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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.11.2019

Eine einmalige Chance

Die Wellenbrecher
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Wer Zeit in deutschen Universitäten verbracht hat, weiß, dass das vor allem eins bedeutet: Frontalvorlesungen, theorieorientierte Seminare und wenig Praxis. Die "schwimmende Uni" ist da anders. Mit ihrer ...

Wer Zeit in deutschen Universitäten verbracht hat, weiß, dass das vor allem eins bedeutet: Frontalvorlesungen, theorieorientierte Seminare und wenig Praxis. Die "schwimmende Uni" ist da anders. Mit ihrer studentischen Crew legt sie in Häfen rund um die Erde an und ermöglicht ihren Fahrgästen, ihre Studiengänge anders zu erleben, als an traditionellen Hochschulen und kulturelle Erfahrungen aus erster Hand zu gewinnen.

Mit an Bord dieses besonderen Ozeanriesen ist Mark Herfurt - und während das Schiff die ihm vertrauten Gewässer verlässt, beginnt auch eher, neue Meere zu erkunden. Freundschaften mit Studierenden aus aller Herren Länder, abenteuerliche Ausflüge auf unbekanntem Terrain und viele neue Erfahrungen machen nur einen Teil seines Austauschsemesters aus. Denn je weiter er sich von seiner Heimat fortbewegt, umso unsicherer wird er sich darüber, wer er eigentlich ist und was ihn ausmacht. Und so wird die Reise in ferne Häfen für ihn auch eine Reise zu sich selbst.

Christopher David weiß dabei, wovon er spricht. Nachdem er selbst ein Semester auf den Weltmeeren verbracht hat, fließen in seinen Roman immer wieder persönliche Erfahrungen ein, was zur Authentizität des Werks beiträgt. In kurzen Kapiteln erzählt er vom Leben und Lieben an Bord und in den unterschiedlichsten Nationen. Dabei wird auch immer wieder ein Blick in fremde Kulturen gewährt und man fühlt sich fast, als würde man mit Mark mitreisen. Der Hauptcharakter ist dabei, wie auch alle anderen Charaktere, sehr realitätsnah geschrieben. Seine Zweifel und Sorgen sind genau wie seine fröhlichen Momente auf ganzer Linie nachvollziehbar und so fühlt man sich in der Gegenwart der Figuren nie unwohl. (Wenn man auch über den oder die eine gern mehr gelesen hätte.)

Mit viel Liebe zum Detail entfaltet sich hier eine Geschichte, die alle, für die es noch nicht zu spät ist (und das ist ja eigentlich bei keinem so), dazu einlädt, selbst einmal eine solche Reise zu versuchen. Ob es nun tatsächlich mit einer schwimmenden Uni oder auf eigene Faust ist, sei dahingestellt.

Ein Stern fehlt, weil mir an manchen Stellen die Tiefe oder ein Handlungsstrang gefehlt hat, aber da das hier kein Abenteuerroman, sondern eher eine Coming-off-age Geschichte ist, kann man gut darüber hinwegblicken. Insgesamt kann ich das Buch deshalb nur weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 01.10.2019

Was wäre wenn ...

Wie ich Jesus Star Wars zeigte
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... es das Christentum nie gegeben hätte? Mit dieser Frage beschäftigt sich Joachim Sohn in "Wie ich Jesus Star Wars zeigte" mehr oder weniger direkt. Dabei zeigt der Titel bereits genau an, worum es geht. ...

... es das Christentum nie gegeben hätte? Mit dieser Frage beschäftigt sich Joachim Sohn in "Wie ich Jesus Star Wars zeigte" mehr oder weniger direkt. Dabei zeigt der Titel bereits genau an, worum es geht. Florian, Flo, Schneider reist mittels einer selbst programmierten App und mit allerlei technischem Gepäck in die Vergangenheit, um zu beweisen, dass Religion austauschbar ist. Als begeisterter Star Wars Fan scheint ihm die Jedi Religion als perfekter Ersatz für das Christentum geeignet.

