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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.08.2019

… denn jedes Kind, das einsam ist, holt der Flüsterer gewiss.

Der Kinderflüsterer
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Alex Norths Spannungsroman „Der Kinderflüsterer“ ist im Juli 2019 bei Blanvalet erschienen und umfasst 448 Seiten.
Zwanzig Jahre zuvor: In dem kleinen Örtchen Featherbank hat der Kinderflüsterer fünf Kinder ...

Alex Norths Spannungsroman „Der Kinderflüsterer“ ist im Juli 2019 bei Blanvalet erschienen und umfasst 448 Seiten.
Zwanzig Jahre zuvor: In dem kleinen Örtchen Featherbank hat der Kinderflüsterer fünf Kinder entführt und ermordet. Der Täter sitzt seitdem seine Strafe ab.
Heute: Nach dem Tod seiner Frau zieht Tom Kennedy mit seinem kleinen Sohn Jake in ebendiese Kleinstadt. Was als Neuanfang gedacht ist, wird bald zu einem Albtraum, denn der Kinderflüsterer scheint wieder umzugehen. Und auch Jake hört nachts das Flüstern …
Von Anfang bis Ende dominiert in diesem Roman eine unheimliche, düstere Atmosphäre. Geschickt jongliert North mit Realität und Einbildung, sodass man sich beim Lesen oft nicht sicher, was jetzt der Wirklichkeit entspricht und was der Fantasie des kleinen Jungen entspringt. Vieles mutet irreal, ja fast gespenstisch an, was den Leser/innen immer wieder einen Schauer über den Rücken laufen lässt.
Die Lösung des Mysteriums wird von Anfang an angebahnt, dennoch überrascht das Ende. Mehrfach präsentiert der Autor verschiedene Verdächtige, sodass man als Leser/in eingeladen ist, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Trotzdem konnte mich das Ende letztlich nicht hundertprozentig überzeugen, da es doch einige Fragen offen lässt.
Der Roman wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, was nicht nur einen Einblick in die äußere, sondern auch in die innere Handlung gewährt. Gerade durch den Ich-Erzähler, Tom, tritt die nicht ganz einfache Vater-Sohn-Beziehung, die in der Familie Kennedy schon über Jahre hinweg eine dominante Rolle spielt, zutage. Aber auch das Innenleben anderer Charaktere wird so augenfällig, mit DI Pete Willis bspw. habe ich während des Lesens mehrere Male regelrecht mitgelitten.
Die Charaktere sind größtenteils sympathisch gezeichnet, sieht man einmal von den Verdächtigen ab. Insbesondere Amanda Beck, ebenfalls DI, hat mir gut gefallen, da sie sich sowohl um das Wohl ihres Mitarbeiters als auch um das der Opfer kümmert.
Norths Sprache ist schnörkellos und flott zu lesen. Die wechselnden Perspektiven und übersichtlichen Kapitel des Buches machen das Lesen angenehm, ohne zu über- oder unterfordern. Cliffhanger am Ende der einen oder anderen Passage zwingen förmlich zum Weiterlesen, sodass die Lektüre eine/n in ihren Bann zieht.
Das Cover ist ein richtiger Hingucker, ist mit seinen Gelb- und Grautönen harmonisch und entspricht dem Inhalt des Romans. Besonders ansprechend sind auch die haptischen Elemente.
Insgesamt legt Alex North mit „Der Kinderflüsterer“ ein gelungenes Debüt vor, das solide gestrickt ist, seine Spannung vor allem aus der unheimlichen Stimmung schöpft und Freund/innen spannungsgeladener Literatur einige schaurig-schöne Lesestunden beschert.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Von der Erpressbarkeit des Staates

Ultimatum
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Darf sich der Staat erpressen lassen? Spätestens seit der Schleyer-Entführung ein Thema, das die Nation immer wieder bewegt. Christian von Ditfurth hat sich dieser Frage in seinem neuen, 447-seitigen Politthriller ...

