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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.08.2019

In einer Welt voller Aberglauben und Geheimdienste

Die geheime Mission des Kardinals
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Kurz vor seinem Ruhestand muss Kommissar Barudi einen brisanten Fall lösen: In einem Fass mit Olivenöl, das an die italienische Botschaft in Damaskus geliefert wurde, befindet sich die Leiche eines italienischen ...

Kurz vor seinem Ruhestand muss Kommissar Barudi einen brisanten Fall lösen: In einem Fass mit Olivenöl, das an die italienische Botschaft in Damaskus geliefert wurde, befindet sich die Leiche eines italienischen Kardinals, der auf einer geheimen Mission in Syrien unterwegs war. Verdächtige gibt es mehr als genug: 'einfache' Kriminelle, Islamisten, der Geheimdienst, Widersacher in den eigenen Reihen. Und wem kann man vertrauen? Der Geheimdienst hat seine Ohren überall.
Auch wenn das Buch wie ein typischer Kriminalroman beginnt (mit der Entdeckung des Toten), ist es viel mehr als das. Rafik Schami nutzt die Suche nach den Mördern, den Lesenden ein Bild des Syriens aus dem Jahr 2010 zu vermitteln. Noch herrscht Frieden, doch es wirkt mehr wie die Ruhe vor dem Sturm. Die Menschen sind arm, rechtlos und sie wissen, dass sie überall und ständig von Lauschern und Horchern des Geheimdienstes umgeben sind und jedes kritische Wort gegen den Präsidenten sie sofort ins Gefängnis bringen kann. Sicher sind nur die, die sich zu seinen Verwandten zählen können, und so suchen immer mehr Menschen ihr Heil in einem Aberglauben, um sich zu schützen.
Dies ist das zweite grosse Thema des Buches: wie Aberglaube und Religion Menschen dazu bringen kann, die unglaublichsten Dinge zu tun und zu ertragen - und nicht im positiven Sinn. Wer nun denkt: 'Na klar, diese zurückgebliebenen BewohnerInnen entfernt liegender Bergdörfer, kein Wunder, dass die Alles glauben.', der/die irrt. Hierzu ein schöner Satz, weshalb der Aberglaube auch in übersättigten Gesellschaften gedeiht (wenn auch in anderer Form): "Weil die Menschen dort durch nichts mehr Befriedigung finden. Unerträgliche Leere breitet sich in ihrer Seele aus. Deshalb suchen die Menschen in fernen Welten oder Sphären Befriedigung." Eine wirklich aufschlussreiche Lektüre zu diesem Thema.
Das hört sich nun vielleicht Alles ziemlich trist an - ist es aber überhaupt nicht. Rafik Schami schreibt sehr unterhaltsam, wenn auch für meinen Geschmack gelegentlich etwas weitschweifig, was aber wohl den orientalischen Gegebenheiten entspricht. Zudem kommt auch der Humor nicht zu kurz, denn trotz des allgegenwärtigen Geheimdienstes können sich Barudi sowie sein Freund, der Chef der Spurensicherung, ihre spitzen Kommentare nicht verkneifen und der hinzugezogene italienische Kollege hält sich ebenfalls nicht zurück.
Wer klare, stringente Handlungen mag, tut sich mit diesem Buch vermutlich keinen Gefallen. Denn der Autor nutzt bei jeder Gelegenheit die Chance etwas zu erzählen, was mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun hat. Und so erfährt man irgendwie nebenbei die Lebensläufe fast aller Beteiligten und viele viele Anekdoten. Mir hat es jedenfalls gefallen

Veröffentlicht am 25.07.2019

Vergnügliche und herzerwärmende Geschichten vom Landleben in Yorkshire

Bell und Harry
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Harry ist gerade einmal vier oder fünf Jahre alt, als er mit seinen Eltern, seinem älteren Bruder und dessen Freunden in den Ferien nach Yorkshire fährt. Es ist Landleben pur, doch nach leichten Startschwierigkeiten ...

