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Veröffentlicht am 23.01.2019

Faszinierend-verstörende Geschichte erstickt im Sprachgewirr

Die Klavierspielerin
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"Die Klavierspielerin" berichtet eine drastisch-verstörende Geschichte und dies durchaus mit psychologischer Raffinesse. Es geht um eine höchst ungesunde Mutter-Tochter-Beziehung und die psychologische ...

"Die Klavierspielerin" berichtet eine drastisch-verstörende Geschichte und dies durchaus mit psychologischer Raffinesse. Es geht um eine höchst ungesunde Mutter-Tochter-Beziehung und die psychologische Verstümmelung der Tochter Erika, die auf immer drastischere Weise versucht, sich selbst, überhaupt irgendetwas, zu spüren.

Das ist von der Thematik her ausgesprochen interessant und hat mich neugierig gemacht. Immer wieder las ich vorab, wie wichtig bei Jelineks Büchern auch die Sprache sei, und dem kann ich einerseits durchaus zustimmen. Der Umgang der Autorin mit Worten ist bewundernswert - hier agiert eine Sprachvirtuosin. Die gelungenen Vergleiche, die bildhafte Ausdrucksweise, die ungewohnte Verwendung von Worten haben mich gleich angesprochen.

Auch die Geschichte an sich ist, wie erwartet, faszinierend. Das Eingesperrtsein Erikas in die viel zu enge Beziehung zu ihrer Mutter ist förmlich spürbar. Ihr ganzes Leben schon wird sie von der Mutter erstickt, in die gewünschte Form gepreßt, überwacht, manipuliert. Sie wehrt sich einerseits zwar ab und an brutal, aber letztlich hat die Mutter die größere Macht. Die innerlich abgestumpfte Erika treibt es wie zum Ausgleich in die dunklere Seite der Stadt, sie wird zu Voyeurin in Peepshows, beobachtet Paare beim lieblosen Geschlechtsakt in den Praterauen. Sie fügt sich selbst körperlichen Schmerz zu und ist zu menschlichen Beziehungen nicht fähig.

So sollte doch eigentlich, wenn die Sprache so meisterhaft benutzt wird und die Geschichte derart fesselnd ist, dem Lesevergnügen nichts im Wege stehen. Leider habe ich mich durch dieses Buch mehr oder weniger durchgekämpft und nur wegen der Sprache und dem Interesse, wie es nun ausgehen wird, durchgehalten. Während ich Jelineks Sprache sehr mochte, fand ich ihre Erzählweise nahezu unerträglich zäh. In endlos langen Absätzen, die auf den Buchseiten schon wie solide Mauern wirken, nahezu ohne mündliche Rede, wird hier ausführlich erzählt und erzählt und erzählt. Jeder Gedanke wird mehrmals hintereinander ausgeführt, in lähmender Detailfreude. Jede Handlung, jedes Geschehen zieht sich dahin. Immer wieder begann ich einen neuen Abschnitt mit Interesse und merkte dann, daß sich wieder ein Berg an Worten vor mir auftürmte. Um an die Geschichte zu kommen, muß man sich durch viele redundante Worte und Sätze hindurchwühlen. Dadurch ging für mich auch die Wirkung der Geschichte meistens verloren. Ja, die Schilderungen sind oft drastisch, aber umpackt von zu viel Füllmaterial. Weniger wäre hier viel mehr gewesen.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Der Typ auf der Party...

Nachkriegsland. Eine Spurensuche
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...der einem dem ganzen Abend im Brustton der Überzeugung erzählt, warum "das System" falsch ist, nur er es durchschaut und er überhaupt genau weiß, wie das alles so läuft, den kennen wir wahrscheinlich ...

...der einem dem ganzen Abend im Brustton der Überzeugung erzählt, warum "das System" falsch ist, nur er es durchschaut und er überhaupt genau weiß, wie das alles so läuft, den kennen wir wahrscheinlich alle. Beim Lesen dieses Buches fühlte ich mich ein wenig wie auf solch einer Party.

