München 1945:
Während eines Bombeneinschlags kommen die letzten, noch lebenden Verwandten des elfjährigen Paul ums Leben. Während Paul in den Trümmern nach ihnen sucht, läuft ihm ein kleines, weinendes Mädchen in die Arme, das er, wegen der großen Ähnlichkeit zu seiner Schwester, zunächst versehentlich für Rosalie hält. Doch stattdessen handelt es sich um ein fremdes jüdisches Mädchen, das Sarah heißt und genauso wie Paul nach seinen Eltern sucht, die sich lange vor den Nazis versteckt hielten.
Als Paul Sarahs traurige Geschichte erfährt, schließen beide einen verhängnisvollen Pakt. Sarah soll Rosalies Identität annehmen, denn Paul ist im Besitz wichtiger Familiendokumente, die Sarahs Herkunft in Zukunft mühelos erklären könnten. Sarah und Paul bleiben in der Folgezeit zusammen, selbst wenn ihre Zukunft nicht allzu rosig aussieht. Nachdem sie bei einer Kinderbande eine zeitlang Unterschlupf finden konnten, treffen sie auf dem Großmarkt ein Münchner Urgestein, die Blumenverkäuferin Agathe. Und die mütterliche Agathe, die der Krieg ebenfalls fast ihre Existenz und einen Großteil ihrer Lieben gekostet hat, hat Mitleid mit den beiden Waisen. Sie nimmt Paul und Sarah bei sich auf und die drei erleben glücklichere Zeiten, bis eines Tages ein Mann vom Jugendamt vor der Tür steht und die Kinder mitnimmt. Werden Sarah/Rosalie und Paul zusammenbleiben und wird Pauls Familienmotto „Wie der Wind und das Meer“, sich bewahrheiten können? Es sieht nicht allzu rosig aus, denn ausgerechnet Sarah fällt einem Ehepaar auf, dass die Kleine mit der schönen Singstimme zu gerne adoptieren würde…
In der Vergangenheit las ich bereits ein paar humorige Romane der Autorin, die in der Gegenwart angesiedelt waren und mir gut gefallen hatten, wie etwa „Sie haben sich aber gut gehalten“ oder „Die hässlichste Tanne der Welt“. Als ich bei einem Gewinnspiel „Wie der Wind und das Meer“ gewann, freute ich mich sehr, denn besagter Roman entsprach noch ein Tickchen mehr meinem persönlichen Lesegeschmack- ich lese nämlich am liebsten Romane mit historischem Hintergrund und war dementsprechend sehr gespannt auf Lilli Becks „Genrewechsel“.
Man begleitet das Heldenpaar der Geschichte, Sarah/Rosalie und Paul, etwas über vierzig Jahre ihres Lebens. Ein Leben das anfangs voller Entbehrungen ist. Lilli Beck beschreibt die Umstände der Nachkriegszeit sehr bildhaft und authentisch wirkend, zudem wirkt das „Geschwisterpaar“ sympathisch. Man kann sich gut in die Haupt und Nebenfiguren hineindenken, ihre Sorgen und Nöte nachvollziehen und was noch wichtiger ist- als Leser mitfiebern. Für bayuvarisches Flair sorgt vor allem die resolute Agathe, die ich schnell in mein Leserherz geschlossen habe, aber auch die Adoptiveltern des Heldenpaars mochte ich sehr.
Ich finde besonders die ersten 200 Seiten sehr spannend geschrieben. Im weiteren Verlauf der Story, erfährt man dann, wie es in beruflicher und zwischenmenschlicher Beziehung mit
Sarah/Rosalie und Paul weitergeht. Dank des flüssigen Schreibstils, wird es auch dann nicht langweilig, allerdings hätte ich mir, als kleiner Romantiker, noch mehr Liebesszenen und bittersüße Momente zwischen dem Heldenpaar gewünscht. Auch werden mir wichtige Geschehnisse im Leben der „Geschwister“ ein wenig zu rasch abgehandelt. Andererseits ist das auch eine Kunst für sich, denn in „Wie der Wind und das Meer“, lässt die Autorin politische Ereignisse und historisches Zeitgeschehen, nicht unerwähnt und all das braucht schließlich auch Raum zur Entfaltung. Übrigens ein Punkt, der mir außerordentlich gut gefällt.
Es ist nicht unbedingt eine happyendlastige Lektüre, die man hier geboten bekommt, doch ist es ein Roman, der den Leser am Ende zum Nachdenken anregt und in einem nachhallt und darauf kommt es schließlich an. Nachdem ich nun sowohl Lilli Becks leichte, zeitgenössische Romane, als auch ihren ersten „historischen“ Roman gelesen habe, muss ich sagen, dass mir ihre historische Seite noch viel besser gefällt.
Kurz gefasst: Sarah und Paul- Die Geschichte einer bittersüßen Liebe im Wandel der Zeit. Ein bewegendes Stück deutscher Zeitgeschichte in Romanform.