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Veröffentlicht am 24.09.2019

Spannend, unheimlicher Genremix ab 10 Jahren

Die Nachtflüsterer - Die Bedrohung
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Noch immer wachen Elena, Tima und Matt jede Nacht um 1.34h auf. Noch immer bleiben sie wach und treffen sich und oft auch, ihr „Vertrauenstier“. Auch wenn der Schlafmangel steigt, wollen sie auf keinen ...

Noch immer wachen Elena, Tima und Matt jede Nacht um 1.34h auf. Noch immer bleiben sie wach und treffen sich und oft auch, ihr „Vertrauenstier“. Auch wenn der Schlafmangel steigt, wollen sie auf keinen Fall auf ihre neuen Fähigkeiten verzichten und schon gar nicht auf ihre neuen Freunde. Eines nachts finden sie den Vampir, oder was immer Spin sein mag, verletzt im Gestrüpp. Er ist völlig benommen und weiß nicht genau, was ihm passiert ist, reagiert aber ungehalten und aggressiv. Vorerst denken sie sich nicht so viel dabei. Auch nicht als sie nacheinander alle einer fremden jungen Frau begegnen, die ihnen ganz merkwürdige Fragen stellt und bei jeder Begegnung merkwürdiger und gefährlicher wird. Außerdem bemerken sie eine neue Gabe an sich, die zwar praktisch, aber auch etwas unheimlich ist. Vorerst unbemerkt bleibt die sich langsam aber sicher ausbreitende Atemnot. Es werden schon die Bestände an Asthmamitteln in den Apotheken knapp. Woran das aber liegt, weiß keiner so genau.

Dieser Band setzt unmittelbar am Folgeband an, als die Zufallsfreunde eine große unbekannte Gefahr von ihrer Heimatstadt abwendeten. Leider gibt es weder eine kurze Zusammenfassung, noch ein Personenverzeichnis. Es lohnt sich wirklich Band 1 noch mal schnell vor Start von „Die Bedrohung“ zu hören, denn es ist sofort von Anfang an ziemlich spannend und unheimlich. Ausgerechnet der undurchschaubare „Vampir“ Spin wird von den drei Freunden ausgeknocked und verletzt aufgefunden, angeblich kann er sich nicht mehr erinnern, was ihm passiert ist. Ganz langsam braut sich eine bedrohliche Atmosphäre zusammen, während die Alltagsschwierigkeiten der „Nachflüsterer“ um sie herum weitergehen. Elenas Mutter ist nach wie vor manisch-depressiv und das junge Mädchen muss sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um ihre alleinstehende Mutter kümmern. Matt wird immer noch von seinem alkoholkranken Vater verprügelt und in der Autopflege eingebunden, während seine alten Schlägerfreunde nun ihm nachstellen. Tima findet nach wie vor keinen Anschluß in ihrer Privatschule und soll nun gemeinsam mit ihrer Erzfeindin ein Duett in der Schulaufführung singen, was bei dieser natürlich gar nicht gut ankommt. Diese Alltagserzählstränge gefallen mir ausgesprochen gut und sie entwickeln sich auch in einem angemessenen Tempo weiter. Leider schaltet diese Geschichte irgendwann von Fantasy auf Dystopie/Science-Fiction um. Dabei nimmt sie nicht nur stark an Geschwindigkeit zu, sondern wird auch wieder schwerer zu durchdringen. Ich empfinde es etwas als einen Bruch, daß der Vampir wohl nicht „nur“ ein Vampir ist.... Der Showdown ist für mich auch nach mehrmaligem Hören etwas undurchdringlich, auch wenn ich ihn wohl intellektuell wohl verstanden habe, ging es mir emotional etwas zu schnell. Allerdings, auch wenn ich hier von Vampir schreibe, nein, allen Klischees zum Trotz, ist dies ein Abenteuer ab 10 Jahren, es gibt keinen schmachtenden, lakonischen Vampir, in der Tiefe dessen seelenvollen Blickes man sich verlieren könnte. Nein, es ist vor allem spannend und unheimlich, es geht aber auch um Freundschaft, Zusammenhalt und Aufopferung. Wichtig ist auch die Kommunikation mit der jeweiligen Tierart, mit der jeder einzelne Nachtflüsterer sich verständigen kann. Sehr gut gefällt mir, daß nicht nur die süßen, „schönen“ Tiere wichtig sind, sondern es am Ende vor allem, die unansehnlichen, die man meistens Ausrotten will, das Ruder rumreißen. Das hat schon starke emotionale Momente, es ist aber weder Liebesgeschichte, noch Romanze, auch wenn ich ja immer noch an Spins-Vampirdasein zweifle...

