Ein netter Anfang voller Nebencharaktere
Die Geschichte beginnt damit, dass wir Micah kennenlernen und erfahren, dass Julian wegen ihr gefeuert worden ist. Danach zieht sie natürlich ganz zufällig genau in die Wohnung neben ihm und seinen Mitbewohnern. Da lernen wir dann auch die ersten Nebencharaktere kennen. Cassie & Aurie wirken auf den ersten Moment sympathisch und ich habe mich schon darauf gefreut, mehr über die beiden zu erfahren. Danach geht es weiter mit dem kennenlernen von Nebencharakteren. Lilly, Aliza, Micahs Eltern uvm. So sind dann auch schnell 100 Seiten rum. Nichts ist passiert, aber ich habe mir zumindest eine Geschichte voller Nebengeschichten erhofft, die man mitverfolgen kann. Kann man aber nicht, denn viel mehr als die eine Charaktereigenschaft einer Person erfährt man nicht.
Diverse Charaktere
Dieses Buch sprudelt nur so über mit Diversität. Was grossartig ist. Kein Thema. Aber nicht so, wie es Laura Kneidl umgesetzt hat. Es ist zu viel des Guten. Wir haben eine integrierte Muslimin, eine Teenie-Mum mit Gewichtsproblemen, einen Schwarzen, eine Diabetikerin, eine Vegetarierin, einen Schwulen und und und. Ihr seht schon, eine wahre Palette an Vielfältigkeit. Und das ist auch wunderbar, aber Laura Kneidl kratzt damit ganz viele Themen an, versucht alles reinzudrücken und damit gelingt ihr meiner Meinung nach nichts Gutes. Denn sie reduziert einige Nebencharaktere nicht nur komplett auf ihre Diversität, all diese Menschen haben dermassen unterschiedliche Charatereigenschaften, dass man sich kaum vorstellen kann, dass die alle zum selben Freundeskreis gehören. Denn mal ehrlich: wir suchen uns meist Freunde mit gemeinsamen Interessen.
Was Laura Kneidl hier versucht erscheint mir erzwungen und unauthentisch. Diversität ist super, aber dann bitte auch ernsthaft und nicht einfach alles aufs Mal in einen Topf.
Micah und…
…ihre unsympathische Art. Ich habe mich selten so genervt an einem Charakter wie an Micah. Sie eine verwöhnte Protagonistin, ohne jegliches Gefühl für Geld. (Sie schmeisst nur so um sich mit Geld, denn schliesslich wird ihr ja ihr komplettes Leben von ihren Eltern finanziert). Ohne Ziel lebt sie vor sich hin. Macht nichts. Sie studiert etwas, was ihr nicht gefällt. Angeblich will sie gerne Mangas zeichnen, aber auch dafür fühlt sie sich viel zu selten inspiriert. Am liebsten liegt sie einfach rum und macht irgendwas oder sitzt in netten Kaffees. Zudem ist sie ein absoluter Filmnerd. Die Anspielungen auf die ganzen Fandoms waren ganz witzig, aber irgendwann auch einfach zu viel. Aber gut, kann man machen…
Was man aber nicht machen kann, ist dermassen penetrant und aufdringlich zu sein. Sie mischt sich in jedes Problem ihrer Freunde ein und glaubt immer genau zu wissen, was die Lösung ist, dabei kriegt sie es selbst nicht mal hin einen Haushalt zu führen oder eine Waschmaschine zu bedienen. Alles muss für sie stimmen und gleichzeitig liegt ihr angeblich so viel am Wohl der anderen: Für mich nicht schlüssig.
Ihre Gefühle für Julian habe ich ihr auch gar nicht abgekauft. Sie will ihn ständig dazu drängen etwas zu erzählen, was er nicht will. Ein für mich überhaupt nicht nachvollziehbarer, authentischer oder sympathischer Charakter.
«Damals habe ich gehofft, Lilly würde Link abtreiben» sagte ich, ohne Julian anzusehen. «…» «Sie ist seit meiner Kindheit meine beste Freundin, wir hatten bis dahin alles zusammen gemacht. Ich wollte unbedingt, dass wir auch unseren Abschluss gemeinsam machen.» S. 374
Das war die Stelle, an der ich mir nur noch dachte: WAS STIMMT MIT DIR NICHT?