Ich gebe zu, daß ich mir von dem Buch an sich etwas anderes erwartet hatte: mehr Informationen, weniger Politisiererei. Es interessiert mich, wie die Nachkriegsgeneration jene Zeit erlebt hat, wie der Umgang mit den Eltern war, wie diese Eltern mit ihren Erlebnissen, Traumata und auch ihrer Schuld umgegangen sind. Ich habe mehrere Bücher gelesen, in der die Nachkriegsgeneration auf die Suche geht und das Gespräch mit oder wenigstens Informationen über die Eltern sucht. "Was haben meine Eltern im Krieg gemacht?" - eine sehr wichtige Frage für diese Generation.

Ein wenig davon gibt es in diesem Buch auch. Die fünf Kapitel von Buch 1 ("Unsere Mütter und Väter") beschreiben die Familiengeschichte, die manchmal ein wenig zu sehr in allgemeine Banalitäten abgleitet, aber im Ganzen doch recht interessant zu lesen ist. Michael Brenner berichtet hier gut, wie wichtig es ihm war, herauszufinden, welche Rolle der Vater im Krieg gespielt hat, ob und wie er sich schuldig machte. Er recherchiert hier gründlich und auch das ist interessant zu lesen, insbesondere, wenn man selbst Ahnenforschung betreibt und sich für die Möglichkeiten, an Informationen zu kommen, interessiert. Schön ist auch, wie der Autor hier differenziert. Er kennt den Vater nur von einer sehr unangenehmen, lieblosen Seite, aber er betrachtet hier - und auch später im Buch - das ganze Bild, überlegt, warum der Vater so ist, was ihn seelisch derart verkrüppelt hat (dies tut er auch bei vielen anderen aus jener Generation). Angesichts der schlimmen Kindheit, die Michael Brenner durch diesen Vater erlebte, ist das bemerkenswert und war sicher auch schwer.
In diesem ersten Abschnitt beginnt aber leider auch schon eines der Dinge, die mich am Buch leider zunehmend genervt haben: die Wiederholungen.

Es gibt zahlreiche Wiederholungen im Buch, fast alles wird mehrfach erwähnt. Das fällt zB gerade sehr in den Kapiteln über die Schule auf. So wird im Kapitel über die Lehrer letztlich immer wieder das Gleiche erzählt - keiner war offen Altnazi, aber die meisten ließen durch ihre Geschichten und Aussprüche erkennen, welches Geistes Kind sie waren. Die deutsche Schuld, die Naziverbrechen werden nicht thematisiert. Das sind relevante Punkte und auch ein wichtiges Merkmal der 50er und frühen 60er, aber der Leser hat diese Aussage schon nach den ersten drei Erwähnungen mehr als verstanden.
Im Kapitel "Auslese und Unterwerfung" geht es um das elitäre Selbstverständnis des Gymnasiums, das der Autor besucht. Auf Seite 129: "sollten unsere Eltern, besonders diejenigen aus dem ärmeren Stadteilen, doch so einsichtig sein, ihre Kinder schnell wieder von der höheren Lehranstalt zu nehmen."
Seite 136: "Schnell hatten die Lehrer uns vermittelt, daß es besser sei, in den bürgerlichen Stadtteilen (...) zu wohnen. Wer in ärmlicheren Stadtteilen lebte, erhielt am Kirchenpauer-Gymnasium weniger Chancen und wurde schlechter behandelt."
Seite 138: "In den Klassenbüchern stand hinter unseren Namen immer auch der Beruf unserer Eltern, damit die Lehrer uns schneller einordnen konnten."
Seite 138: "Hauptaufgabe meiner Schule war die soziale Selektion." leitet einen ganzen Absatz ein, in dem dies erneut ausführlich erklärt wird.
Seite 139: "Wenn Eltern aus der Mittelschicht stammten, (...) wurden ihre Kinder besser behandelt."
Diese Neigung, bereits Gesagtes immer auf's Neue zu wiederholen, zieht sich leider durch das ganze Buch.

