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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.08.2019

Schlag in den Magen

Wir von der anderen Seite
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Zum Inhalt:
Während eines Krankenhausaufenthaltes treten bei der Drehbuchautorin Rahel Komplikationen auf und sie wird in ein künstliches Koma versetzt. Nach dem Erwachen fehlen ihr Erinnerungen und ihr ...

Zum Inhalt:
Während eines Krankenhausaufenthaltes treten bei der Drehbuchautorin Rahel Komplikationen auf und sie wird in ein künstliches Koma versetzt. Nach dem Erwachen fehlen ihr Erinnerungen und ihr Körper sieht nicht nur anders aus, sondern funktioniert nicht mehr so, wie sie es vor diesem Einschnitt gewohnt war. Glücklicherweise steht ihre komplette Familie hinter ihr und auch ihre Freunde versuchen, sie auf dem steinigen Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten.

Mein Eindruck:
Bei diesem Roman mit autobiographischen Zügen beschreitet Decker Wege abseits der leichten Muse, für die sie sonst bekannt ist. Denn auch wenn sie treffsicher und pointiert Einsprengsel ihres Humors einsetzt, bleibt „Wir von der anderen Seite“ doch ein eher ernster Roman über die Probleme, welche ein plötzlicher krankheitsbedingter Schicksalsschlag mit sich bringt. Dass sich Decker durch ihren eigenen Hintergrund in ihre Protagonistin – genial gesprochen von Katja Riemann – perfekt einfühlen kann, macht die Geschichte noch einen Ticken besser, als sie ohne dieses Wissen wäre. Sprachlich einwandfrei (von einer langjährigen, erfolgreichen Autorin erwartbar) bekommt die Leserschaft einen ungeschönten Blick auf das Schauspiel-Business mit all seinen Höhen und Tiefen und einen Eindruck der Ängste eines Freiberuflers. Doch hauptsächlich geht es um den Kampf gegen die Nachwirkungen der Krankheit, die damit verbundenen Probleme, den steinigen Weg in eine ungewisse Zukunft. Dass dabei nicht alles Gold ist, was glänzt, welchen Einfluss die Erziehung und das Umfeld auf den Charakter hat und wie aus etwas Schlechtem auch etwas Gutes erwachsen kann, bildet dafür den perfekten Rahmen.
Man kann diesen Roman mögen oder nicht, - ungerührt bleiben wird aber wohl niemand. Er ist definitiv nicht für das Hören oder Lesen in der Öffentlichkeit geeignet, denn oft bleibt kein Auge trocken.
Das Ende zeigt die Entwicklung der Figur und ist wie der Rest des Buches – nicht nur positiv, aber ergebnisoffen mit einem Silberstreif am Horizont.


Mein Fazit:
Ein Highlight in diesem Jahr

Veröffentlicht am 16.07.2019

Großartig, ohne Abstriche!

Achtsam morden
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Zum Inhalt:
Der Anwalt an Björn Diemel muss an vielen Fronten kämpfen: Die Kanzlei, in der er arbeitet, befördert ihn 1. nicht, weil er 2. den cholerischen, Björn in die Ecke treibenden Gangsterboss Dragan ...

Zum Inhalt:
Der Anwalt an Björn Diemel muss an vielen Fronten kämpfen: Die Kanzlei, in der er arbeitet, befördert ihn 1. nicht, weil er 2. den cholerischen, Björn in die Ecke treibenden Gangsterboss Dragan betreut, der 3. von Björns misstrauischen Freund bei der Polizei akut eines Mordes verdächtigt wird. Zu allem Überfluss ist seine Frau dermaßen genervt von der Situation, dass sie nicht nur 4. schlechteste Ehelaune verbreitet, sondern zusätzlich 5. einen Umzug mit der gemeinsamen Tochter Emily androht. Die einzige Chance, diesem gesammelten Stress zu entkommen, scheint in einem Achtsamkeitsseminar zu liegen. Dieses absolviert Björn und das so erfolgreich, dass er seine Probleme allesamt löst. Blutig, aber achtsam!

