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Veröffentlicht am 27.11.2019

Die dunklen Schatten der Vergangenheit

Der Geschmack unseres Lebens
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Alba im Norden Italiens: „La Cuccagna“, das Schlaraffenland, so hat die 32-jährige Ella Donati ihre neue Chocolaterie im Herzen der piemontesischen Stadt genannt. 32 verschiedene Sorten an Pralinen und ...

Alba im Norden Italiens: „La Cuccagna“, das Schlaraffenland, so hat die 32-jährige Ella Donati ihre neue Chocolaterie im Herzen der piemontesischen Stadt genannt. 32 verschiedene Sorten an Pralinen und ihre berühmte torta di nocciole hat sie im Sortiment. Das Rezept für den Haselnusskuchen hat sie von ihrer Mutter Francesca, deren früher Tod das Leben von Ella und ihrem Bruder Danilo, kurz Dino, überschattet. Nun ist auch noch ihr Vater Philippe nach längerer Krebserkrankung gestorben und Ella musste schweren Herzens die verschuldete Haselnuss-Plantage der Familie verkaufen. Sie leidet sehr darunter, dass nun in ihrem Elternhaus Michele Mariani, Anfang 40, mit seiner Frau Pippa und seiner Mutter Sophia wohnt. Plötzlich taucht Danilo nach längerer Abwesenheit wieder in Ellas Leben auf. Er ist bei Salvatore, einem alten Freund der Familie, untergekommen. Was seine Schwester aber nicht ahnt: Über der Familie Donati liegt ein dunkles Geheimnis, das jahrelang vor Ella verborgen wurde…

„Der Geschmack unseres Lebens“ ist ein Roman von Julia Fischer.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 43 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Sie werden eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog. Die Handlung umfasst die Zeit vom Zweiten Weltkrieg bis 2018, wobei das Hauptgeschehen im Jahr 2017 spielt. Zwischendurch sind jedoch immer wieder Rückblenden eingestreut. Zudem sind Briefe aus dem 19. Jahrhundert eingefügt. Die Orientierung fällt dank genauer Orts- und Zeitangaben jedoch leicht. Erzählt wird aus unterschiedlichen Perspektiven, vorwiegend aus der von Ella, Danilo, Michele und Salvatore. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist einfühlsam, anschaulich, bildhaft, atmosphärisch dicht und stellenweise poetisch. Mit viel Liebe zum Detail und in einem warmherzigen Ton entsteht ein ansprechendes Setting, das mich schon nach wenigen Kapiteln eingenommen hat.

Ich habe die Geschichte sowohl als Printausgabe als auch als Hörbuch genossen. Empfehlenswert sind beide Versionen. Zwar ist das Hörbuch gekürzt, doch wird es von der Autorin selbst gelesen, deren Professionalität als Sprecherin jedem einzelnen Track anzumerken ist.

Der Roman bietet eine tolle Bandbreite unterschiedlicher Charaktere, die gut ausgearbeitet sind und authentisch wirken. Mit Ella steht eine Protagonistin im Vordergrund, die zwar Ecken und Kanten hat, aber dennoch sympathisch ist. Auffällig ist dabei, dass auch die übrigen Personen komplex angelegt sind und jeder von ihnen seine eigene Geschichte hat.

Trotz der fast 400 Seiten wird es beim Lesen nie langweilig. Die Geschichte ist fantasievoll und enthält sogar märchenhafte Elemente. Dennoch bleibt die Handlung sowohl schlüssig als auch abwechslungsreich. Die unterschiedlichen Erzählstränge sind sinnvoll miteinander verknüpft. Die Geschichte hat darüber hinaus einige Wendungen zu bieten.

Gut gefallen hat mir der Mix an unterschiedlichen Themen, denn der Inhalt geht weit über eine simple Liebesgeschichte hinaus. Amüsante Passagen wechseln sich mit ernsteren, traurigen ab. Es geht unter anderem um Tod, psychische Krankheiten, Krieg, Sucht, Familiengeheimnisse und andere Probleme. Dadurch konnte mich das Buch immer wieder emotional berühren.

Ein weiterer Pluspunkt des Romans ist es, dass die Geschichte nicht nur unterhält, sondern auch viel Lehrreiches vermittelt. So erfährt man nebenviel viel Interessantes über die Region Alba und ihre Historie, über Trüffel und Haselnüsse sowie über die Produktion von Pralinen und Co. Dabei wird die fundierte Recherche der Autorin deutlich.

