Profilbild von tinstamp

tinstamp

Lesejury Star
offline

tinstamp ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit tinstamp über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.08.2019

Lin und der Teezeremonienmeister

Die fremde Tochter
0

Gleich vorweg...die ist kein neuer Roman der Autorin, sondern eine Neuauflage des Verlages! "Die fremde Tochter" ist bereits 2013 erschienen.
Auf meinerm SuB schlummern noch weitere Bücher der Autorin, ...

Gleich vorweg...die ist kein neuer Roman der Autorin, sondern eine Neuauflage des Verlages! "Die fremde Tochter" ist bereits 2013 erschienen.
Auf meinerm SuB schlummern noch weitere Bücher der Autorin, die darauf warten gelesen zu werden.
In diesem Roman geht es um Monsieur Cho, einen Meister der Teezeremonie. Er besitzt in Paris einen Teekontor. Eines Tages besucht ihn Lin Berwanger, die Enkelin einer seiner größten Konkurrenten. Nach der durchgeführten Teezermonie verrät sie ihm, dass er ihr Vater ist. Kurz darauf verschwindet sie. Sein geordnetes Leben gerät aus den Fugen, denn Cho ist wie vor dem Kopf geschlagen über diese Nachricht. Bilder und Erinnerungen tauchen wieder auf, die er längst vergessen glaubte. Daraufhin macht er sich auf die Suche nach der jungen Frau, die behauptet seine Tochter zu sein. Dabei gerät er immer tiefer in einem Strudel von Intrigen und Hass, die ihn bis zurück zu seiner eigenen Vergangenheit führen und sein Leben maßgeblich verändert haben.

Die Geschichte wird in zwei Zeitsträngen erzählt. In der Vergangenheit erleben wir die Liebesgeschichte von Emilie und Cho in China. In der Gegenwart begleiten wir Cho bei seiner Suche nach Emilie und Lin. Diese wird im Laufe der Zeit immer ereignisreicher. Dabei bekommt die Familientragödie immer mehr krimiähnliche Anteile. Die Suche ähnelt einer Schnitzeljagd und bringt Stück für Stück die Vergangenheit ans Licht, die sich großteils um Emilie dreht. Gekonnt verwebt die Autorin alle Handlungsstränge am Ende zu einem großen Ganzen. Die Spannung steigt dabei kontinuierlich an, wobei der Krimianteil in der Gegenwart immer deutlicher hervortritt. Aber der Roman ist auch ein Familiendrama und eine Liebesgeschichte, deswegen lässt sich das Buch schwer in eine Kategorie einteilen.

Ich war fasziniert von den wunderschönen Beschreibungen der chinesischen Landschaft, den Teegärten und den Eigenheiten der Asiaten, besonders wenn es um die Teezeremonie ging. Anja Jonuleit hat mir diese näher gebracht und gleichzeitig den Wunsch erweckt, sofort nach einem Roman zu greifen der in China spielt oder sich selbst ins Flugzeug Richtung Osten zu setzen. Aber auch die Schönheit von Paris und die der Normandie bringt sie dem Leser in lebendigen Bildern näher.

Ebenso authentisch beschreibt sie die Charaktere, die vielschichtig dargestellt wurden und die ich gerne begleitet habe.
Lin sucht nach ihren Wurzeln und erfährt erst viel zu spät, wie geschickt ihre Großmutter Adèle durch herzlose Entscheidungen das Schicksal von mindestens drei Menschen zerstört und diese ins Unglück gestürzt hat.
Cho ist ein liebenswerter Mann, der mir allerdings ein bisschen zu blass blieb - vorallem im Vergangenheitsstrang.

Schreibstil:
Neben den bildhaften Beschreibungen der Settings und den vielschichtigene Charakteren schreibt Anja Jonuleit flüssig und sehr ansprechend.
Die Kapitel sind kurz und wechseln abwechweselnd die Zeit. Durch die Kapielüberschriften gibt es keine Probleme diese den jeweiligen Figuren und Zeiten zuzuordnen.

Fazit:
Ein Mix aus Liebesgeschichte, Krimi und einer Familientragödie vereint in einem Roman, der auf zwei Zeitebenen und in zwei Kontinenten spielt. Anja Jonuleit hat diese Herausforderung gemeistert und eine sehr atmosphärische und interessante Geschichte geschrieben, die mir gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Was ist für uns Heimat?

