Ich hatte mir Block und Bleistift bereitgelegt, um mir inspirierende Zitate aus dem Buch abzuschreiben. Doch diese kamen nicht zum Einsatz. Ich hatte Mühe das Buch überhaupt zu Ende zu lesen.
Michelle Obama hatte ich bisher als stark und mutig eingeschätzt, daran interessiert gesellschaftliche Verbesserungen durchzusetzen.
Nun nach der Lektüre kann ich sagen, sie ist auch stark - stark darin sich anzupassen und ihre Wünsche hinter die von anderen zurückzustellen. Das kostet sie sicherlich viel Kraft.
Z.B. schreibt sie:
"Wie sollte ich ihm da im Weg stehen? Wie sollte ich meine eigenen Bedürfnisse - ja sogar die unserer Mädchen - vor die Möglichkeit stellen, dass Barack ein Präsident werden könnte, der Millionen von Menschen zu einem besseren Leben verhilft?"
"Meine Arbeit aufzugeben fiel mir schwer, aber ich hatte keine Wahl: meine Familie brauchte mich und das war wichtiger."
Sie trainiert, mit weniger Wasser auszukommen, um weniger Toilettenpausen auf den Wahlkampfreisen einlegen zu müssen.
Sie hat gelernt, das es ab und zu mal ok ist nur an das eigene Wohl zu denken. (!!!???!!)
Diese Sätze zu lesen machte mich traurig.
Das Argument von "es gibt keine Alternative" ist eine Lüge. Sie hätte Alternativen gehabt, hat aber entschieden sich anzupassen. Was auch ok ist, aber man sollte es bewusst tun und sich selbst nichts vormachen.
"Bin ich gut genug?", fragt sie sich. "Ja, bin ich."
Barack Obama macht sein Ding und alles darum fügt sich.
Selbst die Mutter von Michelle Obama zieht nach Washington (um bei der Kinderbetreung zu helfen) obwohl sich eigentlich nicht will.
Mandela bewundert sie dafür, dass er für seine Überzeugung ins Gefängnis gegangen ist.
Sie selbst will keine Umstände machen, keine Konfrontation. Nur wenn es um ihre Kinder ging, war sie hartnäckig. Sie schreibt, von den negativen Reaktionen auf Hillary Clinton habe sie gelernt, sich nicht in die Politik ihres Mannes einzumischen. Daher gibt sie dem sozialen Druck nach und ist bei ihren politischen Aktionen stets darauf bedacht, sich keine Gegner zu machen.
Sie versucht allen zu gefallen, sogar in Bezug auf Kleidung.
Makeup nennt sie "eine stillschweigende Gebühr, die eine in der Öffentlichkeit stehende Frau zahlen muss."
Sie beneidet ihren Mann darum, dass er einen Anzug tragen kann.
Sie erkennt zwar die Ungerechtigkeiten, aber nimmt sie als gegeben hin.
Ich will Anpassung nicht verurteilen. Oft ist der Druck so groß, dass es einfacher ist, sich anzupassen. Aber es hat langfristig seinen Preis:
1. Ändert sich nichts
2. Beschädigt man sein Selbstwertgefühl.
In ihrer Familie wurde viel Wert auf Bildung gelegt, aber man ist natürlich auch immer Produkt der Gesellschaft. Ich kann nur erahnen unter welchem grossen gesellschaftlichen Druck sie aufgewachsen sein muss - als Frau, als Schwarze, als Arbeiterkind. Das Buch ist daher für mich ein erstklassiges Beispiel dafür, wie sich das Umfeld und Liebe und Unterstützung sowie Scham und Angst auf das Leben eines Menschen auswirken.
Fazit: Für mich war das Buch leider nicht kraftvoll und inspiriend, wie vom Verlag angekündigt. Einiges war interessant zu lesen. Den Ton fand ich sehr sachlich, wenig begeistert. Sie klingt für mich nicht glücklich, sondern pflichtbewusst bis zur Selbstaufgabe. Also kein Vorbild für mich.