Profilbild von LaberLili

LaberLili

Lesejury Star
offline

LaberLili ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit LaberLili über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.08.2019

Holterdipolter: Genre über Genre

Kalte Wasser
0

Das Erste, was ich noch vor der Veröffentlichung von „Kalte Wasser“ zu lesen bekam, war der Beginn eben dieses Romans, der mir auf Anhieb sehr reizvoll erschien, wobei ich stark gemutmaßt habe, dass die ...

Das Erste, was ich noch vor der Veröffentlichung von „Kalte Wasser“ zu lesen bekam, war der Beginn eben dieses Romans, der mir auf Anhieb sehr reizvoll erschien, wobei ich stark gemutmaßt habe, dass die Mysteryschiene in einer Sackgasse enden würde – ich bin von Anfang an eher davon ausgegangen, dass Lauren unter postnatalen Depressionen leidet, die sie halluzinieren lassen. Tatsächlich wird bei Lauren auch schnell eine psychische Belastungsstörung diagnostiziert und hernach zeigte sich für mich das grundsätzliche Problem dieses Mysterythrillers: Er will tatsächlich alle Genres; Mystery, Thriller und Krimi; abdecken; dazu kommt noch ein großer Schuss semi- bis unglücklicher Liebesroman (denn Laurens Mann Patrick ist eher distanziert und hat auch so seine Geheimnisse; im Allgemeinen kam da auch nicht das Gefühl eines liebevollen und glücklichen, frischgebackenen Elternpaares auf) zu dem, was ohnehin schon ein Familiendrama war.
Dann gibt es noch diesen Strang rund um die ambitionierte Polizistin Jo(anna) Harper, deren eigentlich nicht vorhandenes Privatleben ständig explizit behandelt wird; da gibt es ein angeblich wichtiges Detail aus der Vergangenheit, weswegen sie sich Lauren angeblich so nahefühlt: Diese Argumentation schien mir allerdings reichlich an den Haaren herbeigezogen; so sehr ähnelten sich die persönlichen Erfahrungen dann doch nicht. Auch ihre persönlichen Beziehungen wurden derart herausgestellt, dass man hätte vermuten können, „Kalte Wasser“ ist der Auftakt zu einer Krimireihe rund um diese Ermittlerin.
Mir fehlte da ganz klar die direkte Konzentration; klar, wenn ein Buch ganz strikt und konsequent linear lediglich einen Erzählstrang verfolgt, wirkt das sehr eintönig, aber dieser Roman glich statt einer Einbahnstraße auf dem platten Land dann direkt dem Frankfurter Kreuz.
Ich mag Mysteryromane, ich mag Thriller, ich mag Krimis, ich lese auch gerne mal was Dramatisches, aber in diesem Fall war es mir einfach zu viel und von Autorenseite zu unentschlossen: Hatte grad alles klar darauf hingedeutet, dass dieser Roman ein Psychothriller-Ende finden würde, zumal dann auch noch eine mutmaßliche Stalkerin eingeführt wurde, wurde auf der nächsten Seite wieder krass gen Mystery abgedriftet – und ich wusste gar nicht mehr, mit wem ich nun überhaupt mitfiebern wollte; mir blieben alle Figuren völlig fremd, und sympathisch fand ich eigentlich keinen, inklusive Joanna Harper, die zwar eben sehr engagiert war, aber eben auch überengagiert und sich zunächst vor Allem auch völlig unnütz einbrachte, denn die Ermittlungen waren nicht nur abgeschlossen, sondern der Fall war offiziell nie eröffnet worden, als sie –den Anweisungen ihres Chefs zum Trotz- im Krankenhaus doch noch weitere Nachforschungen anstellte. Im klassischen Krimi hätte ich das allerdings wiederum recht sympathisch gefunden… aber hier gab es, wie sie selbst auch immer betonte, überhaupt keinen echten Grund für ihren persönlichen Einsatz.

