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Veröffentlicht am 20.10.2019

Flucht aus Aleppo

Das Versprechen des Bienenhüters
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Der Debütroman von Christy Lefteri beschäftigt sich mit einem Thema, welches in der heutigen Zeit alltäglich geworden ist: Flüchtlinge, Krieg und Traumata. Die Autorin ist selbst Tochter zypriotischer ...

Der Debütroman von Christy Lefteri beschäftigt sich mit einem Thema, welches in der heutigen Zeit alltäglich geworden ist: Flüchtlinge, Krieg und Traumata. Die Autorin ist selbst Tochter zypriotischer Geflüchteter und hat einige Monate in einem Flüchtlingslager in Griechenland verbracht und mitgearbeitet. Dort hat sie viele Geschichten gehört, die sie zu diesem Roman anregten.

Nuri ist Bienenhüter und lebt mit seiner Frau Afra und dem gemeinsamen Sohn Sami in Aleppo. Bei einem Bombenanschlag wird Sami getötet und Afra erblindet. Die kleine Familie verliert ihre Lebensgrundlage, zusätzlich wird Nuri bedroht. Sie müssen fliehen und hoffen in Großbritannien eine neue Heimat zu finden, wo sich bereits Nuris Cousin und Freund Mustafa befindet.

Der Leser begleitet Nuri, der in der Ich-Perspektive erzählt, auf zwei bzw. drei Zeitebenen. In der Vergangenheit erfahren wir mehr über sein Leben in Syrien und seinem Freund und Cousin Mustafa, der ihm die Imkerei und die Liebe zu den Bienen näher brachte. Zwischen den beiden Männern und ihrer Familie besteht eine tiefe Freundschaft. Seine Liebe zu Syrien ist deutlich spürbar.
In einem anderen Strang begleiten wir Nuri und Afra auf ihrer Flucht durch die Türkei und Griechenland, als auch in der Gegenwart, wo sie sich bereits in Großbritannien befinden und auf ihren Asylbescheid warten. Somit ist dem Leser schon zu Beginn klar, dass die Beiden ihre Flucht schaffen, was ich etwas schade finde.

Die übergangslosen Zeitsprünge verwirrten mich zeitweise etwas und ich wusste nicht genau, ob sich Nuri und Afra nun in einem Übergangslager in Griechenland oder in Istanbul befinden oder bereits in England sind. Das Lagerleben sah oftmals ziemlich ähnlich aus und im Laufe ihrer Flucht treffen Nuri und Afra auf viele unterschiedliche Charaktere.
Hoffnungslosigkeit, Gewalt und Zerstörung folgen den Beiden auf ihren Weg und trotzdem konnten mich die Figuren nicht gänzlich berühren. Mir fehlte es teilweise an Emotionen und Tiefe, obwohl sich Nuri in Alpträumen und Illusionen verliert. Die Autorin schreibt hingegen oftmals in Metapher und Umschreibungen, die auf die schweren Traumata von Nuri hinweisen sollen. Trotzdem habe ich bereits andere Romane gelesen, in denen es um die Flüchtlingsproblematik geht und die mich allesamt mehr mitgenommen haben als diese Geschichte.
Die Schauplätze und Landschaftsbeschreibungen aus ihrer Heimat in Syrien wurden hingegen sehr bildhaft und eindrucksvoll geschildert. Hier hatte ich richtiges Kopfkino.
Zusätzlich hat die Autorin zu einem besonderen Stilmittel gegriffen, das ich noch in keinem Roman zuvor gesehen hatte: bei manchen Kapitel fehlte das letzte Wort, das wiederum das erste Wort im neuen Kapitel bildet.

Leider ist der Funke bei mir nicht ganz übergesprungen, jedoch vermittelt der Roman eine wichtige Botschaft und deshalb sollten viele Menschen diese Geschichte lesen.