Die Lichtsammlerin
0

Die österreichische Autorin Beatrix Kramlovsky erzählt in ihrem Roman "Die Lichtsammlerin" von drei Frauengenerationen innerhalb einer Familie. Die Besonderheit an der Geschichte, bei der sich manche Leser ...

Die österreichische Autorin Beatrix Kramlovsky erzählt in ihrem Roman "Die Lichtsammlerin" von drei Frauengenerationen innerhalb einer Familie. Die Besonderheit an der Geschichte, bei der sich manche Leser in der Leserunde etwas schwer taten ist, dass die Autorin nicht chronologisch erzählt, sondern in der Zeit springt. Das erfordert ein genaues Lesen und Konzentration. Ich kam allerdings sehr schnell und ohne große Probleme in die Geschichte, die großteils in Österreich, aber auch in Australien, spielt.

Wir begleiten Rosa, ihre Tochter Erika und Enkelin Mary über zwei Jahrhunderte und zwei Kontinente.
Mary, die nie wirklich eine gute Beziehung zu ihrer Mutter hatte, erhält die Nachricht, dass diese an Alzheimer erkrankt ist und Hilfe benötigt. Doch Mary lebt in Australien, wo sie geboren wurde. Österreich ist ihr fremd. Ihre Mutter Erika hat sich in Australien nie wohl gefühlt und litt an Heimweh. Sie ist nach dem Tod ihres Mannes Albert in die alte Heimat nach Österreich zurückgekehrt. Widerwillig reist Mary zu ihr nach Linz. Obwohl die Alzheimerkrankheit fortschreitet, erfährt Mary doch so einiges aus der Vergangenheit ihrer Mutter und Großmutter und kommt endlich Erika etwas näher.
Rosa, die eigentlich Herma hieß, ist die titelgebende "Lichtsammlerin". Ihre Mutter Juliane war bereits zur Jahrhundertwende weitblickend und hat ihren Töchtern eine fundierte Ausbildung ermöglicht, um im späteren Leben auf eigenen Füßen stehen zu können. Eine Ansicht, die nur sehr wenige Eltern zu dieser Zeit hatten. So wird aus Rosa eine Frau, die ihren eigenen Weg geht und sich trotz des Krieges ihre Menschlichkeit bewahrt und Menschen in Not hilft. Obwohl sie selbst nach ihrer Heirat im Dorf ihres Mannes als Außenseiterin galt, wird sie doch heimlich bewundert. Die Ausgrenzung spürt auch Erika, die im kleinen Dorf bei Linz weder Tochter eines Bauern, noch eines Arbeiters ist, die die Mehrheit der Dorfbewohner ausmacht. Sie wird verspottet (heute würde man von Mobbing sprechen), findet keine Freunde und ist meist nur von Erwachsenen (später auch Zwangsarbeiter aus Ungarn) umgeben. Erst durch Hanni, die sie im Lyceum kennenlernt, findet sie eine Freundin. Es entsteht eine wunderbare lebenslange Freundschaft. Ihren Mann zuliebe verlässt sie nach dem krieg österreich und wandert mit ihm nach Australien aus. Doch fernab der alten Heimat wird sie nie glücklich. Dies erkennt auch ihr Mann Albert.....
"Es sind nicht ihre schwachen Augen. Sie sieht das Schöne hier nicht, weil die Erinnerung an das Verlorene alles verdeckt."

Ihre Tochter Mary ist hingegen eine richtige Australierin und kann sich kein anderes Heimatland vorstellen. Nach der Trennung von ihrem griechischstämmigen Mann widmet sie sich liebevoll ihren beiden Söhnen. Als berufstätige Alleinerzieherin hat sie es nicht einfach. Sie gehört jedoch bereits einer anderen Generation Frauen an, denn Mary stellt ihre Selbstständigkeit und das Wohl ihrer Söhne über die Pläne ihres neuen Lebensgefährten Jerry.

Ab den zweiten Abschnitt ist man in der Geschichte gefangen. Versucht man zu Beginn noch alle Informationen den jeweilligen Frauen zuzuordnen, hat man ab diesem Zeitpunkt das Gefühl diese wenigstens teilweise zu kennen, denn Beatrix Kramlovsky deckt immer nur Bruchstücke aus der Vergangenheit der Protagonisten auf. Die Aufarbeitung der Familiengeschichte und die Auswirkungen auf die nachfolgende Generation ist der rote Faden durch diesen Mehrgenerationenroman. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ein etwas pessimistischer Grundton über der Geschichte liegt.

