May god have mercy on your soul
Der letzte Pilger (Ein Fall für Tommy Bergmann 1)May god have mercy on your soul, Gott sei deiner Seele gnädig, mit diesem Satz wird die junge Agnes während des Zweiten Weltkriegs von Großbritannien aus auf eine Mission nach Norwegen geschickt. Das Land ...
May god have mercy on your soul, Gott sei deiner Seele gnädig, mit diesem Satz wird die junge Agnes während des Zweiten Weltkriegs von Großbritannien aus auf eine Mission nach Norwegen geschickt. Das Land ist von den Deutschen besetzt und sie arbeitet im Widerstand. Agnes' verstorbener Vater war Norweger, die wiederverheiratete Mutter ist Engländerin, begeistert von Hitler wie Schwester und Stiefvater, zu Agnes' Entsetzen. Die junge Frau ist mit diesem Familienhintergrund prädestiniert für einen Einsatz als Spionin, soll sich mit Männern einlassen, um Informationen zu liefern, doch wünscht sich bald wichtigere Aufgaben. Mit dem Unternehmer Gustav Lande lernt sie einen wichtigen Partner der Deutschen und dessen kleine Tochter kennen. Als sich der Witwer mit ihr verlobt, obwohl Agnes heimlich einen anderen liebt, steckt sie bald tiefer in einem gefährlichen Spiel, als sie sich je vorstellen konnte. 2003 wird ebenfalls in Norwegen ein grausamer Fund gemacht. Die drei Leichen liegen seit Jahren dort, zwei Erwachsene und ein kleines Mädchen. Eine Leiche hat auf einem Ring eine Widmung mit dem Namen Gustav. Der Osloer Polizist Tommy Bergmann wird indessen zu einem aktuellen Mord geschickt. Carl Oscar Krug war ein bekannter Widerstandskämpfer und Unternehmer und wurde jetzt grausam ermordet mit einem Hitlerjugend-Messer. Tommy beginnt, Verbindungen zu sehen, und verbeisst sich in den Fall.
Ich bin gerade sehr begeistert vom Ende des Krimis, von den völlig unerwarteten Wendungen, mit denen ich so nie gerechnet hätte. Ab einem bestimmten Punkt glaubt ich, eine Ahnung vom Fortschritt der Handlung zu haben, und lag doch völlig daneben. Häufig liegt es bei Spannungsliteratur so, dass ich das Gefühl einer künstlich aufgebauten Spannung habe, im Sinne von "Wenn jetzt diese eine Person zur Abwechslung die Wahrheit sagte, könnte man sich das ganze Buch sparen - laaaangweilig". Hier jedoch ist die gesamte Handlung sehr komplex. Zuerst sah ich den Zusammenhang zwischen dem alten und dem neuen Mord nicht, dann gab es einen Zusammenhang, aber keine sinnvolle Erklärung. Dann hatte ich einen Mordverdächtigen, aber das Motiv passte mit der Tat nicht zusammen. Das ist so clever gemacht und so sinnvoll eingebettet in die reale Situation während der Besatzungszeit, dass der Autor wirklich großes Lob verdient.
Ich mag Krimis mit historischen Komponenten und hatte ganz durch Zufall kurz zuvor von Jo Nesbø "Rotkehlchen" gelesen mit einem ganz ähnlichen Plot, auch Norwegen, eine neuer und ein alter Fall, die durch eine Tat aus der Zeit von Besatzung und Widerstand miteinander verbunden sind. Nesbøs Roman ist eine Gangart härter (beim Pilger ist die Beschreibung des aktuellen Mordes die brutalste Situation am ganzen Buch - mit dem Messer gemetzelt und mit ausgestochenen Augen, schlimmer wird es später nicht; die Spannung speist sich stark aus den Ängsten Agnes'), dafür finde ich das Buch von Sveen deutlich logischer, realistischer hinsichtlich von Tat und Tatmotivation. Empfehlen kann ich beide. Bemerkenswert am "Pilger" war für mich, dass sich die Wechsel zwischen den Zeitebenen für mich gut anfühlten, üblicherweise ist mir so etwas zu künstlich voller Cliffhanger oder ich mag eine Ebene deutlich lieber oder man erzählt mir alles zu langsam. Hier ist das so mysteriös, das hat mich immer weiter getrieben.
Womit ich ein Problem hatte, war zu einem gewissen Zeitpunkt der Ermittler. Endlich einmal wieder kein "beschädigter" Typus - dachte ich. Ich fing an, den rauchenden Einzelgänger zu mögen, der sich vorsichtig in die Mutter von einem der Mädchen aus der Kindermannschaft, die er trainiert, zu verlieben beginnt - bis ich hören durfte, woran seine vorige Beziehung gescheitert war. Tommy hatte seine frühere Lebensgefährtin geschlagen, Besserung gelobt, es wieder getan. Uff. Das ist jetzt nicht so wirklich eine Identifikationsfigur und hätte beinahe zum Abbruch gehört, was schade gewesen wäre. Dennoch frage ich mich ernsthaft, welcher Autor sich gerade so etwas antut?? Und den Lesern?
Edit: das scheint wichtig zu sein für Band 2.
Ich habe den Krimi gehört gelesen von Detlef Bierstedt und bin von seinem Vortrag begeistert, die nuancierte Sprechweise mit sinnvollen Pausen half beim Verständnis des recht komplexen Texts, definitiv aber kein Hörbuch für nebenbei - seitdem jäte ich gerne Unkraut mit Hörbuch.
5 Sterne und direkt Griff zu einem der Folgebände, der schon kurz vorher hier lag, bis ich von den Vorgängern erfuhr.