Dieses Buch ist auf jeden Fall ein was nicht: langweilig. Die Handlung der Geschichte entwickelt sich rasant - von der ersten Offenlegung des Planes bis hin zu seiner Durchführung geht es zackig voran. Dazu kommt die gute Recherche des Autors. Land und Leute, Zeit und Gepflogenheiten werden (meines Erachtens) authentisch dargestellt und man lernt gleichzeitig noch so einiges dazu. Dabei hat man das Gefühl, selbst mit auf (Zeit-) Reise zu gehen und erlebt hautnah, wie das Leben damals gewesen sein muss.

Das was mir an Star Wars Kenntnis fehlt (außer Yodas Grammatik und "Luke, ich bin dein Vater." ist da nicht viel) mache ich in christlicher Trivia wett und entsprechend kann ich mit den Inhalten dieses Buches nicht ganz mitgehen. (Was ja auch nicht immer sein muss.) Es ist ein bisschen wie mit dem "Leben des Brian" - manch einer kann locker damit umgehen und andere fühlen sich in den Grundfesten ihres Glaubens erschüttert. (Vielleicht bräuchten diese Grundfesten dann aber auch generell ein stärkeres Fundament.) Der Jesus des Buches ähnelt in gewisser Weise dem "christlichen" Jesus, insofern, als er eigentlich eine auf das Reich Gottes fokussierte Lehre der Nächstenliebe vertreten würde. (Wenn auch etwas zögerlicher und mit weniger Schriftfestigkeit.) Eigentlich, wenn da Flos neue Lehre nicht wäre. Der sehr von sich selbst überzeugte Hauptcharakter vereinnahmt Jesus komplett für sich und bringt ihn so auf doch recht andere Wege, als in "unserer Welt". (Dabei handelt es sich bei Joachim Sohn um einen rein historischen Jesus ohne Gottesbeziehung und -kindschaft. Eher ein Brian also, der zufällig den gleichen Namen trägt.)

Nun mögen viele diesen Science Fiction Roman als Angriff auf ihre Religion verstehen. Die Aussage, dass es sich um einen Angriff auf Religion im Allgemeinen handelt, macht es vermutlich nicht besser. Allerdings schlägt dieser Angriff, zumindest in meinen Augen, fehl. Denn nicht nur die Menschheit im Allgemeinen ist zur Religion "prädestiniert". Die Frage nach der Echtheit Gottes wird dabei maximal am Rand diskutiert, da es Flo, ganz unabhängig davon, um den Einfluss der Religion auf unsere Kultur zu gehen scheint. So kommt ein Gedankenexperiment zustande, bei dem es jedem selbst überlassen sei, welche Welt er bevorzugt.

Als Christin wird dieser Roman vermutlich nie mein Lieblingsbuch werden, aber ich kann es als das schätzen, was es ist: ein Versuch, die Leser zum Denken anzuregen. Zum Reflektieren über Glaubensvorstellungen und die eigene Haltung zur Religion. Dabei scheint, aus meiner Sicht, das Ergebnis keinesfalls festgelegt und die Balance der verschiedenen Perspektiven wird immer wieder hergestellt. Wer sich also für eine entsprechende Reise gewappnet sieht, kann ruhig zu diesem Buch greifen und einen anderen Blick auf die Geschichte entdecken.

Veröffentlicht am 26.07.2019

Ein Sommer inmitten von Lavendelfeldern

Der Lavendel-Coup
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Ein typischer Provenzsommer mit einer ungewöhnlichen Heldin - Molly Preston ermittelt undercover gegen Wirtschaftskriminalität und schuftet dafür in einer alten Kapelle, wo sie Fresken freilegt. Das klingt ...

Ein typischer Provenzsommer mit einer ungewöhnlichen Heldin - Molly Preston ermittelt undercover gegen Wirtschaftskriminalität und schuftet dafür in einer alten Kapelle, wo sie Fresken freilegt. Das klingt an sich erstmal ziemlich langweilig, zumindest für mich, doch der Titel "Lavendeltod" lässt bereits erahnen, dass es nicht nur dabei bleibt - und Carine Bernard liefert in Form von Leichen. (Okay, das klingt jetzt ein bisschen grob, aber ich möchte damit nur zum Ausdruck bringen: Es ist nicht nur ein Wirtschaftskrimi.)

