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Veröffentlicht am 06.08.2019

Musste ich an einem Stück durchlesen - ein schönes Buch!

Eisprinz und Herzbube
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Klappentext

Es gibt drei Dinge, von denen Emilio überzeugt ist. Erstens: Der Lebensgefährte seines Vaters ist ein Sadist und Meister darin, ihn zum Explodieren zu bringen. Zweitens: Die Schule und ganz ...

Klappentext

Es gibt drei Dinge, von denen Emilio überzeugt ist. Erstens: Der Lebensgefährte seines Vaters ist ein Sadist und Meister darin, ihn zum Explodieren zu bringen. Zweitens: Die Schule und ganz besonders seine Mitschüler sind einfach mal total für den Arsch. Und drittens: Der schwule Schulsprecher Nicholas ist der arroganteste Kerl unter der Sonne. Emilios ohnehin nicht allzu langer Geduldsfaden wird ein bisschen zu heftig strapaziert, als er durch ein Missverständnis mit Nicholas aneinandergerät – und ein ungewollter Kuss alles verändert ...

Meine Meinung

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase, in der ich Emilio alias Milo noch ein bisschen gewöhnungsbedürftig fand, war ich von diesem Buch, das ja eigentlich eine Fortsetzung bzw. ein Spin-Off ist, hellauf begeistert. In dem Gay-Romance-Genre gehört es definitiv zu den Highlights, weil es lebensecht und glaubwürdig erzählt wird, um ernstere Themen keinen Bogen macht und die Protagonisten dem Leser mit Humor und Charme nähergebracht werden.

Ich gebe zu, Milo hatte mich anfangs etwas abgeschreckt, weil er mit seinem fünfzehn Jahren noch sehr jung und naiv wirkt und dabei immer wieder Probleme hat, sein Temperament zu zügeln. Er lässt sich leicht provozieren und hat (leider?) das Glück, mit einer großen Klappe gesegnet zu sein. Das war anfangs gewöhnungsbedürftig, aber je mehr ich in der Geschichte angekommen war, desto mehr hat mich Milos Selbstbewusstsein und besagte große Klappe beeindruckt. Auch, wenn es besser wäre, den Mund zu halten, lässt er sich nicht unterbuttern und weist seine Widersacher bestimmt in ihre Schranken - das hat meine Sympathie für ihn in die Höhe schießen lassen. Dass er dann auch noch in Bezug auf Nicholas - später - auch ganz anders, unsicher, sein kann, machte ihn noch charmanter.

Nicholas ist anfangs ein richtiger Großkotz, aber man kann sowohl Milo als auch seine Sichtweise verstehen, weil beide völlig unterschiedliche Blickwinkel haben. Nick, der sich vergangenes Jahr geoutet hat, hält Milo für homophob, weil der ihn beim Fußballtraining immer angeht, ihm im Gegensatz zu allen anderen Kontra gibt und sich durch einige Missverständnisse diesbezüglich in ein noch ungünstigeres Licht rückt - Nick kann ja nicht wissen, dass Milo selbst für schwul gehalten wird, weil seine Väter es sind. Anfangs macht das Nick zwar wütend, aber er lässt es weitgehend an sich abprallen. Mit der Zeit merkt er jedoch, dass es ihn aus unerfindlichen Gründen verletzt, dass Milo ihm so abweisend und feindselig gegenüber eingestellt ist. Ein Umstand, den er sich selbst nicht erklären kann. Wegen dieses Gefühlswirrwarrs und aus Frust kommt es schließlich zu besagtem Kuss im Klappentext, der anders verläuft, als man es vielleicht annehmen würde, aber trotzdem einiges ins Rollen bringt.

Genau wie Milo habe ich Nick mit der Zeit liebgewonnen, vor allem, je mehr man über ihn und sein Familienleben erfahren hat. Er ist vielleicht überheblich und ein wenig zu sehr von sich überzeugt, aber er wird nicht umsonst von allen außer Milo geliebt: Eigentlich ist er ein lieber, hilfsbereiter und tief in seinem Inneren auch etwas unsicherer Kerl mit einem leichten Hang zur Arroganz – ein sehr charmanter Gegenpart für Milo, den ich sehr mochte.