Auch dieser Folgeband wird wieder unverkennbar von Oliver Rohrbeck (die Stimme von Justus Jonas, Richard Fish von Ally McBeal, Ben Stiller, Chris Rock....) gelesen. Stark im Ausdruck und wandelbar, kann man ihm wirklich gut folgen und hört gerne zu. Er schafft es Emotionen auszudrücken, nur über die Stimmlage und nicht über die Lautstärke, das finde ich prima, da man die Lautstärkeregler einmal für das ganze Hörbuch einstellt. Ebenso mag ich die regelmäßig gesetzten Tracks, die nie länger als 5 Minuten sind, so daß ich bei jeder überraschend längeren Hörpause schnell wieder an die richtige Stelle springen konnte. Wenn man sich die Cover genau ansieht, kann man immer in der rechten unteren Ecke eine Tierskizze erkennen. Jedes Tier steht für die Tierarten, mit denen einer der Dreien kommunizieren kann.

Dieses Genre-Cross-over hat mich dieses Mal etwas mit gemischten Gefühlen zurück gelassen, doch auch wenn ich stets den Anfang stärker finde als das Ende, will ich auf jeden Fall noch den Abschlussband „Die Verschwörung“ dieser Triologie hören, die mir insgesamt durchaus gut gefällt.

Veröffentlicht am 22.09.2019

Auf der Suche nach der verschwundenen Lady und auf der Flucht vor Sherlock

Der Fall der linkshändigen Lady
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Nachdem die 14 jährige Enola Holmes, die kleine Schwester von Sherlock und Mycroft eine Betrügerin entlarvt hat, hat sie inkognito deren Büroräume übernommen und residiert dort nun als Dr. Ragostin, wissenschaftlicher ...

Nachdem die 14 jährige Enola Holmes, die kleine Schwester von Sherlock und Mycroft eine Betrügerin entlarvt hat, hat sie inkognito deren Büroräume übernommen und residiert dort nun als Dr. Ragostin, wissenschaftlicher Perditor. Denn solange ihre Brüder sie suchen und in ein Internat für höhrere Töchter schicken wollen, ist dies ihre einzige Möglichkeit in Freiheit zu leben. Ihr erster potenzieller Kunde ist ausgerechnet Dr. Watson, der Dr. Ragostin beauftragen möchte Sherlocks kleine Schwester zu finden. Dabei verrät er Enola unabsichtlich, daß der große Sherlock die Übernahme des Falles der verschwundenen 14-jährigen Lady Cecily abgelehnt hat. Solche Fälle seinem ihm zu langweilig, nicht jedoch seiner Schwester, die neugierig ist, was mit ihrer Altersgenossin geschehen ist. In einer weiteren Identität sucht sie die Mutter des verschwundenen Mädchens auf. Ein Blick in deren Zimmer ist wie ein Blick in ihre geheime Seele. Genau wie sie, sehnte sie sich nach Freiheit und sollte dennoch in die Zwänge ihres Geschlechts in der damaligen Zeit gepresst werden. Ganz klar ein Fall für sie!