Rosa und ihre Familie fand ich sympathisch und bereits sehr aufgeklärt. Erika wirkt als Erwachsene für mich eher kalt und voreingenommen. Für sie ist ihre Mutter keine "Lichtgestalt", sondern sie fühlte sich von ihr verlassen, während fremde Menschen ihre Unterstützung erhielten. In ihrer Tochter Mary erkennt Erika einen Wesenszug ihrer Mutter wieder und baut im Hinterkopf eine emotionale Sperre zu ihr auf. Erst durch die Reise nach Österreich erhält Mary einige Antworten auf ihre Fragen. Dadurch versucht die Emotionslosigkeit ihrer Mutter besser zu verstehen. Mary ist eine Frau der Gegenwart, die für mich in der Geschichte allerdings am blassesten blieb. Zu ihr und zur erwachsenen Erika konnte ich leider keine richtige Beziehung aufbauen.

Der Inhalt und die Gedanken rund um diesen Mehrgenerationenroman regt zum Nachdenken an. Was ist für uns Heimat? Wie viel bedeutet unsere Herkunft? Auch die Themen Familie und das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter sind konstant vorhanden.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist anspruchsvoll, oftmals poetisch und der Plot dicht. Man sollte diesen Roman nicht parallel mit einem anderen Buch und eher zügig lesen, dann ist man völlig in der Geschichte drinnen. Zeitsprünge und einige Figuren erfordern anfangs die ganze Konzentration. Trotzdem fand ich die Erzählung sehr intensiv.

Fazit:
Kein einfacher Roman, aber eine bewegende Geschichte über die oftmalige Sprachlosigkeit der im Krieg geborenen Frauen und Männer ihren Kindern gegenüber. Ein intensives Leseerlebnis, das man am Besten in einem Zug durchliest und dabei kein anderes Buch parallel liest. Für mich eine neuentdeckte österreichische Autorin, von der ich noch mehr lesen möchte.

Veröffentlicht am 03.08.2019

Hebammenausbildung während des Ersten Weltkrieges

Aufbruch in ein neues Leben
0

Mit "Aufbruch in ein neues Leben" startet Linda Winterberg ihre neue Trilogie rund um drei junge Frauen, die sich in Berlin, Neukölln, des Jahres 1917 als Hebammen ausbilden lassen möchten. Luisa, Edith ...

Mit "Aufbruch in ein neues Leben" startet Linda Winterberg ihre neue Trilogie rund um drei junge Frauen, die sich in Berlin, Neukölln, des Jahres 1917 als Hebammen ausbilden lassen möchten. Luisa, Edith und Margot kommen aus sehr unterschiedlichen Schichten, haben aber denselben Berufswunsch.

Luisa hat früh ihre Eltern verloren und ist bei ihrer Großmutter in Ostpreußen aufgewachsen. Schon als Kind begleitete sie die Landhebamme zu den Hausgeburten und ging ihr dabei zur Hand. Damit sie selbst einmal praktizieren darf, benötigt sie allerdings eine fundierte Ausbildung mit Zeugnis.
Margot kommt aus ärmlichen Verhältnissen und bekommt durch die Fürsorge die Möglichkeit eine bezahlte Ausbildung zu erhalten. Sie hofft damit ihrer Mutter und den Geschwistern finanziell unter die Arme zu greifen. Ebenfalls möchte sie ihrem Leben eine neue Richtung geben.
Edith hingegen kommt aus einer reichen jüdischen Unternehmerfamilie. Für eine Frau aus der Oberschicht ist ein Beruf nicht erwünscht, doch Edith möchte die Ausbildung ohne dem Einverständis ihrer Eltern durchziehen.

Linda Winterberg hat mit dem Auftakt ihrer Trilogie rund um die drei Hebammenschülerinnen ein sehr interessantes Thema aufgegriffen. Mit Begeisterung habe ich bereits die Reihe rund um die Nightingale Schwestern von Donna Douglas gelesen. Noch habe ich mir ein paar Bände davon aufgehoben und deshalb habe ich mich sehr gefreut eine ähnliche Thematik in Linda Winterbergs neuem Roman zu finden. Während man bei Donna Douglas in London kurz vor dem Zweiten Weltkrieg Schwesternschülerinnen begleitet, ist man hier in Berlin während des Ersten Weltkrieges. Die Ausbildung zur Hebamme steht ebenfalls im Kontrast zu derjeningen als allgemeine Krankenschwester. In diesem Roman steht vorallem die Geburtshilfe und die medizinische Versorung der Mütter und der Neugeborenen im Mittelpunkt, denn die Säuglingssterblichkeit liegt zu dieser Zeit bei 18%.