Besagtes Familienleben ist eine der Stellen, bei denen Tiefe in die Handlung kommt, da neben der Liebesgeschichte auch noch einige ernstere Themen behandelt werden: körperliche Gewalt und fehlende Aufmerksamkeit in der Familie, Mobbing, Tod und Verlust, psychische Krankheiten, etc. Aufgrund dessen gibt es auch einige bedrückendere Szenen, aber ohne, dass das Buch seine insgesamt angenehme, positive Atmosphäre verliert.

Im Mittelpunkt steht natürlich die Liebesgeschichte zwischen Milo und Nick sowie Milos Entdeckung seiner Sexualität. Er muss sich mit ungewohnten Träumen, der feindseligen Stimmung in seiner Klasse, seiner mehr oder weniger schüchternen Freundin, seiner leiblichen Mutter und ordentlich viel Gefühlschaos herumschlagen und entdeckt etwas an sich, vor dem er bisher immer Angst hatte. All das wird lebensecht und glaubwürdig erzählt, man fühlt mit den Charakteren mit und kommt bei Milo und Nicks süßer Geschichte auch etwas ins Schwärmen. „Eisprinz und Herzbube“ ist definitiv eine süße, realistische Wohlfühlgeschichte.

Fazit

Mir hat Milos und Nicks Liebesgeschichte unglaublich viel Spaß gemacht und einige Stunden Schlaf geraubt, weil ich sie an einem Stück durchlesen musste. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung und 4 Sterne.

Veröffentlicht am 06.08.2019

Süße Kurzgeschichte, die aber wegen ihrer Kürze nur an der Oberfläche kratzt.

Summer Boys <3
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Summer Boys

Summer Boys <3 ist perfekt für Gay-Romance-Fans, aber auch für Leser, die mal in das Genre hineinschnuppern wollen. Jennifer Wolf hat hier eine süße Kurzgeschichte geschaffen, die für wenige Stunden gute Unterhaltung bietet und zum Wohlfühlen einlädt.

Wir lesen aus der Sicht von dem eher introvertierten Musiker Ian, der sich gegenüber seinen Freunden und seiner Familie noch nicht geoutet hat. Dem Einzigen, dem er sich anvertraut hat, ist Lucas - ein anonymer Typ in einer Flirt-App, hinter dem sich jeder, vielleicht auch jemand, der sich einen Scherz mit ihm erlaubt, verbergen könnte. Als seine beste Freundin Katrin ihn zu einem Wochenende am See einlädt, bei dem auch ihr Freund Marc und dessen bester Freund Fynn dabei sind, wird seine Geheimnistuerei ganz schön auf die Probe gestellt, denn er soll Zeit mit Fynn alleine verbringen, wenn sich Marc und Katrin mal zurückziehen wollen. Das Problem dabei? Fynn darf nicht erfahren, dass Ian schon seit zwei Jahren in ihn verknallt ist, denn Fynn ist schließlich hetero ...

Ich hatte großen Spaß an Ians und Fynns Liebesgeschichte, weil die beiden einfach süß zusammen sind. Ian ist der geheimnisvolle, introvertierte Musiker, der sich ohne seine Gitarre nackt fühlt und mit seinen Gefühlen hinter dem Berg hält. Fynn die extrovertierte, selbstbewusste Sportskanone. Obwohl das immer so erwähnt wurde, haben die beiden aber doch ganz anders auf mich gewirkt, was wohl daran lag, dass die Geschichte viel zu kurz war, um die Protagonisten näher kennenzulernen. Ian wirkte nicht schüchtern auf mich und Fynn nicht übermäßig extrovertiert - Fynn war es eigentlich, der für den Leser ein Rätsel darstellte und ziemlich blass blieb.

