Ein Wechselbad der Gefühle
Sweet SorrowEiner der größten Dramatiker der Weltgeschichte und ein zielloser Sechszehnjähriger passen nicht zusammen? David Nicholls beweist im Coming-of-Age-Roman „Sweet Sorrow“, dass Klassiker und Moderne einfach ...
Einer der größten Dramatiker der Weltgeschichte und ein zielloser Sechszehnjähriger passen nicht zusammen? David Nicholls beweist im Coming-of-Age-Roman „Sweet Sorrow“, dass Klassiker und Moderne einfach zusammengehören.
Charlie ist ein ganz normaler Junge. Durch und durch nichts Besonderes. Das denkt zumindest er selbst. Nachdem er seine Abschlussprüfungen gründlich vermasselt hat, erwartet ihn ein langer Sommer voller trister Arbeit an der Tankstelle und dem draußen Herumlungern, auf der ständigen Flucht vor seinem depressiven Vater und seiner egozentrischen Mutter. Doch dann geschieht ein kleines Wunder. Fran. Als er der intelligenten, charismatischen Fran begegnet ist es sofort um ihn geschehen und der Sommer scheint doch nicht so übel zu werden. Doch hat Charlie die Rechnung ohne Fran gemacht, denn ihre Bedingung: Wenn Charlie Zeit mit ihr verbringen will muss er sich ihrer Theatergruppe anschließen und nicht geringeres spielen als Shakespeares „Romeo und Julia“.
David Nicholls hat eine unvergleichliche Art seine Figuren aufzubauen. Es wird nichts beschönt, keine unschönen Details ausgelassen und dennoch nicht auf die Tränendrüse gedrückt. Der Schreibstil ist wunderbar leichtgängig, unprätentiös und mit einer guten Portion trockenem, sarkastischem Humor.
Es ist eine tolle Idee den erwachsenen Charlie auf seinen besonderen Sommer zurückblicken zu lassen und so eine reflektierte Position des Geschehens zu erfahren, anstelle der Unbedachtheit eines Jugendlichen. Was dabei jedoch schade ist, ist dass dem erwachsenen Charlie bei Weitem nicht der Platz eingeräumt wurde, den der Klappentext suggeriert, was durchaus falsche Erwartungen wecken kann. Ich hätte mir hier mehr ausführlichere Wechsel zum gegenwärtigen Charlie gewünscht, um nicht nur kennenzulernen wer er war, sondern auch wer er ist.
Ich liebe die Verbindung zu Shakespeare, die sich durch den gesamten Roman zieht! Immer wieder fließen kleine Passagen aus „Romeo und Julia“ in die Story ein, ohne dass sie die Handlung zu sehr dominieren. Insgesamt sind die Passagen der Theatergruppe zu langatmig, was an der enormen Detailtiefe liegt, in der jede einzelne Situation beschrieben wird. Was an dieser Stelle teils von Nachteil ist, ist an anderer Stelle aber auf den Punkt und absolut nötig. So verdient Charlies komplizierte Familiensituation jedes Wort, ist sehr aufwühlend, bewegend und gibt dem Roman eine entscheidende Tiefe.
Insgesamt ist der Roman aber doch eher begleitet von einem Wechselbad der Gefühle. Die Idee ist großartig, die Sprache absolut perfekt getroffen, durch die teils langatmige Handlung und eine seltsame Gewichtung der Vergangenheit und Gegenwart bleibt aber ein unbefriedigendes Gefühl zurück.