Die drei sehr unterschiedlichen Frauen freunden sich im Laufe der Ausbildung immer mehr an. Während man zu Beginn jede von ihnen besser kennenlernt, verfolgt man gespannt ihren gemeinsamen Weg. In den Wirren des Krieges werden sie mit allerlei Leid konfrontiert, aber auch eigene Schicksalschläge muss die eine oder andere am eigenen Leib erfahren. Hunger, Not und Kälte sind im letzten Kriegsjahr allgegenwärtig. Die Spanische Grippe findet ebenso Erwähnung, wie den Versuch durch die politische Umwälzungen den Krieg zu beenden.
Die Charaktere sind sehr individuell und lebendig beschrieben. Man bangt, leidet und freut sich mit den Frauen mit. Hier entsteht sofort Kino im Kopf.

Während mich der Beginn und das Ende fesseln konnten, hatte der Mittelteil für mich manchmal einige Längen. Ich hatte des öfteren das Gefühl, dass vieles zu glatt geht und die Aneinanderreihung der Geburten hatten den Charakter einer Aufzählung. Hier hätte ich mir etwas weniger Geburten, dafür auch ein bisschen mehr drumherum gewünscht, wie mehr Alltag aus der Hebammenausbildung.
Doch schon bald war ich wieder gefangen in der Geschichte. Vorallem im letzten Drittel wird der Roman genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte...voller Intensität und Dramatik, die fesselt und berührt.

Die Handlung wird sehr realitätsnah erzählt, wobei man leider auch den einen oder anderen liebgewonnen Charakter loslassen muss. Ich sage nur: Taschentücher bereithalten! Und auch das Ende hat einen bittersüßen Beigeschmack, wenn man weiß wie es geschichtlich weitergehen und was den drei Frauen noch bevorstehen wird. Ich freue mich schon auf Band 2, der im Januar erscheinen wird.

Schreibstil:
Der Schreibstil, der unter Pseudonym schreibenden Autorin, ist sehr lebendig, bildgewaltig und emotional. Ihre Figuren sind authentisch und individuell. Innerhalb kurzer Zeit habe ich mich mit den drei Freundinnen mitgelitten und mitgefreut. Das Kopfkino kommt sehr schnell in Fahrt.
Linda Winterberg alias Nicole Steyer hat wie gewohnt wieder vortrefflich recherchiert. Im Nachwort erfahren wir noch einige Fakten zur Gründung der ersten Hebammenlehranstalt in Neukölln und einen kleinen Einblick in die Zeit des Ersten Weltkrieges.

Fazit:
Ein gelungener Auftakt der Hebammenreihe, der mich unterhalten und in das letzte Kriegsjahr des ersten Weltkrieges mitgenommen hat. Obwohl mir die Reihe rund um die Nightingale Schwestern von Donna Douglas noch immer besser gefällt, liest sich Band 1 rund um Margot, Edith und Luise wirklich sehr gut. Neben der Ausbildung und der Freundschaft der drei Frauen wird ebenso auf die politischen Hintergründe eingegangen. Ich freue mich schon auf den Nachfolgeband.

Veröffentlicht am 13.07.2019

Ergreifende Fortsetzung - hat mir besser als teil 1 gefallen

Zeit aus Glas
0

Der zweite Teil der Seidenstadt Reihe, in der Ulrike Renk die Familiengeschichte der jüdischen Familie Meyer erzählt, beginnt wo Teil 1 endete: bei der Reichskristallnacht.
Diese bringt für Ruth, ihre ...