Für eine Kurzgeschichte typisch blieben auch die Gefühle auf der Strecke, weil sie nicht nachvollziehbar aufgebaut werden konnten. Es wurde von Liebe gesprochen, obwohl die beiden kaum Worte miteinander gewechselt haben - und es wirkte auch nicht so, als hätten sie das vor Beginn des Buches oft getan. Wenn man darüber hinwegsehen kann, kann man trotzdem mitschwärmen.

Wer die "No Return"-Reihe der Autorin gelesen hat, wird hier außerdem auf Parallelen stoßen. Ein bisschen schade, dass die Autorin hier von sich selbst abgekupfert hat, weil ihr wohl die Ideen fehlten - oder weil sie besonders Gefallen an bestimmten Elementen gefunden hat.

Fazit

Für zwischendurch hat die Geschichte trotz einiger Kritikpunkte viel Spaß gemacht. Wenn es sich aber nicht um eine Kurzgeschichte handeln würde, gäbe es von allem einfach zu wenig. Einfach darüber hinwegsehen, zurücklehnen und sich ein wenig von diesem süßen Pärchen berauschen lassen. Ich vergebe 4 Sterne.

Veröffentlicht am 06.08.2019

Ein trotz kleinerer Kritikpunkte überzeugender Reihenabschluss, der ein ernstes Thema aufgreift.

Barfuß auf Federn
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Worum geht es?

Nach 10 Jahren sind Mel, Cem und Lara immer noch unzertrennlich, all die Zeit hat weder ihre Freundschaft noch Lara und Cems Beziehung in Mitleidenschaft gezogen. Die Fans von Cems Youtubekanal, ...

Worum geht es?

Nach 10 Jahren sind Mel, Cem und Lara immer noch unzertrennlich, all die Zeit hat weder ihre Freundschaft noch Lara und Cems Beziehung in Mitleidenschaft gezogen. Die Fans von Cems Youtubekanal, auf dem Cem Mel immer wieder prankt, halten jedoch „Elke“ – wie Cem sie aufgrund ihres Gewichtes und mit Anspielung auf das Lied der Ärzte immer wieder nennt – und Cem für das absolute Traumpaar, während sie von Lara eher gelangweilt sind. Mel schwärmt schon von Kindheit an für Cem und hätte gegen eine derartige Wendung der Ereignisse sicher nichts einzuwenden, wäre Cem nicht ausgerechnet der Freund ihrer besten Freundin und Cem sowieso niemals an ihr interessiert. Das macht er mit seinen neckenden Bemerkungen in Bezug auf ihre Figur immer wieder deutlich. Als sie jedoch auf einem Skiausflug auf einmal Interesse an einem anderen zeigt, scheint das Cem doch nicht so wirklich in den Kram zu passen.

Meine Meinung

Dies ist der sechste Band der Barfuß-Reihe, der die Dreiecksbeziehung zwischen Mel, Cem und Lara ins Auge fasst. Diese konnte man schon in der Kurzgeschichte „Barfuß im Schnee (-Regen)“ kennenlernen. Die Reihenbände können unabhängig voneinander gelesen werden, trotzdem ist der Lesespaß um einiges größer, wenn man manche der auftauchenden Personen bereits kennt. Es kann also nicht schaden, auch die Vorgänger zu lesen.

Für mich war dies der dritte Band aus der Reihe nach der Geschichte von Janna & Josh sowie Luisa & Alex, wobei ich „Barfuß auf Federn“ nun an zweiter Stelle einordnen würde. Mir hat dieser Band wieder gut gefallen, aber an „Barfuß im Regen“ kam er für mich nicht heran.

Dies lag vor allem daran, dass ich im Gegensatz zu Josh mit Cem nicht so ganz warm werden konnte. Zwar mag ich Hassliebe und Neckereien in Büchern, aber hier war mir das manchmal fast ein wenig zu viel. Cem ist manchmal schon sehr unsensibel und verhält sich für meinen Geschmack hin und wieder etwas zu kindisch, um ihn rundum sympathisch zu finden. Für mich war es außerdem auch nicht so wirklich nachvollziehbar, wie seine Gefühle in Bezug auf Mel von Freundschaft zu Liebe umschwenken konnten, obwohl es mir dennoch Spaß gemacht hat, diesen Übergang der neckenden Freundschaft zur großen Liebe mitzuverfolgen, weil ich mir erst auch nicht so sicher war, ob das überhaupt passieren würde. Das schien mir zu Anfang nahezu undenkbar.

