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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.08.2019

Ein unbequemer, aber wichtiger Roman

Die Nickel Boys
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Als Exil-Ostdeutsche beschäftigt mich das Thema Rassismus sehr, sowohl der aktuelle als auch der historische. Aufgewachsen bin ich zu einer Zeit, in der es in Sachsen-Anhalt völlig normal war als Jugendliche*r ...

Als Exil-Ostdeutsche beschäftigt mich das Thema Rassismus sehr, sowohl der aktuelle als auch der historische. Aufgewachsen bin ich zu einer Zeit, in der es in Sachsen-Anhalt völlig normal war als Jugendliche*r Neonazi zu sein, genau so normal wie es war Gothic, Metaller oder Hip Hopper zu sein. Diese Selbstverständlichkeit andere Menschen grundlos hassen zu dürfen verfolgt mich bis heute.

Deshalb war Colson Whiteheads neues Buch eine Pflichtlektüre für mich. Den Autor kannte ich schon von Underground Railroad, welches in den USA zur zeit der Sklaverei spielt. In 'Die Nickel Boys' beschäftigt sich Whitehead mit institutionellem Rassismus und Gewalt in staatlichen Erziehungseinrichtungen am Ende der Ära der amerikanischen Rassentrennung. Der Roman ist angelehnt an einen echten Fall.

Der junge Elwood ist strebsam, will aufs College und studieren. Er arbeitet hart dafür, in der Schule sowie in seinem Nebenjob um seine Bildung bezahlen zu können. Leider ist dies in den Sechzigern nicht selbstverständlich für einen schwarzen Jungen wie ihn. Er macht bereits als Kind erste Erfahrungen mit Rassismus. Als er als Jugendlicher durch einen unglücklichen Zufall zu Unrecht verurteilt wird, kommt er in die 'Besserungsanstalt' Nickel School. Um seine Erfahrungen dort geht es in diesem Roman vorrangig.

Whitehead schreibt wie immer bildgewaltig und emotional. Das Thema fasst er in eine anrührende und aufrührende Geschichte. Man bleibt am Ende traurig, geschockt und auch wütend zurück. Damit lässt der Autor die Leserschaft allein und ich denke, das hat er auch so gewollt. Die Zitate von Martin Luther King jr., die hier immer wieder einfließen (Elwood hört diese auf einer Schallplatte) geben dem Roman die nötigen Lichtblicke.

Für mich ein wichtiger Roman, den ich weiterempfehlen kann, wenn man vor unbequemen Themen und Ungerechtigkeit nicht zurückschreckt.

Veröffentlicht am 12.08.2019

Packender Fall

Unbarmherzig (Ein Gina-Angelucci-Krimi 2)
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Ich bin einfach quer in Inge Löhnigs Gina Angelucci- Reihe eingestiegen. Diese begann mit 'Gedenke mein' und setzt sich hier mit 'Unbarmherzig' fort.

Schon mal vorab: dieser Krimi hat mir verdammt gut ...

Ich bin einfach quer in Inge Löhnigs Gina Angelucci- Reihe eingestiegen. Diese begann mit 'Gedenke mein' und setzt sich hier mit 'Unbarmherzig' fort.

Schon mal vorab: dieser Krimi hat mir verdammt gut gefallen! Eine absolute Leseempfehlung für jeden Fan deutscher Krimis, diese beherzte und emanzipierte Kommissarin hat mich begeistert, es war mir ein Hörvergnügen. Man kann problemlos wie ich quereinsteigen, die kleinen Ordnungsfanatiker sollten natürlich mit Teil 1 beginnen.

Aber mal von vorn:
Gina Angelucci steigt nach ihrer Elternzeit wieder bei der Münchner Kipo in der Abteilung für Altfälle, also quasi Cold Cases, ein. Kaum einen Tag im Dienst werden bei der Erschließung des neuen Gewerbegebietes in der Gemeinde Altbruck zwei Leichen entdeckt. Diese liegen dort scheinbar schon seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Entdeckt hat sie ein Mitglied der Familie Anger auf einem Grundstück auf dem die Familie Schattenhofer bauen will, was neues Öl in das Feeuer des schon Generationen dauernden Clinch beider Familien gießt. Unschöne Erinnerungen an die dunkelste Zeit der Dorfgeschichte brechen wieder an die Oberfläche.

