern gelesen - die Autorin hat einen wunderbaren Stil und versteht es, das Marschland der amerikanischen Südstaaten so eindringlich zu beschreiben, dass man als Leser das Gefühl hat als würde man selbst dort feststecken, Muscheln sammeln oder einfach auf einem Steg sitzen und den zahlreichen Vögeln zuschauen. Obwohl ich fast durchgehend immer wieder Kritikpunkte hatte, konnte ich einfach nicht aufhören zu lesen.

Es kommen zahlreiche Passagen vor, die an Romane wie "Vor dem Sturm" von Jesmyn Ward und "Winters Knochen" von Daniel Woodrell erinnern - letzterem kam sie von der Atmosphäre gelegentlich gefährlich nahe, ohne jedoch ganz an seine Kraft heranzureichen.

Ein Roman, der mich zwiegespalten zurück lässt, mich aber dennoch zu fesseln vermochte!

Veröffentlicht am 26.06.2019

Emma kehrt zurück

Schwarzer See
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Vor fünfzehn Jahren hat Emma Davis im Sommercamp Grauenvolles erlebt: ihre drei Hüttengenossinnen verschwanden eines Nachts und wurden nie wieder gesehen. Verständlich, dass das Camp nach diesem fürchterlichen ...

Vor fünfzehn Jahren hat Emma Davis im Sommercamp Grauenvolles erlebt: ihre drei Hüttengenossinnen verschwanden eines Nachts und wurden nie wieder gesehen. Verständlich, dass das Camp nach diesem fürchterlichen Ereignis schloss - und nicht mehr öffnete - doch jetzt hat die Leiterin Franny, die gleichzeitig die Besitzerin des Grundstücks und Herrenhauses am Lake Midnight ist, beschlossen, es noch einmal zu wagen: und lädt Emma, die mittlerweile als bildende Künstlerin recht erfolgreich ist, ein, den Mädchen im Camp Zeichen- und Malunterricht zu geben.

Sie ist längst nicht die Einzige, die bereits vor fünfzehn Jahren da war - es begegnen ihr so einige alte Bekannte - und zudem auch noch die Geister der Vergangenheit. Die sie - genau genommen - nie richtig losgelassen haben, wie sie nun feststellen muss.

Riley Sager - einem Mann - gelingt es wirklich gut, das Gefühlsleben sowohl des Mädchens als auch der Frau Emma zu darzustellen, er - und ebenso die großartige Übersetzerin Susanne Goga-Klingenberg - treffen stets den richtigen Ton. Das macht die Lektüre aus meiner Sicht authentisch und eindringlich - ein Thriller ist es jedoch nicht. Auch wenn ein paar wirklich spannende Szenen enthalten sind, würde ich dieses aus meiner Sicht durchaus gelungene Werk am ehesten als Spannungsroman bezeichnen. Einige Abläufe wie auch ein Teil der Auflösung kamen mir im Gesamtzusammenhang ein wenig fragwürdig vor, doch insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen und würde auch zu einem weiteren Werk des Autors greifen. Wer eine spannende Urlaubslektüre sucht, für den könnte dies das Richtige sein.

Veröffentlicht am 01.06.2019

Ghana im ausgehenden 19. Jahrhundert

Die Frauen von Salaga
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Das heutige Ghana steht im Mittelpunkt des Romans der Autorin Ayesha Harruna Attah; damit setzt sie dem Land ihrer Vorfahren sozusagen ein Denkmal.

Und zwar mit einer bunten Geschichte aus den 1890er ...

Das heutige Ghana steht im Mittelpunkt des Romans der Autorin Ayesha Harruna Attah; damit setzt sie dem Land ihrer Vorfahren sozusagen ein Denkmal.

Und zwar mit einer bunten Geschichte aus den 1890er Jahren, in denen vor allem die dortigen Frauen im Vordergrund stehen. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass ihr Los - egal in welche der sozialen Schichten sie hineingeboren wurden - kein einfaches war und am Los von Aminah und Wurche bestätigt sich dies. Aminah, ein junges Mädchen, lebt mit ihrer Familie ein eher bescheidenes, jedoch erfülltes Leben und steht gerade vor der Entscheidung, eine ungewollte Ehe zum Wohle ihrer Familie einzugehen, als ihr Dorf niedergebrannt und sie und ihre Geschwister als Sklaven verschleppt und verkauft werden. Auf einem langen und steinigen Weg landet sie schließlich im Haushalt von Wurche, einer Königstochter, die bereits eine Ehe zum Wohle ihrer Familie abgeschlossen hat, in der sie alles andere als glücklich ist. Wurche erkennt in Aminah eine feinfühlige junge Frau und macht sie zur Amme ihres Sohnes. Aminahs Leben ändert sich das erste Mal seit der Verschleppung zum Guten, auhc wenn sie weiterhin auf eine Rückkehr zu ihrer Familie hofft. Auch werden die Frauen bald zu Konkurrentinnen.

Ein Roman, dessen Lektüre nicht allzu anspruchsvoll, dafür aber unterhaltsam ist. Zudem erhält man einen Einblick in das Leben im kolonialen Ghana und damit Anstöße, sich darüber weiter zu informieren. Literarisch ist das Werk nicht allzu ambitioniert, jedoch vermittelt es auf leichte, unanstrengende Art Eindrücke vom Leben der Frauen im Ghana vergangener Zeiten. Auch wenn der Stil eher luftig-leicht ist - die Inhalte sind es nicht. Sie künden vielmehr von einem schweren Los der Frauen, wobei es auch Männer nicht gerade leicht hatten. Doch die Frauen waren ihnen in vielerlei Hinsicht ausgeliefert, wobei es in einigen Bereichen durchaus auch Parallelen zu der Behandlung der Frauen in Europa und anderen damals als fortschrittlich angesehenen Ländern gab. Doch war die gesamte Situation Westafrikas damals durch die Kolonialisierung eine gänzlich andere und ungleich schwerere für die indigene Bevölkerung. Diese bildet hier lediglich den Rahmen für einen süffigen Roman im Stil von Barbara Wood. Die Handlung wird mir sicher nicht allzulange im Gedächtnis bleiben, doch hat dieser Roman mein Interesse an der Geschichte Westafrikas und auch der dortigen Literatur definitiv gesteigert!