Mel dagegen hat mir in ihrer schlagfertigen und selbstbewussten Art super gut gefallen. Sie fühlt sich unsicher wegen ihres Körpers und wird deswegen nicht selten von Cem geneckt oder von völlig fremden (idiotischen) Menschen darauf angesprochen, dennoch schafft sie es immer wieder, solche Kommentare wegzustecken und sich auf humorvolle Art zu behaupten. Dadurch hat sie sich immer wieder meine Sympathie verdient. Sie ist wirklich eine wunderbare Protagonistin. Neben den leichten Komplexen bezüglich ihrer Figur leidet sie außerdem unter Epilepsie und trägt ein Geheimnis mit sich herum, von dem nicht einmal Lara und Cem etwas wissen. Aufgrund dessen hat sie sich in Bezug auf Dating auch erstmal aus dem Verkehr gezogen, bis sie auf dem Skiausflug Frederic (auch bekannt aus „Barfuß durch Scherben“) begegnet und sich zum ersten Mal wieder für einen Mann zu interessieren scheint.

Neben Cem und Mel liest man auch aus der Sicht von Lara, der dritten im Bunde und sozusagen das große „Hindernis“. Sie konnte ich stellenweise überhaupt nicht leiden, weshalb ich ihre Sicht oft auch eher nervig fand. Manchmal war sie Mel gegenüber ein wenig zu missgünstig, womit sie sich bei mir gleich einige Minuspunkte eingefahren hat, obwohl es auch Momente gab, in denen deutlich wurde, wie viel Mel ihr bedeutet. Durch Lara wird ein interessantes und wichtiges Thema eingebaut, mit dem ich in Büchern bisher noch nicht konfrontiert worden bin. Es wurde mir aber fast ein wenig zu „locker“ behandelt – eben wie ein nebensächlicher Handlungsstrang, weil die Liebesgeschichte natürlich im Vordergrund stand. Ich denke, das lässt sich sowohl positiv als auch negativ empfinden, je nachdem worauf man persönlich mehr Wert legt.

Fazit

Mels und Cems Liebesgeschichte hat mir aber trotz einiger Kritikpunkte gut gefallen und viel Spaß gemacht. Man fiebert mit, freut und ärgert sich mit den Charakteren und schmilzt am Ende auch ein kleines bisschen dahin. Ein schöner Reihenabschluss. Von mir gibt es 4 Sternchen.

Veröffentlicht am 25.07.2019

Für wichtige Erkenntnisse braucht es manchmal den Blick von außen. Erschütternd gut.

Manche Mädchen müssen sterben
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Worum geht es?

Liz kann sich nicht beklagen: Sie hat alles. Vor allem einen wunderbaren Freund und einen Platz ganz oben auf der Beliebtheitsskala ihrer Schule. Aber sie stirbt und auf einmal ist sie ...

Worum geht es?

Liz kann sich nicht beklagen: Sie hat alles. Vor allem einen wunderbaren Freund und einen Platz ganz oben auf der Beliebtheitsskala ihrer Schule. Aber sie stirbt und auf einmal ist sie als Geist imstande, in Erinnerungen einzutauchen und die Lebenden in ihrer Trauer – und bei ihren Geheimnissen – zu beobachten. Jedoch kann sie sich nur noch an winzige Details ihres Lebens erinnern, alles Wichtige ist weg, vor allem die Nacht, in der sie starb. Die einzige Person, mit der sie sprechen kann und die ihr mitteilt, dass ihre Erinnerungen nach und nach wiederkommen werden, ist Alex – ein Junge, der auf ihre Schule ging und vor sechs Monaten starb. Aber warum macht Alex den Eindruck, als könne er sie nicht leiden – ja, als würde er sie sogar hassen? Liz muss sich ihren Erinnerungen stellen und dabei feststellen, dass sie vielleicht nicht der gute Mensch war, für den sie sich hielt …

