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Veröffentlicht am 18.11.2019

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Der Store
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„Das ist der amerikanische Imperativ: Strebe nach Größe! Nicht: Jammere wegen etwas, was jemand anderes hat.“ [241]

Wenn man mit folgendem Slogan wirbt, dann legt man die Latte, an der man sich messen ...

„Das ist der amerikanische Imperativ: Strebe nach Größe! Nicht: Jammere wegen etwas, was jemand anderes hat.“ [241]

Wenn man mit folgendem Slogan wirbt, dann legt man die Latte, an der man sich messen lassen möchte, entsprechend hoch:
»1984« und »Schöne neue Welt« waren gestern – die Zukunft von »Der Store« ist jetzt.

Und genau hier ist auch schon der Hund begraben. Der Roman „Der Store“ von Rob Hart schürt Erwartungen, die er nicht halten kann. In vielerlei Hinsicht – und das bei dem ganzen Potenzial, was leider komplett ungenutzt bleibt.
Bei diesem Roman hatte ich eigentlich den Anspruch, ein Buch vorzufinden, dass die durchaus aktuelle Thematik, welche bereits durch George Orwell vorgegeben wurde, weiter ausgearbeitet wurde. Aber diesbezüglich wurde ich enttäuscht. Auch wenn sich der Roman gut lesen lässt, so ist er an vielen Stellen viel zu langatmig, zu wenig ausgearbeitet. Es fehlt an Tiefe. Nach 400 Seiten kommt langsam so etwas wie eine Spannung auf. Auch wenn das lediglich dann in einem – wie diskreditiere ich ein Unternehmen richtig und ein bisschen Gut gegen Böse – endet.
Vieles erinnert an Dave Eggers „der Circle“. Auch wenn Hart auf andere Bestseller, wie zum Beispiel Bradburys „Fahrenheit 451“ & Co. verweist, diese mit in seine Geschichte einfließen lässt, so wünschte ich mir, dass Hart innovativer vorgegangen wäre.

Von den verschiedenen Sichtweisen der Protagonisten, des Cloud Gründers Gibson Wells, Paxton und Zinnia, hatte ich mir mehr versprochen. Alles bleibt teilweise richtig blass. Die Liebesgeschichte zwischen Zinnia und Paxton war überflüssig, bringt die Handlung nicht voran. Und obwohl es für das Unternehmen Cloud keine Grenze mehr gibt, „Das drückte aus, dass der Himmel keine Grenze mehr darstellte“ [96], so hat der Autor seine eigene erreicht.
Das hier skizzierte Zukunftsszenario erinnert sehr stark an amazon und seine Cloud-Sparte aws. Vieles kommt einem bekannt vor, wie zum Beispiel die Auslieferung der Ware per Drohne, die Reinvestitionen des Firmenchefs in diverse andere Sparten, die ständigen Ausweitungen der Geschäftsfelder und die fortwährende Erweiterung des Weltkonzerns.

Wer 1984 nicht kennt oder aber ein paar aktuellere Gedankenspiele haben möchte, der dürfte sich über den Store freuen, sollte aber nicht allzu viel Tiefgang erwarten. Dann macht sich das Buch, mit seinem tollen Cover – ein Barcode aus greifenden Händen -, der Haptik des HC-Einbandes, richtig gut im Bücherregal.

Veröffentlicht am 18.10.2019

Dinge in Gläsern

Die Ewigkeit in einem Glas
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„Auf jeden Londoner, der im Bett liegt, kommen zehn, die wach sind und nichts Gutes im Schilde führen – ungeniert, ungehemmt, ungezügelt!“ [177]

"Die Ewigkeit in einem Glas" von Jess Kidd ist wieder ein ...