Mein Eindruck:
Selten bin ich mit Jan Böhmermann auf einer Wellenlänge, was Humor anbetrifft. Aber seine Meinung, die im Klappentext zitiert wird, kann ich vorbehaltlos unterschreiben. Wenn Monty Python ein Buch geschrieben hätte, wäre es wohl ähnlich dem von Karsten Dusse geraten: Tiefschwarzer Humor, politisch inkorrekt bis ins Mark, weder Kinder noch Ausländer oder Frauen werden verschont, Polizisten sind korrupt, die Anwaltschaft bigott, die Umwelt wird auf Kosten von Kinderarbeit und einem CO2-Abdruck, der Goliath zur Ehre gereicht, nur pseudomäßig von modernen Gutmenschen gerettet.
Dusse schreibt nicht nur bildhaft, sondern so flüssig, dass man sich in einem Strom von gut gesetzter Achtsamkeit verlieren könnte, während man tief ein- und ausatmet. Überhaupt die Bilder: Kriminelle Großkaliber, die ihr Meeting auf Kindergartenstühlchen abhalten und über Fischstäbchen und Buchstabensuppe sinnieren, - auf diese Idee muss man erst einmal kommen und sie ist nicht die einzige, die zu spontanem Gelächter auf der Couch veranlassen lässt. Selbst blutrünstige Szenen werden durch die perfekte Absurdität der Ereignisse abgemildert. Dusses kurze Kapitel (immer mit einer Achtsamkeits-Übung als Einleitung) laden dabei immer zu einem Weiterlesen ein. Wirklich „gute“ Menschen gibt es in diesem Buch zwar nicht, trotzdem kristallisiert sich sehr schnell für die Leser heraus, wem man ein Happy-End wünscht und wem eben nicht, - Kollateralschäden gerne inbegriffen.

Mein Fazit:
Ein Highlight am Krimihimmel!

Veröffentlicht am 06.07.2019

Hintergründig

Wo die Angst beginnt
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Zum Inhalt:
Seit der Fotograf Mark seine Frau bei einem Unfall verloren hat, vergräbt er sich in seinem Haus. Doch dann vermittelt ihm Cleo, seine Schwester, den Auftrag, Evie zu portraitieren und er ...

Zum Inhalt:
Seit der Fotograf Mark seine Frau bei einem Unfall verloren hat, vergräbt er sich in seinem Haus. Doch dann vermittelt ihm Cleo, seine Schwester, den Auftrag, Evie zu portraitieren und er verliebt sich in die junge Frau. Aber kurz nachdem eine Tochter das vermeintliche Glück komplett macht, erleidet Evie immer wieder Verletzungen, von denen sie behauptet, dass ihre eigene Schusseligkeit daran schuld ist. Und schließlich findet wieder ein Drama in dem schönen Haus am Meer statt, welches nur eine Person überlebt und für das die andere dieses Mal angeklagt wird.

Mein Eindruck:
Ein besonderes Kompliment ist Rachel Abbott dafür zu machen, dass sie ihre Leser sehr lange über die Gemengelage Mord, Unfall, Körperverletzung, Selbstmord und häusliche Gewalt an der Nase herumführt. Und das dabei so geschickt macht, dass man bei aller Verblüffung durchaus auf die Umstände hätte kommen können, wenn man von Anfang an aufmerksam gelesen hätte. Erst kurz vor der Auflösung lässt sie eine Hauptperson einen Satz sprechen, der dem geübten Thriller-Leser die Aufklärung nahe bringt. Und nahe ist einem der Fall, egal ob von Evie in der ersten Person geschildert oder in der dritten Person (aber immer mit einem Charakter im Mittelpunkt) erzählt wird. Absolut eindringlich schildert sie die Qualen, die durchlebt werden, die Hintergründe der Aktionen sind deutlich und die Charakteranzahl ist gut gewählt: Wenig genug, um glaubwürdige Tiefe zu erzeugen aber eben auch so viele, dass das Ziel der Entlarvung nicht zu einfach gerät. Das Personal bei Gericht und Polizei fügt sich sehr gut in die Schar und lässt fast bedauern, dass es sich bei „Wo die Angst beginnt“ um einen alleinstehenden Thriller handelt, es also keine weitere Entwicklung in einem Folge-Buch geben kann.
Das Ende des Buches ist perfekt, bietet es nicht nur restlose Aufklärung, sondern auch noch ein gewisses Augenzwinkern.

Mein Fazit:
Rundum gelungen

Veröffentlicht am 26.05.2019

(Alp)Traumfabrik

Der blutrote Teppich
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Zum Inhalt:
Hardy Engel hat den Traum von der Schauspielerei aufgegeben und widmet sich ganz seiner Detektei im Hollywood der 20er Jahre. Immer knapp bei Kasse freut er sich über den Auftrag, den der Regisseur ...

Zum Inhalt:
Hardy Engel hat den Traum von der Schauspielerei aufgegeben und widmet sich ganz seiner Detektei im Hollywood der 20er Jahre. Immer knapp bei Kasse freut er sich über den Auftrag, den der Regisseur William Desmond Taylor ihm erteilen will. Doch dann wird Taylor erschossen und Hardy bei dem Versuch der Aufklärung von allen Seiten behindert. Denn viele haben nicht nur die sprichwörtliche Leiche im Keller und scheuen sich auch nicht, dieser noch einige weitere hinzuzufügen: Hohe Tiere im Filmgeschäft, der Politik und nicht zuletzt bei der Polizei.