Den reinen Mystery-Teil von „Kalte Wasser“ fand ich allerdings sehr spannend; der große Rest war dann allerdings eben wie ein riesiger Stolperstein, der mir den Lesespaß ein wenig getrübt hat. Alles in Allem kommt der Roman so für mich nicht über 3,8* Sterne hinaus, was aufgerundet dann wohlgemeinte vier Sterne ergibt. Allerdings erwarte ich nun irgendwie doch zumindest auch einen Folgeband rund um DI Harper, die da wiederum in irgendein Mysterium verwickelt wird (oder sich verwickeln lässt). Denn so bin ich grade in jenem Bereich nicht mit dem Ende zufrieden – und auch der Mysteryteil hätte sich detaillierter entschlüsseln lassen können; da kann man sich als Leser letztlich lediglich selbst noch etwas mehr Hintergrundgeschichte zusammenreimen.
Als reiner Mysteryroman; ohne diese ganzen ständig falsch gelegten Fährten, ohne das Privatbrimborium der Polizistin; würde mir „Kalte Wasser“ richtig gut gefallen haben, aber dazu hätte eben sehr viel der Handlung wegdezimiert werden müssen und der Mysterypart sehr viel weiter aufgedeckt und erklärt werden – wer sich für dieses Buch entscheidet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er eben vornehmlich einen Mysterythriller zu lesen bekommt, der dabei ständig in andere Genres abdriftet. Zumindest wer so einen immensen Mix mag, wird mit dieser Lektüre ausnehmend gut bedient sein!

[Ein Rezensionsexemplar war mir, via #NetGalleyDE, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 08.08.2019

Der bisher hellste Lebensabschnitt, in finsteren Wäldern...

Sal
0

Man muss nur öffentlich verfügbare Leseproben dieses Romans lesen, welche den Anfang des Romans abbilden, um angesichts der Kurzbeschreibung schon ein wenig irritiert zu sein: Sehr beiläufig, aber doch ...

