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Veröffentlicht am 19.08.2019

Wie nah ist diese Realität

ICH Inkognito
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Das Firmenimperium Omega, weltweiter Marktführer in der Entwicklung des selbstlernenden digitalen Sprachassistenten Saventa, befürchtet einen Einbruch der Verkaufszahlen. Das System ist kurzzeitig zusammengebrochen, ...

Das Firmenimperium Omega, weltweiter Marktführer in der Entwicklung des selbstlernenden digitalen Sprachassistenten Saventa, befürchtet einen Einbruch der Verkaufszahlen. Das System ist kurzzeitig zusammengebrochen, weil Savanta während eines TV-Werbeblocks versehentlich millionenfach aktiviert wurde. Doch seltsamerweise erhöhen sich die Verkaufszahlen sprunghaft.

Zur selben Zeit wird die Journalistin Lucy Hartmann von Kai Tiefenbach, emeritierter Professor für Künstliche Intelligenz, engagiert. Sie soll seine Bedenken bezüglich der unkontrollierten Weiterentwicklung der KI im möglichst großen Rahmen publik zu machen, um die Bevölkerung oder die politischen Verantwortlichen zu warnen.

Fortan geschehen schreckliche Unfälle – Zufall?

Beim Lesen dieses Thrillers wurde mir Angst und Bange.
Man weiß mittlerweile, dass das Abhören mittels Handy oder digitaler Sprachassistenten heute schon möglich und leider auch mancherorts üblich ist. Alexa, Instagram, What’s app und das Ortungssystem im Handy zeichnen unsere Gespräche und unser Bewegungsprofil auf, dokumentieren unsere Urlaubsreisen, unsere Vorlieben, unsere Umgebung und unseren Freundeskreis. Dagegen kann man sich heute kaum noch wehren.

Wenn ein KI plötzlich ein eigenes Bewusstsein entwickelt, wobei wir hoffen mögen, dass das heute noch nicht möglich ist, werden die Folgen und Eingriffe in diesem Roman anschaulich beschrieben.

Das ist Fiktion, aber die Möglichkeiten der Einflussnahme und Überwachung waren doch sehr real.

Es ist ein Thema, das immer aktuell ist. Befriedigende Lösungen sind weder von der Politik noch von den immerzu forschenden Wissenschaftlern bis heute gefunden worden.

Hier ist es zu einem spannenden und fesselnden Thriller verarbeitet worden. Die Geschichte ist fiktiv, das musste ich mir beim Leser immer wieder vor Augen halten, aber ...........

Mich hat es alarmiert und nachdenklich zurück gelassen.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Endlich - neuer Fall für Lynley und Havers

Wer Strafe verdient
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In Ludlow, Shropshire ist es zu einem Selbstmord in Polizeigewahrsam gekommen.
DCS Isabelle Ardery und DS Barbara Havers werden zu diesem brisanten Fall hinzugezogen um den Bericht der Untersuchungskommission ...

In Ludlow, Shropshire ist es zu einem Selbstmord in Polizeigewahrsam gekommen.
DCS Isabelle Ardery und DS Barbara Havers werden zu diesem brisanten Fall hinzugezogen um den Bericht der Untersuchungskommission zu unterstützen, der besagt, dass kein Verbrechen und kein Fehlverhalten seitens der Polizei vorliegt.

Für Havers ist es wieder einmal ein Bewährungsauftrag, mit dem sie eine Strafversetzung abwenden kann. Aber wie so oft ist sie bei den Ermittlungen anderer Meinung als ihre Vorgesetzte Ardery.......


Endlich wieder ein unterhaltsamer, beschaulicher und auch spannender britischer Krimi mit Thomas Lynley und Barbara Havers als Idealgespann. Das ist jetzt wohl schon der 20. Fall und meiner Meinung nach einer der Besten. Selten habe ich mich auf 857 Seiten eines Krimis so gut unterhalten, amüsiert und über die aktuelle Situation in Cornwall und Umgebung informiert gefühlt. Gott sei Dank ist von Brexit keine Spur zu sehen, aber von Kürzungen, Einsparungen und ihren Folgen auf dem Land ist die Rede. Der Ehrgeiz von Müttern, entweder in ihren eigenen Karrieren oder in die Zukunft ihrer Kinder und die Folgen dieses Ehrgeizes ist Thema.

Frau George hat gerade dieses Thema sehr differenziert dargestellt.

Das gesellschaftliche Zusammenspiel von Partnern wird aufgezeigt, was wird verschwiegen, was wird geduldet und was läuft schon über Jahre falsch. Alkoholismus, Drogenmissbrauch, Reaktion auf Gewalt, Vergewaltigung .......... So viele Themen und Geschichten wurden in diesen Krimi gepackt und ich bin begeistert, wie gut sich alles zusammenfügt und wie spannend sie das immer wieder aufbereitet.

Als Fan von Lynley und Havers bin ich voll auf meine Kosten gekommen. Das angestrengte Geplänkel zwischen Aldery und Havers ist schon mit Humor durchgesetzt gewesen. Das Zusammenspiel zwischen Lynley und Havers ist wie in ihren besten Tagen voller Humor, Komik und liebevoll bissiger Auseinandersetzungen. In den vergangenen 19 Fällen haben Beide viel über und von einander gelernt. Es ist eine Freude die Beiden bei ihrer Arbeit zu begleiten.