„Auf jeden Londoner, der im Bett liegt, kommen zehn, die wach sind und nichts Gutes im Schilde führen – ungeniert, ungehemmt, ungezügelt!“ [177]

"Die Ewigkeit in einem Glas" von Jess Kidd ist wieder ein Roman von ihr, der an Einfallsreichtum nur so sprudelt und nicht zu überbieten ist. Wie in ihren vorangegangen Werken kommen auch wieder die Toten zu Wort. Hier ist dies Ruby Doyle, der der Protagonistin Bridie Devine zur Seite steht. Wie auch in den anderen Romanen, lässt Kidd die Toten richtig lebendig, humorvoll in der Welt der Lebenden erscheinen. Fantastisch!

„Ruby Doyle, dessen dunkle Augen glühen, trägt kaum mehr als einen Zylinderhut, eine lange Unterhose und ein Lächeln.“ [58]

Bridie Devine ist Privatdetektivin und hat einen Fall, der sie richtig fordern wird.

„Sie hat das Gerippe des Falls – entführte geheime Erbin, verschwundene Kinderfrau -, aber nicht das Fleisch.“ [42]
Jess Kidd beschreibt ihre Protagonistin als einen energischen Menschen, der auf nicht leicht zu lösende Fälle steht. Dies sind die Zutaten für einen guten Roman. Es wird spannend.
„Bridie besitzt die Begabung, Leichen zu lesen: die Geschichte von Leben und Tod, die auf jedem toten Körper geschrieben steht.“ [26] „Sie ist klein und stämmig und macht einen robusten Eindruck; sie würde einem Sturm standhalten.“ [36]

Düster, mystisch und durchaus skurril geht es in diesem Werk zur Sache und ordentlich phantasievoll. Allerdings konnte mich das Buch, im Gegensatz zu den Vorgängern, leider nicht ganz überzeugen. Zum einen hätte es durchaus etwas spannender sein dürfen, zum anderen fehlte mir das Poetische, die gewisse Prise Salz. Das kann Kidd definitiv besser. Vielleicht bin ich auch mit zu hohen Erwartungen an dieses Buch gegangen.
Die erzählende Form wechselt mir zu häufig, auch zu überraschend, zu abrupt – teils mitten im gleichen Abschnitt. Ich hatte den Eindruck, dass die Autorin sich gerne selbst mit ihrem neuesten Buch übertreffen wollte. Das ist leider nicht geglückt, die Latte lag wohl zu hoch.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Thematik: Mobbing

R.I.P.
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„Für mich waren sie nur noch Fliegen, lästig, aber nichts, wovor man Schutz suchte. Das gefiel ihnen natürlich nicht. Aber ich war im siebten Himmel und merkte nicht, dass sich ein Unwetter zusammenbraute.“ ...

„Für mich waren sie nur noch Fliegen, lästig, aber nichts, wovor man Schutz suchte. Das gefiel ihnen natürlich nicht. Aber ich war im siebten Himmel und merkte nicht, dass sich ein Unwetter zusammenbraute.“ [298]

Der dritte Teil der Thriller-Serie um Kommissar Huldar und Kinderpsychologin Freyja von Yrsa Sigurdardottir trägt den Titel „R.I.P.“ und startet rasant. Und durchaus brutal.

Auch ohne Vorkenntnisse ist man sofort im Geschehen und folgt aufmerksam der Arbeit der Ermittler, auf der Suche nach dem Mörder. Es dauert sehr lange bis diese überhaupt eine Spur bekommen. Für mich persönlich ist auch zu wenig Nervenkitzel vorhanden. Von daher würde ich eher von einem Krimi als von einem Thriller sprechen. Dies liegt aber auch an den ganzen Querelen des Ermittlerteams untereinander.

„ ‚Viel Auswahl gibt’s hier ja nicht.‘ Huldar lächelte. Dieser Seitenhieb kratze ihn nicht. Kein bisschen.“ [173 f.]

Aber genau mich kratzt es. Diese ganzen Streitigkeiten nerven, bringen eine negativ besetzte Grundstimmung mit, die den Lesespaß doch erheblich trüben. Dabei ist gerade das Thema Mobbing sehr gut gewählt und auch umgesetzt. Viel zu viel nehmen die persönlichen Belange der Protagonisten Raum ein und drängen das eigentliche Thema fast in den Hintergrund.