Mich hat begeistert wie mühelos Inge Löhnig hier die Familiengeschichte, die Lebensgeschichte der Opfer, den Kriminalfall und das Privatleben von Gina Angelucci miteinander zu einem packenden Krimi gewoben hat. Ich war fast sofort in der Geschichte drin, habe mitgefiebert und mitgehofft. Die Charaktere sind authentisch und es gibt hier wirklich keine Längen. Auch Veera Teltz als Sprecherin weiß hier einmal mehr zu überzeugen, ihre Stimme passt wunderbar zu meiner persönlichen Vorstellung der Ermittlerin.

Dieser Krimi ist mein Sommer- Krimi- Tipp. Lest ihn!

Veröffentlicht am 05.04.2019

Kein typischer Läckberg

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem.
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Kurz vorweg: Kein typischer Läckberg- Thriller a la 'Mord in Fjällbacka", aber ich bin restlos begeistert!

Ich finde der Klappentext dieses Hörbuchs trügt ein wenig.

In ihm wird erzählt: Faye, Ehefrau ...

Kurz vorweg: Kein typischer Läckberg- Thriller a la 'Mord in Fjällbacka", aber ich bin restlos begeistert!

Ich finde der Klappentext dieses Hörbuchs trügt ein wenig.

In ihm wird erzählt: Faye, Ehefrau des Unternehmers und Millionärs Jack, lebt im Stockholmer Luxus. Edelste Wohnung, erlesene Freundin, eine süße Tochter, doch der Schein trügt. Jack benimmt sich extrem abwertend und respektlos Faye gegenüber, sie bemüht sich zu gefallen, doch die Ehe hat tiefe Risse. Dann ist Juliette verschwunden, in der Wohnung ist Blut und Jack steht im Verdacht der Ermittler.

Man könnte meinen, dieser Thriller drehe sich im Fokus um Juliennes Verschwinden, doch dem ist nicht so!

Die Story beginnt gemächlich, zeigt Fayes goldenen Käfig und offenbart bereits in den ersten Minuten Jacks Neigung Pornos mit Teenagerinnen als Darstellerinnen zu schauen. Faye weiß von dieser Seite ihres Mannes.

Sie lebt damit tagtäglich seine kalte Wut, seine Verachtung und seine Geringschätzung ihr gegenüber auszuhalten. Von außen betrachtet führt sie ein wunderschönes Leben im Luxus, doch sie weiß um ihre Hölle.

Als sie unerwartet und Tage zu früh mit Julienne von einer Reise heim kommt, ändert sich alles. Faye ist erst wie betäubt, bleibt das demütige Opfer, dass ihr Mann gewohnt ist. Doch dann wacht sie dank ihrer Freundin Kris aus dieser Lethargie auf und will kämpfen.

Hier sind wir beim Hauptthema dieses Romans: Rache! Davon gibt es hier mehr als genug und ich bin der Ansicht, dass Camilla Läckberg diesen Plot so faszinierend und unheimlich gut aufgebaut hat, dass wir hier einen der besten Romane zum Thema Rache haben.

Und es ist ein Loblied an alle Frauen die nach erlittenen Niederlagen aufstehen und weitermachen, um eine Erfahrung reicher und stärker als zuvor! Tut mir leid, aber ich liebe diese Story, muss daran liegen, dass ich eine Frau bin. Wie Faye in der Geschichte sagt (frei zitiert): 'Wie oft wurden sie von einem Mann betrogen oder gedemütigt?... Haben Sie bemerkt, ich habe nicht gefragt OB sie betrogen wurden, ich gehe davon aus.'

Ich glaube ja persönlich, dass die Autorin so richtig Spaß daran hatte, die Figur des Millionärs, Unternehmers und A****lochs Jack Adelheim zu entwerfen, der ganze Bua a Depp wie man bei uns sagen würde und nicht eine liebenswerte Seite ist an ihm zu finden. Respekt, so jemanden muss man erstmal schreiben können und den Mut haben, ihn als Hassperson so zu verteten.