In der zweiten Hälfte des Buches begleiten wir den Autor durch seine Jugend- und Erwachsenenzeit. Dies geschieht durch eine etwas ungeordnete Mischung von Liedzitaten (die auch mal einen ganzen Absatz einnehmen können), historischen Informationen, ein paar eigenen Erlebnissen und eigener Meinung. Die historischen Informationen waren recht sprunghaft und meines Erachtens nicht gut dargebracht, da sie oft bekannte Ereignisse wie zB den Mauerfall so berichteten, als ob man noch nie davon gehört hätte. Vielleicht wären hier Fußnoten hilfreicher gewesen, so daß der historisch nicht so informierte Leser bei Bedarf nähere Informationen dort hätte einsehen können. Manche Kapitel lasen sich so nämlich wie ein halbherziger geschichtlicher Überblick. Warum dann ein nach eigener Darstellung so kritisch Hinterfragender hier auch noch behauptet, in der DDR wären die Nazis konsequent bestraft worden und hätten keine hohen Posten erreicht, wundert mich doch sehr. Daß diese Behauptung der DDR nicht stimmt, ist mittlerweile hinreichend bekannt.

Mit seiner Meinung hält der Autor nicht hinter den Berg, was in einem Buch über das auch politische Erwachen und eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche durchaus seinen Sinn hat. Leider geschieht die Meinungsäußerung fast durchweg polemisch. Im Nachwort weist der Autor noch darauf hin, daß er mit Absicht die politisch korrekte Sprache vermieden hat, was ja auch in Ordnung ist, aber zwischen (Zitat aus dem Nachwort) "ritualartigen Sprachübungen" und platter Polemik liegt noch sehr viel Spielraum. Da hätte man sich vielleicht eher ein Beispiel an Willy Brandt nehmen können, der direkt und ehrlich sprach, anstatt sich auf das Niveau der im Buch so oft - zu Recht - kritisierten Bild-Zeitung zu begeben (Polemik anderer zu kritisieren und sich ihrer dann selbst zu befleißigen wirkt nicht sehr ehrlich). So gehen leider viele Ansichten in dieser Polemik unter und werden zudem nicht erklärt, sondern auf Art des oben erwähnten Typen auf der Party mit der "ich schlau, alle anderen blöd"-Methode in den Raum geworfen. Schade. Ein "Gschmäckle" bekommt das Ganze, wenn die RAF mit einem lapidaren "Einerseits soll man nie töten, aber irgendwie..." verharmlost wird.
Und wenn dann - wieder mE zu Recht - die heuschreckenartige Ausweidung des Ostens nach der Wiedervereinigung kritisiert wird, kommt plötzlich ein "Für ein anderes Unternehmen gehörte ich zu denjenigen, die (...) das Ostland nach Beute durchkämmten. Glücklicherweise war ich nur ein kleines Licht und muss mich für nichts schämen."
Diese "ich war ja eigentlich nur am Rande dabei, ich habe mir nichts vorzuwerfen"-Entschuldigung also.... Im Rahmen des sonstigen Buchtextes durchaus interessant, ein wenig entlarvend.

Am Buch interessant war die Familiengeschichte und der Umgang des Autors damit, ebenso wie die Aussagen seiner Altergenossen zu ihrer Kindheit. Auch das erwachende politische Bewußtsein, die gesellschaftlichen Umwälzungen und die Erklärungen, warum dies alles Ende der 60er / Anfang der 70er aus den jungen Leuten so herausbrach, war lesenswert und informativ. Davon hätte ich mir mehr gewünscht. Das war aber leider nur ein sehr kleiner Teil des Buches.

Veröffentlicht am 16.02.2023

Larmoyante Langeweile

Das verbotene Notizbuch
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Im verbotenen Notizbuch berichtet Valeria in Tagebuchform von ihrem Leben im Rom der 1950er und ich erhoffte mir einen aufschlussreichen Blick in den italienischen Alltag jener Zeit. Alltag bekommt der ...

Im verbotenen Notizbuch berichtet Valeria in Tagebuchform von ihrem Leben im Rom der 1950er und ich erhoffte mir einen aufschlussreichen Blick in den italienischen Alltag jener Zeit. Alltag bekommt der Leser im verbotenen Notizbuch reichlich, leider ist der Blick weniger aufschlußreich als sterbenslangweilig. Valerie führt ein sehr durchschnittliches Leben. Das ist etwas, das in vielen fiktiven und auch echten Tagebüchern, die ich bereits las, durchaus unterhaltsam und interessant dargestellt werden kann. Alba de Céspedes konnte oder wollte es leider nicht. Der Schreibstil ist sehr schlicht gehalten. Nun erwartet man bei einem Tagebuch natürlich keine literarischen Stilblüten, das wäre unauthentisch, aber ganz so farblos formuliert wie hier muss auch ein - zudem fiktives, für eine Leserschaft geschriebenes - Tagebuch nicht daherkommen (wie andere Bücher dieser Art beweisen).

