lebendige Mythologie
Ich bin Circe
Circe, Tochter des Helios und der Perse leidet sehr an der Verachtung, die ihr von ihrer Familie entgegengebracht wird. Sie sei zu hässlich und ihre Stimme zu dünn. In den Augen ihrer Familie, die aus ...
Circe, Tochter des Helios und der Perse leidet sehr an der Verachtung, die ihr von ihrer Familie entgegengebracht wird. Sie sei zu hässlich und ihre Stimme zu dünn. In den Augen ihrer Familie, die aus Titanen und Nymphen besteht, ist sie eine Missgeburt.
Durch Zufall findet Circe jedoch heraus, dass die Wirkstoffe von bestimmten Pflanzen jeden in seine eigentliche, wahre Gestalt verwandeln kann. Erst verwandelt sie damit ihren sterblichen Geliebten, um ihn an sich zu binden. Und später eine Cousine, aus Rache dafür, dass diese ihr eben diesen Geliebten weggenommen hat. So ist sie diejenige, die für das Entstehen des Monsters Scylla verantwortlich ist.
Als Strafe dafür und aus Angst der Olympier vor dieser neuen erdgebundenen Kraft, der sie nichts entgegensetzen können, wird Circe auf eine Insel verbannt. Hier lebt sie ihr Leben meist alleine, doch gelegentlich treffen Seefahrer bei ihr ein, bis eines Tages auch Odysseus vor ihr steht.
Dies dürfte der Teil der Geschichte sein, der den meisten bekannt ist, ist dies doch ein Teil aus Homers Odyssee. Doch Circe ist mehr als nur die Hexe, die Odysseus Männer in Schweine verwandelt hat.
Madeline Miller gelingt es in ihrem Buch, die doch oft etwas trockenen Göttersagen und Heldengeschichten der griechischen Mythologie lebendig werden zu lassen. So begegnen wir nicht nur Odysseus, sondern auch Daidalos und wohnen der Geburt des Minotaurus bei. Indirekt erfahren wir, wie es Ariadne und Theseus erging, was Medea dazu brachte das goldene Vlies zusammen mit Iason von ihrem Vater zu entwenden und wie es am Hof des Titanen Okeanos zuging.
Circe selbst lernt man sehr gut kennen, ihre Zweifel, ihre Wünsche. Alleine auf ihrer Insel und mit Unsterblichkeit gesegnet (oder vielleicht eher verflucht?) hat sie genügend Zeit sich und ihr Verhalten zu reflektieren. Und zu erkennen, dass sie den Sterblichen doch eher zugeneigt ist, als dem unsterblichen Götterhaufen, aus dem sie entstammt. Die Autorin lässt das Handeln der Götter teilweise wie Kindergartengehabe aussehen, in dem die Sterblichen einzig ein gesichtsloses Spielzeug sind, das man bei Gelegenheit einfach entsorgen kann. Circe hingegen entwickelt früh ein Gewissen, im Gegensatz zu ihrer Familie.
Die griechische Mythologie wird hier einmal aus der weiblichen Sicht erzählt. Circe interessiert sich eigentlich nicht für Politik, sie ist an den Menschen und ihrer Umgebung interessiert. Dies wird ihr, alleinstehend auf ihrer Insel, aber auch zum Verhängnis. Da sie allein ist und keinen männlichen Beschützer an ihrer Seite hat, ist sie für die schiffbrüchigen Seefahrer Freiwild. Nur mit ihrer Hexenkraft kann sie sich gegen die Übergriffe wehren, daher nennt sie bald eine Menge Schweine ihr Eigen. Erst Odysseus lehrt sie, nicht alle über einen Kamm zu scheren.
Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen. Die lebendige Erzählweise macht das Buch gut lesbar und Circe wächst dem Leser schnell ans Herz. Ihre Entwicklung ist gut nachvollziehbar und bringt sie dem Leser nahe, was bei den üblichen Mythologie Geschichten eher selten der Fall ist. Am Ende fällt es schwer das Buch zuzuklappen und sie zu verlassen.
Vieles wird dem Leser sicher bekannt vorkommen, aber dieses Buch schafft es den vorhandenen, bekannten Rahmen mit Leben zu füllen. Daher kann ich das Buch nicht nur Lesern mit genauen Kenntnissen der griechischen Mythologie empfehlen.