Spannungslos, Emotionslos, am Thema vorbei
Ein Amoklauf an der Opportunity Highschool irgendwo in Amerika. Ein schrecken jedes Schülers, jedes Lehrers, jedes Elternteils.
Während der Begrüßungsrede der Schulleiterin stürmt Tyler, bis an die Zähne ...
Ein Amoklauf an der Opportunity Highschool irgendwo in Amerika. Ein schrecken jedes Schülers, jedes Lehrers, jedes Elternteils.
Während der Begrüßungsrede der Schulleiterin stürmt Tyler, bis an die Zähne bewaffnet, die Aula. Und schießt auf seine Mitschüler. Die Türen sind verriegelt und jeder der sich nicht so bewegt wie >er< es will kriegt eine Kugel ab.
Mit unter den Schülern sind unter anderem Tylers Schwester Autumn und ihre beste Freundin Sylv, draußen vor der Schule trainier Claire, Tylers Ex-Freundin, mit ihrer Laufmannschaft und im Schulgebäude streifen Sylvs Bruder Thomas und einer seiner Freunde durch die Gänge, als sie die Schüsse hören.
Insgesamt 54 Minuten dauert der Horror.
Amoklauf ist ein Thema mit dem nicht zu spaßen ist. In meiner persönlichen Sicht wird dieses Thema medial oft falsch angegangen; der gesamte Hintergrund, was den Täter dazu bewegt, wird meistens auf das Medium Videospiele geschoben und gar nicht weiter hinterfragt. Es gibt keine Rechtfertigung für einen Amoklauf. Keine. Klar, sagt jeder mal in seinem Leben so etwas wie „Boha, ich lauf hier gleich Amok!“, aber das sind meist nur Floskeln. Umso gespannter war ich, was es mit Tyler auf sich hat. Warum er so handelt!
Doch schnell musste ich feststellen, dass der eigentliche Fokus auf den unfassbar schlecht ausgearbeiteten Charakteren lag, statt auf den Motiven des Täters. Klar, irgendwie war Tyler in den Kapiteln immer mit dabei. Aber so richtig sich mit dem „Jungen mit der Waffe“ beschäftigt hat sich keine der Perspektiven.
Claire berichtet immer mal wieder davon was für ein netter Kerl Tyler doch mal war (während sie auf die Polizei warten) und Autumn hat ein paar „Anekdoten“ aus dem Zusammenleben mit ihrem Bruder. Doch auch sie schildert „nur“ „privates Leid“, was nicht wirklich seinen Hass auf die Schule und seine Mitschüler erklärt.
Von dem Amoklauf selber bekommt der Leser auch nicht wirklich was mit. Immer wieder werden versucht Zusammenhänge herzustellen. Zu dem Geschehenen und dem was aktuell geschieht. Kleiner Tipp, an diesen Stellen sollte man sich was zu schreiben rauslegen. Ansonsten kommt man bei den ganzen unsinnigen und unnützen Zeug was die Charaktere da so reden nicht mehr wirklich mit!
Sylv, Autumn, Claire und Thomas haben so unglaublich viel zu sagen zu dem wie Tyler früher oder eher vorher war, aber dennoch sind ihre Aussagen so absolut nichtssagend! Die meiste Zeit wird nur von Tylers Vergangenheit geredet, doch statt zu ergründen, was ihn dazu bewegt hat jetzt zum Amokläufer zu werden, wird er von allen Seiten (außer von Claires) nur… abgetan. Nicht ernst genommen. Als hätte Tyler keine Probleme, oder wäre selber daran schuld.
So genau habe ich das auch nicht mehr im Kopf weil, OH MEIN GOTT! Wie hat man es nur geschafft eine solche Thematik nur so unendlich langweilig zu verpacken!? Ich hatte ja noch gehofft, das Autumn die Interessanteste der vier Protagonisten ist. Aber um Himmelswillen! Ihre Gefühlsebene passt auf die Spitze eines Zahnstochers.
Sylvl war zu… zu… wie soll man das beschreiben? Sachlich? Alles hat sie aus einer Perspektive betrachtet wo ich mich teilweise gefragt habe: „Mädel? Weißt du eigentlich was da grade passiert? Mitschüler und Lehrer sterben! Und du durchlebst hier grade deine persönliche Midlifecrisis!?“
Was Thomas mit seiner… „Rettungsaktion“ beabsichtigen wollte ist mir relativ schleierhaft. Ich bezweifle auch, dass sich das so in einer solchen Situation wirklich umsetzen lässt.
Und Claire… ja. Claire. Sie war so nichtssagend, dass mir von ihr so absolut gar nichts mehr im Kopf geblieben ist.
Auch die zwischen den Kapiteln eingeworfenen Tweets oder SMS helfen da nicht grade weiter. Es wird keine Stimmung oder Atmosphäre aufgebaut. Außerdem: Wenn ich in einen Amoklauf verwickelt bin oder in einer anderen Gefahrenzone, werde ich mich davor hüten das auf Facebook zu posten und mich eher bei meiner Mutter oder meinem Vater melden. Denn Sinn hinter diesen Posts habe ich nicht wirklich begriffen.
Ich hatte im gesamten das Gefühl, dass diese ganze Situation nicht ernst genommen wird.
Angefangen bei der absolut weltfremden Sicht einiger Perspektiven, die lieber in Erinnerungen schwelgten, anstatt wirklich nach Lösungen zu suchen, bis hin zu der Polizei, die gefühlt erst nach Stunden an der Schule ankommt und da erstmal fett ein Kaffeekränzchen hält und sich gemütlich Zeit lässt die Situation unter Kontrolle zu bringen. Es kann doch nicht sein, dass zwei pubertäre Jugendliche besser im „retten“ sind, als ausgebildete Polizisten!
Alles in allem ist das Marieke Nijkamps „Nr. 1 New York Times Bestseller“ und „packender Roman“ nichts weiter als heiße Luft. Die eigentliche Thematik wird gar nicht bis kaum angerührt. Die Charaktere sind blass und zu mehr auch nicht zu gebrauchen. Es kommt keine Spannung auf, keine Erklärungen nur ein ungenaues, unübersichtliches Gewusel vierer Perspektiven, die ich lieber in zwei oder sogar nur in einer gehabt hätte.
Als Schullektüre vielleicht noch mal ganz interessant, aber so? Nein, dafür wird das gern Problem, der Plott der Geschichte zu wenig bearbeitet und zu wenig beleuchtet.
„54 Minuten – Jeder hat Angst vor dem Jungen mit der Waffe“ kriegt von mir, leider, nur einen von möglichen 5 Sternen