Erwähnenswert sind auch die Extras. Abgedruckt sind in der Printausgabe ein Rezept für Haselnusstrüffel sowie eine Liste mit Literaturempfehlungen. Besonders interessant ist auch das Nachwort der Autorin, in dem sie erklärt, welche Anteile ihres Romans fiktiv sind, welche auf wahren Begebenheiten beruhen und welche sogar autobiografischer Natur sind.

Das stimmungsvolle Cover ist optisch sehr gelungen. Auch der Titel gefällt mir gut.

Mein Fazit:
Mit „Der Geschmack unseres Lebens“ ist Julia Fischer ein vielschichtiger, tiefgründiger und gefühlvoller Roman gelungen, der – wie Schokolade – zartbitter ist und hervorragend mundet. Wieder einmal hat es die Autorin geschafft, mich auf ganzer Linie zu überzeugen.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Allein in den Weiten des Alls

Die Astronautin
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25. Dezember 2067 mitten im Weltall: Auf der Krankenstation des Forschungsraumschiffs Stephen Hawking II erwacht Commander Maryam, genannt May, Knox völlig allein aus der Bewusstlosigkeit. Sie ist dehydriert, ...

25. Dezember 2067 mitten im Weltall: Auf der Krankenstation des Forschungsraumschiffs Stephen Hawking II erwacht Commander Maryam, genannt May, Knox völlig allein aus der Bewusstlosigkeit. Sie ist dehydriert, körperlich geschwächt und verwirrt. Niemand sonst scheint auf dem Raumschiff zu sein, dessen Funktionen in großen Teilen zerstört sind oder zumindest nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. May kann sich erinnern, dass sie mit ihrer Crew zu einer Mission zum Planeten Europa unterwegs war. Doch eine retrograde Amnesie verhindert, dass sie noch weiß, was sich zuletzt an Bord zugetragen hat. Offenbar ist sie die einzige Überlebende. Doch welche Katastrophe ist ihrem Team widerfahren? Und wie soll sie es jetzt zurück zur Erde schaffen? May muss gegen eine Vielzahl von Gefahren ums Überleben kämpfen. Ihre letzte Hoffnung ist die Funkverbindung zur NASA, vor allem zu dem Wissenschaftler Dr. Stephen Knox, ihrem Noch-Ehemann, dessen Herz sie brach. Kann er sie jetzt retten?

„Die Astronautin - In der Dunkelheit wird deine Stimme mich retten“ ist ein Science-Fiction-Roman von S. K. Vaughn.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 96 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht von May, aber auch aus der von Stephen. Immer wieder gibt es zwischendurch Kapitel, die bereits vor den Geschehnissen im Jahr 2067 spielen. Dabei wechseln die Schauplätze. Dank Orts- und Zeitangaben vor Beginn der Kapitel fällt die Orientierung in der Geschichte dennoch nicht schwer. Der Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist schnörkellos, aber anschaulich und detailliert. Man wird direkt mitten hinein ins Geschehen geworfen. Trotzdem fiel mir der Einstieg in die Geschichte leicht.

Im Mittelpunkt des Romans steht unzweifelhaft May, eine kluge und mutige Protagonistin mit Hang zum Sarkasmus und Galgenhumor, die ich nach wenigen Seiten liebgewonnen habe. Nach außen hin scheint sie ziemlich perfekt zu sein, doch sie ist bei genauerem Blick ein realitätsnaher Charakter mit Ecken und Kanten. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt wird sehr gut deutlich. Angetan bin ich auch von der künstlichen Intelligenz, die May nach ihrer Mutter Eve benennt. Zudem kommt Stephen eine wichtige Rolle zu, der mir ebenfalls schnell sympathisch war.

Die Grundidee der Story verspricht eine Menge Abenteuer und Spannung. Dieser Erwartung wird der Roman gerecht. Mit mehr als 500 Seiten ist er recht umfangreich. Dennoch wird die Geschichte zu keinem Zeitpunkt langatmig. Das liegt einerseits an den vielen Aufgaben und Hindernissen, die die Protagonistin bewältigen muss. Zum anderen konnte mich die Geschichte emotional berühren, wobei es thematisch um weit mehr als nur die Liebesgeschichte zwischen May und Stephen geht. Darüber hinaus gibt es einige Überraschungen.

