Finn (10) ist ein Sachensucher, aber eigentlich eher ein Finder und Behalter! Während einer seiner „Schatzsuchen“ im Park fällt ein zankendes Fass vom Himmel und Finn wehrt es mit einem rostigen Schälmesser ab, wodurch es in den Teich rollt und dort in Flammen steht. Heraus steigen ein merkwürdiger alter Mann, in einem pinken Pelzmantel mit Zauberhut und ein sprechender Chamäleon-Drache namens Attila. Lange hören Attila und Zauberer Zackarius nicht auf zu streiten, denn sie wurden von der fiesen Infamia aus ihrem Land ohne Namen verbannt und fühlen sich nun von hinterhältigen Trollen verfolgt. Klingt ziemlich verrückt und Finn fühlt sich leicht überfordert. Daher versteckt er die zwei besser mal in seinem Gartenschuppen, zwischen all seinen Fundstücken. Da Finn mit seinem Hobby aber nicht allein ist, kommt ihnen Finns Erzrivalin Marie-Lou ziemlich schnell auf die Schliche und klinkt sich in dieses wahnwitzige Abenteuer mit ein. Denn die Trollgefahr entpuppt sich als real und auch ein wichtigtuerischer Professor wittert seine Chance auf schnellen Ruhm. Auch wenn Attila und Zackarius recht anstrengend sind, haben sie das nicht verdient und Finn und Marie-Lu verbünden sich für die Freiheit der Gefundenen!
Ein irrer Plot mit noch irrwitzigeren Ideen, einem toughen Mädel und einem liebenswürdig, eigenwilligen Helden. Eine Geschichte, bei der man nicht den Eindruck hat, daß man sie schon mal gelesen hat, nur etwas abgewandelt. Es ist wirklich originell, und stellt auch einige Klischees auf den Kopf, die es natürlich verdient haben! Damit meine ich nicht nur den Einhornschinken, sondern auch Rollenverständnisse. Finn darf Angst haben, während Marie-Lu zur Tat schreitet. Finns Mutter ist die ständig arbeitende, gut verdienende Anwältin, während sein Vater im Keller vor sich hinbastelt und Brote schmiert (obwohl er eigentlich auch mehr könnte). Es hat mich in der letzten Zeit oft genervt, wenn ich in Kinderbüchern las, daß der Vater Arzt und die Mutter Arzthelferin ist. Ich mag es, wenn diese Strukturen aufgebrochen werden, ohne daß gleich alle Kinder gleichgeschlechtliche Eltern haben (das war mal eine Zeit lang so verbreitet, dass mir das auch zu viel wurde). Sehr gut hat mir gefallen, daß Finn, trotz der erfolgreichen Mutter, so exzentrisch/eigenbrötlerisch sein darf wie er will. Seine Eltern lieben und akzeptieren ihn, wie er ist, ohne daß es ihnen gleichgültig ist was er macht oder sie nicht auf ihn achten. Sie vertrauen ihm einfach, ohne ihn verbiegen zu wollen. Seine Mitschüler sind leider nicht so verständnisvoll.
Auf sehr lustige Weise verarbeitet Rüdiger Bertram aktuelle Modeerscheinungen, wie z.B. allgegenwärtige Einhörner oder pinke Flamingos, mit einem Augenzwinkern, daß auch Kinder verstehen. Anderseits bringt er Kindern aber auch mittels des schrulligen Zauberers den Wert des Lesens nahe! In seiner Welt, kann man nicht lesen, es ist alles verschlüsselt. Das Glück, Lesen zu lernen und es zu dürfen, ist nicht allen Kindern bewußt, gerade nicht in Zeiten der Digitalisierung, wo es für fast alles sicherlich auch eine audio-Datei gibt. Aber auch um die Suchmaschine zu bedienen, muß man Lesen und Schreiben können. Während dieser abenteuerlichen Flucht werden auch ganz viele weitere Themen aus dem Schulalltag angesprochen, wie Mobbing, stinkende Umkleiden, sanierungsbedürftige Schulgebäude und fehlende Hausmeister. Kurzweilig verknüpft mit flotten Sprüchen und skurrilen Situationen. Dabei bringen die schwarz-weiß Zeichnungen von Ute Krause (ja, genau, die Autorin) mit wenigen Strichen die Situationen auf den Punkt bzw. auf den Chamäleon-Drachen.
Meine Tochter (9) fand es sehr lustig und spannend. Sowohl die Sprüche und kreativen Flüche der zwei Findlinge, die einander richtig gerne haben (wie Geschwister), als auch die zwei eigenwilligen Sachensucher, die zu einem echten Team zusammenwachsen. Die Schriftgröße fand sie entspannt und auch die Wortwahl bereitete ihr keine Schwierigkeiten.Wir sind schon sehr gespannt, wie es mit diesen vier ungleichen Freunden weitergeht im 2. Band.
Rüdiger Bertram verbindet diesmal Themen, die ihm auf den Nägeln brennen, mit skurrilem Witz, Abenteuer und nicht alltäglichen Helden. Diese haben ein hohes Identifikationspotenzial für Jungen, Mädchen und Drachen ab 8 Jahren.