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Veröffentlicht am 01.03.2020

Tradition und Moderne - vertragen sie sich?

Eine Liebe in Neapel
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Um es vorweg zu sagen, "Eine Liebe in Neapel" von Heddi Goodrich, ist ein wundervoller Roman. Dieses Buch hat so ziemlich alles, was ich mir von einem guten Roman erwarte. Zuerst einmal, eine einfühlsame ...

Um es vorweg zu sagen, "Eine Liebe in Neapel" von Heddi Goodrich, ist ein wundervoller Roman. Dieses Buch hat so ziemlich alles, was ich mir von einem guten Roman erwarte. Zuerst einmal, eine einfühlsame Geschichte mit gut herausgearbeitete Protagonisten. Doch neben Heddi und Pietro bekamen für mich auch alle anderen Personen die für den Handlungsverlauf wichtig waren, beim Lesen ein Gesicht und Individualität. Das sind ganz schön viele ausgearbeitete Charaktere. Dazu noch Infos über Land und Leute, in diesem Fall über Neapel und den Vesuv. Und da es sich bei den Freunden von Heddi um Geologiestudenten handelt, erfährt der Leser noch ganz nebenbei Wissenswertes über Vulkane.

Der Roman ist aus der Sicht von Heddi geschrieben. Schon zu Beginn weiß der Leser, dass diese Liebe in Neapel ohne Happy End geblieben ist. Es beginnt mit einer e-mail des Bedauerns über diese Trennung. Heddi lässt die Leserinnen - es werden wohl eher Frauen sein, die dieses Buch lesen als Männer - an ihrem Liebesglück als auch ihres Liebeskummers teilhaben.

Schon von der ersten Seite an taucht man in dieses sprichwörtlich italienische Lebensgefühl ein. Der alltäglich Lärm im spanischen Viertel von Neapel, die kleinen Gassen und über allem thront der Vesuv. Dies umfasst einen auf den nun folgen Seiten immer wieder. Allein die Beschreibung des Sciroccos! Man liest nicht nur vom warmen Wind sondern man empfindet diesen beim Lesen auf der Haut. Der Schweiß, der sich auf der Kopfhaut sammelt, über den Nacken und von dort über den Rücken rinnt, das Hemd verklebt. Kleine, glänzende Schweißperlen auf der Oberlippe, die man mit einer Serviette abtupfen möchte.

Es ist diese ausdrucksvolle Sprache der Autorin, die mich faszinierte und der ich mich nicht entziehen konnte. Ich hatte mir etliche Textzeilen während des Lesens aufgeschrieben, die mich begeisterten. Stellvertretend möchte ich aber nur auf einen kleinen Abschnitt auf Seite 268 verweisen: "Weg, alle weg. Man sah, dass er noch etwas hinzufügen wollte, doch die italienische Sprache war für ihn wie ein Stacheldrahtzaun, den er nicht überwinden konnte......." Eindrucksvoller kann man es nicht beschreiben. Genauso fühlt es sich an, will man sich in einer fremden Sprache ausdrücken, die man nur unvollständig beherrscht.

Wir bekommen in diesem Roman nicht nur eine Liebesgechichte erzählt, sondern es werden auch unterschiedliche Lebensgefühle vermittelt. Eine junge Frau, in den USA ganz ohne die Bürde von Traditionen aufgewachsen und ein junger, gebildeter Mann aus der tiefsten Provinz Italiens, dem die Tradition wie ein Mühlstein um den Hals hängt. Zwei Welten, die nicht unterschiedlicher sein können. Dass es kein Happy End geben kann erklärt sich allein schon aus der Aussage, dass das Land seiner Familie nicht Pietro gehört, sondern Pietro gehört dem Land .Liebe überwindet eben nicht immer alle Hindernisse. Es gibt Gefühle, Bindungen, die sind noch stärker.

Ein kleiner Fehler hat sich eingeschlichen: Weihnachten wird als katholisches Fest bezeichnte, ist aber ein christliches.