Mein Eindruck:
Wie schon bei seinem ersten Krimi aus den ersten Jahren der Traumfabrik beweist Weigold den richtigen Riecher für Skandale, die damals wie heute die Gemüter bewegen. Ein toter Regisseur, viele bekannte Namen unter Verdacht, schöne Frauen, skrupellose Männer und mittendrin Hardy Engel, der sich nicht korrumpieren lässt. Der perfekte Held, da er eben nicht perfekt ist: Kein Geld, um seine alte Liebe trauernd, Glasauge, hoher Verbrauch von verbotenem Alkohol, aber trotzdem die weißeste Weste innerhalb aller Schattierungen von grau bis tiefschwarz. Großen Spaß bereiten immer wieder die Erwähnungen der Personen des öffentlichen Interesses, von denen der Autor einige in seinem Werk auftreten lässt: Charlie Chaplin, Carl Laemmle, Cecil B. DeMille sind nur einige, die Weigold aufs schriftstellerische Korn nimmt und genüsslich seziert. Weigold besitzt einen absolut gängigen Schreibstil und ein Talent für Beschreibungen. Sein Detektiv ist mit genau der richtigen Prise Selbstironie und schwarzem Humor ausgestattet und – da er in der ersten Person erzählt – tappen die Leser gemeinsam mit dem Ermittler im Dunkeln, bis sich der Fall klärt. Doch da wir uns in Hollywood befinden, gibt es zum Schluss die große Nebelmaschine und alle Aufklärung geht in Rauch auf. Glücklicherweise gibt es einen Epilog, denn nach dem Fall ist vor dem Fall. Und mit dem erkämpften Respekt und seinem kleinen Netzwerk von einigen Aufrechten sollte es Hardy gelingen, hoffentlich bald noch einige Vertuschungen aufzudecken und seltsame Todesfälle zu klären. Diese werden ganz bestimmt wieder ein Spaß für seine Leser sein, selbst wenn sie (natürlich) zwischen den dicken Deckeln eines unveröffentlichten Drehbuchs verschwinden und sich die Politik gemeinsam mit den Filmbossen für das höhere Gut verbündet: Money makes the world go round.

Mein Fazit:
Guter Stil, auch wenn der Anzug nicht sitzt

Veröffentlicht am 15.05.2019

Fulminant

The Fourth Monkey - Das Mädchen im Eis
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Zum Inhalt:
Nachdem der Fourth Monkey Killer Bishop entkommen ist, werden wieder Mädchen tot aufgefunden. Und obwohl die Handschrift an Bishop erinnert, meint der Polizeibeamte Sam Porter noch etwas Anderes ...

Zum Inhalt:
Nachdem der Fourth Monkey Killer Bishop entkommen ist, werden wieder Mädchen tot aufgefunden. Und obwohl die Handschrift an Bishop erinnert, meint der Polizeibeamte Sam Porter noch etwas Anderes in den Morden zu sehen. Etwas, oder Jemand. Deshalb macht er sich auf die Jagd. Suspendiert und misstrauisch beäugt vom FBI, nur mit Hilfe einer Anwältin und dem unterschlagenen Tagebuch aus Bishops Kindheit. Denn dort hofft er Antworten zu finden, doch manchmal findet man mehr, als man sucht. Und nicht immer gefällt einem das, was man findet.

Mein Eindruck:
Dieser Autor wagt eine Gratwanderung, indem er in seiner Geschichte relativ viele Klischees und NoGos benutzt, die eine deren überdrüssige oder zartbesaitete Leserschaft stören könnten. Der Protagonist Sam Porter hat Probleme, den Tod seiner Frau zu verkraften, der Antagonist Bishop eine über alle Maßen schwere Kindheit, die Morde werden an unschuldigen Kindern verübt und zudem noch sehr detailliert beschrieben und grausam ausgeführt. Zu allem Überfluss verweist er auf eine sehr ärgerliche Weise oft auf den Vorgänger „Geboren, um zu töten“. Denn einerseits wird man das Buch nicht mehr lesen wollen, da alle Twists und Geheimnisse bekannt sind, andererseits bemerkt man schnell, dass die Lücken im Verständnis fast zu groß sind. Aber – und genau das ist die große Kunst Barkers – eben nur „fast“. Denn er beherrscht die große Kunst zu unterhalten, von allen Zutaten genau so viel für den Cocktail „Thriller“ zu verwenden, dass dieser schmeckt und süchtig macht, - nach der nächsten Seite, dem nächsten Kapitel, dem nächsten Buch. Seine Charaktere sind gut gewählt, handeln folgerichtig, man kann mit ihnen fiebern, sie verstehen, mit ihnen leiden und sie verachten; alles zu seiner Zeit und jedem so, wie ihm gebührt. Und so manches Mal bringt man widersprüchliche Gefühle für widersprüchliche Menschen auf und so manches Mal wird man von ihren Handlungen komplett überrascht. Doch auch diese Twists geraten Barker verständlich und nach dem großen Knall in der Gegenwart führt er die Leser zurück in die Vergangenheit, die vieles erklärt und die Gier auf den nächsten Band nährt.

Mein Fazit:
Hoffentlich lässt das nächste Buch nicht allzu lange auf sich warten