Da ich mich in meiner Rezension auf den zweiten Teil der Reihe beziehe, kann sie Spoiler enthalten.
Fünf Monate ist es her, seit Jude mithilfe eines Coups die Elfenkrone gewonnen und diese Cardan auf den Kopf gesetzt hat, um ihren jüngeren Bruder Oak, den Erben des Elfenreichs, zu beschützen und eine normale Kindheit zu ermöglichen. Während sie im geheimen die Fäden zieht, setzt Cardan jedoch alles daran, sich ihren Befehlen zu widersetzen. Doch der unwillige neue Hochkönig ist nicht das einzige von Judes Problemen, das es zu lösen gilt …
Nachdem Band 1 mit solch einem Knall endete, freute ich mich wahnsinnig doll auf den zweiten Teil der sehr gehypten Reihe. Auch wenn ein gewisser Zeitraum zwischen den Erscheinungsterminen der beiden Teile lag, fand ich doch wieder sehr schnell in diese magische Geschichte hinein. Auch der Zeitsprung von fünf Monaten hat dem keinen Abbruch getan und war gut gewählt. Da Jude ein Jahr und einen Tag die Befehlsgewalt über Cardan und das Königreich ausgehandelt hat, nun aber beinahe die Hälfte dieser Zeit bereits verstrichen war, beschäftigt sie sich immer wieder mit der Frage, was danach passieren soll. Je mehr Zeit verstreicht, umso mehr Druck wird auf sie ausgeübt, was natürlich die Spannung steigert. Dementsprechend fand ich den Zeitpunkt, an dem die Geschichte wieder einsetzt, sehr gut gewählt.
Der Schreibstil von Holly Black ist wieder mal sehr angenehm und malerisch. Ich liebe diese ganz andere Elfenwelt, die sie in ihren Büchern erschaffen hat. Man kann sich bis ins Detail all die Wesen, Farben, Wälder und Gebäude sehr gut bildlich vorstellen. Das Worldbuilding ist ein sehr großer Pluspunkt für mich. Auch diese Gegensätzlichkeit, dass hier die Elfen sehr grausam, statt wie in vielen anderen Büchern gut sind und überhaupt das ganze Reich nur so an Gefahren für die Menschen strotzt, ist eine willkommene Abwechslung.
Jude selbst hat mir in diesem Teil mit am besten gefallen. Ich mag starke weibliche Protagonisten, die genau wissen was sie wollen und sich (in Judes Fall) sogar selbst die Hände schmutzig machen. Sie ist ein richtiger badass Charakter geworden und ich liebe es, wie sie Pläne schmiedet und mit all den Problemen jongliert.
Cardan kam mir in dem Teil leider auch immer noch zu kurz, auch wenn man in diesem Buch bereits tiefere Einblicke in seinen Charakter und seine Vergangenheit erhalten hat. Trotzdem ist er leider immer noch kein Charakter, an den ich mein Herz verloren habe – und das obwohl ich die Bösen und Antihelden immer sehr interessant finde. Hier würde ich mir immer noch etwas mehr Präsenz und Tiefe wünschen. In der Hinsicht war das Ende jedoch sehr vielversprechend und ich bin sehr gespannt, was wir im dritten Teil erleben dürfen.
In Bezug auf die Handlung und Spannung muss ich leider etwas in meiner Bewertung abziehen. Das Buch war zwar nicht langweilig, aber auch nicht wirklich spannend. Über die Hälfte plätscherte für mich nur so dahin und eigentlich passierte in der Zeit nicht wirklich etwas. Ränke schmieden, ein paar Demütigungen und Feierlichkeiten. Mir hat der Sog gefehlt, der mich sonst dazu veranlasst, das Buch in einem Rutsch wegzulesen. Erst im letzten Drittel kam endlich die Spannung auf, die ich mir schon das ganze Buch über gewünscht hatte. Ich wollte einfach nur noch wissen, wie die Geschichte endet – und wurde mit einem wirklich guten Ende belohnt, das wieder mal Lust auf mehr macht, sodass man am liebsten direkt mit dem nächsten Teil weitermachen würde.
Die bekannten Nebencharaktere traten wie gewohnt auf, ein paar neue sehr interessante kamen sogar noch hinzu. Ich muss leider immer noch sagen, dass ich Judes Zwillingsschwester Taryn einfach furchtbar finde. In diesem Teil vielleicht etwas weniger als im ersten, aber sympathisch ist sie trotzdem immer noch nicht.
Eine tolle Welt, eine interessante Protagonistin und ein toller Schreibstil – das beinhalten die Bücher von Holly Black. Trotzdem greift in meinen Augen der Spannungsbogen zu spät, sodass manchmal ein paar Längen auftreten. Da mir Jude so gut gefallen und mich das Ende so neugierig gemacht hat, gebe ich Elfenkönig gerade so noch 4/5 Sterne. Wer mal eine etwas andere Elfengeschichte lesen will, sollte der Reihe auf jeden Fall einmal eine Chance geben.