Ich finde das deutschsprachige Cover einfach wunderschön, vorallem auch die hübsche Innenseite des Buches und Kapitelüberschriften, die teilweise mit einer Biene geschmückt sind. Ein wahrer Augenschmaus!

Fazit:
Ein erschütternder Roman und ein Buch, das eine wichtige Botschaft vermittelt. Trotzdem konnte es mich nicht hundertprozentig überzeugen und mitreißen. Ich empfehle es aber gerne weiter, da es das Leben vieler Menschen auf dieser Welt widerspiegelt, die heimatlos werden und oft unmenschlichem Leid ausgesetzt sind.
Jeder sollte sich selbst ein Bild zu diesem Roman machen. Mich haben andere Bücher zu diesem Thema allerdings mehr berührt.

Veröffentlicht am 17.10.2019

Leichter Wohlfühlroman, von dem ich mir mehr erwartet hatte

Bratapfel am Meer (Neuauflage)
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Der neue winterliche Roman von Anne Barns, der auf der Insel Juist spielt, ist die Fortsetzung zu "Apfelkuchen am Meer". Die Geschichte kann aber auch gut alleinstehend gelesen werden.

Caro Fischer ist ...

Der neue winterliche Roman von Anne Barns, der auf der Insel Juist spielt, ist die Fortsetzung zu "Apfelkuchen am Meer". Die Geschichte kann aber auch gut alleinstehend gelesen werden.

Caro Fischer ist Intensivkrankenschwester und betreut ihre Patienten liebevoll. Eines Tages bittet sie eine ihrer Patientinnen um einen letzten Gefallen. Caro soll nach ihrem Tod eine ganz bestimmte Kette zurück nach Juist zu ihrer großen Liebe bringen. Kurze Zeit später ist die alte Dame tot. Nachdem Caro die Weihnachtsfeiertage gearbeitet und sie sich anschließend sowieso zwei Wochen Urlaub eingetragen hat, entschließt sie sich diese Tage gleich für eine Reise nach Juist zu nutzen und ihr Versprechen einzulösen. Zusätzlich nervt ihr Ex-Mann Jörn wegen ihrer gemeinsamen Wohnung. Caro braucht dringend eine Auszeit und will in aller Ruhe versuchen ihr Leben neu zu sortieren. Sie mietet eine Ferienwohnung und macht sich mit ihrem Bobtail Einstein auf den Weg. Unterwegs gabelt sie einen Autostopper auf, der ihr vage bekannt vorkommt. Mit seinem Gitarrenkoffer und dem Schild "Irgendwohin" trifft er Caros Nerv. Kurze Zeit später erinnert sie sich zurück, dass genau dieser junge Mann vor Jahren am Bett seiner sterbenskranken Frau in der Klinik saß, in der sie arbeitet....

Anne Barns schreibt wieder gewohnt gefühlvoll und lebendig. Die bildhafte Beschreibung der Insel und ihrer Einwohner ist absolut gelungen. Auch als Leser fühlt man sich sofort auf der Nordseeinsel angekommen, wie auch Caro, unsere Hauptprotagonistin. Zusätzlich gibt es ein Wiedersehen mit Merle, Conny, Agata und Großmutter Enna aus dem ersten Band. Besonders gefallen hat mir aber Jana, Caros beste Freundin, die wirklich alles mit ihr teilt und die ein ganz besonderer Mensch ist. Eine Freundin, wie man sie sich nur wünschen kann!
Man begleitet Caro die Zeit über auf Juist und erlebt ihre verschiedenen Gefühlslagen hautnah mit. Dabei werden auch Probleme im Krankenhaus, wie lebensverlängernde Maßnahmen, sowie die Arbeitsüberlastung als Intensivkrankenschwester angesprochen. Größtenteils erleben wir aber einen Wohlfühlroman, der uns auf die idyllische Insel Juist und ihre liebenwerten Menschen entführt. Es ist vorallem Caros Versuch ihrem Leben eine neue Richtung zu geben und ihre Gefühle für Max, den Autostopper, zu erkunden. Dieser lebt jedoch noch viel zu sehr in seiner Vergangenheit und im Selbstmitleid, als dass er die Chance erkennt eine Zukunft mit Caro in Erwägung zu ziehen. Die Liebegeschichte fand ich etwas zu überstürzt und der Funken sprang nicht auf mich über.

