Etwas konstruiert
„Halo“ beginnt sehr ruhig und bedächtig. Auf den ersten 40 Seiten wird anschaulich beschrieben, wie die drei Engel Bethany, Gabriel und Ivy im kleinen Örtchen Venus Cove ankommen und sich langsam an ihre ...
„Halo“ beginnt sehr ruhig und bedächtig. Auf den ersten 40 Seiten wird anschaulich beschrieben, wie die drei Engel Bethany, Gabriel und Ivy im kleinen Örtchen Venus Cove ankommen und sich langsam an ihre Menschengestalt gewöhnen. Dabei wird deutlich, worin sich Engel und Mensch unterscheiden, wobei es für die drei das größte Problem ist, dass sie nun verletzbar sind und sich um den Erhalt ihres Körpers kümmern müssen. Durch den ruhigen Einstieg in die Handlung bekommt der Leser Gelegenheit, die Figuren kennenzulernen und sich an die auf den ersten Blick ungewöhnliche Handlung zu gewöhnen. Ivy, Gabriel und Beth sind sehr anschaulich und bildhaft beschrieben und wirken auf Anhieb sympathisch. Besonders Bethany ist mir schnell ans Herz gewachsen, weil sie oft so unüberlegt und chaotisch handelt und dadurch so „normal“ wirkt. Ivy und Gabriel erscheinen dagegen viel reifer und erwachsener, irgendwie erhaben über die Probleme und Belanglosigkeiten der Menschen. Sie wurden mir zwar auch sympathisch, aber mit Beth konnte ich mich viel leichter und vor allem schneller identifizieren und anfreunden.
Im weiteren Verlauf des Buches konzentriert sich die Handlung vor allem auf Beth, deren Verhalten und dessen Auswirkungen nun in den Mittelpunkt des Romans rücken. Beth besucht als ganz normale Schülerin die High School von Venus Cove und mischt sich unter die anderen Mädchen, die sich vor allem Sorgen um den Abschlussball, das perfekte Kleid und natürlich die perfekte männliche Bekleidung machen. Während Beth zunächst kaum etwas mit dem neusten Schulklatsch anfangen kann und sich wenig aus Kosmetik macht, integriert sie sich doch recht schnell in ihre Umgebung und entwickelt ein Gespür dafür, wie sich ein normaler weiblicher Teenager verhält. Sie findet Freundinnen, bei denen sie sich wohl fühlt und mit denen sie gerne Zeit verbringt. Beth muss lernen, wie sich weibliche Teenager verhalten, und es gibt einige witzige Szenen, in denen die Unterschiede zwischen Engeln und Menschen deutlich werden und Beth in die ein oder andere merkwürdige Situation gerät.
Und schließlich lernt Beth Xavier kennen, den tollen Typen mit den strahlenden Augen und dem umwerfenden Lächeln. Auch er wird sehr anschaulich beschrieben und es verwundert kaum, dass Beth sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Eigentlich dürfte sie dieses Gefühl gar nicht spüren, aber nach einiger Zeit lässt es sich doch nicht mehr leugnen und Beth muss sich ihre Zuneigung zu Xavier eingestehen. Im Folgenden wird der Beziehung zwischen den beiden sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet. Es macht Spaß, die beiden zu erleben und Zeit mit ihnen zu verbringen. Es gibt einige romantische und zärtliche Szenen, die einfach schön zu lesen sind. Die beiden geben ein tolles Paar ab und passen sehr gut zueinander.
Doch natürlich ist die Beziehung zwischen Beth und Xavier nicht unkompliziert. Im Gegenteil! Nicht nur, dass Beth ein Engel ist, steht zwischen den beiden. Nein, auch Gabriel sieht es gar nicht gerne, dass die beiden ständig Zeit miteinander verbringen und Beth sich sogar heimlich aus dem Haus schleicht, um in Xaviers Nähe zu sein. Dass Gabriel sich nur Sorgen darüber macht, dass der Autrag, wegen dem die Engel auf die Erde geschickt wurden, gefährdet werden könnte, liegt auf der Hand. Aber Beth ist mittlerweile so sehr Teenager geworden, dass sie dafür kaum Verständnis hat. So kommt es immer wieder zu kleinen Streitereien und Meinungsverschiedenheiten und die Reaktionen der Charaktere darauf sind sehr authentisch und nachvollziehbar entworfen.
Im Großen und Ganzen passiert in den ersten beiden Dritteln des Buches nichts Spannendes – das Buch liest sich wie ein Teenager-Liebesroman. Aber dennoch schafft es die Autorin, den Leser zu fesseln. Einfach deshalb, weil die Charaktere so toll gezeichnet sind und es Spaß macht, sie zu erleben. Die Handlung ist abwechslungsreich, die Dialoge sind humorvoll, locker und leicht und das Buch liest sich gut weg.
Während der eigentliche Auftrag der Engel, in Venus Cove für Ordnung zu sorgen und das Böse, das in diesen Ort eindringt, zu verdrängen, zunächst in den Hintergrund gerückt ist, kommt es auf den letzten 100 Seiten des Buches plötzlich zu Entwicklungen, die ein Einschreiten der Engel notwendig machen. Ein Showdown kündigt sich an, bei dem sich die Ereignisse überschlagen und teilweise auch etwas überzogen und abgedreht wirken. So ruhig die Handlung in den ersten zwei Dritteln des Buches war, so temporeich und spannungsgeladen wird sie im letzten Drittel. Für mich waren die Ereignisse stellenweise zu übertrieben und konstruiert. Vermutlich liegt dieser Eindruck gerade daran, dass auf den ersten 450 Seiten so wenig Aufregendes passiert ist. Natürlich kann ich hier nicht verraten, was genau passiert, aber so viel sei schon mal gesagt: Das Böse fährt einige Geschütze auf.
In einigen anderen Rezensionen habe ich Kritik dahingehend gelesen, dass das Buch zu religiös wäre. Das kann ich nicht bestätigen. Sicherlich wird an einigen Stellen das Himmelreich, Gott oder eben die Besonderheit der Engel erwähnt. Aber alles in Maßen und stets passend. Ich habe selbst nur sehr wenig mit Religiosität am Hut und mich haben diese kleinen Details nicht gestört.
Das Buch endet mit einem fiesen Cliffhanger und macht total neugierig auf die Fortsetzung. Das erste Kapitel von „Hades“ ist ja bereits mit in diesem ersten Band abgedruckt, aber das macht es nur noch schlimmer. Denn da passiert schon so viel, dass ich nun wirklich gespannt auf die Fortsetzung bin.
Mein Fazit:
„Halo“ besticht vor allem durch seine toll konstruierten Charaktere und die abwechslungsreiche Handlung – allerdings wirkt diese im letzten Drittel etwas zu konstruiert und überladen.