Eine packende Geschichte, die unter die Haut geht
Das Mädchen mit dem SchmetterlingDie Arbeit als Kinderpsychologin ist der Lebensinhalt von Julia Cates. Als eine ihrer Patientinnen sich und andere in den Tod reißt, endet diese Karriere schlagartig. Zwar wird sie vom Gericht von aller ...
Die Arbeit als Kinderpsychologin ist der Lebensinhalt von Julia Cates. Als eine ihrer Patientinnen sich und andere in den Tod reißt, endet diese Karriere schlagartig. Zwar wird sie vom Gericht von aller Schuld freigesprochen, doch ihr Ruf ist zerstört und Selbstzweifel plagen sie. In diesem Tief wird sie von ihrer Schwester Ellie in ihre Heimatstadt gerufen.
Ein Kind ist aufgetaucht, niemand weiß wer es ist und wo es herkommt. Alles deutet darauf hin, dass das Mädchen ein Wolfskind ist, fernab der Zivilisation aufgewachsen. Das Kind ist scheu, hat animalische Eigenheiten und spricht nicht. Als alle Versuche sie zu identifizieren scheitern, soll Julia sich dem schwer traumatisierten Kind annehmen und es therapieren. Doch schnell ist gar nicht mehr so sicher, wer hier überhaupt wen therapiert.
Denn genau das ist der Kern des Buches. Es ist eine Geschichte, wie sich zwei Menschen völlig unerwartet gegenseitig helfen, obwohl sie vorher nicht einmal voneinander wissen. Um die Eltern des Mädchens zu finden, soll Julia sie zum Sprechen bringen. So beginnt eine intensive Zeit des Zusammenlebens, das nicht schwieriger starten könnte. Es geht um Minischritte und winzige Erfolge, um das gegenseitige Aufbauen von Vertrauen und einer Bindung, die weit tiefer geht als das von Patientin – Therapeutin.
Dieser Weg ist gepflastert mit Hindernissen. Jeder will ein Stück der wissenschaftlichen Trophäe, die ein Wolfskind darstellt, eine in der öffentlichen Meinung „gescheiterte“ Psychologin ist dafür gefundenes Fressen. Da sie selbst von Zweifeln zerfressen ist, schlagen diese Angriffe in die genau richtige Kerbe. Jede kleinste Bindung, die beide zueinander aufbauen, droht an allen Hindernissen zu scheitern, doch machen beide weiter, mit mehr als einem Rückschlag.
Das Miteinander der beiden, aber auch ihre individuellen Gedanken und Gefühle, die zum Ausdruck gebracht werden, haben mich beeindruckt. Sei es nun Julia, die zwischen ihrem Willen zu helfen und der Angst wieder zu versagen schwankt oder das Mädchen, das erst spät einen Namen erhält, den ich nicht vorweg nehmen will. Vor dem Lesen hätte ich nicht erwartet, dass mich das Buch emotional so packen kann. Die Entwicklung ist glaubhaft, die Charaktere greifbar und realistisch und ich fand mich schnell darin wieder mich mit ihnen zu freuen, zu fiebern und auch zu trauern. Der Weg ist steinig und das Buch macht keinen Hehl draus und das ganz ohne große Tragödien zu brauchen.
Dabei sind nicht nur die beiden Hauptprotagonistinnen gut gelungen. Auch einige Nebencharaktere wie die Schwester Ellie oder der Arzt Max sind gut geschrieben, mit eigenen Stärken, Schwächen und einer Geschichte, die sie erzählen wollen. Gerade mit Max hatte ich zu Beginn noch meine Probleme, da er ganz bewusst als der heiße, mysteriöse Mann von nebenan vorgestellt wird, den jede haben will. Bei ihm brauchte ich eine Weile um wirklich warm zu werden, dennoch gefiel mir gegen Ende seine Einstellung und auch die Geschichte wie er so geworden ist.
Das Mädchen mit dem Schmetterling beschäftigt sich damit, wie viel Kraft und Zeit man braucht, um jemand zurück ins Leben zu holen. Wie viel Vertrauen notwendig ist und dass schon der kleinste Schritt ein großer Erfolg ist. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, als es einmal richtig anfing und auch wenn mir einige Charaktere ein wenig stereotypisch vorkamen, wurde an der ein oder anderen Stelle absichtlich damit gespielt. Es ergibt sich ein schönes wie tragisches Buch, das bis zuletzt spannend bleibt mit der Frage, ob die Beziehung zwischen den beiden alles überstehen kann.
Die Autorin konnte mich voll von sich überzeugen und es wird auf jeden Fall nicht das letzte Buch gewesen sein, das ich von ihr lese.