Ein Glas Marillenmarmelade
Das MarillenmädchenDies ist mein erstes Buch der Autorin Beate Teresa Hanika. Mit "Das Marillenmädchen" hat sie einen sehr eindringlichen, für mich aber auch teilweise etwas verwirrenden Roman geschrieben. Der Leser begibt ...
Dies ist mein erstes Buch der Autorin Beate Teresa Hanika. Mit "Das Marillenmädchen" hat sie einen sehr eindringlichen, für mich aber auch teilweise etwas verwirrenden Roman geschrieben. Der Leser begibt sich gemeinsam mit unserer Hauptprotagagonistin Elisabetta auf eine Zeitreise - zurück in die Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, und zu ihren beiden Schwestern Judith und Rahel.
Aber auch der Marillenbaum in ihrem Garten in Wien, der von Elisabettas Vater gepflanzt wurde, als sie noch ein Kind war, steht im Zentrum dieser melancholischen Geschichte. Dieser begleitet den Leser wie ein roter Faden durch den Roman. Im Laufe der Jahre werden alle Ereignisse aus Elisabettas Leben in Verbindung mit der Marillenernte und dem Einkochen von Marmelade gebracht. Jedes Glas steht für eines oder mehrere Erlebnisse aus ihrem Leben, was ich sehr gelungen fand.
Elisabetta, die jüngste von drei Schwestern, kämpft schon ihr ganzes Leben lang mit Schuldgefühlen, weil sie als Einzige der Familie den Holocost überlebte. Sie spricht mit ihren im KZ Dachau verstorbenen Schwestern Rahel und Judith, die sie weiterhin durch ihr Leben begleiten. Im großen Haus in Wien, in dem sie lebt, fühlt sie sich sehr einsam. Deshalb vermietet Elisabetta die im Obergeschoß leerstehenden Räume. Dort zieht nach einer Russin eine junge deutsche Tänzerin ein. Elisabetta wird schmerzlich an ihre Vergangenheit erinnert. An ihr schlimmstes Jahr, 1944, als ihre Familie abgeholt und ins Konzentrationslager gebracht wurde und sie alleine zurück blieb. Oder an Franz, ihre große Liebe, der nur Augen für ihre Schwester Rahel hatte. Doch Pola, die junge Deutsche, und die jüdische alte Dame kommen sich langsam ein bisschen näher und Elisabetta ahnt nicht, welches Geheimnis Pola in sich trägt....
Die Geschichte ist sehr leise und man verbringt viel Zeit mit Elisabetta unter dem Schatten des Marillenbaumes oder in ihrer Küche beim Einkochen der Früchte. Dabei spricht sie mit ihren toten Schwestern, bekommt Besuch von Franz, denkt an ihre Schildkröte Hitler und teilt mehr und mehr ihre Erinnerungen mit der jungen Deutschen.
Ganz identifizieren konnte ich mich nicht mit den Protagonisten und obwohl mich die Geschichte berührte, fehlte mir das gewisse Etwas für die Höchstbewertung. Leider hatte ich auch im Verlauf der Geschichte meine Probleme den Faden nicht zu verlieren, denn die Übergänge der verschiedenen Zeitebenen waren verlaufend und nicht gekenntzeichnet. Dadurch muss man wirklich sehr genau aufpassen, in welcher Zeit man sich gerade befindet. Ich lese sehr viele Romane mit verschiedenen Zeitebenen, doch hier war anfangs vieles für mich sehr verwirrend. So dauerte es einige Zeit, bis ich feststellte, dass es zwei Rahels gab - eine aus der Vergangenheit und eine aus der Gegenwart. Das finde ich nicht gut gelöst, auch falls es Absicht war, zwei gleiche Namen zu verwenden. Erst am Ende ergänzen sich die beiden Erzählstränge und runden das Gesamtbild ab.
Die Geschichte fordert einiges an Aufmerksamkeit und man sollte konzentriert lesen!
Schreibstil:
Die Autorin bedient sich einer sehr poetische Sprache. Man muss sich Zeit nehmen für diese einfühlsame Geschichte, denn es verstecken sich viele Andeutungen und Erklärungen hinter den Zeilen. Einige Fragen bleiben offen und lassen etwas Spielraum für eigene Gedanken.
Die Unterschiede zwischen den Zeitebenen hätte ich mir besser herausgearbeitet gewünscht, denn so verwirrte mich die fließenden Übergänge anfangs doch sehr.
Fazit:
Eine leise Geschichte, die durch ihrem poetischen Schreibstil glänzt und berührt. Jedoch verwirrten mich die fließend ineinander übergehenden Zeitebenen und Erzählperspektiven, die nicht markiert wurden. Man muss sehr konzentriert lesen und hier hätte ich mir eine kleine Angabe zu Zeit/Ort bzw. zum Jahr gewünscht. Ein besonderer Roman, der mich aber trotzdem ein bisschen distanziert zurücklässt.