Harry ist gerade einmal vier oder fünf Jahre alt, als er mit seinen Eltern, seinem älteren Bruder und dessen Freunden in den Ferien nach Yorkshire fährt. Es ist Landleben pur, doch nach leichten Startschwierigkeiten sind alle begeistert und so pachten sie ein kleines ehemaliges Farmhaus und kehren jedes Jahr mehrmals wieder. Harry freundet sich schnell mit Bell an, dem etwas älteren Sohn der Vermieter und nach einigen Jahren ist es, als ob Harry und seine Familie schon immer zu dem kleinen Dorf gehört hätten.
Das Cover verspricht einen Roman, doch tatsächlich sind es neun Erzählungen, die mit jeweils einigen Jahren Abstand eine Geschichte berichten, die sich während der Ferien von Harrys Familie ereignet. Dabei geht es nicht immer um seine Familie, doch als Teil des Dorfes sind sie natürlich stets dabei. Es ist eine Idylle die Jane Gardam hier präsentiert, versehen mit kleinen Spitzen, die in das beschauliche Landleben etwas Aufregung und Unruhe bringen.
Ich mag den Stil der Autorin, die die Figuren in ihren Büchern sehr hingebungsvoll und mit leichter Ironie beschreibt, sodass selbst die unheimlichsten Gestalten überraschenderweise sehr liebenswert wirken (ich denke da nur an die Eierhexe). Auch ihre Beschreibungen der Umgebung sind sehr einprägsam und detailliert, es macht so richtig Lust, den nächsten Urlaub vielleicht in Yorkshire zu verbringen und die Bewohner dort kennenzulernen. Sollten sie nur halb so freundlich sein wie in diesem Buch, ist Yorkshire auf jeden Fall eine Reise wert
Eines hat mich noch überrascht: Die letzte Geschichte spielt im Jahre 1999, das Buch datiert allerdings aus 1981, sodass man sie fast als Science fiction bezeichnen könnte. Ich wunderte mich beim Lesen bereits, in welch desolaten Verhältnissen das Land sich befindet. Aber nach einem Blick auf das eigentliche Erscheinungsjahr erklärte es sich.

Veröffentlicht am 12.06.2019

Nur 1/4 Krimianteil, aber der hat es in sich ;-)

Wilder Winter
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Hap und Leonard sind trotz ihrer Gegensätzlichkeiten Freunde, sogar sehr gute Freunde. Während der weisse Kriegsdienstverweigerer Hap noch immer seiner Ex-Frau Trudy hinterhertrauert, versucht der schwarze ...

Hap und Leonard sind trotz ihrer Gegensätzlichkeiten Freunde, sogar sehr gute Freunde. Während der weisse Kriegsdienstverweigerer Hap noch immer seiner Ex-Frau Trudy hinterhertrauert, versucht der schwarze schwule Vietnamveteran Leonard ihn davon abzuhalten, bei ihrem nächsten Erscheinen wieder schwach zu werden. Doch er hat keine Chance. Als Trudy erneut auftaucht und Hap um Hilfe bittet bei der Suche nach dem verschwundenen Geld eines Bankraubs, ist er sofort damit einverstanden. Allerdings nur, wenn Leonard dabei ist. Widerwillig stimmt sie zu und sie machen sich auf den Weg, um den Rest des Teams zu treffen. Die Suche beginnt, doch dann geht Alles schief.
Von den rund 230 Seiten erinnern vielleicht gerade einmal 60 an einen Krimi oder Thriller. Dennoch ist das Buch keine Enttäuschung, denn die Dialoge der beiden Freunde machen richtig Spaß und Joe R. Lansdales Beschreibungen des Lebens der beiden, ihrer Umgebung und der Verhältnisse sind einfach sehr unterhaltend und ausdrucksvoll. Wie auch in seinen anderen Büchern beschreibt der Autor den Süden der USA auf eine Weise, dass man ihn förmlich vor sich sieht und manchmal sogar glaubt, ihn riechen zu können
Im letzten Viertel wandelt sich die Geschichte dann von einer eher harmlosen Schatzsuche hin zu einem fast schon splatterhaften Finale. Dazu die ziemlich vulgäre Ausdrucksweise - für allzu zart besaitete Lesende dürfte dieses Buch nicht gerade die erste Wahl sein.
Mir hat es aber gefallen. Ich habe mich gut amüsiert und war durchaus über die ein oder andere Wendung überrascht. Mehr von Hap & Leonard!

Veröffentlicht am 25.05.2019

Durchweg spannend - wenn nur die letzten 60 Seiten nicht wären

Liebes Kind
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Seit 14 Jahren ist Lena verschwunden ohne dass es ein Lebenszeichen von ihr gibt. Dann findet man nach einem Autounfall eine schwer verletzte Frau, neben ihr ein kleines Mädchen, das behauptet, die Frau ...