Gerade im Science-Fiction-Genre hapert es bei einigen Geschichten nicht selten bei den Aspekten Logik und Authentizität. Das ist hier allerdings nicht der Fall. Die Handlung wirkt durchweg schlüssig. Technische Vorgänge und Begriffe sowie der angenommene Entwicklungsstand in dieser Welt der Zukunft sind gut verständlich. Dabei ist dem Roman anzumerken, dass der Autor zuvor gewissenhaft recherchiert hat.

Ich habe die Geschichte als ungekürzte Lesung angehört. Dabei meistert Sprecherin Beate Rysopp ihre Aufgabe sehr gut.

Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet, allerdings erscheint mir der abgebildete Frauenkopf ein wenig zu hellhäutig, um zu Mays beschriebenen Äußeren zu passen. Auch der deutsche Titel weicht vom amerikanischen Original („Across the Void“) ab, wobei mir die sehr freie Übersetzung sogar besser gefällt.

Mein Fazit:
Mit „Die Astronautin - In der Dunkelheit wird deine Stimme mich retten“ ist S. K. Vaughn ein gleichsam spannender wie berührender Weltraumroman gelungen, der nicht nur eingefleischte Science-Fiction-Fans überzeugen kann. Da der Schriftsteller auch Drehbuchautor ist, hoffe ich auf eine Verfilmung – am liebsten in nicht ganz so ferner Zukunft.

Veröffentlicht am 29.10.2019

Wie ein Unfall ein Leben verändert

Fünf Wörter für Glück
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Es passiert an einem Morgen am Wochenende in London: Heidi, Ende 20, stürzt beim Joggen unglücklich und landet im Krankenhaus. Als sie wieder zu Bewusstsein kommt, erwartet sie ein Schock: Nach dem Unfall ...

Es passiert an einem Morgen am Wochenende in London: Heidi, Ende 20, stürzt beim Joggen unglücklich und landet im Krankenhaus. Als sie wieder zu Bewusstsein kommt, erwartet sie ein Schock: Nach dem Unfall muss ihr der rechte Unterschenkel amputiert werden. Heidi ist verzweifelt. Schon vorher war ihr Leben nicht perfekt. Ein schlechtes Date folgte auf das nächste, und sie verdiente sich ihr Geld vorwiegend als Kellnerin, obwohl sie so gerne als Schauspielerin arbeiten würde. Nun glaubt sie, dass sie ihre Träume endgültig begraben kann. Doch in der Rehaklinik trifft sie auf die 80-jährige Maud, die Lebensfreude und Optimismus ausstrahlt. Jack, der Enkel der Seniorin, versucht, Heidi aus der Reserve zu locken. Er hat eine Idee, wie sie wieder ins Leben zurückfinden kann: ein Fünf-Punkte-Plan zum Glück. Kann das funktionieren?

„Fünf Wörter für Glück“ ist ein bewegender Roman von Ella Dove.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen mit insgesamt 34 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Zudem gibt es einen Epilog. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Heidi. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist anschaulich, eindringlich und lebhaft. Trotz des sehr direkten Einstiegs konnte ich gut in die Geschichte einfinden. Ich habe das Buch nur ungerne zur Seite gelegt.

Mit Heidi steht eine sympathische Protagonistin im Vordergrund. Ihre Gefühls- und Gedankenwelt lässt sich gut nachvollziehen. Auch Maud ist ein liebeswürdiger Charakter. Darüber hinaus tauchen auch einige interessante Nebenfiguren auf. Die Personen im Roman wirken realitätsnah.

Inhaltlich konnte mich die Geschichte überzeugen. Anders als man zunächst vermuten könnte, handelt es sich keineswegs bloß um einen seichten Liebesroman. Zwar spielt Romantik auch eine Rolle, doch es geht um weitaus mehr, zum Beispiel Krankheiten, Freundschaften und weitere Themen. Auf rund 350 Seiten bleibt der Roman kurzweilig und abwechslungsreich.

Das Buch basiert auf der wahren Geschichte der Autorin, die beim Jogging tatsächlich gestürzt ist und mit nur 25 Jahren ihr rechtes Bein verlor. Dass die Handlung von realen Ereignissen inspiriert ist, ist dem Roman anzumerken. Die Schilderungen wirken sehr authentisch. Schon ab den ersten Kapiteln schafft es die Geschichte, mich emotional zu berühren. Doch der Roman ist nur nicht bewegend, sondern macht auch Mut und gibt positive Impulse, das Leben zu lieben und auszukosten. Auch die Botschaft, sich von Schicksalsschlägen nicht unterkriegen zu lassen, gefällt mir. Trotz der ernsten Grundthematik kommt der Humor ebenfalls nicht zu kurz.

