Cover-Bild Im Licht der Zeit
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Piper
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 512
  • Ersterscheinung: 05.08.2019
  • ISBN: 9783492058865
Edgar Rai

Im Licht der Zeit

Roman

»Niemand im Raum hätte sagen können, ob ihre Laszivität nur gespielt war, ob Marlene sie angedreht hatte wie einen Lichtschalter, oder ob sie Sternberg tatsächlich im nächsten Moment küssen würde. Nicht einmal sie selbst wusste es. Vollmöller und Pommer hielten den Atem an.«

Frühjahr 1929: Alle Welt redet nur noch vom Tonfilm, der in Amerika längst die Kino-Paläste erobert hat. Deutschland aber droht den Anschluss zu verlieren. Nun soll die mächtige Ufa das Land zurück an die Spitze führen, koste es, was es wolle. Ein halbes Jahr später hat der geniale Karl Vollmöller fast alles beisammen: das modernste Tonfilmstudio, einen grandiosen Stoff, den gefeierten Oscar-Preisträger Emil Jannings, der soeben glorreich aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrt ist, und den perfekten Regisseur. »Der blaue Engel« wird nicht einfach nur ein Tonfilm sein, er wird ein neues Zeitalter einläuten, davon ist Vollmöller überzeugt. Nur die Hauptdarstellerin fehlt noch. Wer soll die abgründige Figur der Rosa Fröhlich verkörpern, die den biederen Professor ins Unglück stürzt? Etwa Marlene Dietrich? Als Revuegirl ist sie eine Klasse für sich, sie bietet Leichtigkeit, Unterhaltung, zeigt nackte Haut. Aber sie besitzt keinerlei schauspielerisches Talent!

»Im Licht der Zeit« ist der Roman einer kurzen, rauschhaften Epoche, er ist die Geschichte des »Blauen Engels«, der alle Beteiligten zu legendären Figuren des deutschen Films gemacht hat: Edgar Rai erzählt diese Geschichte mit einer beispiellosen Wucht, Originalität und Bildhaftigkeit.

Zitate zu Anfang vieler Kapitel spiegeln Politik und Zeitgeschehen aus den Zwanzigerjahren in Berlin

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.08.2019

Der Start in ein neues Zeitalter

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Berlin 1917: „Dieses Kind war wie ein Wildpferd mit Federboa ...“ (S. 8) „Wenn die einmal aus der Box war, würde sie nicht mehr einzufangen sein.“ (S. 12) Marlene Dietrich ist 16 und hat jetzt schon die ...

Berlin 1917: „Dieses Kind war wie ein Wildpferd mit Federboa ...“ (S. 8) „Wenn die einmal aus der Box war, würde sie nicht mehr einzufangen sein.“ (S. 12) Marlene Dietrich ist 16 und hat jetzt schon die längsten Beine Berlins – die es noch weit bringen werden, meint ihre Tante Vally. Ihre Mutter hingegen hofft, dass sie klassische Konzertgeigerin wird. Marlene selbst experimentiert lieber mit ihrer Sexualität – vor allem mit Frauen – und träumt davon, ein Filmstar wie Henny Porten zu werden. Doch Henny ist erst seit kurzem Witwe und hat ihren Lebenswillen verloren.

12 Jahre später ist Henny Porten wieder groß im Geschäft, aber Marlene hat den Durchbruch als Schauspielerin immer noch nicht geschafft, sondern tingelt von einem Varieté zum nächsten. Sie ist verheiratet, hat eine Tochter und ist die Hauptverdienerin der Familie, aber ihr Mann und sie lieben sich nicht und ihre Tochter kann keine Beziehung zu ihr aufbauen. „Marlene war in ihrer eigenen Familie der Fremdkörper.“ (S. 191)

Die UFA hat in Babelsberg gerade das erste Tonfilm-Studio gebaut, um den Anschluss an Amerika nicht zu verpassen und Karl Vollmöller wird engagiert, um den ersten Film zu drehen. Der Hauptdarsteller ist schnell gefunden: Emil Jannings hat in Amerika gerade den ersten Oscar als bester Schauspieler bekommen, will aber zurück nach Deutschland kommen. Auch den Stoff hat Vollmöller schon – er konnte Heinrich Mann überzeugen, ihm die Rechte an „Professor Unrat“ zu verkaufen. Nur die weibliche Hauptdarstellerin fehlt ihm noch. Da entdeckt Regisseur Josef von Sternberg am Berliner Theater Marlene, die mit ihrer frivolen Show für Furore sorgt – sie ist perfekt für die Rosa Fröhlich. „Karl schätze Marlenes Vielseitigkeit, die scheinbar gelangweilte Art, mit der sie das Publikum bei der Stange hielt, und ja, sie hatte die längsten Beine der Stadt.“ (S. 177)

Edgar Rai erzählt in „Das Licht der Zeit“ vom Beginn des deutschen Tonfilms, von einer aufregenden Umbruchzeit, in der die Nationalsozialisten immer mehr erstarken und den Alltag bestimmen (wollen). Die goldenen 20er sind auf ihrem Höhepunkt. In Berlin werden rauschende Partys gefeiert, Heroin gilt als Stimmungsaufheller und Promiskuität ist an der Tagesordnung.

