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Veröffentlicht am 10.10.2019

Zauberhafte Hymne auf die Liebe - und die Magie der Worte: Der Literatur

Südlichter
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"Südlichter" von Nina George erschien (HC, gebunden) im Droemer-Knaur Verlag, 2019 und knüpft an den Weltbestseller der Autorin "Das Lavendelzimmer" an: Bereits damals ist ein Buch erschienen, an dem sich ...

"Südlichter" von Nina George erschien (HC, gebunden) im Droemer-Knaur Verlag, 2019 und knüpft an den Weltbestseller der Autorin "Das Lavendelzimmer" an: Bereits damals ist ein Buch erschienen, an dem sich Jean Perdu orientierte, als er sein Bücherschiff ins Südfranzösische, nach "Sanary" steuerte...
Südlichter würde ich jedem Menschen wärmstens empfehlen können, der den Bestseller las - es steht jedoch auch eigenständig für eine begnadete Autorin, die es versteht, "die Liebe selbst durch ihre Feder erzählen zu lassen" und damit etwas, was den Menschen sein ganzes Leben über beschäftigt, beflügelt, beschwingt, glücklich macht - und zuweilen auch das Gegenteil davon....

In "Südlichter" spielt die Liebe (sowie ihre Geschwister, die Todin (schwächer als die Liebe); das Schicksal (oftmals nicht gerecht); das Begehren und die Lust - und einige weitere, die Nebenrollen besetzen, die Hauptrolle - weitere HauptprotagonistInnen sind ein Olivenbaum, ein kleines Mädchen (Marie-Jeanne), ein Ehepaar (Francis Meurienne und seine Frau Elsa) und weitere meist sehr sympathische Figuren, die noch benannt werden sollen. Weitere Hauptrollen spielen Bücher - und die Liebe zur Literatur, die jede/n Bibliophile/n begeistern und bezaubern wird, da die Worte und die Handlung, in die Nina George diese Literaturliebe gebettet hat, wirklich wundervoll beschrieben werden.....

In "Wortmagie" und fantastischem Erzählstil folgen wir Nina George in die liebliche Provence, wo Marie-Jeanne das Licht der Welt erblickt (1958) und sich fortan an der Liebe festhält: Keinem Menschen ist es gelungen, die Liebe zu berühren, doch diesem kleinen Menschenkind, dessen Großmutter gerade starb, konnte die Liebe sich nicht entziehen (sie kommt und geht gewöhnlich, wann sie es will) - und das sollte Folgen haben, um die es in diesem poetischen Roman geht: Marie-Jeanne sieht einen "Blink", ein Leuchten an jener Körperstelle aller Menschen, denen sie begegnen soll, wo diese einst von der Liebe berührt wurden. So kann sie auch die Fäden spüren, die sich von einem Menschen zu jenem, den er oder sie lieben kann, entrollen und macht es sich zu ihrer liebevollen Aufgabe, die Fäden zueinander hinzuführen.

Wir begleiten Marie-Jeanne durch ihre Kindheit und begreifen, dass dies ein ganz besonderes Mädchen ist: Trotz aller Schicksalsschläge ist es voller Liebe, für Francis, den Dingesammler und Lieferanten im Tal zwischen den Bergen, die dieses beschützen und der "Petitpa" für Marie-Jeanne ist; für Elsa, seine gelinde ausgedrückt unsentimentale Frau, die in steter Angst, ihren (doch geliebten) Francis zu verlieren, eher knotternd ihre Liebe zum Ausdruck bringt und freuen uns über den Entschluss von Francis, künftig mit Marie-Jeanne eine Überlandbibliothek zu führen, was zur Anschaffung weiterer véhicules (Kasten 2CV namens "Louis") führt und dazu, dass es Francis gelingt, die Bauern zu überzeugen, dass Bücher nicht gefährlich sind (auch wenn die Studenten, die gerade - wir schreiben das Jahr 1968 - in Paris für große Unruhen sorgen, sicher viel gelesen haben) und arbeitet mit dem Buchhändler, Herrn Mussigmann, eng zusammen. Im Verlauf dieser Fahrten lernt der Leser mit den Figuren viele Facetten der Liebe kennen (wovon einige sicher nicht unbekannt sind): Sei es Madame Colette Brillant, eine Kalligrafin und Handschriftenleserin, die kluge Sätze zur persönlichen Handschrift und der eigenen Persönlichkeit von sich gibt; sei es Madame Valérie Montesquieu, eine Dame Anfang 60, die Francis als Angestellte der Überlandbibliothek unterstützen wird und sich mit dieser Arbeit selbst befreit; sei es Madame Chatelet, bei der wir die unerfüllte, unglückliche Liebe (und die Einsamkeit) erkennen, wobei die Liebe beschämt daneben steht:

