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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.11.2016

Verwirrend und grausam

Adler und Engel
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Was für eine chaotische Geschichte, die da aus einer Teenagerliebe erwächst. Es geht um Drogenhandel und -schmuggel, geschickt vermischt mit den Kriegswirren auf dem Balkan und der danach folgenden Osterweiterung ...

Was für eine chaotische Geschichte, die da aus einer Teenagerliebe erwächst. Es geht um Drogenhandel und -schmuggel, geschickt vermischt mit den Kriegswirren auf dem Balkan und der danach folgenden Osterweiterung - das sind die unschönen Beigaben einer Liebesgeschichte die keine ist. Max ist verliebt in Jessy, die aber in Scherscha - der wiederum nur an viel Geld interessiert ist, an das er über Jessy heranzukommen glaubt, deren Vater ein Drogenhändlier im großen Stil ist. Max zieht sich zurück, wird ein erfolgreicher Anwalt im Völkerrecht und begegnet Jessy wieder. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, als sich der Kontakt zu seiner alten Liebe intensiviert...
Grundsätzlich keine schlechte Geschichte, wie hier das Grauen des Drogenhandels wie auch des Balkankrieges einem vor Augen geführt wird wie auf übelste Weise beides zusammengeführt wird. Doch irgendwie empfand ich die Art in der Alles zusammenhing, ziemlich konstruiert. Nichts, aber auch überhaupt nichts wurde hier dem Zufall überlassen, alles war geplant und von bösen Hintermännern in die Wege geleitet worden. Es löst sich am Ende (wenn auch nicht in Wohlgefallen) zwar alles auf und die Zusammenhänge sind klar erkennbar, doch etwas weniger Konstruktion hätte für meinen Geschmack dem Roman sehr gut getan. So bleibt es im Rückblick für mich eine recht chaotische Geschichte mit noch chaotischeren Hauptfiguren.
Sehr gut gefallen hat mir aber Anna Thalbach als Vorleserin, die Jessy für mich überdeutlich darstellte mit ihrer feinen, manchmal leicht abwesend klingenden Stimme. Auch der Part von Max gefiel mir - recht neutral, schwer zu entscheiden ob Mann oder Frau, genau richtig für diese Figur.
Alles in allem also ok - wenn man Anna Thalbach mag

Veröffentlicht am 02.11.2016

Georgien - wo der Mensch an erster Stelle steht

Im Himmel gibt es Coca-Cola
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Dieses Buch ist nicht ganz einfach zu beschreiben, denn so richtig viel Handlung gibt es nicht. Der Ich-Erzähler Slims, der in der georgischen Hafenstadt Batumi lebt und als Anwalt im Seerechtsministerium ...