Meine Meinung

Ich war zu Beginn des Buches ein klein wenig skeptisch. Ich denke, das kann mir keiner verdenken, denn die Protagonistin entpuppt sich innerhalb weniger Seiten als unglaublich oberflächlich. Ich habe mich gefragt, wie ich es bewerkstelligen soll, mich über 400 Seiten mit einer Protagonistin zu identifizieren, die sich sogar nach ihrem Tod noch über Geld und ihren Beliebtheitsstatus definiert. Aber diese Oberflächlichkeit war so demonstrativ zur Schau gestellt, dass mir klar war, das wird sich so nicht bis zum Ende halten – und so gab ich diesem Buch eine Chance. Zum Glück.

Nach anfänglicher Skepsis habe ich mich in den Schreibstil der Autorin verliebt. Jessica Warman vollbringt es, eine Geschichte so bildhaft und eindrucksvoll zu erzählen, dass ich mich fühlte, als würde ich einen Film schauen. Ich sah die einzelnen Szenen vor meinem geistigen Auge, fühlte mich, als würde ich neben Liz (und Alex) stehen, in ihre Erinnerungen eintauchen oder ihre Liebsten in der Gegenwart begleiten. Und auch in den weniger schönen Momenten hatte ich das Gefühl, hautnah dabei zu sein.

Wegen dieses Kopfkino-Schreibstils klebte ich an den Seiten. Ich habe mich in keiner Szene gelangweilt, sondern die glücklichen Momente in mich aufgesogen, während ich in den schrecklichen, unbehaglichen und bedrückenden Szenen mitgefiebert habe, weil ich wissen wollte, wie Liz gestorben ist. War es wirklich ein Unfall oder doch … Mord? Haben ihre Freunde etwas damit zu tun?

Die Geschichte, die uns Jessica Warman so bildgewaltig erzählt, geht aber über die bloße Frage nach den Geschehnissen um Liz‘ Tod weit hinaus. All das ist in einen viel größeren Zusammenhang eingebettet und mit jeder Erinnerung fügt sich eines der vielen Puzzleteile an seinen Platz. Immer wieder kommen neue Aspekte auf, die ein ganz anderes Bild ergeben und alle bisherigen Vermutungen über den Haufen werfen. Man kann zu Beginn des Buches gar nicht erahnen, wohin sich alles entwickeln wird, denn dafür ist das Bild noch viel zu unvollständig.

Trotzdem gab es – sagen wir nach der Hälfte des Buches – einen Punkt, als sich langsam eine Ahnung in meinem Kopf manifestierte, die mir zumindest die eine Auflösung (denn es gibt zwei große „Twists“) vorwegnahm. Die Autorin legte zu offensichtliche Hinweise, die man als Leser schnell richtig deutet, wenn man eins und eins zusammenzählen kann. Das schmälerte dennoch nicht die Wucht der Emotionen, die auf mich einprasselten, als Liz endlich in besagte Erinnerung eintauchte. Ich glaube sogar, gerade wenn man weiß, was einen im Laufe dieser Erinnerung erwartet, entfaltet dieser Moment überhaupt erst seine bedrohliche, erdrückende Wirkung.

Was den anderen großen Twist angeht, so lässt sich dieser wohl auch erahnen. Ich war jedenfalls nicht überrascht. Zwar sind die Hinweise diesbezüglich etwas rarer gesät, aber man kann es dennoch kommen sehen, wenn man von Anfang an aufmerksam gelesen hat. Normalerweise enttäuscht es mich sehr, wenn ich Twists kommen sehe, aber hier hielt sich meine Enttäuschung in Grenzen. Dafür ist die Geschichte zu komplex, zu durchdacht, zu bewegend und zu erschütternd. Sie vermag es, auch ohne Überraschungseffekt zu schockieren und dem Leser vielleicht sogar – wie mir – eine Träne zu entlocken, denn letztendlich darf man nicht vergessen: Unsere Protagonistin ist tot. Kann es da überhaupt ein Happy End geben?

