Auf der Suche nach der Vergangenheit
Gestern ist ein ferner OrtDas Buch
Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen und bedanke mich hierfür beim Verlag Bastei Lübbe. Genau genommen wäre dieses Buch nicht unbedingt eines gewesen, nach dem ich im Buchladen ...
Das Buch
Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen und bedanke mich hierfür beim Verlag Bastei Lübbe. Genau genommen wäre dieses Buch nicht unbedingt eines gewesen, nach dem ich im Buchladen genauer geschaut hätte. Umso mehr hat mich die Leseprobe überrascht und ich wurde nicht enttäuscht.
Das Cover will zunächst erst einmal so gar nicht zum Buch passen, da es für mich nicht unbedingt ein Verhältnis von Mutter und Tochter ausstrahlt sondern eher zweier Freundinnen, die eine gute Zeit am Strand verbringen. Am Ende des Buches macht es dann allerdings doch irgendwie Sinn.
Worum geht‘s?
Die 64jährige Journalistin Celia kommt nach einem Schlaganfall aus dem Krankenhaus nach Hause und hat viele ihrer Erinnerungen verloren. Ihre Tochter Paula ist zwar sehr besorgt um sie und ihr körperliches Wohl, weigert sich aber, ihr entscheidende Teile ihrer Erinnerung zu offenbaren. Auch schafft Paula es, dass die Menschen in Celias Umgebung – genau wie sie selbst – nichts sagen. Da Celia ihren Lebensmut und vor allem ihre Neugier keineswegs verloren hat, beginnt sie sich auf die Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit zu machen.
Meine Meinung
Grundsätzlich finde ich Geschichten, in denen der Protagonist auf der Suche nach seiner eigenen Vergangenheit ist, sehr spannend. Das liegt daran, dass die Reaktionen auf die eigene – unbekannte – Vergangenheit oftmals völlig anders sind, als der Protagonist selbst (und wohl auch der Leser) erwarten würde. In dem vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Konflikt zwischen Mutter und Tochter bereits sehr früh zu erkennen ist. Celia fühlt sich von Paula bevormundet und eingeengt und reagiert teilweise trotzig. Man kann sich gut in die Rolle der Celia hinein versetzen und stellt sich unweigerlich die Frage „Wie würde ich reagieren?“. Außerdem ist ein Schlaganfall und ein Verlust von Erinnerungen nicht so unmöglich, dass man nicht darüber nachdenken würde, was wohl wäre, wenn… Damit wird die Geschichte greifbar.
Celia und Paula sind die beiden Hauptcharaktere, wobei Celia deutlich tiefgründiger und vielschichtiger geschrieben ist als Paula. Celia bemerkt sehr schnell, dass das, was Paula ihr verschweigt, etwas wichtiges in ihrem Leben gewesen sein muss, es maßgeblich beeinflusst hat. Sehr langsam erfährt Celia durch das Befragen der unterschiedlichsten Personen mehr über sich selbst. Sie ist eine intelligente Frau, die sehr genau zuhört, auch kleinste Regungen in der Mimik ihres Gegenüber wahrnimmt und vor allem gut kombinieren kann. Darüber hinaus stellt sie geschickte Fragen. So schafft sie es viele Zusammenhänge wieder herzustellen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Auf diese Art und Weise findet sie den Weg zu ihrer Familie zurück, die durchaus bereit ist, ihr zu vergeben und darüber hinaus geht es für sie für eine kurze Zeit in eine glückliche Vergangenheit zurück. Sie darf noch einmal das Gefühl erleben, als sie jung war und sich die Geschichte dazu erzählen lassen.
Das Buch insgesamt hat mir sehr gut gefallen. Es ist emotional, aber nicht langatmig erzählt. Mutter und Tochter finden letztlich zueinander und Celia verzeiht Paula die Lüge, die sie gestrickt hat um sie zu schützen. Am Ende bleiben zwar viele Fragen offen oder es werden einige Enden nicht zu Ende erzählt, aber das halte ich nicht für dramatisch. Viel mehr bleibt es der Spekulation des Lesers überlassen, wie er sich Celia vorstellt und wie sie vielleicht entscheiden wird. Darüber hinaus hat das Buch in mir den Eindruck hinterlassen, dass ich ein kleines Stück mit Celia und Paula gehen durfte – zeitweise sogar das Gefühl hatte, ich höre einer Freundin zu – dass sie mir ein kleines Stück ihrer Vergangenheit gezeigt haben, aber in der Zukunft bin ich eben kein erwünschter Zaungast mehr. Das Leben der beiden geht weiter, aber „Gestern“ ist hier eben vorbei.
Schreibstil
Der Schreibstil des Autors ist leicht und flüssig zu lesen. Ich mochte die vielen Dialoge – insbesondere dann, wenn Celia sich wieder ein Stück Erinnerung zurück geholt hat. Sie redete mit so vielen Menschen, da wäre es seltsam gewesen, ein Buch mit weniger Dialogen vorzufinden. Obwohl die Umgebung selten detailreich beschrieben wird, schafft der Autor es, dass man sich ein Bild machen kann. Ich habe ein recht konkretes Bild von Paula und Celia im Kopf. Sie wurden lebendig und durch ihre persönlichen Konflikte miteinander absolut authentisch.
Einzig die vielen Personen, deren Namen man sich kaum merken konnte, hat mich teilweise verwirrt, aber ich schätze, das ist in spanischen Großfamilien eben so.
Fazit
Es geht in diesem Buch nicht um Action oder die reißerische Vergangenheit, die enthüllt werden soll. Vielmehr geht es in dieser leisen Erzählung um eine Frau, die einfach ihr Leben zurück haben möchte und alles tut um genau dies zu bekommen. Sie findet in ihrer Vergangenheit nicht nur schöne Dinge und helle Seiten ihres Selbst, aber sie bestimmt das Tempo und weiß, wohin sie sehen möchte.
Für den Liebhaber stiller, berührender Geschichten ist diese genau richtig!
4 von 5 Sternen.