Das hübsch gestaltete Cover strahlt Fröhlichkeit aus und passt meiner Ansicht nach ganz gut. Der deutsche Titel klingt in meinen Ohren leider unnötig kitschig, orientiert sich aber am englischen Original („Five steps to happy“).

Mein Fazit:
Mit „Fünf Wörter für Glück“ ist es Ella Dove gelungen, sowohl zu unterhalten als auch anzurühren. Wer einen 0815-Liebesroman mit Wohlfühlatmosphäre sucht, wird hier nicht fündig. Für alle, die Lust auf eine besondere Geschichte haben, kann ich die Lektüre jedoch wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 02.09.2019

Weil das Leben weitergehen muss

Für immer Rabbit Hayes
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Nach dem Tod der 41-jährigen Mia Hayes, genannt „Rabbit“, ist die Trauer in der Familie groß. Doch auch nachdem der Krebs am Ende gesiegt hat, muss das Leben für ihre Hinterbliebenen irgendwie weitergehen. ...

Nach dem Tod der 41-jährigen Mia Hayes, genannt „Rabbit“, ist die Trauer in der Familie groß. Doch auch nachdem der Krebs am Ende gesiegt hat, muss das Leben für ihre Hinterbliebenen irgendwie weitergehen. Das gilt für ihre 12-jährige Tochter Juliet, genannt „Bunny“, die nun bei Rabbits Bruder David, genannt Davey, bleiben soll. Und es trifft auch zu auf Rabbits Mutter Molly, die ihren unerschütterlichen Glauben zu verlieren droht, und auf Rabbits Schwester Grace, die herausfinden muss, dass auch in ihr das Krebs-Gen schlummert. Wie werden sie alle nun im neuen Alltag zurechtkommen? Und wie werden sie mit dem schweren Verlust fertig?

„Für immer Rabbit Hayes“ von Anna McPartlin ist die Fortsetzung des Bestsellers „Die letzten Tage von Rabbit Hayes“.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog. Er besteht aus neun Teilen, die wiederum in kurze Kapitel eingeteilt wird. Das Buch endet mit einem Epilog. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht verschiedener Personen, zum Beispiel aus der von Davey, Grace, Juliet und Majorie. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist einfühlsam, anschaulich und – dank viel wörtlicher Rede – sehr lebhaft. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht schwer. Die Handlung schließt direkt an die Geschehnisse aus dem Vorgängerroman an. Daher empfiehlt es sich, zuerst „Die letzten Tage von Rabbit Hayes“ zu lesen. Allerdings ist das Buch so geschrieben, dass es sich auch ohne Vorkenntnisse verstehen lässt.

Viele der bereits im anderen Roman liebgewonnenen Charaktere tauchen erneut auf. Auch dieses Mal waren mir Bunny, Davey, Grace und all die anderen Protagonisten wieder sympathisch, sodass ich ihre Geschichten gerne weiterverfolgt habe. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Die Charaktere werden liebevoll und detailliert dargestellt, sodass man beim Lesen wieder ein plastisches Bild vor Augen hatte. Auch die Entwicklung der Personen wirkt authentisch.

Trotz der mehr als 500 Seiten wird die Geschichte nicht langweilig. Mehrere Erzählstränge sorgen für Abwechslung und Unterhaltung. Auch das Ende des Romans war schlüssig und nachvollziehbar.

Thematisch nehmen im Folgeband Trauer, Verlust und Krankheit eine wichtige Rolle ein. Dies macht die Geschichte sehr emotional, aber auf eine realitätsnahe, nicht ins Kitschige abdriftende Weise. Das mag auch daran liegen, dass der Roman mit einigen weiteren Themen dienen kann, die die Geschichte vielseitig und tiefgründiger machen und zum Nachdenken anregen. Gut gefallen hat mir außerdem, dass es auch immer wieder humorvolle Momente gibt.

Das Cover weicht optisch sehr stark vom Vorgängerroman ab, trifft aber meinen Geschmack. Als Originaltitel wird „Who Loves Ya, Rabbit Hayes“ angegeben. Allerdings scheint das Buch – zum jetzigen Zeitpunkt – im englischsprachigen Raum noch nicht erschienen sein. Der deutsche Titel wurde nicht wörtlich übersetzt, was mich aber nicht gestört hat.