Darf sich der Staat erpressen lassen? Spätestens seit der Schleyer-Entführung ein Thema, das die Nation immer wieder bewegt. Christian von Ditfurth hat sich dieser Frage in seinem neuen, 447-seitigen Politthriller „Ultimatum“, der im August 2019 bei Bertelsmann erschienen ist, angenommen. Hierbei handelt es sich um den fünften Fall für den Berliner Hauptkommissar Eugen de Bodt.
Der Mann der Kanzlerin, Professor Süß, ist gekidnappt worden. Die Entführer stellen unerfüllbare Forderungen. Um ihren Druck zu erhöhen, schicken sie kurz darauf Süß‘ Hand an das LKA. Als etwas später auch noch die Gattin des französischen Ministerpräsidenten entführt wird und zeitgleich weltweit eine Reihe russischer Diplomaten auf unnatürliche Weise stirbt, machen sich Hauptkommissar de Bodt und sein Team, unterstützt von der französischen Polizei und dem russischen Geheimdienst, daran, das Übel von Europa abzuwenden.
Dieses ist der erste Politthriller Christian von Ditfurths, den ich gelesen habe, und ich muss sagen: Ich bin sehr begeistert.
Mit Eugen de Bodt hat von Ditfurth einen Ermittlertypus geschaffen, der aufgrund seiner Arroganz und seiner unorthodoxen Ermittlungsmethoden bestimmt streitbar ist, der aber nicht zuletzt wegen seines trockenen, oftmals scharfen Humors und seiner Vorliebe für (philosophische) Zitate sehr sympathisch rüberkommt. Selbiges gilt zudem für sein Team und die übrigen Ermittelnden. Auch als Neueinsteigerin in die Reihe habe ich mich in dieser Runde gleich wohlgefühlt, lediglich einige Anspielungen auf ältere Fälle waren schwer zu verstehen; dieses hat dem Lesevergnügen an sich allerdings keinen Abbruch getan.
Russen, Deutsche, Franzosen, Italiener … nichts, was in Europa Rang und Namen hat, lässt von Ditfurth hier aus. Ebenfalls thematisch ist der Roman sehr breit gefächert - genannt seien hier nur die Geheimdienste oder die Sicherheit von Atomkraftwerken. All dies lässt den Thriller zu einem komplexen Werk werden, das auch zum Nachdenken über die Zusammenhänge in unserer doch sehr komplizierten Welt anregt. Ein gewisser Schauer angesichts der bestehenden Gefahren ist dabei nicht ausgeschlossen und bestimmt auch intendiert.
Die zahlreichen Handlungsebenen, die teils sehr kurzen Kapitel mit ihren daraus resultierenden schnellen Szenenwechseln und die schon minimalistisch anmutende Sprache, erwähnt möchte ich hier nur die kurzen, abhackten Sätze, verleihen dem Lesen höchste Rasanz und lassen Leserinnen und Leser kaum zur Ruhe kommen.
Ein wenig enttäuscht indes hat mich das Ende, das für mich so ganz und gar nicht vorbereitet war: Zwar schlummert in de Bodts Kopf die ganze Zeit über eine Idee, die nicht zu greifen ist, doch tritt sie dann so abrupt zutage, dass die Auflösung mich eher unbefriedigt zurücklässt.
Nichtsdestotrotz präsentiert Christian von Ditfurth hier einen Thriller, der von Anfang bis Ende begeistert und die Leser/innen in seinen Bann zieht. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung und für mich steht fest: Dieses war bestimmt nicht das letzte Buch der de Bodt-Reihe, das ich gelesen habe.

Veröffentlicht am 08.08.2019

Die V.I.E.R. voll in ihrem Element

Nie zu alt für Heavy Metal. V.I.E.R. rocken Europa
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Kaum von ihrer Kreuzfahrt heimgekehrt, wenden die V.I.E.R. sich schon ihrem nächsten Abenteuer zu; dieses Mal reisen sie quer durch Europa. Der zweite Band der Krimireihe aus der Feder von Elisabeth Frank ...

