Mittelteil mit kleinen Schwächen
Palace of Silk - Die VerräterinNachdem mich der erste Teil Palace of Glass – Die Wächterin so unglaublich gut gefallen hat, musste nach dessen dramatischen Ende natürlich recht schnell die Fortsetzung her.
„Das Debüt einer hochbegabten ...
Nachdem mich der erste Teil Palace of Glass – Die Wächterin so unglaublich gut gefallen hat, musste nach dessen dramatischen Ende natürlich recht schnell die Fortsetzung her.
„Das Debüt einer hochbegabten Autorin“ – dem kann ich nach dem zweiten Teil nur voll und ganz zustimmen! Ich kann gar nichr in Worte fassen, wie sehr mich die Welt von Rea gefangen genommen hat, wie sehr ich mitgefiebert und mitgelitten habe! Wo ich im ersten Teil noch bemängelt habe, dass ich das außergwöhnliche Worldbuilding als etwas sperrig und für den Leser noch nicht ganz zugänglich empfunden habe, so konnte ich in Palace of Silk komplett ins Buch abtauchen und ehrlich gesagt nur schwer wieder auftauchen. Es hat mich so gefesselt, dass danach erst einmal eine Leseflaute auf mich gewartet hat.
Das soll euch aber nicht davon abschrecken, diese wunderbare Trilogie zu lesen, ganz im Gegenteil. C. E. Bernard schafft mit dieser Trilogie etwas, was deutsche Autoren für meinen Geschmack leider nur sehr schaffen, nämlich ein völlig neues und gleichzeitig unglaublich komplexes Konzept zu entwerfen und dabei noch bei einem großen Verlag in entsprechender Auflage verlegt zu werden. Solche Schätze dürften gerne mehr gehoben werden; ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch im Selfpublisherbereich enormes Potential steckt.
Reas Geschichte scheint nach den sich überschlagenden Ereignissen am Ende von Palace of Glass in Paris zunächst ruhiger geworden zu sein, denn Magdalenen müssen hier keine Verfolgung fürchten. Sie muss sich nicht verstecken vor lauter Furcht, entdeckt zu werden. Dadurch, dass auch hier das Berührungsverbot, das wir aus London kennen, nicht gilt, ist Reas Leben freier. Es hat mir hier unglaublichen Spaß gemacht, mit ihr gemeinsam das bunte und freie Leben in Paris zu entdecken und über diesen völlig konträren Lebensentwurf zu staunen.
Ich finde, dass durch diesen krassen Gegensatz in Band 2 der Weltenentwurf in Band 1 umso erschreckender nachwirken kann. Im ersten Teil bei einigen Details des Settings und Worldbuildings noch den Sinn hinterfragend, ergibt sich dieser nun im Zusammenspiel mit der Fortsetzung. Man merkt dadurch, dass wirklich mehr hinter der Geschichte steckt und sich das Rahmenkonzept über die gesamte Trilogie erstreckt. Dies finde ich als Leser immer wahnsinnig toll!
Apropos mehr dahinter stecken: die enthaltene Kritik an der Londoner Gesellschaft und dass die Stimmung durch (gezielte) Ereignisse auch in Paris umschlagen kann, fand ich sehr gelungen. Man merkt als Leser, dass es nicht nur um spanndende Handlung geht, sondern dass auch eine gewisse Message enthalten ist.
Das anfänglich befreiende Leben in Paris scheint jäh ein Ende zu finden, als die Ereignisse aus London Rea einzuholen drohen. Und so findet sie sich am französischen Königshof wieder und begegnet alten und neuen Bekannten. Natürlich treffen wir Ninon wieder, dessen Leibwächterin Rea werden soll – denn Ninon soll Robin heiraten. So auch wieder mit den eigenen Emotionen konfrontiert, muss Rea einige Entscheidungen treffen, die ihr Leben entweder in die eine oder andere Richtung verändern werden. Reas Gefühlswelt fand ich dabei immer sehr authentisch und hat mich als Leser vollkommen abgeholt. Die Geschichte wird sehr dramatisch, sowohl was die Handlung als auch die Emotionen angeht.
Eine neue Antagonistin betritt das Spielfeld und ist nicht einfach zu durchschauen. Sie ist für mich perfekt konzeptioniert und ich wurde am Ende des zweiten Bandes entsprechend durch diverse Wendungen überrascht! Madame Hiver war so klasse umgesetzt, dass ich teilweise eine Gänsehaut beim Lesen bekommen habe! Chapeau!
Besonders gut gefallen hat mir dabei aber auch die unkonventionellen Beziehungsgeflechte um Blanc und die Mousquetaires. Ich möchte euch hier nicht zuviel spoilern, aber diese ist so feinfühlig und gefühlvoll geschrieben – ich habe richtig mitgelitten und hätte den Charakteren am liebsten zugerufen, dass sie sich endlich ausleben sollen! Dass hier die Diversität zwischenmenschlicher (Liebes-)beziehungen dargestellt wird, empfand ich als äußerst erfrischend und ich begrüße die Autorin hier dazu, nicht den Weg von Klischees und dem klassischen Schema F gegangen zu sein.
Insgesamt hat mir Palace of Silk noch einen Tick besser gefallen als Palace of Glass und ich muss ehrlich sagen, dass meine Erwartungen an den abschließenden Band Palace of Fire enorm gestiegen sind! Palace of Silk ist für mich ein lebensbejahendes Werk voller flatternder bunter Bänder, Musik, Leidenschaft und Loyalität, das den Mut vermittelt, sein Leben zu leben und sich nicht mit weniger zufrieden zu geben. Manchmal muss man für das kämpfen, das richtig und wichtig ist! Go Rea!