Leider driftete der Roman zusätzlich in der zweiten Hälfte etwas ab. Es gab nur mehr wenige überraschende Wendungen und das Geheimnis rund um die Kette verschwand für einige Zeit komplett aus der Geschichte. Zum Ende hin überschlagen sich dann die Ereignisse, wie ich es auch schon bei zwei anderen Romanen bemängelt habe. Hier wurden eindeutig zu viele Themen auf zu wenige Seiten gepackt.

Wer bereits die Romane von Anne Barns kennt weiß, dass wir mit allerlei Leckereien verwöhnt werden. Rezepte einiger angeführten Kuchen und Torten findet man im Anhang des Buches.

Fazit:
Ein netter winterlicher Wohlfühlroman mit einigen Schwächen, der mich nicht ganz zufrieden zuück lässt. Ein Buch für einen gemütlichen Leseabend, der einem die Schönheit der Insel Juist, sowie liebevolle Charaktere erleben lässt....und für Zuckergoscherl (=Süßmäuler) wie mich, viele leckerer Rezepte bereit hält.

Veröffentlicht am 04.10.2019

Paris zur Zeit Ludwig XV

Der Geschmack von Schmerz
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Habt ihr schon vom Marquis de Sade gehört? Nein? Dann stellt euch einfach Christian Grey aus "Fifty Shades of Grey" im 18. Jahrhundert vor, nur um einiges geheimnisvoller und gefährlicher. Nicht möglich? ...

Habt ihr schon vom Marquis de Sade gehört? Nein? Dann stellt euch einfach Christian Grey aus "Fifty Shades of Grey" im 18. Jahrhundert vor, nur um einiges geheimnisvoller und gefährlicher. Nicht möglich? Doch! Cornelia Haller hat in ihrem neuem Buch den sehr umstrittenen Marquis de Sade in ihrer Geschichte miteinbezogen und daraus einen etwas anderen historischen Roman geschrieben.

Unsere Hauptprotagonistin Isabeau ist ein aufgewecktes junges Mädchen, ein Wildfang, das nicht viel von Konventionen hält. Sie lebt mit ihren Eltern, die eine Werft besitzen, am Bodensee und sie liebt ihr ungezwungenes Leben. Ihr beste Freundin Anna hingegen träumt von der Ehe und Kinder und ist etwas naiv und leichtgläubig. So glaubt sie auch den Liebeschwüren von Emmerat, dem Sohn des großen Schifffahrtsunternehmen Lorenz. Und genau diesen Mann soll Isabeau nach den Wünschen ihrer Eltern heiraten, um die beiden Firmen zu vereinen. Isabeau weigert sich so vehement, dass sie ihre Eltern für ein Jahr nach Paris schicken. In der französischen Metropole und unter der strengen Aufsicht ihrer Tante soll sie endlich lernen sich damenhaft zu benehmen. Doch kaum in Paris angekommen lernt sie den berühmt berüchtigten und geheimnisvollen Marquis de Sade kennen. Kurze Zeit später trifft sie ihn sogar im Hause ihres Onkels wieder. Dieser gibt gerne für eine etwas illustre Gesellschaft Tarotabende und trifft sich mit Wissenschaftlern eines bestimmten Kreises. Zur selben Zeit passieren grausame Frauenmorde. Den Opfern wurde das Herz entfernt. Polizeiinspektor Luis Marais findet den Marquis mehr als verdächtig, der bekannt für seine sadomasochistische Neigung ist. Für ihn wird de Sade zum persönlichen Todfeind. Schon bald gerät auch Isabeau in seinen Sog und muss um ihren guten Ruf fürchten...