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Veröffentlicht am 12.12.2019

von Seattle nach Jackson Hole

Das Verschwinden der Jamie Mason
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Das Buch "Das Verschwinden der Jamie Mason" von Elizabeth Goddard war für mich ein doppeltes Erlebnis - unternahmen wir doch im vergangenen Jahr eine Reise im Wohnmobil quer durch die USA. Einer unserer ...

Das Buch "Das Verschwinden der Jamie Mason" von Elizabeth Goddard war für mich ein doppeltes Erlebnis - unternahmen wir doch im vergangenen Jahr eine Reise im Wohnmobil quer durch die USA. Einer unserer ersten Stopps war in Jackson Hole, wo wir in dem Westernörtchen Jackson mit den Amerikanern auch den 4th of July feierten und der Parade beiwohnten. Die letzten Tage verbrachten wir in Seattle, der Stadt im State Washington, in der dieser Roman seinen Anfang nimmt.
Die Autorin schreibt sehr lebendig und so hatte ich bereits auf den ersten Seiten wieder das Straßengewirr von Seattle, mit dem schneebedeckten Mount Rainier im Hintergrund, vor meinen Augen.

Die Protagonistin ist Willow Anderson, die in dem Ermittlungsunternehmen ihres Großvaters J.T. mitarbeitete. Er war spezialisiert darauf, Menschen im Rahmen von Ahnenforschungen zu finden. Doch es gab auch andere Aufträge. Willow ist zu Beginn des Romans tiefst verunsichert, denn gerade erst verstarb ihr Großvater bei einem Verkehrsunfall mit Unfallflucht. Wie sollte es nun weitergehen? Woran arbeitete ihr Großvater, als er totgefahren wurde?
Anfangs will sich Willow ihrem Schmerz über diesen unendlichen Verlust hingeben, entscheidet sich dann doch dafür, den letzten Fall Ihres Großvaters noch zu einem Ende zu bringen. J. T. sollte einer an Krebs erkranken Frau helfen, ihre vor 21 Jahren entführte Tochter zu finden, damit die Mutter ihrer Tochter sagen kann, dass sie die ganzen Jahre immer nach ihr gesucht hat und nun in Frieden sterben kann.
Doch bevor Willow alle Unterlagen sichten kann, wird ihr das Haus über dem Kopf abgefackelt. Brandstiftung?
Dann Szenenwechsel: Wir begegnen Austin, der sich auf den Weg nach Seattle macht, da er von J. T um Hilfe in seinem letzten Fall gebeten wurde. Austin, ein ehemaliger Kampfpilot und FBI Agent fühlt sich nicht ganz wohl in seiner Haut, als er in Seattle aus dem Flugzeug steigt. Immerhin hatte er vor wenigen Jahren eine Beziehung zu Willow, die aber nach gegenseitigen Verletzungen zerbrach. Austin kommt gerade zur richtigen Zeit, als Willow ohne Dach über dem Kopf dasteht. Gemeinsam fangen sie an, die Puzzleteile des Falles einzusammeln und wieder neu zusammen zu setzen. J. T. wollte nach Wyoming, genauer gesagt in das Gebiet von Jackson Hole. Was Austin bisher Willow nicht erzählte, genau in dieser Gegend ist er in einem schwierigen Elternhaus aufgewachsen, hat sich mit seinen Brüdern nach dem Tode des alkoholkranken Vaters dermaßen verkracht und seit einigen Jahren den Kontakt abgebrochen.
So viel, um in diesen Roman reinzukommen. Dann gibt es da noch die Mitarbeiterin und beste Freundin von Willow - Dana. Sie hält in Seattle die Stellung, beschafft wichtige Informationen, während Willow und Austin in Jackson nachforschen. Welche Spur verfolgte J. T., die ihn nach Wyoming führen sollte?
Die Autorin beschreibt die Schönheit des Grand Teton National Parks in WY, seine Weite und Vielfalt, dass mich sofort die Sehnsucht erfasste, wieder dorthin zu fahren. Wer in der schier endlosen Wildnis des Grand Teton nicht gefunden werden will, der bleibt für ewig verschollen. Vorausgesetzt, die Person ist daran gewöhnt, in der Wildnis zu überleben.
Natürlich lebt die Beziehung zwischen Willow und Austin wieder auf. Doch anders als in vielen anderen Romanen, werden keine heißen Liebesszenen beschrieben. Das fand ich sehr erholsam und angenehm. Vielmehr kam dabei die gegenseitig Wertschätzung zum Ausdruck und weniger die Begierde. Das amerikanische Alltagsleben beschreibt die Autorin sehr treffend. In den USA gehört es dazu, dass man vor dem Essen betet und Gott für die Gaben dankt. Worin wir in D. sehr nachlässig sind, das steht in den US-Familien ganz oben. Egal welcher Glaubensgemeinschaft man angehört.
Das Ende des Romans ist dann Überraschung pur. Aber bis man da angelangt ist, erlebt man als Leser Familienbande als auch Familiendramen mit Aussöhnung. Der Spannungsbogen ist weit gespannt und man fieberte viele Seiten lang mit.