Herrliche Dialoge auf den Akquisetouren des Monsieur Francis Meurienne: Man wünscht sich bei den Beschreibungen von Nina George zur wunderschönen südfranzösischen Landschaft, man säße ebenfalls im Kasten 2CV und würde den nächsten Hof oder sogar die Kommune des Professors aus Paris ansteuern, der ein Buch in "Louis dem Dritten" entdeckt, das er kennt, da er es vor langer Zeit gelesen hat - und das Gefühl ausspricht, dass Bücher wie ein vergessener Freund sein können - über deren Wiederauftauchen man sich ebenso freut wie über einen Menschen, den man lange nicht gesehen hat. Eine weitere Spielart der Liebe - die Freundschaft - entsteht, da sich Francis und der Professor viel zu erzählen haben.

Die Liebe zur Literatur gipfelt schließlich (um die Liebenden zusammen zu bringen) in einem Buchclub, dem "Littéramour", der - im Hotel "La Dolce Vita" tagen soll - nachdem Valérie und Marie-Jeanne sogar noch eine Fahrt nach Sanary-sur-Mer unternehmen, um einen Koch ausfindig zu machen, der die Kalligrafin schon seit Jahren liebt...
Natürlich lässt es sich Pierre, jener Koch aus dem Süden, nicht nehmen, ein ausgezeichnetes Mahl für alle zu kochen (die Liebe schaut ihm dabei schmunzelnd über die Schulter, denn sie ist schon immer ein großer Anhänger von gutem Essen und Lebensfreude gewesen).

Schließlich begleiten wir alle sehr fein gezeichneten, sympathischen ProtagonistInnen (natürlich ist die Liebe dennoch immer anwesend, sie muss ja evtl. eingreifen) durch die "Nacht der Wünsche" und lassen uns mit Marie-Jeanne von all den leuchtenden Südlichtern bezaubern, die die Sehnsucht und die Liebe der Menschen, die jedem innewohnt, sichtbar werden lässt und deren Fäden in dieser Nacht zusammenfinden....

Der Sprachstil der Autorin ist brillant, berührend und sehr poetisch; auch atmosphärisch und zuweilen sinnlich (Stichwort Kirchenglocken). Auch gefiel mir der emanzipatorische Ansatz, der typisch für Nina George ist: So geht es z.B. um die Todin, die Hexenmeisterin etc. - auch die kreativen Wortschöpfungen wie "Zungenwonnen" und "Augenschönheiten" konnten mich im Roman sehr begeistern; standen sie genau an der richtigen Stelle.

Ein kluges, ein magisches, ein bezauberndes Buch über die Liebe, die hier in persona durch die Feder von Nina George fließt und sich prächtig und in all ihren Spielarten portraitiert: Auch eine Hymne auf die Magie der Worte und die Literatur, die dazu beitragen kann, dass der Mensch "kompletter, ganzer" wird.