Man muss nur öffentlich verfügbare Leseproben dieses Romans lesen, welche den Anfang des Romans abbilden, um angesichts der Kurzbeschreibung schon ein wenig irritiert zu sein: Sehr beiläufig, aber doch sehr direkt, erzählt Sal da nämlich, dass besagter Freund der Mutter, vor dem Sal ihre kleine Schwester Peppa schützen will, „das Einzige ist, was sie bislang getötet hat“. Die Flucht vor diesem Mann, der Sal bereits jahrelang sexuell missbraucht hat, ist also in erster Linie eine Flucht vor der Polizei – und dem Jugendamt, welches Sal selbst gerne schon früher hinzugezogen hätte, aber sie war doch indoktriniert worden, dass in jenem Fall die Schwestern ganz sicher voneinander getrennt werden würden.
Auch abseits der Problematik des sexuellen Missbrauchs, der in diesem Roman zwar erwähnt, aber nicht detailliert thematisiert wird, entstammen Sal und Peppa aus einer arg dysfunktionalen Familie: Beide Mädchen, von verschiedenen Vätern abstammend, lieben ihre Mutter sehr, die nach außen hin auf „heile Welt“ zu machen versucht, dabei aber starke Alkoholikerin ist, und mit ihren Kindern in einer Gegend lebt, die sich gemeinhin wohl als „sozialer Brennpunkt“ bezeichnen lassen kann, und ihre Familie eher schlecht als recht z.B. als Stripperin durchbringt. Auch ihr (später dann ermordeter) Freund ist ein saufender Kleinganove, was Sal immerhin zupass kommt, da sie ihm im Rausch die von ihm geklauten Kreditkarten wiederum stibitzen kann, um sich die nötigen Sachen für ihre von langer Hand geplanten Flucht in die schottische Wildnis besorgen zu können.
Seit einem Jahr hat sich Sal sämtliche Survivalvideos auf YouTube angesehen, sich sämtliche Instruktionen genauestens eingeprägt; immer wieder erklärt sie später ganz genau, was sie nun warum tut – und für mich zeigte genau dieses Verhalten ganz besonders das Dilemma auf, in dem die Schwestern steckten, und wie schwertraumatisiert dieses Kind sein musste (und aus demselben Grund schockierte mich auch der letztliche Ausgang des Ganzen für Sal ein wenig). Wie verzweifelt, und im wahrsten Sinn des Wortes: bedrängt, muss sich eine 13Jährige fühlen, die meint, keine andere Wahl zu haben als sich mit ihrer Schwester tief in den Wäldern zu verstecken, um sich dort ein „Leben“ aufzubauen? Ich fand es völlig erschreckend, dass Sal alles über Monate hinweg scheinbar eiskalt und bis ins kleinste Detail durchgeplant hatte.
Im bisherigen Leben war Sal die „Erwachsene“ und eigentlich kaum einmal Kind gewesen: Nach der Geburt Peppas war es hauptsächlich Sal, die sich um ihre Schwester kümmerte, die weite Teile der im Haushalt anfallenden Arbeiten erledigte, da die Mutter ja ständig volltrunken war; im Alter von 10 begannen der sexuelle Missbrauch, während dem angekündigt wurde, sobald Peppa 10 sei, sei auch sie „fällig“… als dann plötzlich die leicht verrückt wirkende Eigenbrötlerin Ingrid, die ganz bewusst und freiwillig mitten im Wald lebt, wird auch relativ schnell deutlich, wie sehr die Mädchen eine „echte“, erwachsene Mutterfigur benötigen, denn Ingrid wird sehr schnell zu einer Vertrauten, die den Kindern auch hilfreich zur Seite steht und sich um sie kümmert, grad wenn sie doch mit unerwarteten Widrigkeiten konfrontiert werden…
Ich hatte sehr bald das Gefühl, dass erst dieses Leben draußen, die Gespräche mit Ingrid, Sal, und auch Peppa, so richtig geerdet hat und dass dies im Prinzip das erste „normale“ Geschehen ihres Lebens sei, obschon es ja definitiv nicht gängig ist, dass Geschwisterkinder, ob nun ohne oder auch mit den Eltern, in ein selbstgebautes Camp im Nirgendwo ziehen.
Sobald die Figur der Ingrid eingeführt wurde, tauten Sal und Peppa zudem auf und wurden allgemein offener, kindlicher. Bis dahin hatte es mich noch ein wenig irritiert, dass Sal mit ihren 13 Jahren derart abgeklärt war und beide Schwestern auch da eher reichlich lapidar reagierten, wo ich deutlichere Gefühlsausbrüche, oder überhaupt einfach nur einen etwas weniger nüchternen, staubtrockenen Auftritt erwartet hatte – aber andererseits waren die Zwei ja ohnehin daran gewöhnt, dass es im Leben quasi hauptsächlich um „irgendwie überleben“ ging und dass sie für sich selbst verantwortlich waren. Dennoch fand ich es verwunderlich, dass es nie zu einem Temperamentausbruch welcher Intensität auch immer kam.

Insgesamt wirkte die Geschichte auf mich aber trotzdem leicht befremdlich, eher emotionslos und glasklar erzählt. Mich hat „Sal“ auf seltsame Weise aber auch sehr fasziniert und ich habe weiterundweitergelesen, vor Allem auch, weil ich wissen wollte, wie die Geschichte für die Schwestern weiterhin verliefe und eben auch ausginge. „Sal“ war letztlich ein sehr gutes, aber nicht überwältigendes Buch, und ich räume ein, dass mich in Sachen „als Kind in miese Umstände hineingeboren und (draußen in der Wildnis) damit klarkommen“ der zuletzt ebenfalls auch auf Deutsch erschienene Roman „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens weitaus mehr beeindruckt hat; eindringliche Titel sind es aber beide allemal!