Dieses Buch ist nicht ganz einfach zu beschreiben, denn so richtig viel Handlung gibt es nicht. Der Ich-Erzähler Slims, der in der georgischen Hafenstadt Batumi lebt und als Anwalt im Seerechtsministerium arbeitet (und seit Monaten kein Gehalt mehr erhalten hat), träumt davon, seinem geliebten Heimatland zum Aufschwung zu verhelfen: keine Korruption mehr, ständig verfügbare Elektrizität, regelmäßige Gehaltszahlungen usw. Er schreibt Briefe an Hillary Clinton und erhält daraufhin eines Tages tatsächlich eine Einladung in die USA, um sich in puncto Wirtschaft weiterbilden zu können. Doch alles läuft anders als geträumt...
Der überwiegende Teil des Buches beschreibt mehr die Gesellschaft Georgiens und seiner Bewohner als dass er einer wirklichen Handlung folgt: Es ist wirr, chaotisch, liebenswert Die genannte Handlung hangelt sich eher an einem dünnen sogenannten roten Faden entlang, der als Anlass genommen wird, weitere Beschreibungen einfließen zu lassen. Obwohl die Autorin Amerikanerin ist, gelingt es ihr meiner Meinung (ich kenne das Land nicht - leider, muss ich nach der Lektüre schreiben) sehr überzeugend, die Atmosphäre Georgiens wie auch das Besondere seiner Bewohner darzustellen. Sie lieben ihr Land - aber die Menschen noch viel mehr. Alle versuchen sich auf irgendeine Art und Weise durchzumogeln, meist mit nicht ganz legalen Mitteln, doch immer wird auch an die Anderen gedacht. Es ist ein stetes WIR, das in Georgien existiert - das ICH des Westens kennt man nicht. Für Gäste wird einfach Alles aufgefahren, sodass diese denken müssen, die Georgier leben im Überfluss.
Der Tonfall ist durchweg vergnüglich, wobei dieses Wort vermutlich falsche Erwartungen erweckt. Es ist ein unglaublich trockener Humor, mit dem beispielsweise auf Missstände hingewiesen wird und die Pointe dann schon fast wie ein Lamento klingt, ohne dass dieses wirklich ernst gemeint ist. Oder er kommt sehr unterschwellig oder auch völlig absurd daher - diejenigen, die das Offensichtliche lieben, werden mit diesem Buch nicht ganz so viel zu lachen haben.
Ich habe mich hingegen gut amüsiert, auch wenn Vieles in der Realität bestimmt nicht zum Lachen ist. In jedem Fall hat es mich sehr sehr neugierig auf Georgien bzw. auf seine Menschen gemacht. Denn wie ich in einem Reiseführer nachlesen konnte, wurden deren Beschreibungen nicht übertrieben. Unglaublich - aber ich denke, davon muss ich mich selbst überzeugen. Georgien, ich komme!

Veröffentlicht am 02.11.2016

Auf der Suche...

Über den Winter
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Lennard Salm, ein nicht erfolgloser Konzeptkünstler (oder etwas in der Art), erhält die Nachricht, dass seine ältere Schwester gestorben ist. Er kehrt nach Hamburg zurück, wo sein pflegebedürftiger Vater ...

Lennard Salm, ein nicht erfolgloser Konzeptkünstler (oder etwas in der Art), erhält die Nachricht, dass seine ältere Schwester gestorben ist. Er kehrt nach Hamburg zurück, wo sein pflegebedürftiger Vater und seine jüngere Schwester lebt. Sein Leben gerät aus dem scheinbaren Gleichgewicht, in dem es sich die letzten Jahre befand und er ist sich nur bei einem sicher: dass er seinem Vater nahe sein möchte. All das, was sein Leben bisher bestimmte, die Kunst, Reisen, Ausstellungen, interessiert ihn nicht mehr. Doch was statt dessen sein soll, weiß er nicht.
Es ist kein ereignisreiches Buch. Man begleitet Salm während seiner Wintertage in Hamburg und erhält Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt, wobei letztere eher wenig ausgeprägt ist. Ich empfand ihn als einen Menschen auf der Suche nach dem, was er wirklich will. Seine Vergangenheit war bis dahin mehr durch Zufälligkeiten geprägt, die ihn dahin und dorthin brachten, ohne dass wirkliche Entscheidungen zu treffen waren. Wie bei seinem verloren gegangenen Koffer, der durch die Welt reist und ihn erst am Ende des Buches wieder erreicht. Und auch jetzt ist es keine aktive Suche. Vielmehr ein Sichtreibenlassen ohne sich tatsächlich offen zu etwas bekennen zu müssen.
Vieles in diesem Roman hängt mehr miteinander zusammen als man auf den ersten Blick ahnt, zumindest habe ich es so wahrgenommen (siehe auch den verlorenen Koffer). Im Prolog befindet sich Lennard an einer nicht näher bezeichneten Küste im Süden Europas (?). Und im ersten Kapitel ist es auf den ersten drei Seiten völlig unklar, wo er sich befindet: Noch immer in dem unbekannten Land? Nun aber im Hotel? Erst in der Mitte auf Seite 50 wird deutlich, dass es sich um Hamburg handelt. Alles scheint austauschbar, nichts von Bestand - ganz so wie Lennards Leben.
Es ist eine langsame Entwicklung, die der Protagonist hier durchläuft und damit umso glaubwürdiger. Sein Erschrecken, dass auch Menschen in seiner unmittelbaren Nähe teils existentielle Probleme haben. Oder die unerwartete Freundlichkeit und das aufrichtige Interesse an seiner Person, die ihn zu deutlich überhöhten Trinkgeldern greifen lässt. Erlebnisse, die sein bisheriges Leben in Frage stellen, ohne dass er diese laut äussert.
Die Lektüre regte mich zum Nachdenken an: zum Einen über das Buch selbst, zum Andern über mich. Nicht das Schlechteste, was man über ein Buch sagen kann