Eine absolute Leseempfehlung von mir, ein Chapeau an die Autorin - und 5* am Bücherfirmament in Südfrankreich und auch hierzulande für einen funkensprühenden Roman über (bzw. von der) Liebe, die in jedem von uns wohnt. In einem Interview hält es Frau George mit Francis, das Geheimnis der Liebe betreffend:
"Liebe ist. Das ist das einzig sichere, was wir über sie wissen".
(Quelle: Büchermenschen)

Veröffentlicht am 10.09.2019

Fundiertes und praxisnah vermitteltes Wissen zu Heilpflanzen & Co.

Unsere grüne Kraft - das Heilwissen der Familie Storl
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Das sehr informative, kompakte Sachbuch zum Heilpflanzenwissen der bekannten Familie Storl ist in anschaulicher und gut verständlicher Form - mit vielen entsprechenden Fotos und Pflanzenportraits - im ...


Das sehr informative, kompakte Sachbuch zum Heilpflanzenwissen der bekannten Familie Storl ist in anschaulicher und gut verständlicher Form - mit vielen entsprechenden Fotos und Pflanzenportraits - im Verlag GU (Gräfe und Unzer), München, 2019 erschienen.

Das Vorwort von Wolf-Dieter Storl geht auf die Selbstheilungskräfte des Menschen ein, die durch traditionelle Naturheilmittel (wie nachfolgend vorgestellt) aus der Natur ein, die mit den jeweiligen Pflanzen oder Substanzen wie Tinkturen etc. unterstützt werden können. Er merkt an, dass das Pflegen und Heilen von Mensch und Tier seit langer Zeit meist Frauen obliegt, die eine heilerische Intuition haben. Schauen wir in der Zeit zurück, so wissen wir von den "Kräuterweiblein", aber auch von heilkundigen Frauen im Mittelalter, die für ihr Wissen oftmals als Hexen diffamiert, gefoltert und verbrannt wurden.
Es wird auch betont, dass das Buch als ANREGUNG verstanden werden soll, die eigene Gesundheit - wenn immer möglich - selbst in die Hand zu nehmen.

Der Hauptteil umfasst die Pflanzenportraits (sehr praktisch fand ich hier bei jeder Pflanze die Zusätze: "Wo wächst er/wann sammeln/Was verwenden/Vorrat?) der Heilpflanzen, die mir teils gut bekannt, teils wenig bekannt (als Heilpflanze) waren; so z.B. die Goldrute, Augentrost, Beinwell, Holunder, Brennessel, Johanniskraut und Weißdorn. Viele Beispiele aus der Familiengeschichte der Storls belegen unterhaltsam und staunend die heilende Wirkung bei z.B. Insektenstichen, Verrenkungen, Entzündungen und kleinen Verletzungen sowie Erkältungen, die in fast jedes Menschenleben einwirken. Die Anwendungsmöglichkeiten der entsprechenden Pflanze(n) sind sehr praxisnah beschrieben, so dass man Sud, Tinktur oder Tee ohne Probleme anwenden kann.
Weitere wichtige Pflanzen aus der Hausapotheke der Familie sind ebenfalls einen tiefen Blick wert.

Ein sehr interessantes Gebiet des Einsatzes von Heilmitteln ist natürlich die Küche: Hier werden z.B. Zwiebel und Knoblauch, Apfelessig, Heilerde genannt, deren heilende Wirkung ich kannte. Neu war mir hingegen die günstige Auswirkung als Heilpflanze bzw. -gemüse von Kartoffeln, Kohl und Wirsing! Vor Grundrezepten mit guten Praxistipps "So wird's gemacht" erklären die Storls, wie und wo man Kräuter sammeln, Tinkturen und Salben herstellen kann. Ein Register der Pflanzen und Beschwerden mit Service- und Literaturhinweisen sind weiterhin sehr hilfreich und im Anhang zu finden.