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 14.04.2019

(Nicht) Zu cool für diesen Fall?!

Running Girl
0

Garvie ist 16 Jahre alt, wahnsinnig intelligent und nicht weniger faul, er gibt sich stets lässig und abgebrüht und sieht jegliches Verbot, etwas zu tun, wohl eher als Aufforderung, genau das zu tun: in ...

Garvie ist 16 Jahre alt, wahnsinnig intelligent und nicht weniger faul, er gibt sich stets lässig und abgebrüht und sieht jegliches Verbot, etwas zu tun, wohl eher als Aufforderung, genau das zu tun: in „Running Girl“ trifft er nun nahezu ständig auf den alsbald sehr von ihm genervten Polizisten Singh, den er ständig auf’s Neue reizt – während Singh eher Polizeidienst nach Vorschrift verrichtet, unterhält sich Garvie eher mal so ganz nebenbei ein wenig mit den Menschen aus Chloes und seinem Umfeld, und scheint Singh dabei immer einen Schritt voraus zu sein: Die Kurzbeschreibung und eine eingangs gelesene Leseprobe hatten mich einen eindeutigeren Detektivroman, mehr Whodunnit, erwarten lassen; ich habe Garvie allerdings eher als etwas distanzloseren und absolut neugierigen Charakter empfunden, der sich eben weniger bei einer „Detektivehre“ gepackt sah als von reiner Neugier erfüllt war, und womöglich der Polizei ganz schadenfroh zudem eine lange Nase ziehen wollte.
Als Jugendkrimi fand ich diesen Roman nun recht gelungen, sehe ihn aber eher als Einstieg in das weite Feld der Spannungsliteratur, wenn auch nicht als Allzeitklassiker: „Running Girl“ ist nun ein eigenständig lesbarer Reihenauftakt und ich mit meinen Mitte 30 kann mir zwar gut vorstellen, den nächsten Band demnächst auch noch irgendwann einmal zu lesen, aber für mich steht jener Titel nun nicht ganz weit oben auf meiner Leseliste. Den stufe ich im Voraus schonmal unter „lässig weglesen: besser als langweilen“ ein.

Was ich schade fand, ist, dass man doch keinen echten Einblick in Garvie und auch keine der anderen Figuren enthält; ich empfand den Roman da doch als sehr oberflächlich; irgendwie bleib mir alles zu sehr „außen und draußen“; ich war letztlich selbst auch mehr neugierig als gespannt auf die Auflösung; zudem wird sogar Chloe ausnahmslos derart beschrieben, dass mich als Leser ihr Tod eher überhaupt nicht berührt hat. Auch da hatte ich aufgrund der Betonung, dass sich beim Opfer um eine Ex-Freundin Garvies handelte, klar mehr Emotion erwartet. Insgesamt hätte ich mir die Figuren einfach deutlich intensiver beschrieben vorgestellt.

Im Großen und Ganzen, von diesen paar wenigen Abstrichen abgesehen, habe ich „Running Girl“ aber eben doch sehr gerne gelesen, wie gesagt: in meinen Augen ein durchaus gelungener Jugendkrimi, der spezifisch eine Leserschaft ab 14 ansprechen könnte. Oder nee, auch schon ab 12. So mit 12, 13 würde ich Garvie wahrscheinlich als den Inbegriff der Coolness empfunden haben. ;)


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 02.07.2018

Wenn wir je wieder Freunde sein können...

Wenn wir wieder leben
0

[Vorab: Ein Rezensionsexemplar war mir im Vorfeld der Veröffentlichung unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Wanda lebt im Jahre 1963 als 19jährige Studentin in Berlin, gemeinsam mit Mutter, Schwestern ...