Dies ist mein zweiter historischer Roman der Autorin und doch ist er ganz anders als "Seelenfeuer", der den Hexenwahn zum Thema hatte. Die Autorin hat jedoch auch in ihrem neuen Roman wahre historische Begebenheiten mit ihrer fiktiven Geschichte verknüpft. Mit dem Marquis de Sade hat sie einen sehr interressanten Charakter ausgewählt, der im 18. Jahrhundert "umtriebig" war und als sehr kontroverse Figur in die Geschichte eingegangen ist. Cornelia Haller hat sich dabei ziemlich genau an seine Lebensgeschichte gehalten und auch Inspektor Marais gut charakterisiert, der es sich zur Lebensaufgabe machte den Marquis de Sade ins Gefängnis zu bringen und ihn zu verurteilen. Mit Isabeau haben wir einen eigensinnigen Frauentyp, der sich gegen Konventionen wehrt. Beide lernen wir als Persönlichkeiten ganz gut kennen, wobei bei de Sade der geheimnisvolle Teil noch mehr überwiegt. Der Rest der Figuren bleibt eher an der Oberfläche und einige sind doch etwas stereotyp gezeichnet.

Cornelia Haller hat die Atmosphäre dieser Epoche um Louis den XV. gut eingefangen. Die Dekandenz der Adeligen wird gut rübergebracht und die historische Begebenheiten wurden perfekt recherchiert. Und natürlich gibt es auch einen kleinen Hauch Erotik, wenn Donatien de Sade schon so einen großen Raum im Roman einnimmt. Die Themen Versuchung und Lust sind allgegenwärtig, trotzdem wirkt es nicht billig und vieles wird einfach nur angedeutet....also keine Angst, es ist absolut kein Erotikroman!
Einige Wiederholungen und zu detaillierte Ausfühungen im Mittelteil führten zu einigen kleinen Längen. Mein Verdacht betreffend der Frauenmorde waren ebenfalls richtig und einige Wendungen sind etwas vorhersehbar. Das Ende fand ich gelungen.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Cornelia Haller ist flüssig, bildgewaltig und teilweise sehr detailliert. Die Sprache ist der damaligen Zeit angepasst. Die Charaktere sind leider etwas schwarz-weiß gemalt und stereotyp.
Über den jeweiligen Kapitel steht ein Spruch des Marquis de Sade.

Fazit:
Historisch etwas leichtere Lektüre mit einem kleinen Hauch Erotik, Liebe und auch Spannung. Der Roman spiegelt die Atmosphäre der damaligen Zeit wieder und wurde ausgezeichnet recherchiert. Im Vordergrund steht allerdings eher die Liebesgeschichte und die Figuren waren mir manchmal doch etwas zu sterotyp. Trotzdem bereitete mir der neue Roman der Autorin nette Lesestunden.

Veröffentlicht am 16.08.2019

Überleben im Outback

Zu Staub
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Vor noch gar nicht allzu langer Zeit habe ich den zweiten Thriller der australischen Autorin "Ins Dunkel" gelesen. Zur selben Zeit kam auch ihr Debüt "The Dry" oder "Die Hitze" als Taschenbuch (mit neuem ...

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit habe ich den zweiten Thriller der australischen Autorin "Ins Dunkel" gelesen. Zur selben Zeit kam auch ihr Debüt "The Dry" oder "Die Hitze" als Taschenbuch (mit neuem Titel) heraus. Beide haben mir gut gefallen (war gerade erstaunt, dass ich 3 1/2 und 4 Sterne vergeben habe...hatte ich beide Thriller doch noch in ziemlich guter und positiver Erinnerung).