Kaum von ihrer Kreuzfahrt heimgekehrt, wenden die V.I.E.R. sich schon ihrem nächsten Abenteuer zu; dieses Mal reisen sie quer durch Europa. Der zweite Band der Krimireihe aus der Feder von Elisabeth Frank und Christian Homma, „Nie zu alt für Heavy Metal. V.I E.R. rocken Europa“, ist im Juli 2019 bei Grafit erschienen und umfasst 272 Seiten.
Die V.I.E.R., das sind Gero Valerius, Ina-Marie, Eleonora und Rüdiger. Als Professor Ledoux‘ Doktorand, Viktor Jenko, spurlos mit wichtigen Unterlagen des Rezeptes für das alte Allheilmittel Theriak verschwindet, bittet dieser die vier Freunde um Hilfe. Doch der Fall entpuppt sich als komplexer und brisanter, als anfangs angenommen. Die Ermittlungen führen die V.I.E.R. quer durch Europa, wo es dann schließlich auf dem Heavy Metal-Festival in Wacken zu einem fulminanten Finale kommt.
In Manchem ähnelt dieses Buch dem ersten Teil der Reihe, doch keine Angst: Man kann dem Geschehen auch sehr gut folgen, ohne den ersten Band zu kennen, denn es gelingt dem Autorenduo sehr gut, alle wichtigen Informationen in den aktuellen Roman einzuarbeiten. Außerdem gibt es zu Beginn des Buches ein Verzeichnis, in dem die Protagonist/innen noch einmal vorgestellt werden. Man hat beim Lesen das Gefühl, liebgewonnene Freunde, die man schon lange kennt, auf ihrer Reise zu begleiten, was nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen ist, dass Frank und Homma immer wieder Begebenheiten aus der Kindheit und Jugend der nun Erwachsenen einfügen. Liebevoll haben die Autor/innen ihre Figuren gestaltet, jede von ihnen hat ihre teils skurrilen Eigenheiten, es kommt auch immer wieder zu Animositäten, wenn Gero bspw. seine Alleingänge startet, aber letztlich ist es die Kombination, die das Team zu ihrem Ziel führt. Was man daraus lernen kann: Streiten ist gut, Vertragen ist besser, doch das gemeinsame Ziehen an einem Strang ist von nichts zu übertreffen.
Wie schon im ersten Teil, so begleiten Leserinnen und Leser die Helden auch hier auf einer Reise, dieses Mal eine durch Europa, genauer führt die V.I.E.R. ihr Weg von München über Celje in Slowenien, Venedig, London bis hin nach Wacken, wo es zu einem actionreichen Showdown kommt. In Gotland schließlich beenden sie ihre Reise und begießen erneut ihre Freundschaft. Dass die Autor/innen mit Herzblut bei der Sache sind, merkt man an der guten Recherche. Die einzelnen Stationen sind nicht nur mit Spannung, mehr oder weniger Action und Humor gespickt, nein, man erfährt als Leser/in auch viel über Land und Leute sowie Besonderheiten der jeweiligen Region. Mit Slowenien z.B. habe ich mich noch nie beschäftigt und habe beim Lesen gedacht: Dorthin lohnt sich eine Reise bestimmt auch. Aber auch die Szenen rund um ein venezianisches Kostümfest sind sehr ansprechend und machen Lust auf den „Karneval in Venedig“. Lediglich die Exkursion nach London hat m.E. den ansonsten bestehenden Spannungsbogen doch sehr unterbrochen. Ausruhen können Lesende und Protagonist/innen immer wieder bei den Zwischenstationen in München, wo gemeinsam das Erlebte resümiert wird – für die Leser/innen eine willkommene Möglichkeit, sich vom Trubel zu erholen und die eigenen Gehirnzellen einzuschalten: Zum Mitraten lohnt sich dieser Krimi nämlich allemal.
Interessante Informationen erhalten Interessierte zudem über den im Mittelalter als Wundermittel gepriesene „Theriak“ sowie die Möglichkeiten der Astronomie - auch hier habe ich viel Wissenswertes erfahren.
Die Szene in Wacken zu lesen, bringt Heavy Metal-Freunde auf ihre Kosten, hat man doch fast das Gefühl, dabei zu sein. Insbesondere Rüdiger ist hier voll in seinem Element und man kann nicht anders, als sich mit ihm mitzufreuen oder mitzustöhnen, wenn Elli z.B. vergisst, mit der „Pommesgabel“ zu grüßen oder Gero es bei seinem Versuch, authentisch zu wirken, dann doch übertreibt.
Auch wenn im Klappentext von „Menschenopfern“ die Rede ist, brauchen zartbesaitete Krimileser/innen dieses Buch nicht zu scheuen: Es ist absolut unblutig, es dominieren eine angenehme Spannung in Kombination mit feinem Humor.
Insgesamt hat mir diese Kombination aus Spannung, Reiseführer und Humor wieder sehr gut gefallen, und ich kann allen Freund/innen humorvoller Kriminalliteratur nur empfehlen, in diese Reihe einmal hineinzuschnuppern.

Veröffentlicht am 26.07.2019

Die Gräuel der Welt geballt und poetisch in Szene gesetzt. Ein grausam schönes Buch.

Die Kinder des Borgo Vecchio
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In seinem Roman „Die Kinder des Borgo Vecchio“, der im Juli 2019 im Aufbau Verlag erschien, stellt Giosuè Calaciura auf knapp 160 Seiten die Erbarmungslosigkeit der Welt am Beispiel des alten palermischen ...

