La dolcezza amara della vita
Schon lange ist die Blütezeit des 68-Blumenkindes Angie Schirner vorbei. Die 72-jährige Journalistin schlägt sich in Berlin mit kleinen Aufträgen, die ihr von einer Freundin zugeschustert werden, gerade ...
Schon lange ist die Blütezeit des 68-Blumenkindes Angie Schirner vorbei. Die 72-jährige Journalistin schlägt sich in Berlin mit kleinen Aufträgen, die ihr von einer Freundin zugeschustert werden, gerade so durch. Zu ihrer Tochter Janis hat sie seit Jahren keinen Kontakt und auch ihre Enkeltochter Leonie hat sie zuletzt als Kleinkind gesehen. Doch dann begegnet ihr Janis zufällig mitten in Berlin, der alte Zwist steht noch immer zwischen ihnen, so dass Janis Angie einfach stehen lässt. Aber Angie gibt so schnell nicht auf und macht durch leichte Spitzelarbeit die Bekanntschaft von Leonie, die nicht weiß, dass Angie ihre Oma ist. Da die 16-jährige Leonie mit ihrer Mutter so gar nicht kann und lieber mit ihren Freundinnen auf Ibiza die Sommerferien verbringen will, als mit Janis und deren Lover Sven in einem Wohnwagen durch Schweden zu fahren, schleicht sich das umtriebige Mädchen mit Sack und Pack davon und zwingt Angie, die sich gerade für eine Reportage mit ihrem klapprigen Porsche auf den Weg zu alten Hippiefreunden nach Sardinien macht, sie mitzunehmen. Schon bald stellen Angie und Enkelin Leonie fest, dass sie auf einer Welle schwimmen. Doch sie haben nicht mit Mutter Janis gerechnet…
Tessa Hennig hat mit „Von wegen Dolce Vita!“ einen sehr unterhaltsamen und witzigen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und lässt den Leser mit den ersten Zeilen in die Seiten abtauchen, um Angie und ihr Welt während der Fahrt nach Sardinien, aber sie auch im Kreise ihrer alten Freunde kennenzulernen. Leonie wächst dem Leser ebenfalls ans Herz, je mehr man von ihr erfährt und vor allem je mehr man von Janis und Sven zu lesen bekommt. Wunderbar lässt die Autorin ihre alternde Hauptprotagonistin eine „Sextanerblase“ mit Seniorenwindeln bekämpfen, die Musik der alten Helden von Woodstock wiederaufleben und das Grasrauchen wieder salonfähig werden. Die alten Blumenkinder, die für freie Liebe und gegen den Krieg demonstriert haben, sind in die Jahre gekommen, haben andere Lebenswege eingeschlagen, als sie jemals vorhersehen konnten. Aber es gibt auch einige Neuaussteiger, die der Jagd nach Erfolg und Geld abgeschworen und sich ein völlig anderes Leben aufgebaut haben. Vor der malerischen Kulisse Sardiniens lässt die Autorin diesen bunten Strauß an teils skurrilen Protagonisten ihrem Alltag nachgehen und gewährt dem Leser dabei einen Blick durchs Schlüsselloch auf alte Gefühle, nostalgische Erinnerungsfetzen und neue Romantik. Wunderbar stellt sie die verschiedenen Generationen gegenüber und entlockt dem Leser mit witzigen Dialogen so einige Lachsalven.
Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und versprühen mit ihren individuellen Eigenschaften einen Charme, dem sich der Leser nicht entziehen kann und Teil der illustren Hippiegemeinschaft wird. Angie ist eine liebenswürdige Frau, die für ihr Alter noch recht unternehmungslustig ist. Sie ist offen und ehrlich und sieht das Leben nicht mehr durch die rosarote Brille. Von ihrer Erfahrung kann Enkelin Leonie profitieren, die erst als rebellischer Teenager daherkommt, um so dann Stück für Stück zu einer sympathischen jungen Frau zu mutieren. Janis wirkt wie eine verknöcherte alte Frau, die nur nach Prinzipien leben kann, aber auch sie mutiert bald zu einer Frau, die die Leichtigkeit des Lebens durchaus zu schätzen weiß. Aber auch Hans oder Sven tragen ihr Scherflein dazu bei, dass die Handlung konstant in Bewegung und abwechslungsreich bleibt.
„Von wegen Dolce Vita!“ ist ein witziger und kurzweiliger Roadtrip mit Urlaubsfeeling, der sich in das Herz des Lesers stiehlt und für unterhaltsame Lesestunden sorgt. Absolute Leseempfehlung!