Was ich mir vom Ende erhoffte, war eine 180-Grad-Wendung der Protagonistin, die zu Beginn wirklich nicht durch ihr nettes Wesen glänzt. Da ist dieser Junge bei ihr, Alex, der auf ihre Schule ging und vor sechs Monaten gestorben ist – und er ist unbeliebt, alles andere als reich und hat fast keine Freunde. Liz hätte sich vor ihrem Tod nicht im Traum mit jemandem wie ihm abgegeben und das lässt sie ihn auch deutlich spüren. Dadurch war ich ihr gegenüber sehr skeptisch, aber ich ging stark davon aus, dass hier ihre Charakterentwicklung ansetzt. Aber so einfach ist es nicht. Liz‘ Erinnerungen zeigen, wie scheußlich sie sich benommen hat, was für ein schlechter Mensch sie sein konnte, aber wir sehen auch andere Seiten, die zum Nachdenken bringen, ihre Weste aber auch nicht auf einmal weiß färben.

»Mir wird bewusst, dass der Charakter eines Menschen niemals nur schwarz und weiß ist. Da ist immer auch noch jede Menge grau.« (S. 375)

Ich würde Liz nicht als Freundin haben wollen, aber ich habe doch mit ihr mitgefühlt und geweint. Und das muss man als Autor erstmal schaffen.

Ein Aspekt hat mich aber tatsächlich überrascht: die Liebesgeschichte. Es ist eine Seelenverwandtschaft, die wahre Liebe, die mich nicht nur einmal zum Lächeln und auch zum Weinen gebracht hat. Die mich erst traurig und dann wieder glücklich gemacht hat. Aber – ohne zu viel verraten zu wollen – sie war nicht so, wie ich sie erwartet habe. Und darüber bin ich wirklich froh.

Fazit

Eine spannende, gut durchdachte und vielschichtige Geschichte, bildgewaltig und erschütternd erzählt, sodass der Leser in einigen Momenten von einer gewaltigen Flut an verschiedensten Emotionen überrollt wird: Grauen, Schock, Glück, Freude, Wehmut. Kommt ohne große Überraschungen, aber doch mit ausgeklügelten, spannenden Twists daher und lässt den Leser nachdenklich zurück. 4 Sterne.

Veröffentlicht am 02.06.2019

Wenn der Schwiegervater die Strippen zieht ... und einem die Augen geöffnet werden.

Ein unmoralisches Sonderangebot
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Klappentext

Sehr ärgerlich: Seine Söhne haben die dreißig schon überschritten, aber immer noch nichts im Leben erreicht – findet Fritz. Verwitwet, tyrannisch und außerordentlich geizig, ist er eine Plage ...

Klappentext

Sehr ärgerlich: Seine Söhne haben die dreißig schon überschritten, aber immer noch nichts im Leben erreicht – findet Fritz. Verwitwet, tyrannisch und außerordentlich geizig, ist er eine Plage für die Schwiegertöchter. Und dann scheint der alte Herr völlig verrückt geworden: Einer Wette wegen plant er einen Partnertausch für seine Söhne. Die verträumte Olivia zieht einfach mal zu Oliver ins schicke Stadtappartement, die ehrgeizige Evelyn zu Stephan in die alte Gärtnerei. Damit alle bei diesem absurden Spiel mitmachen, winkt Fritz mit Geld. Mit viel Geld …



Meine Meinung

Ja, was soll ich sagen? Mich hat diese völlig verrückte Idee a la „Frauentausch“ sofort neugierig gemacht. Da dann auch noch Kerstin Gier draufstand, von der ich bereits Rubinrot gelesen habe, lag das Buch auf einmal auf meinem SuB, aber das leider peinlich lange. Nach dem Lesen frage ich mich echt, warum eigentlich? Um mal zwischendrin abzuschalten und herzlich zu lachen, ist das Buch einfach perfekt.

