Diese Geschichte ist weit mehr als ein Thriller. Ob ich so weit gehen würde, es Comin-Out-Roman zu nennen, weiß ich nicht. Doch die Beziehung der beiden Protagonisten zueinander und deren Dynamik machen einen wichtigen Teil aus. Da wäre auf der einen Seite Rufus, der zu Gewaltausbrüchen neigt und dank seines Halbbruders Hayden an der Schule ein Außenseiter ist. Und sein Exfreund Sebastian, genannt Bash, der vorgibt, heterosexuell zu sein, weil er nicht sicher ist, wie sein Outing seinem Image schaden wird.
Beide haben mir sehr gut gefallen, und auch wenn die Handlung sich nur über eine Nacht erstreckt, haben sie sich auch ein Stück weiterentwickelt. Bash ist hier der unsichere Part. Er hat Angst davor, als „schwul“ abgestempelt zu werden und flirtet auch während seiner Beziehung mit Rufus mit Mädchen, obwohl er weiß, dass es ihn verletzt. Statt dass er sich gegen die Mobber seines Freundes durchsetzt, die mehr oder weniger Kumpel von ihm sind, hält er sich lieber im Hintergrund. Nur, wenn Bash und Rufus alleine sind, zeigt er seine wahren Gefühle.
„Es fühlte sich enorm wichtig an, bedeutsam, eine so schreckliche Seite von mir mit ihm zu teilen – aus dem Gleichgewicht zu sein und darauf vertrauen zu können, dass er mein Gegengewicht war.“ (Zitat S. 35)
Damit ist er das genaue Gegenteil zu Rufus, der in dieser Nacht das Ruder übernimmt. Er führt die Befragungen mit der Clique durch, die die Party veranstaltete, auf der er April blutverschmiert abgeholt hat. Die Interaktionen dieser beiden Charaktere sind insofern auch interessant, als dass April mehr zu ihrem Bruder und ihrem Vater steht als zu Rufus, dennoch aber diesen um Hilfe bittet. An manchen Stellen hat der Autor es sich auch meiner Meinung nach zu einfach gemacht, gerade was das angeht. Zwischen April und Rufus ist viel vorgefallen. Zu viel, als dass die beiden Freunde sein könnten oder einen normalen Umgang pflegen.
Während Rufus und Bash also versuchen, April zu entlasten, geraten sie in die nächste Misere. Dafür, dass Rufus ein Außenseiter ist, stehen die „coolen“ ihm ganz lieb Rede und Antwort. Anfangs war das okay, aber mit fortgeschrittener Handlung fühlte es sich einfach komisch an. Warum sollte man solche gezielten Fragen jemandem beantworten, den man überhaupt nicht mag? Warum sollte man überhaupt mit ihm reden und das gleich mehrmals in einer Nacht? Irgendwann war leider die Luft raus und die Glaubwürdigkeit dahin. Nichtsdestotrotz hat das Lesen weiterhin Spaß gemacht, allein schon wegen des Schreibstils.
„Vor uns dehnt sich eine graue, alles verschlingende Nebelbank aus, nur durchbrochen von einem gelben Licht in der Ferne […]; zu uns dringt allerdings nur ein Hauch von Blau durch den dunklen Schleier des dichten Nebels.“ (Zitat S. 252)
Denn obwohl der Autor meist in knappen Sätzen zum Wesentlichen kam, waren die Beschreibungen der Umgebung detailverliebt und bildhaft. Das hat die düstere Atmosphäre, die durch die Nacht ohnehin schon vorherrschte, noch einmal verstärkt.
Hier geht es nicht nur vorrangig darum, den Täter zu entlarven. Es geht auch um sexuelle Identität und Beziehungen, was den Thriller jedoch nicht kitschig gemacht hat, und um Drogenmissbrauch durch Jugendliche. Mobbing ist ebenfalls ein wichtiges Thema, wird hier aber leider unter „ferner liefen“ abgetan. Rufus wird jahrelang auch körperlich verletzt und niemand schreitet ein? Weder seine Mutter, die doch eigentlich sehr vernünftig erscheint, noch sein Vater, weil der ihn hasst. Auch seine beste Freundin hält sich lieber raus. Das zu lesen, war schon hart und passt nicht in die übrige Konstellation der Figuren.
Persönliches Fazit: Alles in allem eine spannende Geschichte mit interessanten Protagonisten, wenn man kleinere Logikfehler übersehen kann.
© Recensio Online, 2019, Katharina