Nun könnte man sich an die schlichte Sprache noch gewöhnen, aber leider weist der Schreibstil weitere Mängel auf. So wiederholt Valeria mit Hingabe alles mögliche ad nauseam, was die ohnehin wenig anregende Lektüre noch langweiliger macht. Außerdem wird alles, was sich der Leser selbst erschließen könnte, unnötig ausführlich erklärt (ebenfalls gerne mehrfalls). Die Autorin serviert jede noch so banale Schlußfolgerung durch minutiöse Erklärungen auf dem Silbertablett und zerstört damit die Wirkung. Man wird beim Lesen so an die Hand genommen, daß es enervierend ist. Nun ist sicher zu berücksichtigen, daß dieses Tagebuch einen inneren Dialog Valerias mit sich selbst darstellt, in welchem sie durch das Schreiben Erkenntnisse gewinnt. Trotzdem ist es für mich als Leser sowohl zäh wie auch frustrierend, alles unablässig vorgekaut zu bekommen. Lesevergnügen kommt hier nicht auf.

Ebenfalls enervierend fand ich Valeria selbst. Sie stellt sich mit großer Hingabe als unterdrückte, sich abrackern müssende Ehefrau und Mutter dar. Dies keinesfalls gänzlich grundlos, doch merkt man recht schnell, daß Valeria die meisten Dinge, über die sie sich ausgiebig beklagt, übertrieben darstellt (das fängt schon mit dem unnötig panischen Geheimhalten des "verbotenen" Tagebuchs an und setzt sich mit künstlich dramatisierten Banalitäten fort), sie selbst verursacht hat oder sich zumindest in ihrer Rolle und dem damit einhergehende Selbstmitleid wohl fühlt. Sie erbringt Opfer, die niemand verlangt hat, und beklagt sich dann darüber, sie gebracht zu haben. Das ist schon auf den ersten Seiten anstrengend und steigert sich dann stetig weiter. Hier und da blitzt ein wenig Selbsterkenntnis durch und letztlich war es das, was mich dazu brachte, mich weiter durch diese larmoyante Langeweile zu kämpfen - die Hoffnung, daß dieses Kreisen um sich selbst irgendwann zu Ergebnissen führt. Das tut es höchstens in Ansätzen. Das Ende zeigt: das Durchhalten dieses zähen Buches hat sich jedenfalls für mich nicht gelohnt, die ennuyierende Nabelschau keine Entwicklungen gebracht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.08.2019

Verschenkte Möglichkeit - wirr und unverständlich

Rückkehr ins Dorf
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Das Buch "Rückkehr ins Dorf" hat den Untertitel "Ein Mordprotokoll" und basiert auf dem tatsächlichen Austausch des Autors mit einem Mann, der sieben Menschen ermordete. Das hört sich nach dem perfekten ...

Das Buch "Rückkehr ins Dorf" hat den Untertitel "Ein Mordprotokoll" und basiert auf dem tatsächlichen Austausch des Autors mit einem Mann, der sieben Menschen ermordete. Das hört sich nach dem perfekten Buch für mich an - wahre Kriminalfälle und Motivationen der Täter faszinieren mich und wenn hier ein Autor über die ihm vom Mörder selbst mitgeteilten Gedanken schreiben kann, verspricht das einen unmittelbaren Einblick.

Leider weiß ich nach der Lektüre des Buches nicht, warum der Mörder seine Taten beging und bin noch nicht mal sicher, wie sich die Taten überhaupt abspielten. Das liegt an dem gänzlich unzugänglichen und verwirrenden Schreibstil, der das Buch zu einer enormen Enttäuschung für mich machte.