Ich kann "Unsere grüne Kraft" sehr weiterempfehlen, da es informativ, sehr gut gegliedert und mit unglaublich großem Wissen Interessierten Heilmittel aus der Natur vorstellt, die jedem zur Verfügung stehen und m.E. einer sofortigen Behandlung mit chemischen Mitteln vorzuziehen ist. Jedoch betont die Autorin, dass es bei chronischer Art von Erkrankungen den Besuch des (Fach)arztes nicht ersetzen kann. Es gibt noch weitere Bücher der Autoren, wobei besonders "Gesund älter werden" sofort auf meine Merkliste gesetzt wird. 5*

Veröffentlicht am 19.08.2019

Ein opulentes Werk und grandioser Einblick in die literarische Kartenwelt!

Verrückt nach Karten
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"Verrückt nach Karten" (Hrsg. Huw Lewis-Jones) mit dem UT "Geniale Geschichten von fantastischen Ländern" verbirgt wahre Schätze von Karten, die teils in die Literaturgeschichte eingingen und auf denen ...

"Verrückt nach Karten" (Hrsg. Huw Lewis-Jones) mit dem UT "Geniale Geschichten von fantastischen Ländern" verbirgt wahre Schätze von Karten, die teils in die Literaturgeschichte eingingen und auf denen z.B. Klassiker des Fantasy-Genres wie "Der Herr der Ringe" basieren, denn

"Am Anfang war die Karte" - oder wie sagte einst J.R.R. Tolkien?

"Ich begann wohlweislich mit einer Karte und machte die Geschichte passend" (Quelle: Buchrückentext)

Im vorliegenden herrlich illustrierten und mit zahlreichen Karten, zu denen die jeweils angesprochenen Bücher gehören, versehenen eindrucksvollen Band gibt es Spannendes zu entdecken und zu lesen; publiziert wurde das Buch in hochwertiger Form vom wbg-Theiss Verlag (HC, gebunden, 2019, Darmstadt), übersetzt wurde es aus dem Englischen von Hanne Henninger.

Eine übersichtliche Inhaltsangabe führt uns zu literarischen Karten, die sowohl historische Karten wie z.B. das THEATRUM ORBIS TERRARUM von Abraham Orbis (begehrteste Karte im 16. Jhd.) als auch erfundene Welten in Form von literarischen Geografien beinhalten, die in ihrer Schönheit, Einzigartigkeit und im Buch gezeigten Sammlung, jeweils von diversen Autoren vorgestellt, in dieser beeindruckenden Form und Fülle eine Neuheit auf dem Buchmarkt sein dürften.

Bücher sind Portale und eine Karte führt den Leser direkt an den Ort des Geschehens; verstärkt somit den Lesegenuss, was am Beispiel der HdR-Trilogie ersichtlich ist, da jeder Band (im Schuber, wie ich ihn besitze) eine Karte im Anhang hat, die wohl jeden Tolkien-Fan begeistert haben dürfte. So las ich z.B. vor ca. 3 Jahren einen historischen Roman (Benjamin Monferrat - Welt in Flammen), dessen spannende Handlung sich im Orient-Express abspielte: Im Bucheinband war die Route des legendären Zuges auf einer Karte dargestellt sowie die Zwischenhalte, die es mir ermöglichten, diese vor Jahrzehnten auch von mir bereisten Route per Karte wiederum anzutreten - ein besonderes Lesevergnügen!

Zahlreiche Klassiker wie Melville's Moby Dick sind ebenfalls Teil der literarischen Kartengeschichten und natürlich auch viele fiktive Karten, die dem Fantasy-Genre entsprungen sind; z.B. Narnia; ein wunderschöner "Yggdrasil" - die Weltenesche und Terry Pratchett's "Scheibenwelt" finden sich darunter.
Diverse Autoren, die im Anhang genannt und kurz vorgestellt werden, erzählen von ihren eigenen literarischen Geschichten zu Karten und weshalb diese sie verzaubern konnten.