Was da zwischen den Lavendelfeldern passiert ist ein ziemlich verworrener Fall, von dem ich nicht zu viel verraten will. Es wird auf jeden Fall spannend, man darf auch mal um die Ecke denken und es gibt sogar das ein oder andere richtige Rätsel. Die 235 Seiten lesen sich gut und schnell, die Geschichte wird nie langweilig und auf den Mörder kommt man auch nicht sofort.

Der Hauptcharakter, Molly, ist, wie bereits erwähnt, eine recht ungewöhnliche Heldin. Noch sehr jung ermittelt sie gern auf eigene Faust und wird von der Autorin immer wieder in den höchsten Tönen gelobt - hat manchmal aber eine erstaunlich lange Leitung und handelt nicht immer so durchdacht wie es vielleicht gut für sie wäre. Mit zahlreichen technischen Hilfsmitteln und einem cleveren Freund löst sie den Fall jedoch souverän.

Insgesamt ist "Lavendeltod" eher ein "cozy crime" und eine nette Sommergeschichte, die man gut mit in den Urlaub nehmen kann. Wer gern Geschichten aus der Provenze liest wird sicher auch Freude an diesem Buch haben.

Veröffentlicht am 15.03.2019

Ein wirklich erstaunliches Buch!

Ein wirklich erstaunliches Ding
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Hank Green, Bruder von John Green, YouTuber bei den vlogbrothers und Begründer der Vidcon; ein Autor, dessen Ruf ihm um Meilen vorauseilt und der, unabhängig vom Inhalt seines Buches, automatisch schon ...

Hank Green, Bruder von John Green, YouTuber bei den vlogbrothers und Begründer der Vidcon; ein Autor, dessen Ruf ihm um Meilen vorauseilt und der, unabhängig vom Inhalt seines Buches, automatisch schon Millionen Leser in der Tasche hat - dieser Mann bringt also einen Roman heraus und wagt sich gleich an die ganz großen Themen: Aliens. Verschwörungen. Und die hinterhältige Medienwelt.

"Ein wirklich erstaunliches Ding" ist vieles: Ein Jugendbuch. Science Fiction. Und auch ein bisschen ein Thriller. Aber um all diese Aspekte genießen zu können muss der Leser sich erstmal durch die ersten Kapitel durchkämpfen. Was nicht immer ganz leicht ist. Hat man es jedoch geschafft, lohnt es sich, weiter zu machen. Die Geschichte um April May, die erst so langsam vor sich hin mäandert gewinnt später richtig an Fahrt und wird so spannend, dass man das Buch nicht mehr aus den Händen legen möchte.

Was mich an diesem Roman besonders begeistert hat war die Kombination aus Verständlichkeit und Wissenschaft. Da werden Werkstoffe entschlüsselt (ein Themengebiet das ich vorher immer als trocken empfunden habe, hier aber spannend wird), Rauchmelder auseinander genommen und programmiert was das Zeug hält ohne dass der Leser gelangweilt wird - und das muss man erstmal hinkriegen.

Der Roman ist ohne Frage spannend und unterhaltsam, mit einem offenen Ende das neugierig auf Folgebände macht. Empfehlen würde ich das Buch jedoch vor allem an Leser mit "Fan"hintergrund (weil man dann automatisch weiterlesen will und wenn es nur ist, um mitreden zu können) und solche, die genug Geduld habe um sich durch einen schwierigen Anfang durchgekämpfen, denn sonst wird der Einstieg ins Buch, meiner Meinung nach, ziemlich schwierig.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Eine Fata Mayana

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
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Wie viele Kinder hatte auch mich einst das Karl May Fieber gepackt. Während meine Mitschüler im Skilager Party machten habe ich in den wenigen Tagen dort alle Winnetou-Bände verschlungen und hatte auch ...