[Vorab: Ein Rezensionsexemplar war mir im Vorfeld der Veröffentlichung unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Wanda lebt im Jahre 1963 als 19jährige Studentin in Berlin, gemeinsam mit Mutter, Schwestern und Tante, als ein Kommilitone jüdischer Abstammung erklärt, er könne keine Freundschaften mit Gleichaltrigen schließen, solange er nicht wisse, ob deren Eltern, Großeltern… nicht Diejenigen waren, die seine Verwandten im 2. Weltkrieg ermordeten. Es sei Pflicht ihrer jungen Generation, zu fragen: „Was habt ihr zwischen 1933 und 1945 gemacht?“ und sich nicht abspeisen zu lassen. Wanda fragt nach, stößt auf Ablehnung und Entsetzen, beharrt aber darauf wissen zu wollen, was war, was dazu führte, dass sie nun in diesem familiären Frauenhaushalt lebt…
Parallel zu Wandas „Grabungen“ in ihrer Familienhistorie wird die Geschichte von Gundi ab Anbeginn der letzten 1920er Jahre erzählt, die zusammen mit ihrer Schwester Lore und den Freunden Erik und Julius mühsam eine musikalische Karriere startet, die letztlich Fahrt aufnimmt, als die Gruppe von Nazis höheren Ranges für sich entdeckt wird…

Die Liebe zwischen Gundi und Tadek, die in der Kurzbeschreibung doch recht auffällig herausgestellt wird, ist letztlich nur ein Nebenschauplatz, der relativ schnell zum Romanende hin abgehandelt wird und war, entgegen meiner Erwartungen, kein zentrales Thema der Erzählung, die sich eher auf Gundis Verhalten während der Zeit des Nationalsozialismus konzentriert. An einigen Stellen wird hier, selbst von Gundi, kommuniziert, dass sie nicht die Hellste sei: Das war sie definitiv wirklich nicht, und ich fand sie eine recht ärgerliche Figur.
Ich bin mir aber unsicher, ob ich die Geschichte nicht zuweilen auch einfach deswegen anstrengend und zermürbend fand, weil wir heutzutage ja ganz genau um den Holocaust wissen und es umso mehr nervte, wenn Gundi mal wieder beteuerte, nein, die verschwundenen Juden könnten doch nicht umgebracht worden sein; man könnte ohnehin niemand verhaften, der kein Verbrechen begangen hätte und nein, nein… Ich empfand sie zuweilen als so ignorant, so in ihrer eigenen Luftblase lebend, dass ich es teils unglaubwürdig fand, wie sie von der Deportation bedrohte Personen in ihrem Umfeld doch noch schützte, was allerdings eh nicht aus Menschlichkeit, Solidarität oder Widerstand heraus geschah, sondern vielmehr aus dem Egoismus, dass sie beispielsweise auf das polnische Kindermädchen nicht verzichten wollte. Ich mochte Gundi in ihrer Ignoranz nicht, die auch wenn sie gefragt wurde, was sie denn denke, was da los sei, nur bekundete, für Politik interessiere sie sich nicht. Gundi war der Proto-Typ des „Aber wir wussten doch von nichts; wie hätten wir das denn auch nur erahnen können?“-Mensch, den ich in diesem Fall besonders schlimm fand, da Gundi offensichtlich tatsächlich so blind war oder auch nur blind sein wollte.
So makaber das nun klingt: Mit der Machtergreifung Hitlers wurde die Geschichte aber zugleich „lebendiger“; den Anfang der alten Geschichte fand ich doch sehr langweilig und halt auch vor Allem langwierig. Gundi war ein fröhliches, verwöhntes Mädchen, von dem nichts erwartet wurde und das auch nicht viel mehr machte als auf die Eingebung zu dem einen Lied zu warten, was den Durchbruch ihrer kleinen Band bedeuten sollte. Dabei tat sie nach außen hin zwar sehr bemüht, versprach ihren Kollegen ständig DAS Lied, aber wirklich daran zu arbeiten schien sie nie. Eingangs passierte da nichts außer den Träumen und der Zuversicht, dass das mit der Musik schon werden würde, während ihre Bandkollegen teils noch wirklich sehr hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten ohne dass die in jener Hinsicht privilegierte Gundi sich deswegen je schlecht gefühlt hätte. Es war halt so… Für sie war es so, wie es war, und es blieb auch immer so, wie es nunmal just war… Sie fügte sich ein, reflektierte weder sich noch ihr Verhalten, blieb kritiklos und einfach nur abwartend.
Letztlich hoffte ich, dass ihre Beziehung zu Tadek, dem die Gegenwart vollauf bewusst war, ihr quasi den Kopf waschen würde, dass sie doch noch Stellung beziehen würde, aus ihrer Luftblase ausbrechen… Ich muss zugeben, dass mich das Ende der historischen Erzählung doch noch ein wenig überrascht hat; ich hätte dieses Familiengeheimnis hinter Wandas Biografie so nicht erwartet, bin aber auch uneins mit mir selbst, ob da nicht einfach die Resignation gewonnen hatte…