In seinem Roman „Die Kinder des Borgo Vecchio“, der im Juli 2019 im Aufbau Verlag erschien, stellt Giosuè Calaciura auf knapp 160 Seiten die Erbarmungslosigkeit der Welt am Beispiel des alten palermischen Stadtviertels „Borgo Vecchio“ dar. Im Jahre 2017 erhielt der Autor für dieses Werk den „Premio Volponi“, einen italienischen Literaturpreis, der für besonderes bürgerliches Engagement verliehen wird.
Menschen, die im Borgo Vecchio leben, haben es schwer im Leben. So auch Mimmo, Cristofaro und Celeste, die schon in jungen Jahren vom Leben gebeutelt sind, von ihren Eltern geschlagen und vernachlässigt werden. Doch trotz allem träumen sie von einer besseren Zukunft und erhoffen sich Hilfe von Totò, dem Verbrecher und vermeintlichen Halbgott des Viertels. Doch sie ahnen nicht, dass auch er von einer besseren Welt träumt …
Das Borgo Vecchio selbst ist als Mekka des Bösen und der Grausamkeit dargestellt: Kleine, verwinkelte Gassen bieten eine Zuflucht für Kriminelle. Die Bewohner/innen verschließen ihre Augen vor der Brutalität von Cristofaros Vater und rotten sich nur zusammen, wenn die Ordnungshüter versuchen, das Chaos in den Griff zu bekommen. Behinderte werden wie Vieh gehalten, ja selbst der Geistliche des Viertels macht, gezwungen oder nicht, gemeinsame Sache mit den Ganoven. In dieser Welt aufzuwachsen, verlangt den Jugendlichen viel ab, doch nehmen sie kleine Attraktionen zum Anlass, der Welt zu entfliehen, z.B. das Auftauchen des abgehalfterten Pferdes Nanà, das als erfolgreiches Rennpferd Glanz in dieses Leben bringen soll; auch an anderen Stellen wird deutlich, dass die Kinder nicht von Grund auf schlecht sind. Leider macht das Schicksal den Einwohner/innen, teilweise selbst verschuldet (wenn Totò z.B. die Hure Carmela und ihre Tochter Celeste mittels Hochzeit aus dem Elend herausholen will, das neue Leben aber mithilfe von Diebstählen beginnen will), teilweise aber auch ohne eigenes Zutun, immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Und auch wenn das Buch selbst keine befriedigende Lösung der Torturen bietet, erscheint am Ende ein kleiner Hoffnungsfunke, wenn auf der Flucht im „Osten der (…) morgendliche Schimmer eines neuen Tages zu sehen“ ist.
Zart besaitete Leser/innen werden beim Lesen wahrscheinlich das eine oder andere Mal an ihre Grenzen stoßen, wenn z.B. Nanà die Rennen nur gewinnt, weil ihr Besitzer ihr vorher einen „rosenförmigen Dornensporen (…) in den Anus rammte“. Jedenfalls steht die bildhafte, ja poetische Sprache, der sich der Autor bedient, wenn er z.B. den Brotduft durch das Viertel ziehen lässt, in einem eklatanten Gegensatz zum Geschilderten selbst; dieses macht einen großen Teil des Reizes dieses Werkes aus und lässt die Brutalität umso abscheulicher erscheinen.
Fantasie, Traum, Realität, Rückblenden und fantastische Elemente, die als Metaphern zu verstehen sind, wechseln einander ab und fordern von Leserinnen und Lesern viel Konzentration, um dem Geschehen folgen zu können. Auffällig und ebenfalls eine Herausforderung sind die zahlreichen biblischen und christlichen Motive sowie Symbole, die den gesamten Roman durchziehen; von ihnen sollen hier nur das Judas- oder Schutzmantelmadonna-Motiv, Oster- und Weihnachtssymbolik sowie die „sprechenden“ Namen der Protagonist/innen als die Bekanntesten Erwähnung finden.
Ob die Welt wirklich so bestialisch ist oder sein muss, wie über weite Strecken dargestellt, und ob der Mensch nicht doch das Seinige dazutut, wie an manchen Stellen zu erahnen ist, ist eine Frage, die sich beim Lesen dieses Romans immer wieder stellt. Auf jedem Fall ist es dem Autor sehr eindrucksvoll gelungen, mich wieder einmal zum Nachdenken über das Böse in der Welt und die Hoffnung zu bewegen. Von mir erhält das Buch vier von fünf Lesesternen, allerdings sollte man sich beim Lesen der Schwere der Lektüre bewusst sein. Ein Buch, das einige Ansprüche stellt, jedoch auch viel zu sagen hat.