„Es kam äußerst selten vor, dass man auf eine gedeckte Tafel voller Beweismittel stieß, aber wenn, dann konnte man davon ausgehen, dass sie eigens für die Polizei so angerichtet worden war.“ [361]

Wer auf Polizeiarbeit steht, nicht geradlinige Ermittler und ein bisschen Spannung sucht, der findet mit „R.I.P.“ ein gutes Buch mit einer interessanten Thematik. Aufgrund der fehlenden Entwicklung der Charaktere und dem ganzen Hin und Her bei den Ermittlungsbeamten geht mir zu viel Spannung verloren, so dass es nur ein durchschnittliches Buch für mich persönlich ist.

Veröffentlicht am 25.02.2019

Der Mensch im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit

Schöne Neue Welt
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„Genormte Männer und Frauen in konstanten Mengen. (…) Das Prinzip der Massenproduktion übertragen auf die Biologie. [15]“

Dass dieses Werk von Aldous Huxley kein einfaches ist, merkt man an den knapp ...

„Genormte Männer und Frauen in konstanten Mengen. (…) Das Prinzip der Massenproduktion übertragen auf die Biologie. [15]“

Dass dieses Werk von Aldous Huxley kein einfaches ist, merkt man an den knapp dreißig Seiten Anmerkungen und einem schön zu lesendem Nachwort von Tobias Döring. Das Nachwort ist sehr fundiert geschrieben, es greift Themen und Fakten auf, interpretiert sie und ist eigentlich noch viel spannender als das Hauptwerk. – Auch wenn es das Nachwort nie ohne „Brave New World“ gegeben hätte.

Vieles aus diesem dystopischen Roman oder sollte man besser utopischem Buch sagen, hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Und das, obwohl der Klassiker der Literatur nun mehr als 80 Jahre auf dem Buckel hat.

Die Grundidee des Buches und deren Umsetzung ist Huxley gelungen. Auch wenn sich das Werk, zumindest für mein Empfinden, nur sehr anstrengend lesen lässt. Auch kann man nicht wirklich eine Beziehung zu den Charakteren aufbauen.

Ich beziehe mich hier auf die Ausgabe Oktober 2016 der Fischer Taschenbibliothek.

Veröffentlicht am 25.10.2018

Chicago – Ein Roman

Chicago
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„Die wahre Grausamkeit ist Ironie, dachte Mike, aber wo ist die Ironie hier zu finden?“ [172]

David Mamet ist bekanntermaßen ein Pulitzer Preisträger. Und was schreibt man da? Richtig: Einen Roman. Was ...

„Die wahre Grausamkeit ist Ironie, dachte Mike, aber wo ist die Ironie hier zu finden?“ [172]

David Mamet ist bekanntermaßen ein Pulitzer Preisträger. Und was schreibt man da? Richtig: Einen Roman. Was sein Werk „Chicago“ auf keinen Fall ist, ist ein Thriller. Hat man sich damit abgefunden, dann kann man mit einer anderen Sichtweise herangehen und die Dialoge zwischen dem Protagonisten Mike, Reporter der Chicagoer Tribune, und Parlow genießen. Diese sind interessant geschrieben, wenn auch nicht immer authentisch.
Mamet weicht immer wieder von der eigentlichen Story, der Aufklärung des Mordes an Annie, ab. Und dabei hätte gerade das Chicago der Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, die durchaus ansprechende Inhaltsangabe (Klappentext) durchaus den Stoff für einen Mega-Thriller gehabt. Auch das Cover suggeriert Spannung, welche allerdings komplett fehlt.
„Wenn es weder eine Warnung an ihm war noch eine Strafe, warum war der Mörder dann zu ihm gekommen? Was brachte eine Warnung oder Strafe, wenn die Verbindung zu ihm unklar war?“ [171]
Bis auf die farbige Peekaboo, sind die anderen Charaktere eher blass. Aber eine interessante Figur macht noch kein gutes Buch. Der Schreibstil ist angenehm und rettet einiges. Das Buch las sich gut. Aber auch für einen Roman hätte man einiges draufpacken können.