Gloria ist eine arbeitslose promovierte Kunsthistorikerin, die mit ihrem Freund Daniel, der Gymnasiallehrer ist, in der Nähe von Wien lebt. Die beiden sind die absoluten Gegensätze. Während er einer geregelten Arbeit nachgeht, verdient sie eher unregelmäßig Geld mit ungeliebten Kunstobjekten.
Gloria ist die entwurzelte Prinzessin auf der Erbse, die bei ihrem Onkel aufgewachsen ist, deren Mutter früh verstorben und deren Vater unbekannt ist. Daniel ist der besonnene Realist aus eher spießigem, aber intaktem Elternhaus. Gloria lebt hauptsächlich vegetarisch, Daniel ist bekennender Fleischesser. Gloria tanzt für ihr Leben gern und ist darüber hinaus gerne gesellschaftlich aktiv, Daniel hasst tanzen und zieht sich lieber stundenlang mit seinen Büchern zurück.
Eines Tages erbt Gloria ein Schloss in Waldstetten, einer ländlichen Gegend in Niederösterreich. Erblasserin ist Tante Adelheid, die sie jedoch nie kennengelernt hat. Sie verliebt sich sofort in das alte Gemäuer, während Daniel und der verwitwete Onkel Konrad (Glorias Vertrauensperson) aufgrund der fälligen Investitionen eher skeptisch sind.
Da Waldstetten Modellregion für das bedingungslose Grundeinkommen ist, fällt es Gloria und Daniel verhältnismäßig leicht, ihren Wohnsitz zunächst zeitlich begrenzt ins Schloss zu verlegen. Dort werden sie nicht nur mit dem Investitionsstau konfrontiert, sondern auch mit dem seltsamen und distanzierten Benehmen der Dorfeinwohner, allen voran dem Bürgermeister.
Das Buch lebt von diesen zwischenmenschlichen Aktionen, sei es den Dorfbewohnern untereinander, den Alteingesessenen gegenüber den „Zuagreisten“ oder den Protagonisten untereinander. Die Autorin versteht es wunderbar, eine menschliche Atmosphäre zu schaffen, in die man als Leser sehr schnell eintauchen und sich wohlfühlen kann. Oft haben mich die unperfekten und deshalb so realistischen, aber extrem sympathischen Charaktere in meinem Alltag begleitet, so daß ich schmunzeln musste. Überhaupt musste ich beim Lesen immerwieder lachen.
Zum einen gab es herrliche Situationskomik (die Pilz-Szene), zum anderen werden die Österreicher und insbesondere die Landbevölkerung wunderbar liebevoll auf die Schippe genommen, z.B. in der Artischocken-Szene: „Von mir aus, aber mir kannst mit diesen Disteln in Zukunft fernbleiben. Ein anständiges Bratl ist mir lieber.“
Die folgende Charakterbeschreibung fand ich auch ganz herrlich: „Sie war nicht der Typ der melodramatischen Überhöhung“ oder „Er ist ein Staudenhocker allererster Güte“.
Auch witzige Wortschöpfungen wie „die Schloss-Fiffi, depperte“ trieben mir immerwieder Lachtränen in die Augen.
Als Nicht-Österreicher habe ich auf kulinarischer Ebene viel dazugelernt. Bei Gerichten wie Grammelknödel mit Kraut, gefüllte Kalbsbrust, Selchfleisch oder Topfengolatschen ist mir regelmäßig das Wasser im Mund zusammengelaufen, und ich war froh, kein Vegetarier oder gar Veganer zu sein.
Da Gloria im gesamten Buchverlauf ihre Familienchronik zusammenträgt, wurden zwangsläufig Verwandschaftsbeziehungen aufgezeigt. Diese fand ich nicht immer leicht verständlich, zuweilen etwas verwirrend, da es um verwandtschaftliche Beziehungen bis in die 4. Generation geht. Das hat aber meinem Lesegenuß keinen wesentlichen Abbruch getan, deshalb vergebe ich dafür auch keinen Punktabzug, halte es aber für erwähnenswert.
Interessant finde ich, wie sich die Autorin mit hochaktuellen Themen wie dem bedingungslosen Grundeinkommen oder der Landflucht befasst hat. Sie hat die Vor-und Nachteile neutral in die Handlung eingearbeitet, was der Geschichte einen gewissen politischen und gesellschaftskritischen Touch verleiht, ohne belehrend zu wirken oder das Genre des heiteren Gesellschaftsromans zu verlassen.
Obwohl ich das Buch aufgrund des Covers eher für die Zielgruppe >60 vermutete, war ich doch froh, den Klappentext gelesen zu haben. Nach der Lektüre kann ich guten Gewissens behaupten, daß das Buch in jeder Altersgruppe zu empfehlen ist.
Die Handlung ist modern, witzig und herrlich aus dem Leben gegriffen, dabei nie langweilig oder übertrieben. Ich freue mich auf die Folgegeschichten!