Veröffentlicht am 01.08.2019

So funktionierte Familie

Langsame Jahre
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Das Hörbuch "Langsame Jahre" von Fernando Aramburu hat eine ganz eigenartige Herangehensweise an die Erzählung der Lebensgeschichte des Jungen Txiki. Der erwachsene Txiki schildert dem Autor sein Leben ...

Das Hörbuch "Langsame Jahre" von Fernando Aramburu hat eine ganz eigenartige Herangehensweise an die Erzählung der Lebensgeschichte des Jungen Txiki. Der erwachsene Txiki schildert dem Autor sein Leben als 8jähriger Junge, unterbricht seinen Refluss von Zeit zu Zeit um regelrechte Regieanweisungen zu geben, wie das geplante Buch zu schreiben sei und an welcher Stelle der Autor seiner Phantasie freien Lauf lassen kann. Beim Schreiben habe er so zu verfahren, dass die Leser auf keinen Fall aus dem Text Rückschlüsse auf die Familienmitglieder schöpfen könnten. Es braucht etwas Konzentration, bis man diese, wie zufällig eingeworfenen Bemerkungen, aus der eigentlichen Handlung herausfiltert.

Über dem ganzen Roman liegt der Geruch von Armut. Aus ärmlichen Verhältnissen kommend, wird Txiki in der Familie seiner Tante (die Schwester seiner Mutter) aufgenommen. Die eigene Mutter kann ihre Kinder, nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde, nicht mehr ernähren. Wer nun erwartet, dass der kleine Junge ausgegrenzt oder als armer Verwandter schlecht behandelt wird, liegt falsch. Es ist eine baskische Familie nach altem Stil. In der Not hält man zusammen und teilt das Wenige, das man hat. Der Mann arbeitete außer Haus, verdiente das Geld, doch zu Hause hatte die Mutter das Sagen. Das klassische Familienbild der damaligen Zeit.

Man schreibt das Jahr 1968. Die Diktatur von General Franco bestimmt das tägliche Leben. Gewalt herrscht im Land und es wird vom Machthaber und seinen Anhägern kein Aufbegehren gegen diese Diktatur gedultet. Die Herangehensweise des Autors an dieses brisante Thema setzt voraus, dass der Leser über die politische Lage des damaligen Spaniens informiert ist. Fernando Aramburu macht es dem Hörer nicht bequem. Man sollte sich schon ein gewisses geschichtliches Grundwissen über die Franco-Diktatur und die ETA im Vorfeld angeeignet haben. Hat man das nicht, bleibt einem als Hörer dieses Romans vieles unverständlich, bzw. die Feinheiten der Schilderungen werden nicht erfasst.