Veröffentlicht am 02.11.2016

Das Leben nach Katarina und Deepwater Horizon

Das zerstörte Leben des Wes Trench
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Gleich zu Beginn muss ich erst mal das leidige Thema BUCHTITEL ansprechen. Denn weder erwartet einen bei dieser Lektüre die tragische Lebensgeschichte des Wes Trench noch ist dessen Leben zerstört (zumindest ...

Gleich zu Beginn muss ich erst mal das leidige Thema BUCHTITEL ansprechen. Denn weder erwartet einen bei dieser Lektüre die tragische Lebensgeschichte des Wes Trench noch ist dessen Leben zerstört (zumindest habe ich es so empfunden). Doch auch den Originaltitel finde ich eher seltsam: The Marauders (= Plünderer, nicht Rumtreiber wie ich irgendwo gelesen habe). Denn gerade das sind die Protagonisten dieses Buches nicht. Ist es zuviel verlangt, sich einen Titel zu wünschen der im richtigen Zusammenhang mit dem Inhalt steht?
Erzählt wird das Leben von acht Männern (Frauen scheint es kaum mehr zu geben) während des Sommers 2010, kurz nachdem die Ölplattform Deepwater Horizon explodierte und fünf Jahre nach dem Hurrikan Katarina. Sie alle leben im tiefen Süden von Louisiana, wo die Menschen Sumpfratten genannt werden und die meisten nach diesen beiden Schicksalsschlägen hart um ihre Existenz kämpfen müssen. Da ist Fischer Lindqvist, der wie die meisten Anderen mehr schlecht als recht von der Shrimpsfischerei versucht zu leben und seinen Kindheitstraum nie aufgegeben hat, einen Goldschatz zu finden. Die Zwillinge Toup, die auf einer Insel mitten im Sumpf Marihuana anbauen. Brady Grimes, der widerwillig in die Heimat zurückgekehrt ist und nun im Auftrag der Ölgesellschaft die Einheimischen über den Tisch zieht. Cosgrove und Hanson, zwei Männer, die nichts miteinander verbindet außer dem Wunsch, möglichst schnell an viel Geld zu kommen. Und natürlich Wes Trench, der gemeinsam mit seinem Vater ebenfalls auf Shrimpsfang geht.
Tom Cooper gelingt es bei seinem Erstlingswerk überraschend gut, die besondere Stimmung und Atmosphäre dieser Gegend und seiner Bewohner zu vermitteln. Es ist ein zäher und eigensinniger Menschenschlag der hier ausharrt und versucht, trotz der widrigen Umstände die auch ganz ohne Hurrikan und Ölpest zum Alltag gehören, sich und ihren Familien ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen. Aber es sind nicht nur gute Geschichten, die Cooper hier erzählt anhand der teils schrägen Hauptfiguren, von denen jeweils abwechselnd kapitelweise berichtet wird. Die realen Ereignisse wie der Hurrikan Katarina und die Ölpest scheinen zwar nur eine Nebenrolle zu spielen, doch letzten Endes sind sie es, die die Ursachen für die massiven Schwierigkeiten dieses Landstriches darstellen. Die Zerstörung der ganzen Umgebung wie auch der Tod vieler Menschen durch Katarina, die Umweltverschmutzung durch die Ölpest, der dadurch erfolgte Zusammenbruch der gesamten Lebensgrundlagen der Einheimischen (Shrimps werden nun aus China importiert), das Davonstehlen der dafür Verantwortlichen - der Autor klagt nicht an, sondern schildert es eher beiläufig. Doch es ist auf jeder Seite präsent.
Tom Cooper ist ein toller Geschichtenerzähler und so sei es ihm verziehen, dass das Ende fast schon zu happyendmäßig ausfällt. Ihm ist ein überzeugender Roman mit schrägen, aber real wirkenden Menschen gelungen, der Ereignisse und insbesondere deren Folgen zurück ins Gedächtnis ruft, die von Vielen vermutlich bereits wieder vergessen wurden.