Wie auch schon im ersten Fall, werden immer wieder die Rolle der Frau in der Gesellschaft im Jahre 1889 in den verschiedenen Schichten thematisiert. Egal welcher Schicht man als Mädchen oder Frau angegehörte, so war man doch immer in eine Rolle gepresst. Nun wird die Gesellschaftskritik jedoch erweitert, denn nicht nur Frauen und Mädchen waren ohne Rechte, eigentlich der Großteil der Gesellschaft. Ein Grund für Karl Marx sein monumentales „Das Kapital“ zu verfassen. Wie die junge Perditorin nun erleben muss, gibt es noch viel mehr Menschen, die sich über die Klassenunterschiede und Zwänge in London aufregen, als nur sie. Doch viele greifen zu anderen Mitteln, die nicht immer friedlich sind. So gerät sie in große Gefahr. Je mehr sie diese am eigenen Leib spürt, desto mehr bangt sie um die junge Cecily, die spurlos verschwunden zu sein scheint.

Der zweite Band ist deutlich spannender als der erste und konzentriert sich auch wirklich mehr auf den Fall, als auf seine Ermittlerin. Auch kommt das Verschwinden der jungen Adeligen viel früher zur Sprache. Zwar sind die familiären Hintergründe im Auftaktband interessant gewesen, haben für meinen Geschmack aber zu viel Raum eingenommen. Diesmal sind sie wie ein roter Faden, der sich durch die Geschichte zieht, ohne diese jedoch zu erdrücken. Dabei reagieren sowohl die Perditorin, als auch der Meisterdetektiv diesmal sehr emotional, wodurch ihnen Fehler unterlaufen. Doch wer wird wird durch diese Fehler mehr Schaden nehmen, Bruder oder Schwester? Sehr untypisch die Mitglieder der Familie Holmes von der Logik abweichen zu sehen, aber durchaus reizvoll, gerade für die Zielgruppe junger Damen. Für diese finde ich sehr gut, die sozialen Misstände dieser bisweilen verklärten Zeit und die sozialen Errungenschaften, die wir seitdem erfahren durften klar und deutlich vor Augen zu führen. Sprachlich ist es für die Zeit und die Zielgruppe angemessen und gut verständlich zu lesen. Einen erläuternden Anhang zu den angerissenen politischen Ereignissen und Anschlägen hätte ich aber noch ganz schön gefunden.

Ich bin etwas hin- und hergerissen, was ich von der Auflösung des Falles halten soll. Einerseits finde ich es etwas unglaubwürdig, andereseits passt es aber gedanklich und von der Weltsicht her zur damaligen Zeit und zu den klassischen Holmesfällen. Auch die Vielzahl an Tarnidentitäten und Verkleidungen passt zu dem klassischen Detektivroman. Ganz eindeutig ist dieser Band aber kurzweiliger als der erste und auch spannender. Er hat mir wirklich gut gefallen!

Veröffentlicht am 12.09.2019

Nordische Sagen mal ganz anders - entstaubt

Die Geschichten von Yggdrasil
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Yggdrasil ist der Lebensbaum der alle 9 Welten nährt, wobei es quasi 2 Welten mit Göttern gibt, die Asen (rund um Odin) und die Wanen (die mit unermesslichem Reichtum an Edelsteinen gesegnet sind), die ...