Seit 14 Jahren ist Lena verschwunden ohne dass es ein Lebenszeichen von ihr gibt. Dann findet man nach einem Autounfall eine schwer verletzte Frau, neben ihr ein kleines Mädchen, das behauptet, die Frau wäre ihre Mutter und heisse Lena. Nach und nach stellt sich heraus, dass Beide gefangengehalten wurden in einem Haus mitten im Wald, offenbar jahrelang. Doch ist die Frau tatsächlich die vermisste Lena?
Die Geschichte entwickelt sich nur zögerlich aus den Erinnerungen zweier Hauptfiguren, Lena und der kleinen Hannah, was der Spannung jedoch keinen Abbruch tut. Während die vermeintliche Lena voller Emotionen die beängstigte Atmosphäre und ihre Demütigungen schildert, sind Hannahs Erinnerungen völlig sachlich und scheinbar gefühllos. Doch vermutlich ist es genau dieser extreme Gegensatz, der das Ganze so eindringlich wirken lässt. Ich mochte mir kaum vorstellen, was dieses kleine Mädchen erlebt haben musste, um sich so zu äussern wie sie es tut.
Der dritte Protagonist ist Lenas Vater, der nie über den Verlust seiner Tochter hingekommen ist und nun all seinen Frust und Ärger an der Polizei auslässt ('Alles Deppen ausser mir' oder so ähnlich ). Mir war das stellenweise wirklich zuviel, wie er seiner Wut ungebremst freien Lauf lässt und nicht nur im übertragenen Sinn wild um sich schlägt.
Ansonsten gibt es nicht allzu viel Action wie beispielsweise Mord und Totschlag bis auf die letzten 60 Seiten; dennoch läuft das Kopfkino auf Hochtouren. Ich habe die mehr als 400 Seiten in gerade einmal zwei Tagen durchgelesen, weil ich das Buch nur schwer aus der Hand legen konnte. Hätte es dann noch diesen übertrieben dramatischen Showdown nicht gegeben, würde ich diesen Thriller bedenkenlos Allen nahe legen, die dieses Genre lieben. So bleibt es bei einer Empfehlung mit Einschränkung.

Veröffentlicht am 22.05.2019

Spannender Krimi mit kleinen Längen und viel galicischem Lokalkolorit

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
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Als Manuel erfährt, dass sein Ehemann Alvaro bei einem Autounfall in Galicien ums Leben gekommen ist, macht er sich sofort auf den Weg dorthin. Zu seiner Überraschung erfährt er, dass Alvaro dort ein Doppelleben ...

Als Manuel erfährt, dass sein Ehemann Alvaro bei einem Autounfall in Galicien ums Leben gekommen ist, macht er sich sofort auf den Weg dorthin. Zu seiner Überraschung erfährt er, dass Alvaro dort ein Doppelleben führte, von dem er keine Ahnung hatte. Trotz seines Schmerzes und seiner Enttäuschung beginnt er gemeinsam mit dem frisch pensionierten Polizisten Nogueira nachzuforschen, weshalb Alvaro starb - und ob es wirklich 'nur' ein Unfall war. Je mehr sie sich damit beschäftigen, umso unglaublicher werden ihre Entdeckungen, die weit in die Vergangenheit zurückreichen.
Es ist eine erstaunliche und spannende Geschichte, die hier nach und nach offenbart wird. Viel erfährt man über das Leben des alten spanischen Adels, der offenbar noch immer eine große Zahl von Privilegien genießt, obwohl der Höhepunkt seiner Macht schon lange überschritten ist. Doch die Autorin ist auch den 'normalen' Menschen sehr zugetan, die sie ebenso wie diesen spanischen Landesteil voller Zuneigung ausführlich beschreibt. Man sieht beim Lesen buchstäblich die beeindruckenden Landschaften vor sich und bekommt zusehends Lust, sich alles selbst anzuschauen (zumindest bei mir wuchs dieses Bedürfnis stetig ).
Der Kriminalfall entwickelt sich zu Beginn eher bedächtig, denn es ist vergleichsweise lange unklar, ob tatsächlich überhaupt ein Verbrechen vorliegt. Blut fließt kaum und manchmal ist es fast schon etwas langatmig, wenn Manuel wiederholt seinen Gedanken nachhängt. Doch das Tempo zieht an und gegen Ende scheinen sich die Ereignisse beinahe zu überschlagen.
Ein guter Schmöker, auch wenn ich ihn nicht so gelungen finde wie beispielsweise 'Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert' von Joël Dicker. Zwar ereignen sich auch bei 'Alles was ich Dir geben will' eine Reihe von verblüffenden Geschehnissen, doch bei Weitem nicht in der Menge und Intensität. Irgendwie ahnt man stets doch schon, was ungefähr passieren wird. Auch die Figuren sind in ihrer Persönlichkeit eher eindimensional - entweder gut oder böse, große Überraschungen gibt es nicht. Dennoch: Alles in allem keine schlechte Unterhaltung.