Veröffentlicht am 02.11.2016

Für Männer vielleicht nur bedingt geeignet ;-)

Die Halbwertszeit der Liebe
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Die Ich-Erzählerin Margarete, Mitte 40, erfolgreiche Schönheitschirurgin mit wissenschaftlichem Schwerpunkt männliches Geschlechtsteil, sehr intelligent und sehr attraktiv (ohne Eingriffe ), hat ein bzw. ...

Die Ich-Erzählerin Margarete, Mitte 40, erfolgreiche Schönheitschirurgin mit wissenschaftlichem Schwerpunkt männliches Geschlechtsteil, sehr intelligent und sehr attraktiv (ohne Eingriffe ), hat ein bzw. mehrere massive Defizite. An Sex kann sie nichts finden und Gefühle sind ihr weitestgehend fremd. Zudem ist sie der Auffassung, missgestalt zu sein (ganz im Gegensatz zu den Männern) - Dysmorphophobie nennt man diese Krankheit. Auf einem Kongress begegnet sie Heinrich, einem ebenfalls sehr erfolgreichen Schönheitschirurgen, der völlig von ihr hingerissen ist. Margarete geht es mit ihm ähnlich, ohne dass sie weiss weshalb, und so beschließt sie, ihn zu lieben. Es beginnt eine, wie ich finde, seltsame Beziehung, die in St. Moritz in einer gemeinsamen Bergwanderung im wahrsten Sinne des Wortes gipfelt.
Ich lese ja nun wirklich viel, aber so ein Buch bzw. einen solchen Stil hatte ich bisher noch nie. Durch ihre Gefühllosigkeit ist Margaretes Ausdrucksweise kühl und rational, Menschen (insbesondere Männer) werden stets nach ihrem äusseren Erscheinungsbild analysiert, nicht beurteilt!. Das hört sich dann beispielsweise so an: "Er ist jünger als ich, klein, dunkel, Kraushaar an Kopf und Armen. Bauchfett: nullkommafünf Liter, Länge des Penis siebenkommafünf Zentimeter (nicht erigiert), Durchmesser drei, gerader Wuchs, erigiert dreissig Prozent Zuwachs, maximal. Der Kittel blütenweiß, gestärkt." Oder: "Sie haben Bäuche, eine Fettabsaugung könnte Abhilfe schaffen, ich schätze das Volumen des abzusaugenden Gewebes; im Fall des rechts Stehenden ein knapper Liter, links einskommafünf, der Mittlere leidet an schwerer Fettleibigkeit, zweikommafünf." Der Tonfall bleibt fast durchgehend völlig sachlich und nüchtern, was mir zu Beginn eher unangenehm war, doch nach 40 bis 50 Seiten hatte ich mich daran gewöhnt und die Lektüre machte mir immer mehr Vergnügen. Margarete enthüllt die Männer ohne Gnade - nicht bösartig sondern weil sie nicht anders kann, und das ist schon sehr amüsant. Doch ihr Verhalten steht im völligen Gegensatz dazu, sodass ich immer nur den Kopf schütteln musste, wobei es natürlich auch dafür Erklärungen gibt.
Trotzdem, so Manches bleibt unverständlich was jedoch meine Lesefreude nicht minderte. Alles in allem eine sehr ungewöhnliche Liebesgeschichte, insbesondere mit einem Blick auf Männer, wie ich ihn so noch nicht kannte