„Wenn wir wieder leben“ ist in jedem Fall ein sehr fordernder Roman; für mich klar lesens- und auch empfehlenswert. Aber der 1920er-Beginn war mir doch ein wenig zu langwierig, weswegen ich einen Stern abziehe; da ging die Handlung nur eher zäh voran. Charlotte Roth bezeichnet „Wenn wir wieder leben“ im Nachwort als ihren persönlichsten Roman und ich lese ihre Bücher wirklich gerne und auch wenn dies der bislang persönlichste Roman gewesen sein mag: Ihr bestes Werk war es für mich dennoch nicht.

Veröffentlicht am 25.01.2018

Drei in Eins...

N.N., Band 10, Fjällbacka-Serie
0

Als ich „Die Eishexe“ (bei NetGalleyDE) als Rezensionsexemplar anfragte, war ich einem Irrtum aufgesessen: Ich war mir sicher, bereits zwei Romane der Autorin gelesen zu haben, die mich zwar nicht völlig ...

Als ich „Die Eishexe“ (bei NetGalleyDE) als Rezensionsexemplar anfragte, war ich einem Irrtum aufgesessen: Ich war mir sicher, bereits zwei Romane der Autorin gelesen zu haben, die mich zwar nicht völlig vom Hockergerissen hatten, wobei die Kurzbeschreibung der „Eishexe“ auf mich nun aber so spannend wirkte, dass ich unbedingt noch einen Versuch wagen wollte. Kaum war das eBook auf meinem Kindle, löste auch schon das Autorenfoto Verwunderung bei mir aus: Die Autorin, die ich im Kopf hatte, sah doch ganz anders aus und vor Allem auch deutlich älter. Es folgte die Erkenntnis, dass ich von Camilla Läckberg doch noch nie ein Buch gelesen hatte, sondern sie mit einer ganz anderen Autorin verwechselt hatte. So ging ich also doch völlig vorurteilsfrei und bis dahin läckberg-unerfahren an die Lektüre.
Dass es sich hier gar um den 10. Band einer Reihe handelte, ist mir auch erst bewusst geworden, als ich das eBook längst auf dem Kindle vorliegen hatte: Verständnisschwierigkeiten hatte ich da zwar nicht; ich habe die berufliche und familiäre Ermittlersituation/-konstellation schnell überblickt, aber ein klitzekleines schales Gefühl blieb halt doch: Nach der „Eishexe“ bin ich nun auch überzeugt davon, mir die weiteren Teile der Reihe auch noch vorzunehmen; „Die Eishexe“ gefiel mir doch ganz gut.