Yggdrasil ist der Lebensbaum der alle 9 Welten nährt, wobei es quasi 2 Welten mit Göttern gibt, die Asen (rund um Odin) und die Wanen (die mit unermesslichem Reichtum an Edelsteinen gesegnet sind), die der Menschen, Zwerge und Riesen…. Von der Krone Yggdrasils hat man einen wunderbaren Blick auf alle neun Welten. Doch auch wenn der Lebensbaum lange lebt, ist klar, daß er eines Tages untergehen wird und aus seiner Asche ein neuer Baum wachsen wird. Diesen Weltuntergangs- und Auferstehungsgedanken kannte ich so nicht aus der nordischen Sage, fand ich aber sehr interessant.
Luci van Org entstaubt die Geschichten der Edda und bringt Dinge auf den Punkt, erläutert und kommentiert. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, das war für mich zwar erfrischend, für meine 12- jährige Tochter wäre es mir aber zu viel. Denn die Götter benehmen sich nur allzu menschlich, die Liebeleien gehen so rund und querbeet, daß es unmöglich wäre einen gescheiten Stammbaum zu zeichnen, den man noch überblicken könnte. Und es gibt eine Vielzahl von Göttern, Riesen, Zwergen… Die schiere Fülle hat mich zu Beginn erschlagen, im Laufe des Hörens wurden sie mir jedoch stets vertrauter und ich erkannte auch Namen wieder, die mir bis dato noch nie untergekommen waren. Auch mit der Erzählweise freundete ich mich an. Als ich mich darauf einließ, wurde es sehr kurzweilig, etwas schräg und wirklich packend. Dem christlichen Glauben völlig fremd, aber an Drama-Baby kaum zu überbieten. Dabei changieren auch die Charaktere, weil jeder Gott gleich mehrere Funktionen hat. So ist Loki der Gott des Feuers, des Chaos und des Unsinns - das muss man erst mal auf die Reihe kriegen, weil er sich dann auch unterschiedlich verhält. So hätte ich ihn zu Beginn verjagt, während er mir dann wieder sympathischer wurde und er zum Schluss nur Unverständnis von mir erntete. Diese Götter sind alles andere als unfehlbar, aber sie sind ja auch sterblich, wenn sie auch deutlich länger leben als wir und dank des täglichen Genusses von Idunas Äpfeln nicht altern….
Es ist eine Geschichtensammlung, die keiner chronologischen Vorgabe folgt, weil sie jahrelang nur erzählt wurden, und wohl auch verschiedene Geschichten an verschiedenen Orten nebeneinander entstanden. Sie stürzt sich in ihrer Sammlung nicht nur auf die Eddas, sondern auf unterschiedliche Quellen, weshalb die „Kartierung“ der Helden und der Abfolge der Ereignisse unmöglich ist. Es macht die Handlung aber vielseitiger und stellt eine Bereicherung dar. Stets betont sie, warum die nordischen Gottheiten sicherlich keinen Nationalismus unterstützen würden, da die Asen die Gastfreundschaft als höchsten Gebot streng einhielten, naja, fast immer, denn Loki braucht nun mal das Chaos.
Luci van Orgs Sprechweise war mir zu Beginn einfach zu viel. Zu intensiv, zu dramatisch, sie hat mich einfach überfordert, wobei ich ihre Stimmfarbe durchaus als angenehm empfinde. Als aber die Entstehung des Baums und der Welten vorüber war und auch die ersten Geschichten, fand ich sie nicht mehr so überspannt, sondern lebhaft und überzeugt, vor allem sehr engagiert. Das hat sich auch in der Wiederholung als Eindruck nicht geändert. Sie spricht klar und deutlich und ihre Fähigkeit all diese fremdartigen Namen flüssig auszusprechen, hat mich schon beeindruckt.
Dem Hörbuch ist ein kleines Booklet beigefügt, in dem die Hintergründe zur Entstehungsgeschichte des zugrundeliegenden Buches erzählt, die Verbreitung der nordischen Sagen, ihre Bedeutung und ihre Bücher erläutert werden. Auch geht die Autorin hier auf die Bedeutung der Christianisierung für das Vergessen der Geschichten rund um Yggdrasil ein. Das finde ich eine sehr schöne Ergänzung, gerade auch zur Erläuterung der zugrundeliegenden Weltansicht. Sehr schön finde ich übrigens die Runen mit ihren Namen, die das Innencover zieren.
Ein sehr interessantes Hörbuch, das mich nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten aber richtig gepackt hat.

Veröffentlicht am 27.08.2019

Hart, schnell, spannend

Eifeldeal
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Sprayer wollen die Wahrzeichen von Andernach am Rhein mit ihrem Tag versehen. Doch plötzlich bricht einer zusammen. Im Krankenhaus stirbt er mit Symptomen einer Tropenkrankheit, doch ohne Fieber. Im Blut ...