Vollmöller ist ein Macher, der genau weiß, wie er seinen Willen durchsetzen kann. Bei Jannings, der Marlene nicht ausstehen kann, setzt er auf Zuckerbrot und Peitsche (im wahrsten Sinne des Wortes!). Auch die UFA hat er fest im Griff und kann sie überzeugen, immer mehr Geld in den Film zu pumpen. Nur Marlene gibt er Raum, lässt sie sich neu erfinden und ist erstaunt, was sie aus sich rausholt, wie sehr sie sich zurücknehmen kann und trotzdem auf der Leinwand extrem präsent ist und Jannings damit aussticht. Der wird seiner Rolle (dem verzweifelten Professor) immer ähnlicher und ruiniert sich und den Film fast damit.

Parallel dazu muss auch Henny Porten entscheiden, wie sie ihre weitere Karriere gestalten soll. Sie ist inzwischen mit einem jüdischen Arzt verheiratet und Goebbels, der sie sehr verehrt, bedrängt sie, sich endlich scheiden zu lassen und die große deutsche Vorzeigefrau beim Film zu werden – sich vor Hitlers Karren spannen zu lassen.

Die gegensätzlichen Lebensentwürfe und Entwicklungen von Henny und Marlene machen für mich den besonderen Reiz des Buches aus. Henny ist sehr unsicher, hat aber in ihrem Mann einen guten Berater und eine eigene Produktionsfirma, will unabhängig bleiben. Marlene hingegen will endlich der Enge ihrer verkorksten Ehe und dem biederen Deutschland mit seinen immer strengeren Moralvorstellungen entfliehen.

Spannend, aufregend und prächtig inszeniert Edgar Rai den Dreh von „Der blaue Engel“ und schafft gleichzeitig ein Zeitzeugnis über die goldenen 20er und die Revolution der Tonfilmindustrie.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Beginn einer neuen Zeit in der Filmbranche

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Während in den USA der Tonfilm die Zuschauer in die Kinos bringt, setzt man in Deutschland immer noch auf den Stummfilm. Doch die politischen Verhältnisse ändern sich und die UFA soll die deutsche Filmbranche ...

Während in den USA der Tonfilm die Zuschauer in die Kinos bringt, setzt man in Deutschland immer noch auf den Stummfilm. Doch die politischen Verhältnisse ändern sich und die UFA soll die deutsche Filmbranche an die Spitze bringe. Karl Vollmöller will das unter allen Umständen schaffen. Dabei lässt er sich auf einen Balanceakt ein, dem mehr als einmal ein Absturz droht. Regie soll Josef von Sternberg führen, der auch bei dem Film „The Last Command“ Regie führte, für den Emil Jannings den Oscar erhalten hatte. Doch die beiden sind zerstritten. Vollmöller trickst und verspricht Jannings eine Filmrolle, die es genauso wenig geben wird, wie den Film. Aber auch das Drehbuch bereitet Schwierigkeiten. Dann braucht es auch noch eine Hauptdarstellerin. Einige Damen dürfen zu Probeaufnahmen antreten. Sternberg will Marlene Dietrich, die sich eigentlich als Revuegirl einen Namen gemacht hat, die aber nicht durch schauspielerisches Talent hervorgetreten ist.
Ich habe vor nicht allzu langer Zeit einen Roman über Marlene Dietrich gelesen und daher war ich auch gleich an diesem Roman interessiert, der noch einmal eine ganz andere Perspektive auf die Entstehung des Films „Der blaue Engel“ wirft. Das Buch hat mich vom ersten Moment an so gepackt, dass ich es nur schwer wieder aus der Hand legen konnte. Man erlebt diesen Tanz auf dem Vulkan mit, der Berlin in den Zwanzigern erfasst hat. Die Nationalsozialisten machen sich immer breiter und bestimmen auch immer mehr das kulturelle Schaffen. An ihnen wäre fast noch im letzten Moment der Film gescheitert.
Marlene Dietrich war eine beeindruckende Persönlichkeit, die macht was sie will und sich nicht verbiegen lässt. Aber sie hat auch Selbstzweifel und braucht manchmal eine starke Schulter zum Anlehnen. Sternberg will sie führen und muss dann doch feststellen, dass Marlene selbst weiß, wie sie die Rolle anlegen muss. Er lässt sie laufen. Ist es da ein Wunder, dass es Konflikte mit dem großen Emil Jannings gibt? Emil ist von sich sehr überzeugt und will niemanden neben sich dulden, der ihm Aufmerksamkeit entzieht. Mit Zuckerbrot und Peitsche wird er bei der Stange gehalten.
Am Anfang eines jeden Kapitels gibt es einen Einblick in Politik und Zeitgeschehen.
Es ist äußerst interessant mitzuerleben, wie geraden in den Zeiten des Umbruchs ein ganz besonderer Film entsteht. Das Buch hat mich gefesselt und ich kann es nur empfehlen.