Was die Nachbarn über die eigene Familie denken, ist insbesonder für die Frauen von großer Bedeutung. Diese sind zu Hause und bekommen das Gespött der Nachbarn voll ab. Als die leichtlebige Tochter - Cousine von Txiki - schwanger wird, bricht das große Drama aus. Der Vater des Kindes kann nicht klar benannt werden, also muss ein anderer Ehemann her, damit die Ehre gerettet wird. Ansonsten wäre die zukünftige Oma gezwungen, in Zukunft mit gesenktem Haupt durchs Dorf zu gehen. Welch eine Schmach! Allein die Vorstellung an das Gerede der Nachbarn ist ihr unerträglich und bereitet schlaflose Nächte. Lieber wird die Tochter in eine ungewollte Ehe gezwängt.

So funktionierte Familie.

Txiki teilt sich mit seinem Cousin Julen das Zimmer. Julen, der Halbwüchsige, der sich von den Eltern nichts mehr sagen lassen will. Macht, was er will. Die Verbote, sich politisch zu betätigen schießt er in den Wind. Mit dem Pfarrer gehen er und seine Freundean den Wochenenden in die Berge zum Wandern. Doch während der Wanderungen ist es das Ziel des Pfarrers, seine Schützlinge politisch zu aktivieren, sie dazu aufzurufen, sich der Diktatur zu versagen. Doch als die Jungs auffliegen, verhaftet und gefolter werden, hat der Pfarrer nicht Mut und Kraft genug, seinen Teil der Verantwortung zu übernehmen.

Mir hat dieses Hörbuch sehr gut gefallen. Allerdings habe ich es auch mehrmals gehört um nichts zu verpassen. Der Alltag in San Sebastian des Jahres 1968 unterscheidet sich von dem Heute doch sehr stark. Der Autor wählte eine einfache Sprache. Trotzdem gelang es ihm, ein umfassendes Bild dieses Familienlebens zu zeichnen. Langsam und stetig plätschert der Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen dahin.

Da ich am liebsten abends im Bett bei Dunkelheit meine Hörbücher höre, entspannen sich vor meinem inneren Auge die Wege durchs Dorf, das alte Haus, die Küche und das Treppenhaus in den oberen Stock, der Flur zu dem kleinen Zimmer, welches sich Txiki und Julen teilen. Sogar die stinkenden Füße und Socken von Julen waren gegenwärtig.

Wie ich zuvor schon schrieb, mir hat dieses Hörbuch sehr gut gefallen. Andernfalls hätte ich es mir nicht so intensiv erarbeitet und mehrmals gehört.


Veröffentlicht am 14.06.2019

Wie fühlt sich im Krieg die Angst vor dem Sterben an?

Sämtliche Erzählungen
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Wolfgang Borchert - wird dieser Schriftsteller heute überhaupt noch von der jungen Generation gelesen? Diese greifbare Traurigkeit oder sollte ich besser schreiben Verzweiflung, die seine Erzählungen ...

Wolfgang Borchert - wird dieser Schriftsteller heute überhaupt noch von der jungen Generation gelesen? Diese greifbare Traurigkeit oder sollte ich besser schreiben Verzweiflung, die seine Erzählungen überlagern, lassen wohl niemanden unberührt. Oder ist man in unserem Land inzwischen der Überzeugung, dass unser Frieden eine Selbstverständlichkeit ist? Können sich die Nachkriegsgenerationen überhaupt noch vorstellen, dass junge Männer in den Krieg ziehen mussten um andere Menschen zu töten, die ihnen nichts getan hatten und die sie nicht einmal kannten? Wie erging es ihnen dabei? Wie fühlt sich die Angst vor dem Sterben im Krieg an? Will man das überhaupt noch wissen - nach so vielen Jahren?