Sprayer wollen die Wahrzeichen von Andernach am Rhein mit ihrem Tag versehen. Doch plötzlich bricht einer zusammen. Im Krankenhaus stirbt er mit Symptomen einer Tropenkrankheit, doch ohne Fieber. Im Blut finden sich keine Anzeichen von Drogen. Diese muss Hauptmann Paul David a.D. aber leider auf seinem idyllischen Campingplatz im Pöntertal, bei Andernach-Kell beobachten und wirft die Typen hochkannt vom Platz, da versteht er keinen Spaß. Auch nicht, als er plötzlich in der Nähe Schüsse hört, die von der Grillhütte seines Onkels kommen. Ein Jugendlicher hat das Blockhaus gestürmt, wirkt wie von Sinnen und erschießt einen vermeintlichen Zombie, ehe Paul die Hütte erreicht hat und sich ihm ein Bild des Grauens bietet. Auch in seinem Blut sind keine Anzeichen von Drogen zu finden. Das ist für ihn unerklärlich und nagt an ihm. Als ihn dann ein kleiner lokaler Radiosender ins Visier nimmt, ist es zu viel. Alle Ermittlersinne sind geschärft und er beantragt eine Privatermittlerlizenz. Wer immer für diese Gräueltat auf seinem Platz verantwortlich ist, dem wird das Lachen vergehen.

Dies ist der 3. Fall von Paul David, Nato-Sonderermittler a. D., nach einem Bombenanschlag in Afghanistan. Seit diesem Anschlag fehlt Paul der linke Unterarm, der inszwischen durch eine bionische Prothese ersetzt wird. Dieses Handicap führt dazu, daß der Träger mehrerer schwarzer Gurte in diversen Kampfsportarten gerne mal unterschätzt wird. Auch wenn er nun schon in jungen Jahren im Ruhestand im Pöntertal mit seiner Tante Helga einen Campingplatz im Naturschutzgebiet betreibt, kommen seine Kampfkünste erstaunlich oft zum Einsatz. Dabei liegt das noch nicht einmal an seiner Freundschaft zu POK Kalle Seelbach von der PI Andernach. Sein Ermittlerinstikt ist einfach zu sensibel, er riecht den Ärger, 7 Meilen gegen den Wind. Paul ist eine Art-Superheld, eine einarmige-Einmann-Kampfmaschine, die manchmal an die Marvelhelden erinnert. Allerdings ist er bei all seinen vermeintlichen Superkräften sympathisch, was auch an seiner Tante und seinen Freunden liegt. Auch dieser Fall ist wieder hart, rasant und sehr spannend. Mit kurzen Schnitten mit Perspektivwechseln, die z.T. In der Ich-Form aus der Sicht von Paul David und dann wieder aus der distanzierten 3. Person, aus Sicht der Bösen bzw. der Opfer geschildert wird. Das ist als Erzählweise interessant und kurweilig. Auch interessant finde ich nach wie vor den Kniff, der Einspielung verschiedener Radiosender und ihrer unterschiedlichen Arten der Berichterstattung. Ich fand es super so viele bekannte Schauplätze mit zu besuchen und die Ermittlungen von Andernach nach Koblenz, Bonn, ins Ahrtal und in die Eifel zu begleiten. Immer spannend, nie langweilig. Allerdings habe ich immer so ein Problem mit Selbstjustiz und Rache. Gerade am Ende, als scharf geschossen wird, bekam ich Bauchgrummeln, das war Angriff, keine Verteidigung, denn da wo auf ihn geschossen wird, hat er nichts zu suchen, das ist Sache der Polizei. Gut, das kommt in fast jedem amerikanischen Krimi vor. Doch Freund Kalle betont, daß Paul in diesem Fall besonders gründlich ist, zum einen weil er im Visier der Medien gelandet ist und zum anderen weil er Jura studiert hat. Computernerd-Freund Steffen hat mittels inovativster Technik zuvor Unmögliches möglich gemacht, und auch sämtliche datenschutzrechtlichen Bestimmungen und Beweisverwertungsverbote über Bord geschmissen. Ich mag solche Gimmicks, auch wenn die Technik vielleicht noch nicht so weit ist, beim Hacking für einen guten Zweck bin ich mir immer etwas unschlüssig. Doch Paul David mag ich als unbewaffnete Kampfmaschine deutlich lieber, als als ballernder Schütze.