Dass „Die Eishexe“ von drei Zeitsträngen erzählt, stellte mich vor kaum Probleme: Da habe ich nie den Überblick verloren. Etwas schwerer tat ich mich da mit der Masse an Figuren, die teils gleich geballt auf einen zustürmten. Vor Allem die Jugendlichen aus der Jetzt-Erzählung habe ich anfangs ständig miteinander verwechselt, ehe jeder von ihnen etwas mehr Profil bekam. Allzu geballt fand ich auch die diversen Problematiken rund um Mobbing, Ausgrenzung, Vorurteilen, Fremdenhass… die für mich schon fast so wirkten, als habe die Autorin irgendwann mal eine Wette abgeschlossen, in einem Roman möglichst viele aktuelle Probleme (ob nun soziale, gesellschaftliche oder politische) unterzubringen. Da hätte ich es schöner gefunden, wäre auf mindestens einer (symbolischen) Hochzeit weniger getanzt worden, denn „in echt“ wurde hier ohnehin auch noch geehelicht. Grundsätzlich mochte ich den Kriminalfall ja sehr, aber das Drumherum fand ich an so mancher Stelle doch viel zu überzogen.

Ferner weiß ich nicht, wer „alle“ aus der Buchbeschreibung sein sollen, die plötzlich von der Eishexe reden. Irgendwie ist diese Gesprächsthematik im Heute völlig an mir vorbeigegangen; ich habe mich eher gefragt, was der historische Zeitstrang überhaupt in diesem Buch verloren hatte und habe gar keinen Zusammenhang zu den Fällen der neueren Zeit gesehen. Ganz zum Schluss wird da zwar eine Verbindung hergestellt, aber ich fand das sehr konstruiert. Die Erzählung von anno dazumal war für mich eher wie eine Bonusgeschichte im Roman, die ich aber sehr mochte. Als historischen Einzelroman mit eben dieser Thematik würde ich das auch ganz gerne gelesen haben. Da ist die Buchbeschreibung meiner Meinung nach völlig falsch: Angesichts deren zweiten Abschnitts habe ich später sogar noch kurz überlegt, ob ich irgendwie eine falsche Version des Romans erhalten hätte, aber offensichtlich ist anderen Lesern doch auch aufgefallen, dass die ominöse „Legende der Eishexe“ während der Ermittlungen doch gar nicht zur Sprache kam.

Dafür, dass vorher alles immer so aufgebauscht und höchstdramatisch war und in der Gegenwart alles auch noch auf einen sehr heftigen showdown zulief, fand ich es auch schon fast enttäuschend, was genau hinter dem Verschwinden der beiden kleinen Mädchen in den letzten 30 Jahren steckte: Da war die Auflösung mitunter das am Wenigsten „Böse“ im Roman. Bzw. es hätte durchaus böser und hinterhältiger wirken können, wenn diese beiden Fällen vor dem ganzen Drumherum, grad bzgl. der gegenwärtigen Jugendlichen, nicht so ins Hintertreffen geraten wären. Der Inhalt hätte vermutlich auch für drei Einzelgeschichten gereicht (1. die Eishexen-Legende, 2. die Fälle der verschwundenen Mädchen, 3. das Drama um die Jugendlichen); so war das schon sehr durchgewurschtelt.

Generell mochte ich alle drei Geschichten, der Schreibstil sagte mir auch zu und wie gesagt: Ich bin nun deutlich an der gesamten Reihe interessiert und darum vergebe ich letztlich auch vier Sterne, obschon dieses „3 in 1“-Romanding „Die Eishexe“ für mich eigentlich zu einem Drei-Sterne-Roman machte, denn weniger ist halt manchmal mehr und hier wäre weniger in meinen Augen auch schon mehr als ausreichend gewesen. Der vierte Stern begründet sich da nu wirklich ausschließlich im geweckten Interesse und mir zusagendem Schreibstil. Empfehlen würde ich „Die Eishexe“ vor Allem Denen, die es eben doch gerne verschachtelter mögen, aber insbesondere ebenfalls Reihen-Fremden sonst wohl eher zu anderen Krimis raten.