"Zu Staub" ist ein Stand Alone und gehört nicht zur Reihe von Ermittler Aaron Falk. Ich würde es auch nicht als Thriller, sondern eher als Familiendrama bezeichnen.
Wir befinden uns im Westen von Australien, im Outback. Einsame Farmen, der nächste Nachbar ist Stunden entfernt, die Wüste und der Sand das alltägliche Bild. Man spürt beim Lesen direkt den Staub zwischen den Zähnen. Der Titel ist im wahrsten Sinne des Worters perfekt gewählt, auch wenn der englische Originaltitel "The Lost Man" ebenso passt. Wer sich in dieser Gegend verirrt oder nicht ausreichend ausgerüstet ist, hat kaum eine Überlebenschance. So ergeht es auch Cameron Bright. Er ist jedoch kein Fremder, lebt seit seiner Geburt auf der Familienranch und war perfekt ausgerüstet. Und trotzdem wird seine Leiche unweit des legendären "Stockman Grabes" gefunden. Sein Wagen steht vollbepackt mit der kompletten Ausrüstung etwa 10 km entfernt. Weder der herbeigerufene Polizeibeamte, noch der Sanitäter können eine Gewalteinwirkung erkennen. Doch warum sollte sich der allseits beliebte zweifache Familienvater, dessen Farm gut läuft, Selbstmord begehen? Die Umstände sind rätselhaft...

Der Fokus der eher ruhigen Geschichte liegt bei den Figuren, bei denen es sich großteils um Familienangehörige oder Backpacker, die auf der Farm arbeiten, handelt. Polizeiliche Ermittlungen gibt es kaum. Das Drama spielt sich unter den Farmbewohnern ab. Nathan und Bub sind jeweils der ältere und der jüngere Bruder von Cam. Ilse ist Cams Frau und Sophie und Lo seine Töchter. Carl, der bereits verstorbene Vater und Liz, die Mutter der Jungen, haben die Ranch bereits an Cam und Ilse übergeben. Harry ist ein alteingessener Farmmitarbeiter, der schon zur Famlie gehört. Xander ist der Sohn von Nathan, der über die Weihnachtsferien aus Brisbane angereist ist, wo er zu Schulzeiten bei seiner Mutter Jacqui wohnt. Und dann sind noch die Backpacker Simon und Kathy aus Großbritannien.

Das Leben unter Extrembedingungen steht in diesem Famliendrama im Vordergrund. Die außergewöhnliche Atmosphäre hat Jane Harper großartig eingefangen. Man spürt die Weite des Landes, den Sand und die Hitze durch jede Seite.
Gemeinsam mit unserem Hauptprotagonistent Nathan, dem ältesten Sohn der Brights, erleben wir die Ereignisse der Tage nach dem Tod von Cameron. Seine eigene Farm liegt in der Nachbarschaft, wo er wegen eines Vorfalles vor zehn Jahren als Einsiedler lebt. Diese Ereignis ist der Grund, dass Nathan von den Einheimischen gemieden wird. Bis zum Begräbnis am Weihnachtstag sind alle Familienmitglieder auf der
Ranch der Brights versammelt, wo die Emotionen nach und nach zu kochen beginnen. Misstrauen und Argwohn liegen in der Luft. Die Frage, ob die Einsamkeit in den Weiten des Outbacks das Böse hervorruft, wird immer wieder aufgeworfen.

Es beginnt ein Katz- und-Maus-Spiel, das den Leser mitnimmt und immer wieder aufs Neue rätseln lässt, was passiert ist. Trotzdem entwickelt sich die Geschichte im Mittelteil ein bisschen schleppend, jedoch ist immer eine unterschwellige Spannung vorhanden. Durch Rückblenden in die Vergangenheit erfahren wir mehr über die Kindheit der Brüder und diese offenbart einige düstere Familiengeheimnisse. Dadurch erhält man neue Gedankenanreize, die die Autorin gekonnt einsetzt und den Leser öfters auf falsche Fährten führt.

Die Auflösung war eine Überraschung, hat mir aber gut gefallen.