Der Fall ist spannend und leider realistischer als man meinen möchte, denn die Versuche in Militärlaboren der USA gab es früher tatsächlich und wahrscheinlich werden sie in einigen Ländern von bestimmten Regimen noch immer betrieben. Auch Hitler träumte von den Supersoldaten dank des LSD-Derivates Pervitin. Dennoch habe ich moralische Bauchschmerzen und ziehe trotz der tollen Schauplätze und der durchgängigen Spannung auf hohem Niveau einen Stern ab und komme auf gute 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 16.08.2019

Internatsgeschichte auf Ausbrecherniveau!

Die Unausstehlichen & ich - Das Leben ist ein Rechenfehler
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Enni (11) ist ein Heimkind, das schon in verschiedenen Heimen, WGs und auch Pflegefamilien war. Doch mit ihren Wutausbrüchen, bei denen es in ihren Ohren rauscht und sie nur noch rot sieht, bleibt sie ...

Enni (11) ist ein Heimkind, das schon in verschiedenen Heimen, WGs und auch Pflegefamilien war. Doch mit ihren Wutausbrüchen, bei denen es in ihren Ohren rauscht und sie nur noch rot sieht, bleibt sie nirgends lange. Bis sie in eine wirklich nette Pflegefamilie kommt, die sie wie eine Tochter behandelt. Ihr Pflegebruder Noah (12) ist einsame Spitze! Hier will sie nie wieder weg. Doch dann muß der Pflegevater beruflich in die Schweiz, da soll Enni dann doch nicht mit. Noah flippt aus und zieht Enni in seinen unüberlegten Plan mit hinein. Da ist Ärger vorprogrammiert und Enni landet in einem piekfeinen Privatinternat für Schüler mit besonderen Bedürfnissen. Eigentlich ist es dort gar nicht schlecht, selbst die Lehrer erkennen ihre mathematische Begabung. Doch Enni will abhauen und Noah finden. Leider gleicht Internat Saaks fast einer Festung und diese zu verlassen wird ihre kniffeligste Knobelaufgabe, bei der sie zwangsläufig Hilfe braucht....

Nach ihrer Ausbruchsaktion muß Enni zum Schulpsychologen, da erzählt sie dann die ganze, wahre ungeschönte Geschichte. Natürlich mit den in Saaks verpönten und strafbewehrten Flüchen und Schimpfwörtern. Aber was soll man schon sagen, wenn das Leben …. Eben! Der Psychologe lässt sie ungeschönt reden, aber in einem Kinder- und Jugendbuch? Da hilft nur die Zensur und an Stelle jedes unziemlichen Begriffes gibt es längere oder kürzere Zensurpiepse, je nachdem wie ausschweifend sie sich auslässt. Was beim Lesen lustig ist und seiner Schimpfkreativität freien Lauf lässt, kann beim Hören bisweilen ganz schön nerven, insbesondere wenn Enni auf 180 ist. Zum Einschlafen stört es ganz besonders, man gewöhnt sich langsam daran, aber es ist suboptimal.
Durch die Ich-Perspektive weiß der Hörer immer nur so viel, wie Enni bzw. so viel, wie sie von sich Preis gibt, denn über ihre Eltern spricht sie nicht und wehe wer sie bei dem Namen nennt, den ihr ihre Eltern gaben! Das dürfen nur diese.

Enni hat viel mitgemacht bisher in ihrem Leben und sich diverse Überlebensstrategien angeeignet, über die die meisten Hörer aus behüteten Elternhaus nur staunen können (und die sie hoffentlich nicht anwenden wollen).