Wie viele Kinder hatte auch mich einst das Karl May Fieber gepackt. Während meine Mitschüler im Skilager Party machten habe ich in den wenigen Tagen dort alle Winnetou-Bände verschlungen und hatte auch das Glück, das Karl May Fest in Radebeul besuchen zu dürfen - ein unvergessliches Erlebnis. Nun also ein Buch über den Karl May hinter den Bücher, bei dem mir sofort klar war: Das muss ich lesen!

Der Roman begleitet den gealterten Karl May auf seiner ersten Orientreise und beschreibt dabei seine, mehr oder weniger, aufregenden Abenteuer, seine Gedankenwelt und nicht zuletzt seinen Alltag - die ständige Korrespondenz um seine Aufenthalte zu belegen, die Geisterbeschwörung zusammen mit seinen Freunden und auch das Verhältnis zu seiner Frau Emma. Die Geschichte springt dabei zwischen der Reise und der Zeit danach, zurück in Radebeul, hin und her, weil die beiden Stränge (natürlich) miteinander verwoben sind und so wird immer mehr ein abstruses Bild enthüllt, eine Fata Mayana.

Karl May, wie er hier erscheint, hat viele Facetten. Auf der einen Seite ist es ein liebenswerter Alter, mit dem man Mitleid hat und dessen Gedanken zu Gott, der Welt und dem Frieden vielleicht gar nicht so verkehrt sind. Und dann ist da der andere Karl May, der sich nicht von der Vorstellung von Kara Ben Nemsi und Old Shatterhand lösen kann. Der sich selbst für diese Männer hält und fest davon überzeugt ist, die Reisen der Romanhelden tatsächlich selbst durchlebt zu haben. Der sich so einfach von anderen beeinflussen lässt und jede gut eingeredete Meinung übernimmt. Der vollkommen von sich selbst eingenommen ist. Zwei vollkommen unterschiedliche Charaktere in einer Person - ein Wahnsinniger?

Dieses Jekyll und Hyde Prinzip ist vermutlich einer der Gründe, warum mich das Buch hin und her gerissen zurückgelassen hat. Den einen Karl hat man gern, der andere ist mir so vollkommen unsympathisch das ich die Sticheleien seiner Frau nur allzu gut verstehen kann. Im Verlauf des Buchs verfährt sich die Geschichte immer mehr, es wird fast unangenehm, mitzulesen, weil man nicht weiß, was echt ist und was nicht und weil man auch einiges nicht echt haben möchte. Selbst nach dem Klimax zieht sich diese Spannung fort und lässt mich mit einem gewissen Unwohlsein zurück, so als ob sich selbst die Sachen um mich herum nicht mehr greifen lassen würden.

Eindeutig also: Es handelt sich um ein schriftstellerisches Meisterwerk, denn der Leser ist am Ende bewegt! Über den Inhalt jedoch lässt sich streiten. Wähernd Karl May selbst sich damit rühmte, seine Bücher auch ohne "unsittliche Inhalte" gut verkaufen zu können scheint Phillip Schwenke an seinen eigenen Fähigkeiten auf diesem Gebiet zu zweifeln - jedoch wird immer Distanz gewahrt, so dass das Lesen nicht zu einer gänzlich unangenehmen Erfahrung ausartet.

Insgesamt bin ich mir mit einer Empfehlung bezüglich dieses Buches nicht sicher. Ich habe bei weitem nicht alle seine Werke gelesen und dabei eher die Wildwest-Geschichten als die Orienterzählungen weshalb das Buch für mich vermutlich nur halb so amüsant war wie es hätte sein können. Einiges habe ich über den Mann Karl May dazugelernt, vor allem seine Beziehung zum Spirituellen, die im Buch immer wieder thematisiert wird, hat mich überrascht und auch beeindruckt.

Man kann festhalten: Das Buch ist etwas Besonderes. Dem Leser sei eine Reisewarnung ausgesprochen, da sich unterwegs die Fata Mayanen häufen und am Ende besteht die Gefahr, dass man selbst Schwierigkeiten bekommt, Wirklichkeit und Gedachtes auseinander zu halten. Auf jeden Fall wird jedoch jeder Leser, wie auch May, verändert von dessen Reise zurück kommen.