Liebe Daffy,
hast du eigentlich schon einmal einen Fallschirmsprung gemacht? Gerade komme ich von einem ganz adrenalingelandenen Erlebnis und muss dir von Jessica Parks Im freien Fall oder wie ich mich in eine Pappfigur verliebte erzählen; 2014 im Loewe Verlag erschienen, handelt es sich um einen Jugendroman, der von Bea Reiter übersetzt wurde.
Durch diesen witzigen Titel bin ich auf das Buch gestoßen und musste es zur Hand nehmen. Allerdings möchte ich auf den Titel später noch eingehen, daher kommt jetzt erst einmal eine kleine Zusammenfassung des Inhalts.
Wir lernen Julie Seagle in keiner beneidenswerten Lage kennen. Die frischgebackene Studentin ist voller Vorfreude auf Studium und erste eigene Wohnung von Ohio nach Boston gezogen – und steht nun vor dem Nichts. Um dir nicht gleich den Beginn des Buches schon komplett zu verraten, sage ich so viel, dass sich Julie plötzlich im Kreise einer hilfsbereiten, aber etwas merkwürdigen Familie wiederfindet. Am merkwürdigsten ist wohl die 13-jährige Celeste, die keinen Schritt ohne eine lebensgroße Pappfigur macht. Wäre das nicht komisch genug, handelt es sich hierbei noch um ihren verreisten Bruder Finn. Julie ist völlig irritiert, doch keiner möchte ihre Frage beantworten, weshalb die Familie ein Leben mit einer Pappfigur als ganz normal ansieht. Deshalb entschließt sich Julie, Finn während seiner Weltreise E-Mails zu schreiben. Diese E-Mails lassen Julie nicht mehr schlafen und ehe sie sich versieht, hat sie sich vielleicht in eine Pappfigur verliebt.
Jessica Park hat eine geniale Idee auf ihre eigene Art umgesetzt. Zuerst hatte ich Schwierigkeiten, mich in der Geschichte zurecht zu finden. Die 18-jährige Julie handelte für meinen Geschmack zu impulsiv, unbesonnen und teilweise zickig. Mit der Zeit wurde mir allerdings klar: Nein, Julie handelt nicht falsch für eine 18 Jahre alte junge Frau, sondern endlich mal nachvollziehbar und ihrem Alter entsprechend. Sie ist eine fleißige Studentin, die fern von Zuhause ihren Platz sucht, die mit Jungs flirtet und an Partys und Nagellackfarben Freude hat. Ich war es nur nicht mehr gewöhnt, dass in einem Jugendbuch so eine Figur vorkommt; wo andere 18-Jährige schon Regierungen gestürzt haben, den größten Feind besiegen konnten und heiraten und Kinder kriegen. Ich sage nicht, dass mich diese Geschichten nicht in ihren Bann ziehen konnten, ich möchte nur ausdrücken, dass ich es hier erst komisch, aber dann sehr realitätsnah fand. Überhaupt kommt diese Geschichte sehr gut in dieser Welt verankert daher. Die Entwicklungen sind nachvollziehbar und bietet sicher unterschiedliche Möglichkeiten der Identifikation für die LeserInnen. Ich hätte mir von Julie etwas mehr Offenlegung ihrer Gedankengänge gewünscht. Ich selbst hatte einige Theorien und hätte sie Julie am liebsten zugebrüllt, weil sie so schnell aufzugeben schien. Irgendwann kommt dann heraus, dass sie diese Thesen – jawohl, Julie spricht tatsächlich sehr wissenschaftlich von Thesen – auch aufgestellt hatte. Das hätte ich gern früher verfolgt und mit ihr mitgefiebert und mich ihr nicht überlegen gefühlt. Daher vielleicht auch der Eindruck, warum sie streckenweise nicht wie eine Studentin wirkte.
Einen großen Einfluss haben auch die sozialen Medien, allen voran Facebook. 2019 mag Facebook nicht mehr das wichtigste soziale Netzwerk sein, im Original ist das Buch aber 2011 unter dem Titel Flat Out Love erschienen. In der Hinsicht also absolut am Zahn der Zeit.
Kommen wir zum Titel oder sogar zu sowohl deutschem, als auch englischem Titel. Sie sind so unterschiedlich und doch passen beide auf ihre Art zum Buch. Der englische Titel ist eine schön doppeldeutig zu interpretierende Wahl, der deutsche Titel erschließt sich im Laufe der Geschichte immer mehr und drückt den Witz aus, mit dem Jessica Park schreibt. Wenn ich mich für einen entscheiden müsste, würde ich sagen, der deutsche Titel trifft es auf eine emotionale Weise sogar noch etwas dichter.
Ich kann dieses Buch ganz schwer für eine Zielgruppe festlegen, ohne etwas zu verraten und damit den Lesespaß zu verderben. Da ich selbst mit etwas ganz anderem gerechnet hatte und während des Lesens ständig meine Meinung geändert habe, würde ich sagen, wenn dich Titel, Klappentext, Cover oder meine kleine Beschreibung angesprochen hat, gib dem Buch auf jeden Fall eine Chance. Es ist eine Achterbahnfahrt, bei der man zwischendurch denkt, man hat genug und dann kommt eine neue Kurve und am Ende ist man im Adrenalinrausch. Und bevor ich nun wirklich noch etwas verrate, schließe ich diesen Brief lieber.
Es grüßt dich ganz herzlich,
deine Daisy