Richtig toll finde ich den Inklusionsgedanken in dieser Geschichte. Alle haben ihren Ballast mit sich herum zu tragen, aber niemand möchte deswegen bemitleidet werden, sondern als Mensch für voll genommen werden. So lernt man durch Enni, die fast schon alles gesehen hat, ihre Mitschüler mit ihrem Blick kennen, immer erst die Person mit ihren Besonderheiten, bis auf das Handicap, das erwähnt sie immer so nebenbei. Das finde ich sehr charmant, mal den Focus weg von der Behinderung zu nehmen und sei es „Diätis“ (dieser Begriff, ist doch ein Knaller, oder?). Jeder von ihnen trägt sein Päckchen mit sich herum, dennoch hatte ich jetzt nie den Eindruck, daß die Autorin es jeder Minderheit recht machen wollte, damit sich jeder angesprochen fühlt. Nein, die Personen werden ungeschönt dargestellt, mit ihren Stärken, aber auch Schwächen. Die einen werden dadurch sympathischer, aber nicht alle - wie im echten Leben.

Enni ist so ungewöhnlich, daß die Geschichte zu überraschen mag. Es ist nicht von Anfang an klar, was mit Enni passiert, man weiß nur sie hat Ärger und echt was auf dem Kerbholz und muß nun mit einem Psychodoc sprechen, wer das aber ist, zeigt sich erst nach ein paar Kapiteln, weil diese Erkenntnis bereits etwas über das Ende verrät, aber es ist ja auch eine Fortsetzung mit den Unausstehlichen geplant, da wird Enni wohl kaum von diesen getrennt werden. Dennoch eine wirklich erfrischende Erzählweise.

Da ich beruflich den ganzen Tag mit Dingen zu tun habe die schief gehen und mein Mann Sonderpädagoge ist, war es mir wichtig, mit den Kindern Geschichten kennen zu lernen, in dem Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu Wort kommen und die Geschichte aus ihrer Sicht schildern dürfen, denn dann klingt es oft ganz anders. Es geht mir auch um das Vermitteln von Respekt! Auch diesen Kindern gegenüber, die aus welchen Gründen auch immer, nicht bei ihren Familien leben. Das ist Vanessa Walder, der Autorin von „Das wilde Mäh“ und noch über 80 weiteren Kinder- und Jugendbüchern, ausgezeichnet gelungen. Dabei geht es nicht um pädagogische Phrasen, sondern es wird eine spannende Internatsgeschichte auf Ausbrecherniveau mit besonderen Schülern. Dabei wird es am Ende noch mal besonders spannend und mit einem ganz erhebenden Solidarisierungsende – da bleibt kein Herz unbewegt und das Auge nicht unbedingt trocken.
Maximiliane Häcke ist eine perfekt gewählte Sprecherin. Sie klingt jung, etwas eckig und kantig. Da klingt das „Vorsicht, nicht anfassen!“ gleich schon in der Stimme mit. Sie beherrscht die Emotionenklaviatur von rotzig-rebellisch bis unsicher und verstört. Das ist auch dringend nötig, da einige der Mitschüler sich nicht ganz so tough präsentieren wie sie. Die Lautstärke ist sehr gut ausbalanciert. Schwankungen sind lediglich gefühlt, aber nicht real, d.h. der Lautstärkeregler kann durchgehend auf einer Position bleiben. Alles ist gut verständlich. Im Innenteil der Klapphülle findet man eine farbige Illustration von Barbara Korthues mit den Hauptdarstellern und Infos zur Specherin und Autorin.
Die Geschichte und die Sprecherin haben uns ausgezeichnet gefallen, das Zensur-Gepiepse leider nicht. Beide Töchter (und die Mutter) warten schon ganz gespannt auf die Fortsetzung dieser außergewöhnlichen Geschichte für ältere Kinder ab 9/10 Jahren.