Handlung wird überbewertet
Bis ca. Seite 400 passiert gar nichts. Wenn ich euch einen Tipp geben darf, lest die ersten 60 Seiten und springt dann zu Seite 450. Dann habt ihr eine angenehme Story. Alles dazwischen ist: Kaffeetrinken mit Freunden, Möbel aufbauen mit Julian, Essen bei den Eltern, Suche nach Adrian… Langweilig!
Adrian oder wie ein Bruder seine Schwester nicht behandelt
Adrian, Micahs schwuler Bruder, wurde von den Eltern verstossen. Seitdem hat Micah nichts mehr von ihm gehört. Dabei sucht sie ihn ständig und schreibt ihm hunderte Nachrichten. Sie hat ihm nichts getan, unterstützt ihn hundert Prozent und er verhält sich so unkorrekt. Mit Abstand einer der unsympathischen Charakter, übrigens auch als er dann wieder auftaucht.
Alle Eltern sind intolerant…
…oder zumindest versucht uns das Laura Kneidl weisszumachen. Denn es reicht ja nicht, dass Micahs Eltern bereits dem Klischee von intoleranten Eltern entsprechen. Weiss, reich, Anwälte, Highsociety, tun alles um ihren guten Ruf zu behalten, sogar den eigenen Sohn verstossen.
Auch Julians Eltern müssen absolut widerlich sein. Bitte?! Kann denn nicht auch mal jemand sein Kind lieben? Schwierigkeiten haben etwas zu akzeptieren, ja. Aber müssen gleich alle Eltern in diesem Buch dermassen schrecklich sein. Übrigens auch Lillys Mutter, die sie nur ständig für ihr Gewicht kritisiert. Das vermittelt einem nicht wirklich das Bild, dass man akzeptiert wird, wenn man ‘’anders’’ ist.
Julians Geheimnis oder warum Sex nicht alles sein sollte
Dieser Abschnitt enthält als einziges Spoiler. Es geht beim Fazit weiter für alle, die das Buch nicht gelesen haben!
!!! ACHTUNG SPOILER!!!
Julian ist transsexuell. Es ist unglaublich wichtig -und da möchte ich auch allen positiven Meinungen zustimmen- dass sowas mehr in Büchern angesprochen wird. Es ist auch wirklich schön, wie Micah darauf reagiert. Allerdings geht es dann ziemlich schnell nur noch um eines: Sex. Und kann Julian das überhaupt? Wie funktioniert es? Wenn schon so ein Thema angesprochen wird, dann doch bitte auch noch auf anderen Ebenen. Denn alles was Julian erzählt, ist negativ und dann geht’s dann auch direkt zum Sex.
Es ist super, wie alle aus dem Freundeskreis darauf reagieren. Ein Vorbild für Toleranz, aber das Geheimnis wird erst 70 Seiten vor Ende gelüftet und dann geht es auch super schnell zu Ende.
!!!SPOILER ENDE!!!
Fazit
«Someone New» ist der perfekte Beweis dafür, dass ein wichtiges Thema noch lange nicht bedeutet, dass das Buch auch gut ist. Denn das Buch ist es eindeutig nicht. So viele problematische Szenen, eine übergriffige, unsympathische Protagonistin. Viele Nebencharaktere, welche auf eine bestimmte Charaktereigenschaft reduziert wurden und ganz viel Diversität, welche auf mich erzwungen wirkte. Zudem ein Buch von über 500 Seiten mit einer Handlung, die auch in 200 Seiten erzählt hätte werden können. Wer wirklich etwas Gutes lesen will, soll das Nachwort lesen.
Ich habe mich an so viel gestört und gerade die Darstellung der intoleranten Eltern finde ich super schwierig. Aber auch Micah ist für mich ein ganz schwieriger Charakter…
Ich verstehe, dass man das Thema wichtig findet, ich ja auch, aber bitte sucht euch ein anderes Buch dazu. Denn «Someone New» ist für mich ein Flop, denn ich niemandem empfehlen möchte. So viele Seiten für so wenig Inhalt und für so viele problematische Szenen. Ich vergebe 2 von 5 Sterne für dieses Buch. Denn trotz allem habe ich es durchgezogen und manche Nebencharaktere haben mir die Geschichte erträglich gemacht.
Ich bedanke mich beim LYX-Verlag für mein Exemplar!