Mir gefielen besonders die historischen Karten und der illustrierte Ausflug in die Welt der Fantasie, die den Zauber der Karten in ihrer vollen Pracht am besten darstellen und zeigen können.

Am Ende des Bildbandes finden sich nützliche Hinweise zu weiterführender Literatur, Bildnachweise und ein umfangreiches Register, die den Eindruck dieses Buches positiv abrunden.

Fazit:

Ein prächtiges, reich mit zahlreichen und wunderschönen Karten und ihrer Geschichten ausgestattetes hochwertiges Buch, das mich beeindrucken und überzeugen konnte! Ich vergebe daher 5* und eine absolute Empfehlung für Neuentdecker und auch Liebhaber literarischer Karten und Hintergrundinformationen!

Veröffentlicht am 18.08.2019

Eine göttliche Fügung

Eine himmlische Katastrophe
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Der neue Roman des Autors "Thomas Montasser - "Eine himmlische Katastrophe" erschien als TB im Insel-Verlag (2019). Das recht schmale Büchlein konnte mich durch die kuriose Geschichte und - im Besonderen ...

Der neue Roman des Autors "Thomas Montasser - "Eine himmlische Katastrophe" erschien als TB im Insel-Verlag (2019). Das recht schmale Büchlein konnte mich durch die kuriose Geschichte und - im Besonderen - den wortgewandten und humorvoll-witzigen wie auch tiefgründigen Stil des Autors, der gerne mal (trotz aller Fröhlichkeit im Roman) einen "Seitenhieb" nach allen möglichen Richtungen "austeilt"; quasi als sein "Markenzeichen" - überaus begeistern und ließ mich ob der sehr feinsinnigen Wortspielereien nicht selten schmunzeln....

Es ist übrigens in Folge der (mindestens) dritte Roman Montasser's, der mich wie seine Vorgänger sehr überzeugen konnte:

Dieses Mal finden wir uns im schönen Burgund wieder; genauer gesagt im sehr abgeschiedenen und von der Welt vergessenen Kloster Notre-Dame-de-Bleaumont; bekannt durch dem gleichnamigen einzigartigen Käse (Bleaumont), dem im Roman wie seine HauptprotagonistInnen ebenfalls eine Hauptrolle zukommt; hilft er doch, durch den Verkauf desselben die heiligen Hallen irgendwie am Leben zu halten.

Das Kloster leidet unter Nachwuchssorgen; die jüngste Nonne ist 74 und Schwester Madeleine (für den Kräutergarten zuständig), Schwester Sophie, die den Bürokram erledigt und Schwester Lucie, Rollstuhlfahrerin, kümmert sich um die Küche, aus der sie sehr selten auftaucht, sind die drei letztverbliebenen Bräute Christi im Kloster. Als Madeleine gerade in ihrem Kräutergarten ist, taucht eine junge Frau auf, die sich als ihre Nichte Louise Prevost entpuppt und einige Wochen "auf Bewährung" im Kloster verbleiben soll. Sie teilt die Liebe ihrer Tante zu Kräutern, wobei sie vor allem der Hanf interessiert, den sie schnell ausfindig macht. Nach anfänglichem Sträuben Lou's vor dem eintönigen Klosterleben findet sie doch schnell dies und das recht cool - besonders ihre Tante, Schwester Madeleine, die nicht nur in Guatemala und Tunesien lebte, sondern auch Bassgitarre spielt!
Doch damit nicht genug, bemerkt sie eines Tages beim Verkauf des "Bleaumont"-Käses, dass Schwester Lucie eine kräftige Stimme hat, mit der sie die Menschen wie Trauben an ihren Stand lockt - und Schwester Sophie entpuppt sich gar als begnadete Organistin:
In Lou keimt eine Idee auf, da sie immer mehr versteht, wie es um den Erhalt des Klosters steht und schaltet ihren Freund Ali ein, um für das Trio eine Konzertreihe zu managen, die die "Bleues des Bleaumont" bzw. den "Göttlichen Harem" aus der Finanzkrise des Klosters herausführt: Wird der Plan aufgehen?