In dieser Hör-CD "Sämtliche Erzählungen" von Wolfgang Borchert lässt uns der viel zu früh verstorbene Autor an den vielen Dramen, mit der man der Kriegsgeneration ihre Jungend und viel zu oft sogar das Leben raubte, teilhaben. Über fast allen Kurzgeschichten liegt eine Traurigkeit, die einen beim Hören in die Seele trifft. Florens Schmidt als Sprecher war für diese CD die richtige Wahl. Mit seiner wandelbaren und eindringlichen Stimme setzt er die Erzählungen perfekt um.

Ich selbst kannte Wolfgang Borchert bisher nur von dem Theaterstück "Draußen vor der Tür", das mich jahrelang in Gedanken beschäftigte und mich in seiner Dramatik nicht mehr losließ. Und nun diese CD mit den sämtlichen Erzählungen des gleichen Autors, denen ich immer wieder lauschte. Egal wie oft ich die einzelnen Kurzgeschichten hörte, immer filterte sich mir wieder etwas Neues heraus. Dies ist keine Hör-CD die man einmal anhört und danach zur Tagesordnung übergeht. Dafür sind die Texte zu eindringlich.

Der 5. Titel "Generation ohne Abschied" berührte mich besonders intensiv. Genau so klang es für mich als kleines Kind, wenn die Erwachsenen von ihren Erlebnissen während des Krieges sprachen. Die Worte waren damals ganz sicher anders gewählt, jedoch der tiefere Sinn glich dem, was Wolfang Borchert in "Generation ohne Abschied" ausdrückte.

Dieses Hörbuch ist außergewöhnlich und ich glaube nicht, dass es die Bestsellerliste stürmt und bei der breiten Masse seine Fans findet. Wer sich auf diese Erzählungen einlässt, der sucht das Besondere und wird bei Wolfgang Borchert fündig.

Veröffentlicht am 18.05.2019

Willkommen ganz oben

Willkommen in Lake Success
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Für das Buch "Willkommen in Lake Successe" von Gary Shteyngart sollte sich der Leser Zeit lassen, sonst überliest er womöglich die vielen Feinheiten. Der Autor hat die Menschen genau beobachtet und in ...

Für das Buch "Willkommen in Lake Successe" von Gary Shteyngart sollte sich der Leser Zeit lassen, sonst überliest er womöglich die vielen Feinheiten. Der Autor hat die Menschen genau beobachtet und in einem satirischen Roman zusammengefasst, was die meisten Leute nicht gerne von sich preisgeben. Das ist wohl auch einer der Gründe, weshalb dieses Buch so erfolgreich ist.

Man findet nichts von dem banalen Herz-Schmerz der Romane, die üblicherweise unsere Bestsellerlisten stürmen. Wer darauf steht, wird dieses Buch nicht mögen. Keinen der Protagonisten schließt man ins Herz. Allein die Vorstellung solchen Menschen womöglich begegnen zu können bereitet mir Übelkeit. Und trotzdem konnte ich diesen Roman nicht weglegen, bin sogar nachts um 3 Uhr aufgestanden und habe weiter gelesen. Provokation pur.

In diesem Sinne ist das Buch genial!

Barry schafft es vom Sohn des Poolreinigers zum Millionär aufzusteigen. American Dream! Er ist erfolgreicher Fondmanager, verwaltet Milliarden. Mit seiner Ehefrau Seema bewohnt er eine 7 Millionen Dollar Wohnung in New York und das Glück wird gekrönt mit einem Wunschkind. Doch von da an geht es abwärts. Der ersehnte perfekte Sohn ist ein Autist. Mit dieser Diagnose kommen beide Elternteile nicht klar. Die Beziehung eskaliert, als sie bei einer Abendeinladung mehrere Stockwerke tiefer zu einem Schriftsteller und einer Ärztin in eine nur knapp 4 Millionen $ Wohnung eingeladen werden und deren "normaler" Sohn seinen Auftritt hat. In derselben Nacht wird Barry klar, dass seine Ehe gescheitert ist und entscheidet sich, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und seine frühere Liebe Leyla zu suchen. Nur seine liebsten Uhren dürfen ihn begleiten. Vielleicht sind diese Dinge das einzige, an das Barry sein Herz gehängt hat. Handy, Kreditkarte - von allem trennt er sich, bevor er den Greyhoundbus besteigt.