Veröffentlicht am 15.05.2019

Island im Herzen

Das Versprechen der Islandschwestern
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Das hat Pias Großmutter Greta bereits seit vielen Jahrzehnten, denn als ganz junge Frau hatte sie dort 1949/50 ein Jahr verbracht, sozusagen als Gastarbeiterin. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ...

Das hat Pias Großmutter Greta bereits seit vielen Jahrzehnten, denn als ganz junge Frau hatte sie dort 1949/50 ein Jahr verbracht, sozusagen als Gastarbeiterin. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden nämlich dort auf den Höfen Arbeitskräfte gesucht - eine der wenigen Möglichkeiten für deutsche Frauen für einen Neubeginn im Ausland.

Doch Greta war nicht dort geblieben, im Gegensatz zu ihrer Schwester Helga, die auf Island eine Familie gegründet und nie mehr ihren Fuß auf deutschen Boden gesetzt hat. Auch der Kontakt zwischen den beiden Schwestern war seit langem abgebrochen.

Doch dann - wir schreiben das Jahr 2017 - kommt eine Einladung zu Helgas 90stem Geburtstag. Greta ist bereit, diese anzunehmen, doch nur wenn sie Verstärkung bekommt: Enkelin Pia und deren Tochter Leonie sollen sie begleiten. Trotz ihres sehr engen Verhältnisses zu Greta hat Pia keine Ahnung, was damals vorgefallen ist - die Großmutter weigert sich schlicht, darüber zu sprechen.

Pia und vor allem Leonie können sich schnell begeistern - sowohl für die Umgebung als auch für die Bewohner. Wobei letztere durchaus ein wenig sperrig sein können, vor allem der männliche Teil.

Island in seiner vollen Pracht - das bekommt der Leser - bzw. vielmehr die Leserin, es ist nämlich ein typischer Frauenroman - hier intensiv vermittelt, vor allem das Wesen der Isländer wird den Rezipientinnen nähergebracht. Auch die Informationen zu den historischen Ereignissen - zur Übersiedlung deutscher Arbeitskräfte, vor allem Frauen, nach Island, sind durchaus fundiert und ausgesprochen interessant.

Doch so sehr ich Romane liebe, die auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen spielen - hier hat mir gerade bei dem Erzählstrang in der Gegenwart so einiges an handlungsfüllendem Leben, an Emotionen und Hintergründen gefehlt. Im Nachkriegsstrang war davon mehr vorhanden, doch auf beiden Ebenen war schnell abzusehen, worauf alles hinausläuft. Dadurch verliert sich aus meiner Sicht ein wenig die Bedeutsamkeit - ich merke bereits jetzt, wenige Tage nach dem Lesen, dass ich die Namen nochmal nachblättern muss, auch viele Teile der Handlung werden schnell aus meinem Gedächtnis entschwinden - ein Buch so leicht und luftig wie ein isländischer Sommertraum. Also sehr kurzlebig, wenn überhaupt vorhanden.

Dennoch eine Leseempfehlung von mir - für einen unterhaltsamen Familienroman. Passt gut als Urlaubslektüre - nicht nur für Island-Reisende!

Veröffentlicht am 11.05.2019

Bullerbü für Erwachsene

Bell und Harry
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Oder auch Lönneberga - allerdings nicht in Schweden, sondern in Nordengland, nämlich in Yorkshire. Dort lebt Bell mit seiner Familie auf einem Bauernhof. Ein anderes Wohnhaus wird nach dem Tod ...

Oder auch Lönneberga - allerdings nicht in Schweden, sondern in Nordengland, nämlich in Yorkshire. Dort lebt Bell mit seiner Familie auf einem Bauernhof. Ein anderes Wohnhaus wird nach dem Tod der Großmutter nicht mehr benötigt und wird für Jahrzehnte an die Londoner Familie Bateman vermietet, deren kleiner Sohn Harry aus Bells Sicht der einzige Vernünftige in der Familie ist, also das Landleben und seine Akteure versteht. Doch alsbald kommen sich die Familien näher und bleiben einander über Jahre hinweg verbunden.

Im Stil von locker - und vor allem zeitlich - aufeinander aufbauenden Histörchen erzählt Jane Gardam von den Erlebnissen von Bell und Harry. Manchmal steht auch einer der anderen Akteure im Mittelpunkt.

Ihr warmherziger und humorvoller Stil ist unübertroffen, dennoch hat mich dieser Roman nicht ganz so begeistert wie andere ihrer Werke: irgendwie gab es zu viele weiße Flecken zwischen und auch in den Geschichten. Zudem stammt das Original aus dem Jahr 1981, die letzte und längste Erzählung spielt jedoch im Sommer 1999. Wie das? Hat sich die Autorin einen Blick in die Zukunft gestattet? Das kann natürlich sein und dann hat sie es auch gut hinbekommen, dennoch empfinde ich es als ein bisschen störend.

Dennoch hat es mir Spaß bereitet, dieses Buch zu lesen - wie alles von Jane Gardam!