Der zweite Teil der Seidenstadt Reihe, in der Ulrike Renk die Familiengeschichte der jüdischen Familie Meyer erzählt, beginnt wo Teil 1 endete: bei der Reichskristallnacht.
Diese bringt für Ruth, ihre Eltern und ihre kleine Schhwester Irene große Veränderungen mit sich. Ihr Haus und sämtliches Mobilar ist mutwillig zerstört worden, sodass es unbewohnbar geworden ist und sie auf die Hilfe ihrer Freunde angewiesen sind. Nach diesen schweren Angriffen auf die jüdische Bevölkerung haben die Wände Ohren und niemand kann sich mehr sicher fühlen. Viele Juden glauben noch daran, dass sich trotzallem Hitler und seine Schergen nicht durchsetzen können, während andere versuchen das Land zu verlassen. Ruth und ihre Eltern haben bereits eine Ausreiseerlaubnis in die USA, doch die Nummer auf der Warteliste ist so hoch, dass dies frühestens in 2-3 Jahren möglich wäre. Der allwissende Leser weiß bereits, dass dies zu diesem Zeitpunkt nicht mehr machbar sein wird und auch die Meyers fühlen, dass sie sobald wie möglich das Land verlassen sollten. Martha, Ruths Mutter, ist dieser Situation nicht gewachsen und verfällt in Depressionen. Vater Karl kommt ins Gefängnis. Die Verantwortung liegt nun großteils auf Ruth's Schultern. Sie erhält Hilfe von der befreundeten arischen Familie Achatz, sowie von Ruths Tante Hermine. Letztere hat jedoch ähnliche Sorgen nachdem ihr Mann nach Palästina ausgewandert ist und nur für Sohn Hermann ein weiteres Visa erhalten hat. Hermann bleibt jedoch bei seiner Mutter in Deutschland.....

Der Einstieg in Band 2 ist mir leicht gefallen und sehr schnell hatte ich wieder den Inhalt aus "Jahre aus Seide" im Kopf. Der Titel den aktuellen zweiten Bandes "Zeit aus Glas" ist perfekt gewählt, denn auf den fast 500 Seiten ist man sich als Leser der Ungewissheit und der Angst dieser Zeitepoche immer bewusst. Ulrike Renk hat diese sehr ausführlich dargestellt und das beklemmende Gefühl hervorragend transportiert. War Ruth im ersten Band noch Kind und wurde auch ihre Sichtweise von der Autorin noch kindlich dargestellt, ist sie nun knapp 18 Jahre alt und trägt fast die ganze Verwantwortung der Familie auf ihren Schultern. Oft hatte ich das Gefühl, dass einzig Ruth das Unheil kommen sieht, während der Rest der Familie in Depression verfällt oder aus Unglauben die Augen verschließt.
Die Wandlung von Martha, Ruth's Mutter, die im ersten Band eine starke und moderne Frau war, fand ich erschreckend. Statt für ihre Kinder da zu sein, bürdet sie der Ältesten, noch zusätzlich zu den vielen Einschränkungen durch die Nazis, die volle Verantwortung über die Familie auf. Für Ruth endet damit ihre Kindheit und sie muss sehr schnell erwachsen werden. Auch Vater Karl kam mir in diesem Teil ziemlich hilflos vor, bevor er ins Gefängnis wandert. Ruth hingegen gewinnt an Stärke, lässt aber immer wieder in liebevollen Dialogen mit ihrer Schwester Irene durchblicken, dass sie am Ende ihrer Kräfte ist, aber stark bleiben muss. Ruth beginnt einen Plan zu schmieden, indem sie ihrer Familie helfen möchte Deutschland früher zu verlassen....

Mit viel Einfühlungsvermögen erzählt Ulrike Renk über die Repressalien, denen die Juden ausgesetzt wurden. Dabei ist dies erst der Beginn der gewollten Auslöschung der jüdischen Bevölkerung durch die Nazis. Mir hat dieser zweite Teil der Reihe um einiges besser gefallen als Band Eins und ich freue mich schon auf die weiteren Bände.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist bildhaft und atmosphärisch. In diesem Band ist er der nun fast erwachsenen Ruth angepasst, während er im ersten Teil noch kindlich war. Die Charaktere sind sehr authentisch und detailliert beschrieben. Jeder von ihnen macht eine Entwicklung durch - ob zum Besseren oder Schlechteren.
Zu Beginn gibt es wieder ein Personenregister. Im Nachwort erzählt Ulrike Renk mehr über die Tagebücher von Ruth Meyer, die für sie die Quelle zu dieser Reihe sind. Die Autorin zeigt auf, was Wahrheit ist und was ihrer Fantasie entsprang - aber auch wie schwer es ihr oft fiel die Tagebuchaufzeichnungen von Ruth zu lesen.

Fazit:
Eine ergreifende und wunderbare Fortsetzung der Familiengeschichte um die jüdische Familie Meyer. Ulrike Renk hat die die Atmosphäre nach der Reichskristallnacht besonders authentisch eingefangen. Für Band 2 hat mir wesentlich besser gefallen als der erste Teil der Reihe und ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

Veröffentlicht am 09.07.2019

Warmherziger Roman mit Suchtpotential

Bis wir wieder fliegen
0

Eigentlich bin ich kein Coverkäufer, denn ich lese mir immer die Inhaltsangabe bzw. den Klappentext des Buches durch. Das habe ich hier ebenfalls gemacht und auch in die Lespeprobe reingelesen. Trotzdem ...