Schreibstil:
Wie schon bereits in ihren anderen Büchern schildert die Autorin wahnsinnig atmosphärisch und verleiht auch ihren Figuren Tiefe. Sie beherrscht es einfach großartig ihre Heimat stimmig und eindrücklich zu beschreiben, egal ob Dschungel oder Wüste.


Fazit:
Kein Thriller, sondern ein Familiendrama, welches vorallem wegen der großartigen Atmosphäre und ihren vielschichtigen Charakten punktet. Trotz einigere Längen im Mittelteil bleibt eine unterschwellige Spannung bestehen. Trotzdem finde ich "Zu Staub" bisher als das schwächste Buch der Autorin.

Veröffentlicht am 01.08.2019

Lässt mich zwiegespalten zurück

Das geheime Lächeln
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Im Zuge der Bloggeraktion #litlovehistory habe ich zu Bettina Storks Roman "Das geheime Lächeln" gegriffen, welcher sich schon viel zu lange auf meinem SuB Stapel befand.

Die Journalistin Emilia Lukin ...

Im Zuge der Bloggeraktion #litlovehistory habe ich zu Bettina Storks Roman "Das geheime Lächeln" gegriffen, welcher sich schon viel zu lange auf meinem SuB Stapel befand.

Die Journalistin Emilia Lukin entdeckt in einem Auktionskatalog ein Gemälde mit einem Frauenportrait, welches ihr Interesse weckt. Das Anlitz der Unbekannten ähnelt ihrem eigenen auf unheimliche Weise. Bei der Frau kann es sich nur um ihre Großmutter Sophie Langenberg handeln, dem schwarzen Schaf der Familie, über die nicht gesprochen werden durfte. Emilia entschließt sich in den Elsass zu fahren und das Bild zu ersteigern, um es in Familienbesitz zu bringen.

In zwei Handlungssträngen, die in den 30igern des letzten Jahrhunderts und in der Gegenwart spielen, erzählt Bettina Storks die Geschichte rund um ein Familiengeheimnis. Emilia begibt sich auf Spurensuche und dabei auf eine emotionale Reise in die Vergangenheit. Etwas Abwechslung tut ihr gut, nachdem ihre Ehe mit Vladi gerade einiges an Konfliktpotential birgt. Ihr Ehemann hat sie betrogen und Emilia ist sich noch nicht sicher, ob sie ihr Vertrauen in Vladi wiederfinden kann. Die beiden Söhne Leo und Mischa sind erwachsen und Mutter Pauline befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung.
Emilia ersteigert das Bild "Frau im Schatten" und begibt sich anschließend nach "La Lumière" im Luberon, einem kleinen Ort in der Provence, wo Sophie einst gewohnt hat. Das Haus wurde nach ihrem Tod an ihre Tochter Pauline, Emilias Mutter, vererbt. Deswegen verspricht sich Emilia vor Ort mehr Informationen über ihre Großmutter zu erhalten. Ihr journalistischer Spürsinn und ihre Hartnäckigkeit lassen sie nicht ruhen und so werden aus Tagen Wochen, in denen sich ihr eigenes Leben von Grund auf verändert....
Emilia erhofft sich vom geheimnisvollen Jean-Pierre Roche mehr Informationen über Sophie, der ihre Großmutter angeblich gekannt hat. Doch der alte Mann weist Emilia erstmals zurück. Ganz langsam wird das Geheimnis um Sophie aufgedeckt und die zwei Zeitebenen verbinden sich schlussendlich zu einem Ganzen. Dabei kommt Emilia einer Lebenslüge auf die Spur, welche noch Auswirkungen bis in die Gegenwart hat.