Mein Fazit:
Meine Befürchtung, „Für immer Rabbit Hayes“ könnte eine dieser missglückten Fortsetzungen sein und dem Vorgängerroman nicht gerecht werden, hat sich in keinster Weise bestätigt. Auch dieses Mal konnte mich Anna McPartlin mit ihrer Geschichte um die Familie Hayes begeistern und berühren. Wieder ist ihr ein Lesehighlight gelungen. Ich freue mich schon auf die angekündigte Verfilmung des ersten Rabbit-Romanes.

Veröffentlicht am 29.07.2019

Ein Leben, das außer Kontrolle gerät

All das zu verlieren
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Auf den ersten Blick führt Adèle ein angenehmes Leben: Die Journalistin arbeitet für eine Pariser Tageszeitung. Mit ihrem Mann Dr. Richard Robinson, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn Lucien lebt ...

Auf den ersten Blick führt Adèle ein angenehmes Leben: Die Journalistin arbeitet für eine Pariser Tageszeitung. Mit ihrem Mann Dr. Richard Robinson, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn Lucien lebt sie in einem schicken Pariser Viertel. Finanziell geht es der Familie gut, sie reist gerne einmal übers Wochenende ans Meer. Dennoch ist Adèle unglücklich und führt ein Doppelleben. Sie trifft sich heimlich mit anderen Männern und lebt mit Fremden ihre sexuellen Obsessionen aus. Dabei setzt sie alles aufs Spiel, denn sie könnte viel verlieren…

„All das zu verlieren“ ist der gelungene Debütroman von Leïla Slimani.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus kurzen Kapiteln, die sich zum Teil aus mehreren Abschnitten zusammensetzen. Erzählt wird zunächst aus der Perspektive von Adèle, später aus der von Richard. Der Roman ist chronologisch aufgebaut, allerdings gibt es mehrere Rückblenden. Diese Struktur ist gut durchdacht.

Der Schreibstil wirkt eher reduziert, schnörkellos, detailarm und nüchtern, ist aber gleichzeitig auch intensiv, schonungslos und eindringlich. Die Autorin beweist eindrucksvoll, wie gut sie mit Sprache umgehen kann und wie viel sich in wenigen Sätzen vermitteln lässt. Schon nach wenigen Seiten entwickelt die Geschichte dadurch einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte.

Mit Adèle steht eine interessante Protagonistin im Vordergrund, die das Potenzial hat zu polarisieren. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, sie auf Anhieb als sympathisch empfunden zu haben. Obwohl ihre Gedanken und Gefühle recht deutlich werden, konnte ich ihr Verhalten größtenteils nicht nachvollziehen oder gar gutheißen. Dennoch hat der Charakter etwas an sich, das ihn spannend und reizvoll macht, sodass ich ihre Geschichte sehr gerne verfolgt habe. Stellenweise drängt sich der Eindruck auf, dass die Protagonistin etwas überspitzt dargestellt wird. Das hat mich beim Lesen allerdings nicht gestört. Absolut authentisch finde ich Richard. Die Nebenfiguren bleiben größtenteils recht blass, was in diesem Fall aber zur Geschichte passt.

Mit nur etwas mehr als 200 Seiten ist der Roman ziemlich kurz. Trotzdem steckt inhaltlich eine Menge darin, denn die Geschichte verfügt über viel Tiefgang. Es geht um mehr als nur die Lebensgeschichte einer zerrissenen Frau und die Abgründe, die sich dabei offenbaren. Ein Pluspunkt ist die gesellschaftskritische Komponente, durch die der Roman immer wieder aufwühlt und zum Nachdenken anregt.

Das Cover gefällt mir gut, weil es die innerliche Zerrissenheit von Adèle illustriert. Der deutsche Titel weicht leider stark vom französischen Original („Dans le jardin de l'ogre“) ab, den ich um einiges passender finde.

Mein Fazit:
Mit „All das zu verlieren“ konnte mich Leïla Slimani überzeugen. Es ist ein fordernder, aber sehr besonderer Roman, der mich in seinen Bann gezogen hat. Mit Sicherheit wird es nicht die letzte Geschichte der Autorin bleiben, die ich gelesen habe.