Eigentlich bin ich kein Coverkäufer, denn ich lese mir immer die Inhaltsangabe bzw. den Klappentext des Buches durch. Das habe ich hier ebenfalls gemacht und auch in die Lespeprobe reingelesen. Trotzdem muss ich als Leuchtturmliebhaberin einfach dieses wunderschöne Cover erwähnen. Es lädt zum Träumen ein und am liebsten würde ich in ein Flugzeug steigen und dieses kleine Fleckchen Erde besuchen.
Aber nun zum Inhalt hinter dem vielversprechenden Cover.
Anne ist Notärztin bei der walisischen Flugrettung. Sie liebt ihren Beruf und ist eine optimistische junge Frau, die ihre Arbeit sehr gewissenhaft erledigt und dies auch von den anderen erwartet. Gemeinsam mit der Hubschrauberpilotin Leah und dem Sanitäter Owen sind sie ein eingespieltes Team....das Dreamteam unter den Einsatzkräften. Doch privat ist Owen ein etwas unterkühlter Typ, der sich abweisend verhält. Er ist mehr Einzelgänger, als geselliger Typ. Doch seine Zurückhaltung hat einen Grund, der in der Vergangenheit liegt und die er nicht preisgeben möchte. Als Anne und Owen bei einem Einsatz selbst in große Gefahr geraten, beginnt Owens Schutzschild langsam zu bröckeln. Doch nach dem Unfall baut Owen die Distanz wieder auf und Anna versteht die Welt nicht mehr.....

Ella Simon erzählt eine komplexe Geschichte über Verlust, Trauma, Ängste und Schicksalschläge. Die Aufarbeitung dieser Vergangenheit ist der Hintergrund und rote Faden des Buches. Die Gründe offenbaren sich erst nach und nach und lassen den Leser einen tiefen Einblick in die Seele der Protagonisten werfen. Dabei zieht der Roman den Leser aber nicht hinunter, sondern er berührt, gibt Hoffnung und Mut. Hat man einmal angefangen zu lesen, kann man das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Man lebt und fiebert mit den Charakteren mit. Hinzu kommt die bildhafte Beschreibung der wunderschönen walisische Landschaft. Mit den ereignisreichen Rettungseinsätzen bringt die Autorin Spannungs in die Geschichte, die einerseits Liebesroman und Familiendrama ist. Manche Begebenheiten, besonders das Ende, sind etwas vorhersehbar, und einige Dinge liefen mir alleridngs etwas zu glatt.

Die Charaktere sind sehr liebevoll gezeichnet. Mit Anne hat Ella Simon eine wunderbare Protagonoistin erschaffen, die sehr aufgeschlossen, positiv und offen ist. Sie ist ein richtiger Sonnenschein.
Owen ist eine harte Nuss...eine mit rauhen Kern und weicher Schale. Seine Entwicklung wird glaubwürdig transportiert, auch wenn er doch so einige Zeit dazu benötigt.
Leah ist eine sehr schüchterne junge Frau, die gegen ihre eigenen Dämonen kämpft.
Evelyn, Annes Pflegemutter, ist eine Frau, die offen auf andere Menschen zugeht. Sie ist für andere da und herzensgut. Das ganz besondere und innige Mutter-Tochter-Verhältnis wird berührend dargestellt.
Elvis ist der jüngere Bruder von Owen und hat in seiner Teenagerzeit nicht viel ausgelassen. Nun scheint er endlich sich selbst gefunden zu haben und versucht dies auch Owen zu vermitteln, was nicht immer klappt.
Auch die Nebencharaktere sind absolt gelungen und authentisch dargestellt.

Schreibstil:
Ella Simon hat einen wunderbaren Schreibstil, der einem in ihrem Roman sehr schnell versinken lässt. Ich habe begonnen zu lesen und das Buch nicht mehr aus der Hand gelegt. Die Einblicke in die Flugrettung fand ich sehr spannend und die lebendige Beschreibung der Landschaft ist absolut gelungen.

Fazit:
Ein warmherziger Roman mit Suchtpotential, der sich wunderbar liest. Wegen ein paar kleine Schwächen (das Ende) gibt es zwar keine 5 Sterne, aber trotzdem eine Leseempfehlung von mir.