Vera Teltz macht ihre Aufgabe als Sprecherin phänomenal, Fayes Charakterwandlung verkörpert sie stimmlich perfekt und Kris' Stimme habe ich ebenso geliebt.

Wenn ihr damit leben könnt, dass wir hier in 90% der Story keinen typischen Krimiplot haben (sehr wohl aber viel sinistres, kompromissloses und erschreckendes) und starke Frauen liebt, hört dieses Hörbuch (oder lest das Buch)!

Veröffentlicht am 12.03.2019

Verdammt gut!

1793
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Gleich vorab, mit der Aussage von Arne Dahl im Klappentext gehe ich nicht konform. Das Buch ist weder 'wild' noch handelt es sich um einen 'ungewöhnlichen Mix'. 1793 ist schlicht und ergreifend ein historischer ...

Gleich vorab, mit der Aussage von Arne Dahl im Klappentext gehe ich nicht konform. Das Buch ist weder 'wild' noch handelt es sich um einen 'ungewöhnlichen Mix'. 1793 ist schlicht und ergreifend ein historischer Krimi mit leichten Thriller- Elementen. Allerdings ist es eine richtig gute Geschichte!

Die Geschichte spielt im Jahr 1793 (wer hätte das geahnt?) in Stockholm. Der Armee- Veteran und Stadthäscher Jean Michael Cardell und der Jurist Cecil Winge haben einen Mord aufzuklären. In der Stadtkloake namens Fatburen schwimmt eine männliche Leiche, Arme und Beine fehlen, ebenso wie Augen und Zunge; scheinbar wurde alles zu Lebzeiten des Mannes entfernt. Wird es mit Cardells 'schlagenden Argumenten' und Winges Scharfsinn gelingen den Mörder zu überführen?

Niklas Natt och Dag (der Autor heißt wirklich so, ich habe es recherchiert) entwirft hier ein spannendes Bild der Stockholmer Gesellschaft im späten 18. Jahrhundert, er spart nicht an unschönen Details und dem elenden Leben der Ärmsten und schafft dabei eine faszinierende Geschichte, die abseits des Kriminalfalls, auch eben viel über die damaligen Verhältnisse, Recht und Unrecht, Ausbeutung und dem wozu verzweifelte Menschen alles bereit sind erzählt.

Der Schreibstil ist flüssig, die Perspektivwechsel in den vier verschiedenen Teilen des Romans geben der Geschichte immer wieder neuen Schwung, langatmige Passagen sind fast nicht vorhanden und die Auflösung des Falles und Winges Handeln haben mich verblüfft. Insbesondere eben die Entwicklung des Charakters Cecil Winge hat mich beeindruckt, er startet als rationaler Mensch, inspiriert vom Geist der Aufklärung und seiner Zeit vorraus und wird im Laufe der Geschichte ein anderer Mensch.

Mein Fazit: Niklas Natt och Dag beherrscht das Autorenhandwerk perfekt, sein Roman ist in jedem Fall eine Leseempfehlung für alle Krimifans, für die es nicht unbedingt eine Handlung in der Gegenwart sein muss. Durch die leichten Thrillerelemente sollten auch Thrillerfans mal in die Leseprobe reinschnuppern!

Veröffentlicht am 21.01.2019

Must Read! Jetzt schon eines der besten Bücher 2019!

Davor und Danach
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Als ich mir dieses Buch besorgte, da dachte ich mir: hmmm... schicke Aufmachung, schönes Cover und die Leseprobe passt auch, ein Teenager in einer Welt die stark unter den Folgen des Klimawandels zu leiden ...

Als ich mir dieses Buch besorgte, da dachte ich mir: hmmm... schicke Aufmachung, schönes Cover und die Leseprobe passt auch, ein Teenager in einer Welt die stark unter den Folgen des Klimawandels zu leiden hat, fast ein bissl postapokalyptisch. Gebongt, das lese ich, viel tiefsinniger waren meine Gedanken zu diesem Buch ehrlich gesagt nicht.

Und dann kam es bei mir an und ich wurde eines Besseren belehrt!