Veröffentlicht am 15.06.2019

„Victor Hugo ist ermordet worden.“

Cyrus Doyle und der dunkle Tod
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Zum vierten Mal schon ermittelt Cyrus Doyle in „Cyrus Doyle und der dunkle Tod“ auf der britischen Kanalinsel Guernsey. Dieser 352-seitige Band ist im April 2019 im Aufbau Taschenbuch erschienen.
Während ...

Zum vierten Mal schon ermittelt Cyrus Doyle in „Cyrus Doyle und der dunkle Tod“ auf der britischen Kanalinsel Guernsey. Dieser 352-seitige Band ist im April 2019 im Aufbau Taschenbuch erschienen.
Während eines internationalen Victor Hugo-Symposiums wird ein Double dieses Schriftstellers im Rahmen einer Kinovorstellung erschossen. Gleich zu Beginn stellt sich die Frage: Galt das Attentat wirklich dem Opfer? Schließlich wurden vor Beginn des Films die Sitzplätze getauscht. Gemeinsam mit seiner Kollegin Pat macht Cyrus Doyle sich daran, den Fall zu lösen, was die beiden tief in die Vergangenheit Guernseys führt …
Obgleich dieses der erste Band dieser Krimireihe ist, den ich gelesen habe, war ich von Anfang an mitten im Geschehen angekommen. Jan Lucas gelingt es geschickt, alle wichtigen Informationen aus den vorangegangenen Bänden so in den aktuellen Fall einzubauen, dass auch Neueinsteiger/innen in die Reihe dem Geschehen problemlos folgen können.
Der Fall an sich ist interessant konstruiert, durch neu auftauchende Motive sowie Verdächtige und überraschende Wendungen wir die Aufmerksamkeit der Lesenden aufrechterhalten. Das Spannungslevel ist, abgesehen von einer Durststrecke im Mittelteil, eher gleichbleibend, aber permanent vorhanden. Die Auflösung am Ende überrascht, ist jedoch logisch nachvollziehbar.
Die Faszination dieses Buches liegt zum einen in der atemberaubenden Kulisse und zum anderen in der Sympathie, die von den Ermittelnden ausgeht.
Neben Landschaftsbildern bringt Lucas vor allem zwei historische Ereignisse aufs Tapet, die für die Geschichte dieser britischen Insel bis heute von Belang sind: Von 1856 bis 1870 lebte Victor Hugo im Exil auf dieser Insel, und noch heute kann man seine damalige Wohnstätte, Hauteville House, besichtigen. Überbleibsel der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs schließlich prägen noch heute dieses Eiland. Beide Ereignisse spielen in diesem Roman eine Rolle, und Lesende erfahren hier im Nebenbei viel Wissenswertes. In einem Nachwort erläutert Lucas knapp die historischen Hintergründe, und mich selbst haben diese Informationen dazu veranlasst, mich darüber hinaus ein wenig kundig zu machen. Zwei kleine Landkarten zu Beginn des Textes helfen, die Wege, die die Ermittler/innen auf der Insel zurücklegen, mitzuverfolgen.
Cyrus Doyle und seine Kollegin, Pat Holburn, sind ein wirklich sympathisches Ermittlerteam. Private Ereignisse im Leben der beiden lassen sie menschlich und realitätsnah erscheinen. Hier gibt es keine „Superbullen“, sondern Menschen wie du und ich. Ein wenig gestört hat mich allerdings im Laufe des Lesens, dass die gescheiterte Liebesbeziehung zwischen Cyrus und Pat doch teilweise recht großen Raum einnahm, was das Lesen gerade im Mittelteil etwas langatmig erscheinen ließ.
Das Cover, das einen Yachthafen vor der Silhouette der Insel zeigt, ist farblich harmonisch und sehr ansprechend gestaltet, versprüht also sowohl Insel- als auch Urlaubsflair. Es macht auf jeden Fall Lust, das Buch in die Hand zu nehmen.
Alles in allem handelt es sich bei Jan Lucas‘ „Cyrus Doyle und der dunkle Tod“ um einen Kriminalroman, der unblutig daherkommt und seinen Reiz weniger aus der Spannung, als vielmehr aus dem wirklich wunderschönen Ambiente und der Historie schöpft. Für Freund/innen solider Kriminalliteratur eine auf jeden Fall empfehlenswerte Lektüre und für mich ein Anreiz, mir bei Gelegenheit auch die Vorgängerbände zu Gemüte zu führen.