Aufhänger des Buches sind Aufzeichnungen, die Gesine, Ehefrau des Täters findet und liest. Zwischendurch kommen einige direkte Erinnerungen des Täters an seine Kindheit. Der Klappentext spricht vom "Vermengen von Wirklichkeit und Wahn". Das geschieht so gründlich, daß man nach dem Lesen nicht wirklich weiß, worum es eigentlich geht. Der Text verzichtet auf alles, was Übersichtlichkeit schaffen würde. Wörtliche Rede wird nicht mit Anführungszeichen gekennzeichnet, was ich sowieso immer ärgerlich und auch albern finde. Das war aber hier das kleinere Problem. Der Großteil des Buches besteht aus endlos langen, nur durch Kommata unterteilten Sätzen, innerhalb denen die Perspektiven ständig wechseln. Ein Beispiel: "...langsam, vorsichtig, will den Löchern ausweichen, die der Winter in die Piste gewashen hat, was für ein seltsamer, speckiger Zettel, so Gesine, was für eine krakelige Schrift, kann aber nicht vermeiden, dass die Räder mit krachenden Stoßdämpfern, scheppernder Karosserie hineingeraten, nehme Veras empörte Ausrufe nur leise wahr, weil ich immer an den Wagen denken muss, der vor mir an der Bahnschranke gehalten hat, gleiches Modell wie meiner, gleiche Farbe, und der mir später wieder begegnet ist."
Wenn das seitenlang so geht, dann macht das Lesen einfach keinen Spaß und ohne Leserunde hätte ich dieses Buch schnell abgebrochen.

Wir werden mit Namen und Ereignissen überschüttet, die ungeordnet und stakkatohaft auf uns einströmen, die manchmal banal erscheinen, manchmal absurd. Die direkten Rückblicke in die Kindheit und Jugend sind anders geschrieben, hier finden sich Sätze in normaler Länge und die Sprache ist klar, oft gibt es hier sehr schöne Formulierungen, die mich ansgesprochen haben und sehr stimmungsvoll waren. Leider waren diese Szenen in der Minderheit.

Der Großteil des Buches erschien mir wie ein klebriges Dickicht im Halbdunklen. Für mich wurde hier eine Chance verschenkt, die Gedanken eines siebenfachen Mörders zu vermitteln, ein wenig Licht in Hintergründe und Verstörheit zu bringen.

Veröffentlicht am 19.02.2019

Keine Satire, kein Thriller, nur Oberflächlichkeit

Luckiest Girl Alive
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Was bin ich froh, daß ich dieses Buch nun durch habe. Ich habe zwischendurch schon geschaut, wie viele Seiten noch zu bewältigen sind, und wurde nur durch meine Hoffnung auf ein halbwegs sinnvolles Ende ...

Was bin ich froh, daß ich dieses Buch nun durch habe. Ich habe zwischendurch schon geschaut, wie viele Seiten noch zu bewältigen sind, und wurde nur durch meine Hoffnung auf ein halbwegs sinnvolles Ende bei der Stange gehalten.

Angesichts des Covers und des Klappentextes hatte ich mir eine dunkle ausgefeilte Geschichte erwartet, das allmähliche Ans-Licht-Treten der dunklen Geheimnisse hinter der Fassade. Solche Geschichten mag ich ausgesprochen gerne. Bekommen habe ich eine unausgegorene Mischung. Für eine Satire war es nicht bissig genug, für eine Entwicklungsgeschichte fehlte die Entwicklung, die tumbe Oberflächlichkeit einer SATC-Episode wurde abrupt abgelöst von einem platten Schocker.