Diese Buch muss man gelesen haben und ich sage euch auch warum, und zwar in einem typischen Stilmittel dieses Buches, der Aufzählung von Stichpunkten:


- es ist lange, sehr lange, her, dass ich ein derart emotionales, aber gleichzeitig völlig unkitschiges Buch lesen durfte

- es ist nicht möglich sich der Spannung und Verzweiflung dieses Buchs zu entziehen

- es öffnet den eigenen Blickwinkel, auf Dinge die heute schon passieren, heute schon Menschen leiden und sterben lassen

- als es zu Ende war musste ich weinen, um die Charaktere im Buch und um die Welt und ich weine normalerweise höchstens zwei mal im Jahr

- und es ist äußerlich ein verdammt schönes Buch


Und all diese großen Versprechungen werde ich jetzt näher erläutern.

Mhairi ist noch ein Teenager, gerade mal 14 Jahre alt als diese Geschichte beginnt, eigentlich ist sie Schottin, jedoch arbeitet ihre Mutter für ein Solarprojekt in Khartum und so ist sie auch dort als der Menschheit wirklich klar wird, dass der Klimawandel unumkehrbar ist und der Kampf um die Ressourcen beginnt. Grenzen werden geschlossen, Flughäfen werden geschlossen, Menschen irren umher, heimatlos und verzweifelt. Mhairi hat es am Anfang dieser Geschichte bereits bis nach England geschafft als sie einem kleinen Jungen begegnet, dieser ist hilflos und ohne ältere Begleiter. Mhairi kämpft mit sich; ihn mitnehmen und so das eigene Durchkommen zu ihrer Großmutter auf die Insel Arran gefährden, oder ihn hilflos zurücklassen in dem Wissen, dass er das nicht überleben wird?


Wer Mhairi an dieser Stelle Egoismus vorwirft verkennt die Umstände. Sie hat sich fast ohne Hilfe von Khartum bis nach England durchgeschlagen, etwas das für ihre Fähigkeiten und ihren Instinkt spricht. Das Buch spart nicht mit Innenansichten von Mhairis Seelenleben, ihrer Gedankenwelt, ihren dunklen Erinnerungen. Das könnte öde und langatmig oder gar kitschig sein, es hilft jedoch ungemein diese völlig ungewöhnliche 14- Jährige zu verstehen. Ihre Sturheit, ihre Tapferkeit, ihre Unehrlichkeit, ihre Durchtriebenheit, alles ist ein Spiegel ihrer Erfahrungen in dieser Welt.

Fazit

Das Buch spart nicht mit düsteren Beschreibungen, scheinbar ausweglosen Situationen, durch die kurzen Kapitel von oft nur 4-5 Seiten bleibt man nah am Geschehen, es git keine Seitenstränge der Handlung, nur einige wenige Rückblenden in die Zeit vor der Bgegnung mit dem namenlosen Jungen, doch diese Beschränkung wirkt wie ein Magnet, zieht einen in Mhairis Leben indem unnötiges konsequent nicht erzählt wird.

Die ganze Geschichte dreht sich um Flucht vor widrigsten klimatischen Umständen, in dieser Geschichte können Menschen nicht mehr in Äquatornähe leben, gigantische Flüchtlinsströme setzen ein, doch die kühleren, lebenswerteren Staaten wollen ihr Land und ihre Ressourcen nicht teilen. Auch wir leben heute schon in einer Welt in der der Begriff "Klimaflüchtling" bekannt ist, das sorgte bei mir für großes Unbehagen beim Lesen.

Warum ich geweint habe, wird an dieser Stelle nicht verraten, wer dieses Buch beendet hat, wird selbst weinen oder diese Reaktion zumindest nachvollziehen können. Lieber gehe ich jetzt noch positiv an das wunderschöne Doppelcover ein (die Vorderseite seht ihr auf dem Foto, die Rückseite enthält das selbe Motiv mit weißem Hintergrund und orangegoldenen Umrissen) das mit glänzenden Goldtupfern gesprenkelt ist und die zusätzliche Klappenbroschur die den Schnitt seitlich schützt, schick gemacht, eine wirklich edle Optik.

Aus all diesen Gründen erhält dieses wunderbare Buch maximale Punktzahl!