Kerstin Gier hat einen sehr humorvollen Schreibstil, der mich entweder breit zum Grinsen oder sogar laut zum Lachen gebracht hat. Dazu trägt auch die interessante, merkwürdige Familienkonstellation bei: Da haben wir einmal den wunderbaren (das Wort ist mit ordentlich viel Ironie zu genießen) Schwiegervater Fritz, dem man einfach nichts recht machen kann und der immer wieder sonntags an seinen Kindern herumnörgelt, denn seiner Meinung nach hat weder Oliver noch Stephan die richtige Frau und den richtigen Job fürs Leben gefunden – und wo bleibt überhaupt der Nachwuchs? Dass er seine Enkel, die bereits auf der Welt sind, als „Dings“, „Dings“ und „Dings“ bezeichnet und eigentlich kaum beachtet, ist irrelevant. Katinka, Fritzens Tochter, ist die einzige, die ihm bisher (eben diese) Enkel geschenkt hat, und damit keine allzu große Enttäuschung. Das lässt sie bei den sonntäglichen Familientreffen auch gerne raushängen – zusammen mit ihrem ständig in Floskeln sprechenden Ehemann, den eigentlich keiner (außer ihr) leiden kann. Dann gibt es noch Sohn Oliver – von Olivia liebevoll „Blumenkohl“ genannt – und dessen Frau Evelyn, die die meiste Zeit aussieht, als hätte sie Zahnschmerzen, sowie Sohn Stephan und dessen Frau Olivia, eine leidenschaftliche Gärtnerin und für Oliver „Blumenköhlchen“. Dieser bunte Haufen ist sehr … äh … bunt und unglaublich unterhaltsam.

Wir lesen aus der Sicht von Olivia, die ich mit Oliver auch am sympathischsten fand. Ich war zwar nicht immer mit ihr einverstanden, weil sie erst lernen musste, nicht alles mit sich machen zu lassen, aber ich habe trotzdem stets mit ihr mitgefühlt – und am Ende auch ein bisschen für sie applaudiert. Alle anderen Charaktere sind zwar sehr gewöhnungsbedürftig, aber auf ihre jeweils eigene Weise ausnahmslos erheiternd. Manche sind auch für Überraschungen gut und gar nicht so unausstehlich, wie man zuerst meint. Manche dagegen sind gar nicht so ausstehlich, wie man zuerst meint. Ich hatte mit dieser Vielfalt an Charakteren überraschend viel zu lachen.

Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte – und zwar, wie man sich sicher denkt, nicht die zwischen den jeweiligen Ehepartnern. Man denkt es sich eigentlich schon von Anfang an (spätestens nach meiner Rezension, denn ich glaube, ich habe schon ein paar Hinweise fallen lassen), sodass man nicht wirklich überrascht wird. Aber das ist auch nicht schlimm, denn die Liebesgeschichte steht definitiv nicht im Vordergrund. Es wird sich nicht einmal besonders viel Zeit genommen, die Gefühle zwischen den Figuren aufzubauen und nachvollziehbar zu gestalten, deshalb sollte man definitiv nicht mit der Erwartung herangehen, einen Liebesroman zu lesen. Es ist mehr ein … sehr ulkiger, witziger Familienroman. Der Humor steht klar im Vordergrund, aber die Liebe spielt natürlich auch eine Rolle. Die Balance hat mir überraschend gut gefallen. Ich habe zu keinem Zeitpunkt gedacht: Oh man, ich würde die Szene gerne überspringen und lieber wieder von einer Annäherung zwischen X und Y lesen. Überhaupt nicht. Es ist durchgehend unterhaltsam und wie viele Bücher können das schon von sich behaupten?

Fazit

Wer eine Liebesgeschichte erwartet, bekommt sie – aber in sehr geringen Dosen. Der Humor steht im Vordergrund und das ist auch gut so. Ich habe mich das ganze Buch über gut unterhalten gefühlt, habe gegrinst und gelacht und mich über manche Personen auch furchtbar geärgert. Eine Figur hat sich auf meiner Hasscharaktere-Liste ganz nach oben katapultiert – puh! Ein sehr gutes und sehr witziges Buch – von mir gibt es 4 Sterne.