Auch wenn es mir als langjährige Leserin schwer fällt, mir Barbara gertenschlang vorzustellen, hat ihr Stepptraining wohl dieses Wunder bewirkt, aber ihr Modegeschmack scheint sich nicht dadurch geändert zu haben.

Der Kriminalfall war tricky und brachte die eine oder andere Wendung.

Für mich hat das Gesamtpaket gepasst. Am Ende der 857 Seiten war ich wieder einmal traurig, dass es vorbei ist und das Ermittlergespann wieder aus meinem Alltag verschwindet, aber ich freue mich auf den nächsten Fall.

Veröffentlicht am 27.07.2019

Erschreckend realistisch

Im Wald der Wölfe (Jan-Römer-Krimi 4)
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Jan Römer, Journalist zuständig für die Rubrik ungelöste Kriminalfälle, sucht Ruhe und Abgeschiedenheit in einer Holzhütte abgelegen am Rennsteig im Thüringer Wald. Spät am Abend wird er von einer am Kopf ...

Jan Römer, Journalist zuständig für die Rubrik ungelöste Kriminalfälle, sucht Ruhe und Abgeschiedenheit in einer Holzhütte abgelegen am Rennsteig im Thüringer Wald. Spät am Abend wird er von einer am Kopf verletzten Frau aufgeschreckt. Er versorgt ihre Wunde und gewährt ihr Unterschlupf. Am nächsten Morgen ist sie verschwunden.
Die Geschichte, die ihm die mysteriöse Frau erzählt hat, über lang zurückliegende Morde, die in diesem Waldstück über Jahrzehnte verübt wurden, lässt Jan nicht mehr los.
Er beginnt mit der Recherche.



Wow, die Leseprobe hat mich neugierig gemacht, aber nach den ersten fünfzig Seiten wurde ich unsicher und dachte, DDR-Verbrechen, Serienmörder nicht so ganz mein Ding. Dann hat mich die Geschichte gepackt und voll überzeugt.
Herr Geschke hat eine fantastische, aber denkbare Geschichte basierend auf gründliche Recherche kreiert. Wie er in seinem Nachwort anführt, hat er die realen örtlichen Begebenheiten genutzt um eine mögliche Verbrechensserie über mehreren Generationen hinweg aufzuzeigen.

Ich bin schon selber am Rennsteig gewandert und weiß, dass einige Strecken mystisch und gespenstisch wirken.

Erschreckenderweise könnte alles wirklich so oder ähnlich passiert sein. Rückblenden machen die Ereignisse verständlicher und erzeugen eine bedrückende Stimmung. Bedrückend ist wahrscheinlich nicht das richtig Wort. Die Täter sind so sehr in ihre Denkensweise und Ideologie verstrickt, dass sie glauben, berufen zu sein und alles richtig zu machen. In den Rückblicken, die verschiedenen Täter betreffend, zeigt der Autor einerseits die Ursachen und die Entwicklung, andererseits die Veränderung und die immer größere Emotionslosigkeit. Die analytische Betrachtung ist ihm so gut gelungen, dass man die Fiktion fast als Tatsache annehmen kann.

Die Beweggründe der beiden Journalisten, ungelöste Gewaltverbrechen zu recherchieren, lesen sich auch folgerichtig und logisch und lassen mich auch daran zweifeln, dass Jan Römer seinen Arbeitsplatz wechseln wird.

Als Fazit ist zu sagen „Im Wald der Wölfe“ ist ein packender Kriminalroman, den man über hunderte von Seiten kaum aus der Hand legen möchte(kann). Obwohl er kein Regionalkrimi ist, hat er uns den Thüringer Wald insbesondere den Rennsteig näher gebracht. Überdies hat er uns ein Gedankenspiel über die emotionalen und psychischen Folgen des 2.Weltkriegs, stellvertretend eigentlich für alle Kriege, sowie über die Folgen der Stasi-Herrschaft in der DDR präsentiert.

Veröffentlicht am 06.07.2019

Cold Case - Nie vergessen

Unbarmherzig (Ein Gina-Angelucci-Krimi 2)
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In Altbrück nördlich von München findet Ella Loibl an einem Kiesablageplatz menschliche Knochen. Schnell stellt sich heraus, dass diese Knochen über siebzig Jahre alt sind und Teile zweier unvollständiger ...

In Altbrück nördlich von München findet Ella Loibl an einem Kiesablageplatz menschliche Knochen. Schnell stellt sich heraus, dass diese Knochen über siebzig Jahre alt sind und Teile zweier unvollständiger Skelette sind. Wegen der langen Liegezeit der Knochen sieht der Staatsanwalt keinen Bedarf an Ermittlungen.
Gina Angelucci, Spezialistin für Cold Cases, widerstrebt diese Verfahrensweise. Sie ist der Meinung, dass die Hinterbliebenen und Verwandten dieser beiden Opfer ein Recht darauf haben zu erfahren, was mit ihren Liebsten passiert ist. Sie will wenigstens die Identität der Beiden ermitteln und nach Möglichkeit auch die nächsten Angehörigen.
Das stößt nicht nur bei ihrem Vorgesetzten auf Widerstand.

