Tanz auf dem Vulkan
Die schwarze FeeBerlin in den Zwanzigern. Oft als die goldene Zeit verklärt. Es gab aber nicht nur die Tanzpaläste, die sexuelle Freizügigkeit und die wilden Partys. Eine große russische Exilgemeinde hat sich in der Stadt ...
Berlin in den Zwanzigern. Oft als die goldene Zeit verklärt. Es gab aber nicht nur die Tanzpaläste, die sexuelle Freizügigkeit und die wilden Partys. Eine große russische Exilgemeinde hat sich in der Stadt zusammengefunden, Literaten und Künstler, Wissenschaftler, Adlige und Revolutionäre jeder Couleur. Es gibt den immer stärker spürbaren Antisemitismus und die ersten Anzeichen des kommenden Nationalsozialismus werden deutlich.
Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Fließt in den teuren Hotels der Champagner und glitzern die Juwelen, leben die Menschen in den Arbeiterbezirken in unglaublichem Elend. Krankheiten und Hunger sind an der Tagesordnung, das Heer der Arbeitslosen wächst.
Ariel Spiro, der noch nicht lange in Berlin lebt, ist weiterhin der Außenseiter. Da hilft ihm der Erfolg als Kommissar bei seinem letzten Fall nicht viel. Im Gegenteil, das hat auch Neid und Eifersucht geweckt. Zwei Tote werden gefunden, keiner kennt sie und keiner vermisst sie. Gestorben auf einem Ausflugsdampfer und in einem Bus, inmitten von Menschen, die nichts gesehen haben.
Dann trifft Ariel wieder auf Nike. Sie haben sich einmal etwas bedeutet, aber nun will Nike Anton vermisst melden. Einen jungen Sozialdemokraten, den sie bei ihrer freiwilligen Arbeit bei der AWO kennengelernt hat. Liebt sie ihn oder ist es nur der sexuelle Reiz? Oder ist es nur Ausflug in der Arbeiterwelt, den Nike in der Kleidung ihres Dienstmädchens inkognito unternimmt, aus hehren Beweggründen, aber immer auch mit der garantierten Rückkehr in den gediegenen Luxus ihrer Bankiersfamilie.
Kerstin Ehmer hat schon mit ihrem ersten Krimi ein erstaunliches Gespür für die Stimmung der Zeit gezeigt. Den historischen Hintergrund fand ich auch in ihrem neuen Buch unglaublich faszinierend dargestellt. Das ist wie eine Geschichtslektion aus erster Hand. Es fließt viel aus der unruhigen Zeit der Weimarer Republik als Handlungshintergrund in das Buch ein. Das macht für mich den Reiz dieses Kriminalromans aus. Ich finde, die Autorin hat den Ton dieser Zeit perfekt getroffen.
Ihre Figuren sind vielschichtig gezeichnet, auch in den abstoßenden Charakteren finden sich noch menschliche Züge. Stark sind auch ihre Frauenfiguren, wie Nike, die selbstbewusste junge Frau, die in ihrem Medizinstudium aufgeht – auch nicht selbstverständlich in der Zeit – und Helene, die starke Frau aus dem Arbeitermilieu, die ihre ganze Kraft einsetzt um ihre Familie zusammenzuhalten.
Ein spannender Kriminalroman mit einem überzeugendend erzählten historischen Hintergrund. Ein Ermittler, Ariel Spiro, vom dem man unbedingt mehr lesen möchte. Das ist mein Fazit für dieses Buch, das ich wirklich empfehlen kann.