Hauptperson ist TifAni FaNelli, deren Geschichte wir auf zwei Zeitebenen verfolgen, immer mit abwechselnden Kapiteln, was eine gute Idee ist. In der Gegenwart ist sie achtundzwanzig und so substanzlos, daß sie schnell langweilig wird. Im ersten Kapitel erfahren wir bereits deutlich ihre Maxime: dazugehören um jeden Preis. So hat sich TifAni alles zugelegt, was in Manhattan zum „Dazugehören“ erforderlich ist: einen hippen Job bei einer hippen Frauenzeitschrift, einen Verlobten aus alter vermögender Familie und eine gut gepflegte Eßstörung, denn nur mit Größe 32 und drunter ist man wer. Den Verlobten - der entgegen des Klappentextes nicht adelig ist, schon weil es in den USA keinen Adel gibt - schätzt sie wegen seines Nachnamens und seines Vermögens, den Job wegen seines Prestiges. Sie hat eine ganze Liste an zu beachtenden Verhaltensweisen und während sie einerseits ständig Angst hat, daß man ihr die bescheidenere Herkunft anmerkt, be- und verurteilt sie mit Hingabe alle um sie herum.
Die Autorin hat früher für Cosmopolitan geschrieben und das merkt man eben auch - der Stil ist leicht verdaulich, ohne besondere Tiefe, mit vielen Wiederholungen. Für eine Frauenzeitschrift ganz angenehm, für ein Buch nicht ausreichend. Die Hingabe, mit der immer wieder aufs Neue beschrieben wird, wie TifAni die Aufnahme von Nahrung vermeidet oder innerlich jubelt, wenn sie ihre Kleidung ohne Aufknöpfen ausziehen kann, wirkt schon fast wie eine Anleitung zur Eßstörung, und natürlich pflegen auch in TifAnis Umfeld alle Frauen ähnliche Verhaltensweisen. Es wird keine Gelegenheit ausgelassen, Markennamen zu erwähnen, denn auch in tiefen Beziehungskrisen ist es wichtig, daß der Leser weiß, daß der Verlobte Pradaschuhe trug. Das alles ist weder humorvoll noch satirisch beschrieben und wiederholt sich in allen weiteren Gegenwartskapiteln. Obwohl wir TifAni bereits nach drei Seiten voll begriffen haben (schon alleine weil es nicht viel zu begreifen gibt), geht es 250 Seiten ausführlich so weiter. Ab und an wird auf düstere Geschehnisse in ihrer Jugend hingewiesen, auch das nutzt sich schnell ab, weil sich ansonsten nichts tut.

Die Kapitel, die die vierzehnjährige TifAni durch ihre Zeit in einer prestigereichen Privatschule begleiten, sind zumindest etwas abwechslungsreicher. TifAni ist die Gleiche wie in der Gegenwart - es zählt nur die Akzeptanz durch die „popular kids“, die „richtige“ Kleidung, jedes verlorene Pfund. Jeder, der schon einmal einen amerikanischen Teeniefilm gesehen hat, weiß, wie es weitergeht: die popular kids, deren reiche Eltern ihnen jeden Weg ebnen, sind gewissenlos und nutzen die sich andienende TifAni aus, denken ausschließlich an sich und ihre Bedürfnisbefriedigungen. Das ist alles nicht neu, wenn es auch hier etwas drastischere Formen annimmt. Hier blitzt ab und an eine potentiell interessante Geschichte durch, aber letztlich ist TifAnis Verhalten so wenig nachvollziehbar, daß ich beim Lesen häufig mit den Augen rollte, der Reichtum der popular kids wird, passend zum restlichen Stil des Buches, beständig erwähnt und das Nicht-Essen findet selbstverständlich reichlich Raum. Subtilität gehört nicht zum Repertoire der Autorin.

Nach den oben erwähnten 250 Seiten mit den ewig gleichen Themen, ohne Charakterentwicklung, fast ohne Handlung, kommt dann das dunkle Ereignis recht plötzlich und ziemlich platt erzählt. Zu dem Zeitpunkt war ich von dem dahinplätschernden Buch ohnehin schon so genervt, daß es mir ziemlich egal war, was nun geschah. Die Autorin schaffte es, meine ohnehin schon kaum noch vorhandenen Erwartungen noch zu unterbieten. Nach also wirklich schockierenden Ereignissen mit zahlreichen Todesfällen zeigt sich, daß TifAni keinerlei Entwicklung durchgemacht hat. Egal, wer alles grausam gestorben ist, für TifAni geht es weiterhin nur um ihre gesellschaftliche Weiterentwicklung, ihre Anerkennung. Dies wird noch plakativ und albern untermalt durch die Erleuchtung, die sie beim Anblick einer Frau mit Pradahandtasche ereilt. (Wer es noch nicht wußte: Prada macht unverwundbar und erfolgreich. Ist mir bei meiner Handtasche zwar noch nicht aufgefallen, aber vielleicht geht es nur in Kombination mit den anderen unverzichtbaren Faktoren.) Nicht nur TifAnis Verhalten ist so unglaublich, daß das Weiterlesen keinen Spaß macht, auch das ihrer Eltern ist schlichtweg absurd. Das Oberflächliche gleitet ab ins Lächerliche. Das Ende reißt es dann tatsächlich noch ein klein wenig raus und man bekommt das Gefühl, daß es eine gute Geschichte hätte sein können, wenn sie gut erzählt worden wäre. So aber erstickt Potential unter Schichten platter Oberflächlichkeit.