Wir begleiten nun die drei Schwestern mit Lou und ihrer Tournee-Entourage (bestehend aus drei bezaubernden go-go-Tänzerinnen wie einem sympathischen, wenn auch zwielichtigen Manager namens Ali) auf ihrer Tournee, die sie nach Grigny führt, in die Pariser Vorort-Betonburgen, in denen ein nettes, nein viele Völkchen wohnen, was die Schwestern positiv überrascht; lernen einen tätowierten und gepiercten Pfarrer kennen und einen Caféhausbesitzer namens Ibrahim, der sich mit Schwester Lucie, die sehr weltoffen ist, anfreundet. Im Pariser Ritz begegnen wir einem Wagenmeister, der es Lou angetan hat und die Liste der Tourneedaten wird immer länger, die alten Damen haben großen Erfolg!

Pointiert, humorvoll und mit Tiefgang nimmt der Autor in gewohnt fröhlicher (Schreib-)manier so manches aufs Korn, das durchaus kritisiert werden kann: Vorurteile gegen Bewohner der Banlieues, gegenüber anderer Religionen wie z.B. dem Islam, der "wirbelnden" Welt im digitalen Zeitalter etc. Lou besitzt Fähigkeiten, von denen sie vermutlich selbst nichts wusste, das Happy-end ist stimmig und superbe, wenn man bedenkt, wie sich "die Wege des Herrn" fügten... Sogar der Bleaumont erfährt eine Renaissance, da eine junge Frau genau zuhörte... - und verkauft sich wieder excellent!

Fazit

Eine köstliche Geschichte mit sympathischen ProtagonistInnen; umwerfend komisch, ein fast kriminell guter Lesespaß - wobei jeder einzelne Satz (manche ganz besonders, inklusive der Seitenhiebe, die ein Markenzeichen des Autors für mich sind) einen üppigen Lesegenuss darstellen; Lust auf einen Besuch im schönen französischen Burgund machen und darauf - wenn auch wie hier in Buchform - den Besuch "eines Ortes der Besinnung in dieser besinnungslosen Welt" ernsthaft zu erwägen.
Von mir ein Chapeau an den Autor, dessen Sprache und Wortgewandtheit ich sehr schätze und himmlische 5* für ein grandioses Lese- (und nachdenk)vergnügen!

Veröffentlicht am 14.08.2019

Wildrose und Brombeere - ein fesselnder historischer Roman - Lesetip!

Die Frau im Seidenkleid
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"Die Frau im Seidenkleid" von Sonia Velton erschien (HC, gebunden) 2019 im Goldmann-Verlag und hat 410 Seiten, die sich zu lesen lohnen:


Inhalt:

"London im 18. Jhd.: Esther, Ehefrau eines hugenottischen ...

"Die Frau im Seidenkleid" von Sonia Velton erschien (HC, gebunden) 2019 im Goldmann-Verlag und hat 410 Seiten, die sich zu lesen lohnen:


Inhalt:

"London im 18. Jhd.: Esther, Ehefrau eines hugenottischen Seidenwebers, führt ein privilegiertes und doch sehr eingeschränktes Leben, das von rigiden Moralvorstellungen beherrscht wird. Heimlich rebelliert sie, sucht sich kleine Freiheiten: Gegen den Willen ihres Mannes entwirft sie eigene Seidenmuster; setzt sich sogar selbst an den Webstuhl. Zudem hat sie die junge Sara ins Haus geholt, die sie aus dem Hurenhaus gerettet hat und von deren Vergangenheit niemand wissen darf. Als sich die Situation im Haus des Seidenwebers dramatisch zuspitzt, sind die beiden Frauen über alle Standesgrenzen hinweg aufeinander angewiesen..." (Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:

In diesem wunderschönen, durch kurze Kapitel geprägte und in der jeweiligen Ich-Form geschriebenen historischen Roman geht es um Esther Thorel, der Frau eines hugenottischen Seidenwebers, die an einem regnerischen Tag zufällig Sara kennenlernt, die nach ihrer Ankunft in London im Wig & Feathers zuerst unter Opium gesetzt und dann zur Prostitution gezwungen wird. Eines Tages schickt Esther dem jungen Mädchen eine Bibel, die nach vielen Wochen ohne Beachtung eines Tages aufgeschlagen wird: Sara möchte Mrs. Swann, die sie wie eine Leibeigene hält (ebenso wie ihre anderen "Töchter") entfliehen und fragt bei Esther Thorel nach einer Stelle als Dienstmädchen nach....

Ab diesem Zeitpunkt verweben sich die Schicksale der beiden unterschiedlichen Frauen, die aus zwei verschiedenen Welten kommen: Während es Esther an nichts fehlt, da ihr "gottesfürchtiger" Ehemann zu den besten Seidenwebern Londons zählt, hat Sara eine Welt des Elends ,der Armut und der Abhängigkeit kennengelernt. Sie entpuppt sich jedoch als intelligent und ihr entgeht nicht, dass auch im Hause Thorel nicht alles so ist, wie es sein sollte. Besonders Elias Thorel ist nicht so gottesfürchtig, wie er es vorgibt, zu sein.... Als Sara Esther die Augen öffnet, entwickelt sie ohne Absicht einen Flächenbrand im Hause Thorel; auch ist Sara nicht entgangen, dass die Dienstherrin viel Zeit in der Mansarde verbringt, wo der Geselle Bisby Lambert sein Meisterstück an einem Webstuhl der Thorels weben darf: Als er das Talent von Esther entdeckt, weiht er sie in die Kunst ein, Muster und Farben auf die Sprache des Webstuhl übertragen zu helfen - und hilft ihr dabei, im Gegensatz zu ihrem Mann Elias, ihren Herzenswunsch zu erfüllen: Eigene Entwürfe aus Seide zu weben!

Mit großer Sensibilität und sprachlich einfachen Formulierungen schildert die Autorin die Welten, aber auch die Gefühlswelten der beiden Protagonistinnen, die Stärken und auch Verletztheiten, die beide ausmachen. Auch Charaktere wie Elias Thorel und der Geselle Bisby Lambert werden sehr fein gezeichnet wie auch die harte Welt der Mittellosen dargestellt wird, die in dieser Zeit schnell in Abhängigkeiten geraten können, aus denen es kaum einen Ausweg gibt. Die Aufstände der Webergesellen, die zu kargen Löhnen viele Stunden für die Meister schuften mussten, Armut und Elend sowie Kinderarbeit im ausgehenden 18. Jahrhundert werden ebenfalls gut recherchiert und thematisiert. Durch einen Verrat Sara's entsteht ein Flächenbrand im Hause Thorel, der sich in einer Nacht dramatisch zuspitzt, in der Sara selbst Hilfe benötigt....

Stilistisch und inhaltlich fand ich den Roman sehr stimmig; durch die kurzen Kapitel und einfache Sprache würde er sich auch durchaus als historischer Roman für Jugendliche ab ca. 16 Jahren eignen, die sich für historische Begebenheiten und die Seidenweberei interessieren.

Fazit:

Ein berührender, spannender und fesselnd-unterhaltsam geschriebener historischer Roman, dessen Hauptprotagonistin Esther Thorel eng an die historische Person Anna Maria Garthwaite angelehnt ist, die als führende Seidendessinateurin im 18. Jahrhundert in Spitalfields/London lebte. Ein Roman um Standesunterschiede, Weberaufstände und sensibel angelegten Figuren, deren Schicksal man fiebernd begleitet. Ein überzeugendes Début von Sonia Velton, das von mir die volle Punktzahl und 5* erhält!