Die ersten hundert Seiten überzeugten mich noch nicht wirklich, was sich im Laufe der Geschichte etwas änderte. Trotzdem konnte ich das Buch jederzeit aus der Hand legen und ich hatte kein drängendes Bedürfnis weiterzulesen. Mir fehlte weitgehend die Spannung. Der Großteil des Romans ist aus der Sicht von Emilia in der Gegenwart geschrieben, aber auch Jean-Pierre und Sophie kommen zu Wort. Der historische Anteil ist jedoch wesentlich kleiner.

Die Charaktere von Emilia, Sophie und Jean-Pierre wurden von der Autorin wunderbar gezeichnet und lebensecht dargestellt. Der unnahbare und gebildete Jean-Pierre wirkt einerseits geheimnisvoll und sympathisch, aber auch verschwiegen und distanziert. Er bleibt rätselhaft....das sollte er auch.
Emilia ist emotional und steht an einer Wende in ihrem Leben. Die plötzliche Suche nach ihren familiären Wurzeln kam mir jedoch etwas zu spontan und unglaubwürdig vor.
Viele ihre Emotionen konnte ich gut nachvollziehen, auch wenn sie mir mit der Zeit etwas zu fokusiert und theatralisch wirkten. Manche wiederum weniger. Besonders der Umgang mit ihrer Mutter erfüllte mich mit Unverständnis. Pauline leidet angeblich an Demenz und Emilia redet immer wieder auf sie ein und will ihr Dinge und Wahrheiten aufzwingen. Meine Mutter erkrankte ebenfalls an dieser Krankheit und reagierte auf diese Art "persönlichen Angriff" sehr ungehalten. Sie lebte in ihrer eigenen Blase und Wahrheit, welche man auch respektieren sollte. Emilias Verhalten empfand ich als Übergriff gegenüber ihrer Mutter. Das machte sie mir nicht immer sympathisch.
Von Sophie erfährt man meiner Meinung nach zu wenig. Ich konnte mich weder in sie hineinversetzen, noch kam bei mir Nähe zur Figur auf. Ihr Leben in den 30iger Jahren in Paris, die Liebe zum Künstler Paul-Raymond Fugin, die Künstlerkolonie und der Beginn des Zweiten Krieges wurden mit viel Empathie erzählt, doch danach war Sophie für mich nicht mehr wirklich greifbar. Die Zeit in der Provence fand ich noch lückenhafter. Sophies Leben wird größtenteils aus Briefe und Tagebucheinträge zusammengetragen bzw. aus Erzählungen von Jean-Pierre. Vielleicht war das auch mein Problem zu Sophie keine richtige Beziehung aufbauen zu können.

Sehr interessant fand ich die historische Erwähnung des Dorfes Dieulefit, dessen Bewohner sich während des Krieges geschlossen gegen die Nazis stellten und heimlich Flüchtlinge versteckten. Bettina Storks hat diese historischen Fakten wunderbar in ihren Roman verwoben.

Schreibstil:
Bettina Storks schreibt poetisch und mit viel Liebe zum Detail. Die dichte atmosphärische Erzählung und die bildgewaltige Beschreibung der Landschaften und Dörfer in Südfrankreich machten es mir leicht sich alles vorzustellen, obwohl ich noch nie dort war. Selbst der immer wieder erwähnte Mistral, der starke und kalte Fallwind der im Mittelmeerraum vorkommt, blies mir beim Lesen um die Ohren.
Die Charaktere sind lebendig, trotzdem kam nicht unbedingt Sympathie zu ihnen auf. Vorallem die eher distanzierte Beziehung der Söhne zu Emilia oder diese zu ihrer Mutter Pauline fand ich teilweise erschreckend kühl und emotionslos.

Fazit:
Der Roman lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Die Idee und die bildhaften Beschreibungen, sowie den Schreibstil mochte ich sehr. Die Charaktere nur teilweise und die Spannung fehlte mir ebenfalls. Es ist ein Roman der leisen Töne, der aufzeigt, dass das Leben oft ungeahnte Wege geht und dessen Auswirkungen oft noch Generationen später betrifft.