„Unbarmherzig“ ist wieder einmal ein herausragend guter Krimi von Frau Löhnig. Der zweite Cold Case Fall von Gina Angelucci zeigt die riesige Palette Löhnigs Erzählkunst. Es ist nicht einfach nur ein stereotypischer Krimi, Verbrechen, Ermittlung, gegebenenfalls tragischer oder kaputter Ermittler bis zum Happy-End. Sie erzählt die ganze Geschichte, geht in die Vergangenheit und lässt dabei Gina nicht jedes winzige Detail ermitteln, sondern lässt uns Leser an den Gedanken der einzelnen Protagonisten teilhaben und somit ihnen ihre Würde.
Sie beschreibt, wie auch bereits in den beiden Romanen unter dem Pseudonym Ellen Sandberg, die Ursachen und die Entwicklung bis hin zum Verbrechen. Man kann die Entwicklung nachvollziehen und Beweggründe der Täter verstehen. Sie zeigt, dass nicht jeder Täter von Grund aus böse ist und vielleicht auch, dass jeder zum Täter werden kann.
In ihren Krimis menschelt es sehr. Das macht sie so lesenswert.

Auch die Entwicklung der Hintergrundgeschichte um Gina, Chiara und Tino macht wieder neugierig auf mehr. Auf das Bedrohungsszenario um Chiara und Gina hätte ich persönlich verzichten können. Den Rollentausch bzw. Elternzeittausch finde dagegen sehr interessant. Tino als Hausmann und Erzieher gefällt mir. Lesenswert finde ich dabei besonders, dass der Tausch nicht unproblematisch ist und Ginas Gefühlswelt äußerst widerstrebend und unentschlossen ist. Spannend ist wie es weitergeht, zweites Kind und/oder nochmaliger Rollentausch?

Wie immer bei Löhnig/Sandberg-Büchern ist mein erster Gedanke: Schade, es ist zu Ende. Jetzt muss ich wieder lange warten auf das nächste Buch. Und es ist vollkommen egal, ob es sich um ein Gina Angelucci-Fall, ein Tino Dühnfort-Krimi oder ein Sandberg-Roman handelt. Ich liebe sie alle.

Veröffentlicht am 20.05.2019

Von Höcksken auf Stöcksken

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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Auf der Abschiedsfeier des „Hundertprozentigen“ Jesse Rosenberg, Captain der State Police des Staates New York, wendet sich die junge Journalistin Stephanie Mailer an diesen mit der Behauptung, dass er ...

Auf der Abschiedsfeier des „Hundertprozentigen“ Jesse Rosenberg, Captain der State Police des Staates New York, wendet sich die junge Journalistin Stephanie Mailer an diesen mit der Behauptung, dass er bei seiner ersten Mordermittlung vor 20 Jahren den falschen Täter verfolgt habe. Bei der damaligen Mordermittlung hätten er und sein Partner Derek Scott etwas Offensichtliches übersehen. Sie werde in den nächsten Tagen die Beweise für ihre Behauptung vorlegen.
Danach verschwand Stephanie Mailer, für immer?

Bis jetzt hatte ich noch nichts von Joel Dicker gelesen. Aber ich war neugierig, weil zahlreiche Leser-Rezensionen und die Feuilleton-Kritiker über sein Buch „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ voll des Lobes waren.

Schon die Leseprobe zog mich in ihren Bann und ich war gespannt wie es weitergeht. Vorweg gesagt, mich hat dieses Buch begeistert.

Joel Dicker dröselt im Rückblick ein zwanzig Jahre altes Verbrechen auf. Regelmäßige Rückblenden ermöglichen uns Lesern Stück für Stück einen Einblick in die damaligen Ereignisse zu bekommen. Die einzelnen, ich nenne sie mal, Rückblick-Puzzleteile werden jeweils aus der Sicht eines der beiden Ermittler erzählt, so dass immer wieder unterschiedliche Sichtweisen und Eindrücke zu Tage kommen.

Jeder einzelne Protagonist der damaligen und der heutigen Mordfälle hat natürlich eine Vorgeschichte. Diese werden uns auch in kleinen Häppchen von dem jeweiligen Beteiligten präsentiert.

Ich finde, Joel Dicker ist ein wundervoller Erzähler. Während der Lektüre hatte ich nicht selten das Gefühl einem alten weißhaarigen Mann auf einem Schaukelstuhl sitzend, zuzuhören, der bei seiner Geschichte von Höcksken auf Stöcksken kommt.

An den spannendsten Stellen wird üblicherweise ein Rückblick eingebaut um das große Ganze auch ja richtig im Blick zu haben und die Hintergründe zu verstehen. Denn es ging nicht nur um ziemlich viele Mordfälle, sondern auch um das amerikanische Kleinstadtmilieu, um starke Gefühle und Begierden.

Ich fühlte mich bestens unterhalten und durch die Geschichte geführt.