Das erste Ziel sind die Eltern von Leyla, bei denen er auch einige Tage wohnen kann. Die früheren Rebellen sind ruhig geworden. Seite 131: "Die radikalen Intellektuellen waren ein bisschen gesetzter geworden. Sie machten sich fürs Abendessen fein".

Auf der Fahrt im Greyhound begegnet Barry dem rassistischen Amerika. Obwohl er selbst gemäßigter Republikaner ist, schockiert ihn, womit er konfrontiert wird. Da wäre Trumps Wahlkampf. Seite 203: "....die Langeweile eines kriegerischen Landes, das keinen richtigen Krieg zur Hand hatte. War es nicht das, was Trump seinen Anhängern versprach? Einen weitreichenden Konflikt, den sie sich selbst aussuchen konnten?" Als Trump bei einer Pressekonferenz einen behinderten Journalisten seiner Behinderung wegen lächerlich macht, fühlt Barry damit seinen Sohn eigenen beleidigt.

Irgendwann ist er in El Paso - bei Leyla. Auch nach so vielen Jahren kann sie seinem Charme nicht widerstehen und nach wenigen Tagen schläft Barry nicht mehr im Gästezimmer. Glaubt, Teil des Lebens von Leyla und ihrem Sohn geworden zu sein und bleibt doch ein Fremder in ihrem Haus (S. 306).

Der Ausflug nach Mexico mit Leyla und ihren UTEP-Kollegen steht an. Wie der Autor die Fahrt, den Grenzübertritt beschreibt, das sollte man langsam lesen, damit die Vorstellungskraft mit den Ereignissen Schritt halten kann, die wir nicht wissen wollen und vor denen wir gerne die Augen verschließen. Armut, Gewalt, Drogenkriege. Die Armen reagieren auf die gönnerhaften Wohltaten der Weißen nicht wie erwartet.

Immer wieder lesen wir auch aus der Sicht von Seema, Barrys Noch-Ehefrau, die ihren Ehemann zwar seiner windigen Geschäfte wegen verachtet und sogar beim FBI anzeigte, aber trotzdem kein schlechtes Gewissen hat, bei der Scheidung von diesem "schmutzigen" Geld so viel wie nur möglich als Unterhalt zu erstreiten. Auf Seite 360 lesen wir die Beweggründe für diese Heirat: "... Du!" hatte Seema ihre Mutter angebrüllt. "Du wolltest dieses Geld! Du warst es! Die Liste! Erinnerst du dich an die Liste?"..."Die, auf der alle Ethnien standen, Juden und weiße amerikanische Protestanten ganz oben, wir ganz unten. Tja, und jetzt habe wir es geschafft. Willkommen ganz oben....." Auch Seemas Mutter verachtet Barry und trotzdem lebt sie nun in seiner 7 Millionen $ Wohnung mit Blick über New York.

Meiner Meinung nach ist dem Autor mit diesem Buch wirklich ein Meisterwerk gelungen. Er legt immer wieder den Finger in die Wunden. Natürlich kann man sich als Leser gut über diese unersättlichen Reichen empören. Die meisten werden nicht dazu gehören. Doch was bei diesem Buch so gut durchkommt ist das Denken der Menschen, das wohl niemand zugeben will - egal zu welcher sozialen Schicht man gehören: "Wie komme ich am schnellsten da oben hin?"

Der Roman ist, wie auch die Protagonisten, stark überzeichnet. Die sexuellen Szenen abstoßend. Als Leser empört man sich über vieles was hier zur Sprache kommt und trotzdem kann man nicht aufhören zu lesen.